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Kunst-Ausstellung.
Gestern
endlich ist auch das Porträt der
hochseeli¬
gen
Königinn vom Herrn Wilhelm Schadow auf
die
Ausstellung gebracht worden.
Bey Lebzeiten Ihrer Majestät ist es keinem5
Mahler gelungen, ein nur einigermaaßen ähnliches
Bild von Ihr
hervorzubringen. Wer hätte es auch
wagen dürfen,
diese erhabene und doch so heitere
Schönheit, die lebendige, bewegliche,
geistreiche, hold¬
selige
Freundlichkeit und den ganzen, unendlichen, 10
immer neuen Liebreitz Ihres
Wesens neben dem
Ausdrucke des sinnigen Ernstes und der würdevol¬
len Hoheit in dieser
königlichen Frau festhalten oder
gar wiedergeben zu wollen? Erst nachdem Sie selbst
hinweggenommen worden ist, und
die niederschla¬15
gende
Vergleichung mit dem unerreichbaren Origi¬
nale nicht mehr Statt finden kann, scheint die be¬
geisterte Trauer, womit um sie geklagt wird, Ihr
Bild treuer ergriffen zu haben.
Seine Majestät, der König, hat das Schadow¬20
sche
Porträt für das ähnlichere erklärt und dadurch
den Werth desselben in dieser
Rücksicht bestimmt.
Denn wo gäbe es einen
sicherern Maaßstab dafür,
wo ein lebendigeres und vollständigeres Bild der
verewigten Monarchinn als in der treuen trauren¬25
den Erinnerung des erhabenen Wittwers? Der Kö¬
nig
findet das Bild ähnlich; Er billigt es; mehr
bedarf es nicht, um demselben
alle Stimmen zuzu¬
wenden.
Daß Sein heiliger Schmerz ohne Wider¬
[ 6 ]24willen und Störung bei diesen Zügen verweilen
30
kann, dadurch wird dies Bild geadelt und weit
hinausgehoben über jede Verantwortlichkeit gegen
Wünsche, Forderungen und
Ansprüche, die daran
von
Liehabern,
Liebhabern,
Liebhabern, [emendiert ohne Hinweis im Kommentar]
Kennern und Künstlern anderweitig
erhoben werden könnten. 35
Ueberdem scheint dasselbe noch nicht ganz fertig
gemahlt zu seyn, und kann auch aus diesem Grunde
einer
vollständigen Beurtheilung noch nicht unter¬
worfen werden. Indessen ist es
nicht unbillig,
daß die Kritik, mit je größerem Rechte dieses Bild 40
des
jungen Mahlers sich derselben
entzieht, um desto
strenger in der Beurtheilung der übrigen Porträte
verfahre, womit derselbe die Ausstellung hat zieren
wollen.
(Wird fortgesetzt.)45
Anekdote aus dem letzten preußischen
Kriege.
In einem bei Jena liegenden Dorf, erzählte mir, auf einer
Reise nach Frankfurt, der Gastwirth, daß sich
mehrere Stunden
nach der Schlacht, um die Zeit, da das Dorf schon ganz von
der
Armee des Prinzen von
Hohenlohe verlassen und von Franzosen, 50
die es für besetzt
gehalten, umringt gewesen wäre, ein einzelner
preußischer Reiter darin
gezeigt hätte; und versicherte mir, daß wenn
alle Soldaten, die an diesem
Tage mitgefochten, so tapfer gewesen
wären, wie dieser, die Franzosen hätten
geschlagen werden müssen,
wären sie auch noch dreimal stärker gewesen, als
sie in der That 55
waren. Dieser Kerl, sprach der Wirth, sprengte,
ganz von Staub
bedeckt, vor meinen Gasthof, und rief: „Herr Wirth!“ und da
ich
frage: was giebt’s? „ein Glas Branntewein!“ antwortet er, in¬
dem er sein Schwerdt in die
Scheide wirft: „mich dürstet.“ Gott
im Himmel!
sag’ ich: will er machen, Freund, daß er wegkömmt? 60
Die Franzosen sind ja dicht vor dem Dorf! „Ei, was!“ spricht er,
indem er dem Pferde den Zügel über den Hals legt. „Ich habe
den ganzen Tag nichts genossen!“ Nun er
ist, glaub’ ich, vom Sa¬
tan
besessen — !
He! Liese! rief ich, und schaff’ ihm eine Flasche
Danziger herbei, und sage:
da! und will ihm die ganze Flasche in 65
die Hand
drucken,
drücken,
drucken, [nicht emendiert]
drucken, [nicht emendiert]
damit er nur reite. „Ach, was!“ spricht er,
in¬
dem er die Flasche
wegstößt, und sich den Hut abnimmt: „wo soll
ich mit dem Quark hin?“ Und: „schenk’ er ein!“ spricht er, indem
25er sich den Schweiß von der Stirn abtrocknet: „denn ich habe
keine
Zeit!“ Nun er ist ein Kind des Todes, sag’
ich. Da!
sag’
sag
sag
ich, und 70
schenk’ ihm ein; da! trink’ er und reit’ er!
Wohl mag’s ihm be¬
kommen: „Noch Eins!“ spricht der Kerl; während die Schüsse
schon von allen Seiten ins Dorf prasseln. Ich
sage: noch Eins?
Plagt ihn — !
„Noch Eins!“ spricht er, und streckt mir das Glas
hin —
„Und gut
gemessen“
gemessen,“
spricht er, indem er sich den Bart 75
wischt, und sich vom Pferde herab
schneuzt:
denn
„denn
es wird baar be¬
zahlt!“
Ei, mein Seel, so wollt ich doch, daß ihn — ! Da!
sag’
ich, und schenk’ ihm noch, wie er verlangt, ein Zweites, und schenk’
ihm, da er getrunken, noch ein Drittes ein, und frage: ist er nun
zufrieden?
„Ach!
„Ach!“
— schüttelt sich der Kerl. „Der Schnaps ist 80
gut! — Na!“ spricht er, und setzt sich den Hut auf: „was bin ich
schuldig?“ Nichts! nichts! versetz’ ich.
Pack’ er sich, ins Teufels¬
namen; die Franzosen ziehen augenblicklich ins Dorf! „Na!“ sagt
er, indem er in seinen Stiefel greift: „so
solls ihm Gott lohnen,“
Und
und
Und [wird nicht emendiert]
Und [wird nicht emendiert]
holt, aus dem Stiefel, einen Pfeifenstummel hervor, und85
spricht,
nachdem er den Kopf ausgeblasen: „schaff’ er mir Feuer!“
Feuer?
Feuer
Feuer
sag’
sag
sag
sag
ich: plagt ihn — ?
„Feuer, ja!“ spricht er: „denn ich
will mir eine Pfeife
Taback anmachen.“ Ei, den Kerl reiten Le¬
gionen — ! He, Liese,
ruf ich das Mädchen! und während der Kerl
sich die Pfeife stopft, schafft
das Mensch ihm Feuer. „Na!“ sagt90
der Kerl, die Pfeife, die er sich angeschmaucht, im Maul: „nun sol¬
len doch die Franzosen die Schwerenoth
kriegen!“ Und damit, in¬
dem er sich den Hut in die Augen drückt, und zum Zügel greift,
wendet er das Pferd und zieht von Leder. Ein
Mordkerl! sag’ ich;
ein verfluchter, verwetterter Galgenstrick! Will er sich ins Henkers 95
Namen scheeren, wo er
hingehört? Drei Chasseurs — sieht er nicht?
halten ja schon vor dem Thor?
„Ei was!
„Ei was!“
spricht er, indem er aus¬
spuckt; und faßt die drei Kerls blitzend ins Auge. „Wenn ihrer
zehen wären, ich fürcht mich nicht.“ Und in dem Augenblick reiten
auch die drei Franzosen
schon ins Dorf.
„Bassa Manelka!
„Bassa Manelka!“
ruft der 100
Kerl, und giebt seinem Pferde die Sporen und sprengt auf sie
ein;
sprengt, so wahr Gott lebt, auf sie ein, und greift sie, als ob er
das ganze Hohenlohische Corps hinter sich hätte, an; dergestalt, daß,
da die Chasseurs, ungewiß, ob nicht noch mehr Deutsche im Dorf
sein mögen, einen Augenblick, wider ihre Gewohnheit, stutzen, er, 105
mein Seel’, ehe man noch eine Hand umkehrt, alle drei vom Sat¬
tel haut, die Pferde, die auf
dem Platz herumlaufen, aufgreift, da¬
mit bei mir vorbeisprengt, und: „Bassa Teremtetem!“ ruft, und:
„Sieht er wohl, Herr Wirth?“ und „Adies!“ und „auf Wieder¬
sehn!“ und: „hoho! hoho!
hoho!“ — — So einen Kerl, sprach 110
der Wirth, habe
ich Zeit meines Lebens nicht gesehen.
Polizeiliche Tages-Mittheilungen.
Der Posamentier-Meister
Martin Friedrich Krü¬
ger, in der Frankfurter Straße Nr. 45, hat sich gestern,
aus Melancholie, an
seinen Arbeitsstuhl erhenkt. 115
Dem Fräulein v. d. Marwitz sind Vormittags
zwischen 9 und 10 Uhr, aus
einer verschlossenen Stube,
mittelst Nachschlüssel, 2 Uhren, 5
Thalerstücke und
einige Groschen Münze gestohlen. Nachmittags dem
unter den Linden
wohnenden Musikus Hamburg ein 120
brauner Ueberrock.
Dem Kleidermacher Pahlert in der Canonierstraße
Nr. 14, aus
einer verschlossenen Commode, 8 Thaler
Sächsisch Courant.
Zwei Kohlenträger sind, wegen Tabackrauchens bei
125
den Kohlen, verhaftet.
Gerüchte.
Ein Schulmeister soll den originellen Vorschlag
gemacht haben, den, wegen Mordbrennerei verhafteten
Delinquenten
Schwarz — der sich, nach einem andern 130
im Publico coursirenden Gerücht, im Gefängniß er¬
henkt haben soll — zum Besten der in
Schönberg
und Steglitz Abgebrannten,
öffentlich für Geld sehen
zu lassen.
Interessante Schriften, welche in der Buch¬135
handlung von J. E.
Hitzig zu haben sind.
J. C. F. Meister,
Ueber den Eid nach reinen Ver¬
nunftbegriffen.
Eine von den hohen Curatoren des
Stolpeschen Legats
auf der weltberühmten Universi¬
tät
Leyden gekrönte Preisschrift, nach
dem lateini¬140
schen
Originale in freyer deutscher Bearbeitung für
das liebe Deutsche Vaterland.
13 gr.