Alle Textversionen sind inhaltlich identisch und folgen dem angegebenen Textzeugen.
Die
Fassung Erstdruck/Textzeuge zeigt die zeichengenaue Wiedergabe des Textzeugen. Nur offensichtliche Fehler sind emendiert. Alle Emendationen sind im Apparat verzeichnet. Der originale Zeilenfall ist beibehalten. Die Fassung wird auf Smartphones wegen der Zeilenlänge nicht angezeigt.
In der Textversion ohne originalen Zeilenfall wird der Zeilenfall mit einem Schrägstrich / angezeigt, die Zeile wird aber nicht umbrochen. Ansonsten folgt sie der angegebenen Textquelle.
In der Textversion ohne ſ, aͤ, oͤ, uͤ sind zusätzlich das lange ſ und historische Umlautformen der heutigen Orthographie angepasst.
Berliner Abendblätter.
15tes Blatt. Den 17ten October 1810.
Kunst-Ausstellung.
(Fortsetzung.)
Dieses im Allgemeinen vorauszuschicken, schien um deswillen nöthig, damit die tiefsinnigen und gehaltreichen Büryschen Bilder überhaupt verstanden und mit der Menge flacher und gedankenloser Gemählde nicht verwechselt werden möchten, von denen es heut zu Tage überall und auch auf der diesjährigen Ausstellung wimmelt. Dem, vornehmlich durch Mengs, verbreiteten Glauben, als könne das Gebiet der Kunst von aussen gleichsam Provinzen weise zusammen erobert werden, ist der gegenwärtige Zustand der Mahlerei unter uns, ihre Leere, Bedeutungslosigkeit und Allerwelts-Manier [liest ›Allerwelts Manier‹] hauptsächlich zuzuschreiben. Um so erfreulicher ist es daher, einen Künstler anzutreffen, der es unternimmt, den Gedanken und die Idee, als den Kern und das Wesen der Kunst, wieder in ihr gebührendes Recht einzusetzen, sollte es auch auf die Gefahr geschehen, daß seinen Werken dagegen ein Uebergewicht der Idee über die Darstellung vorgeworfen würde. Doppelte Freude aber verschafft es, wenn man gewahr wird, daß durch dieses sinnvolle Streben nach Inhalt und Bedeutung, welches überhaupt der eigenthümliche Charakter Deutscher Art und Kunst ist, dieser Künstler den großen Deutschen Meistern der Vorzeit verwandt wird, als welche in ihren Bildern ebenfalls durchaus nichts zufälliges oder unbedeutendes verstatteten, sondern allenthalben, selbst im geringfügigsten Détail, überlegt, sinnreich und beziehungsvoll erschienen.
Unter den fünf Porträten des Herrn Büry, die anjetzt nach der Stufenfolge ihrer Behandlungsarten 60 genannt werden sollen, muß aber zuvörderst ein wesentlicher Unterschied nicht übersehen werden. Zwei derselben sind die Porträte von Privatpersonen, nämlich: die Brustbilder 1) des Mahlers Herrn Genelli und 2) der jungen Frau Gräfinn von Voß; die drei anderen hingegen sind die Porträte Fürstlicher Personen, nehmlich: die Bilder in Lebensgröße 3) des jungen Prinzen von Hessen 4) Ihrer Königl. Hoheiten, der Prinzessinnen von Oranien und von Hessen, nebst der jüngsten Tochter der letzteren und 5) das Brustbild der Prinzessinn von Hessen. Wenn daher an die beiden ersteren keine anderen Ansprüche gemacht werden können, als welche überhaupt das Charakterbild zu befriedigen im Stande ist, und denen in den beiden genannten Bildern ein so vorzügliches Genüge geschieht; so machen dagegen die drei letzteren, als die Bildnisse öffentlicher Charaktere und historischer Personen, eine ganz andere, beziehungsvollere und ideenreichere Behandlung von Nöthen.
Ehe aber von diesen Bildern im Einzelnen geredet wird, können [liest ›können‹] [liest ›können‹] wir nicht verschweigen, wie wunderbar wir in den drei letzten Porträten Bürys an Van Dyck erinnert worden sind, keinesweges durch Aehnlichkeit der Behandlung oder durch irgend eine andere Uebereinstimmung, sondern einzig und allein durch den Umstand, daß Van Dyck zu seiner Zeit der Mahler der Stuarts gewesen ist.
(Wird fortgesetzt.)
Theater.
Unmaßgebliche Bemerkung.
Wenn man fragt, warum die Werke Göthe’s so selten auf der Bühne gegeben werden, so ist die Antwort gemeinhin, daß diese Stücke, so vortrefflich sie auch sein mögen, [liest ›mögen‹] [liest ›mögen‹] der Casse nur, nach einer häufig wiederholten Erfahrung, von unbedeutendem Vortheil sind. Nun geht zwar, ich gestehe es, eine Theater Direction, die, bei der Auswahl ihrer Stücke, auf nichts, 61 als das Mittel sieht, wie sie besteht, auf gar einfachem und natürlichem Wege, zu dem Ziel, der Nation ein gutes Theater zu Stande zu bringen. Denn so wie, nach Adam Smith, der Bäcker, ohne weitere chemische Einsicht in die Ursachen, schließen kann, daß seine Seṁel [liest ›Semel‹] [liest ›Semel‹] gut sei, wenn sie fleißig gekauft wird: so kann die Direction, ohne sich im Mindesten mit der Kritik zu befassen, auf ganz unfehlbare Weise, schließen, daß sie gute Stücke auf die Bühne bringt, wenn Logen und Bänke immer, bei ihren Darstellungen, von Menschen wacker erfüllt sind. Aber dieser Grundsatz ist nur wahr, wo das Gewerbe frei, und eine uneingeschränkte Concurrenz der Bühnen eröffnet ist. In einer Stadt, in welcher mehrere Theater nebeneinander bestehn, wird allerdings, sobald auf irgend einem derselben, durch das einseitige Bestreben, Geld in die Casse zu locken, das Schauspiel entarten sollte, die Betriebsamkeit eines andern Theaterunternehmers, unterstützt von dem Kunstsinn des besseren Theils der Nation, auf den Einfall gerathen, die Gattung, in ihrer ursprünglichen Reinheit, wieder festzuhalten. Wo aber das Theater ein ausschließendes Privilegium hat, da könnte uns, durch die Anwendung eines solchen Grundsatzes, das Schauspiel ganz und gar abhanden kommen. Eine Direction, die einer solchen Anstalt vorsteht, hat eine Verpflichtung sich mit der Kritik zu befassen, und bedarf wegen ihres natürlichen Hanges, der Menge zu schmeicheln, schlechthin einer höhern Aufsicht des Staats. Und in der That, wenn auf einem Theater, wie das Berliner, mit Vernachlässigung aller anderen Rücksichten, das höchste Gesetz, die Füllung der Casse wäre: so wäre die Scene unmittelbar, den spanischen Reutern, Taschenspielern und Faxenmachern einzuräumen: ein Specktakel, bei welchem die Casse, ohne Zweifel, bei weitem erwünschtere Rechnung finden wird, als bei den göthischen Stücken. Parodieen hat man schon, vor einiger Zeit, auf der Bühne gesehen; und wenn ein hinreichender Aufwand von Witz, an welchen [emendiert in ›welchem‹] es diesen Producten zum Glück gänzlich gebrach, an ihre Erfindung gesetzt worden wäre, so würde [liest ›würde‹] [liest ›würde‹] es, bei der Frivolität der Gemüther, ein Leichtes gewesen sein, das Drama vermittelst ihrer, ganz und gar zu verdrängen. vedrängen. Ja, gesetzt, die Direction käme auf den Einfall, die göthischen Stücke so zu geben, daß die Männer die Weiber- und die Weiber die Männerrollen spielten: falls irgend auf Costüme und zweckmäßige Carrikatur einige Sorgfalt verwendet ist, so wette ich, man schlägt sich an der Casse 62 um die Billets, das Stück muß drei Wochen hinter einander wiederholt werden, und die Direction ist mit einemmal wieder solvent. — Welches Erinnerungen sind, werth, wie uns dünkt, daß man sie beherzige.
H. v. K.
An die Nachtigall.
(Als Mammsell Schmalz die Camilla sang.)
Nachtigall, sprich, wo birgst du dich doch, wenn der tobende Herbstwind Rauscht? — In der Kehle der Schmalz überwintere ich.
Vx.
Miscellen.
Nach einem Briefe aus Fontainebleau in der Liste der Börsenhalle ist am 31 September die Schwangerschaft Ihrer Majestät der Kaiserinn dem diplomatischen Korps officiel angezeigt, auch der Reichserzkanzler nach Paris abgefertigt worden um dem Senate diese erfreuliche Mittheilung zu machen.
Die Miszellen der neuesten Weltkunde vom 3 Oktober (ein auswärtiges, in der Schweiz erscheinendes Blatt) enthalten eine Rechtfertigung des glorreichen Andenkens König Friedrich Wilhelms II von Preussen gegen die Angriffe der topographischen Chronik von Breslau.
Polizeiliche Tages-Mittheilungen.
Einem Lieutenant von [emdendiert in ›vom‹] Brandenburgschen Husaren-Regiment sind aus einer verschlossenen Stube mehrere Uniformstücke gestohlen, und einem Schiffer aus seinem Kahne hinter dem Stralauer Kohlenmarkt durch Erbrechung der Kajüte und eines darin befindlichen Schrankes 150 Thlr. in verschiedenen Münzsorten.
Ein Hausknecht ist, durch einen herabgestürzten Dachstein, fast tödlich am Kopf verwundet.
Ein Dienstmädchen ist beim Messerputzen plötzlich an einem Blutsturz gestorben.
Freitag früh sprang in einer hiesigen Brennerei der Blasenkopf ab. Vier Kinder von resp. 14 und 11 Jahren, welche in der Brennerei waren, um sich zu wärmen, sind durch die heiße Masse verbrüht. [liest ›verbrüht.‹] Indeß ist die Beschädigung nicht lebensgefährlich, und vom sogleich herbeigerufenen Arzt sind Heilmittel angeordnet.