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Berliner Abendblätter.
16tes Blatt. Den 18ten October 1810.
Kunst-Ausstellung.
(Fortsetzung.)
Weder von seinem dritten noch fünften Porträte soll hier weitläuftig geredet werden. Jenes stellt den jungen Prinzen von Hessen dar, stehend vor dem mit zwei Löwen gezierten Portale eines großen Gebäudes, vielleicht eines Arsenales, und in der Linken den Stock einer weißen Fahne haltend, welche hinter Ihm um Kopf und Schultern wehet und von der rechten, in die Seite gestemmten, Hand dergestalt ergriffen ist, daß sie sich wie ein Panzerhandschuh um den Arm zu legen scheint. Dieses ist das Brustbild der edlen Mutter jenes jungen Prinzen auf allegorischem Hintergrunde.
Dagegen wollen wir es versuchen, das vierte, viel besprochene und wenig verstandene, Bild unsers Künstlers zu beschreiben und eben dadurch zu deuten, obgleich diejenigen von selbst in das Verständniß desselben eingeweiht sind, welche nicht vergessen haben, mit welcher Kraft, Entsagung, Reinheit und Würde die beiden Schwestern des Königes, zwei traurige Jahre hindurch, den Einwohnern dieser Hauptstadt die Noth und das Unglück tragen geholfen und eben dadurch erleichtert haben.
Auf dem, vom Herrn Genelli gemahlten Hintergrunde erscheint von der Süd-West-Seite, etwa vom Botanischen Garten aus, die Stadt Berlin mit ihren Thürmen, wie sie eben von schweren, dunklen Wolken, die über ihr gelegen haben, verlassen zu werden scheint. Im Vordergrunde zwischen Gebüsch, worunter links eine Aloe, sieht man schon, im hellesten Sonnenglanze, die beiden Fürstinnen. Sie scheinen von dem Palmbaume, 64 der mitten hinter Ihnen steht und seine Zweige über beide gleich verbreitet, während des Ungewitters geschützt gewesen zu seyn und schreiten nun aufrecht, ernst und voll Würde neben einander wieder vorwärts. Beide sind in altdeutscher, schwarz seidner Tracht, wie sie in jener Zeit der Trauer beständig gekleidet waren, und jede trägt einen Schawl darüber von der Farbe Ihres Hauses, rechts die Aeltere den orangefarbenen, links die Jüngere den scharlachrothen. Beide haben sich die Hand gereicht; die Aeltere scheint etwas vorauszugehen, sie blickt kräftig um sich, mit der Rechten hat Sie den Schawl gefaßt, der Ihr von den Schultern herabfallen zu wollen scheint, und um Ihren Hals an einer goldenen Kette hängt eine Denkmünze mit dem Bildnisse des großen Wilhelm von Oranien; die Jüngere folgt, mit klarer und ruhiger Gebehrde, in der Linken hält sie ein Buch, welches wir für die Legende der heil. Elisabeth zu halten uns nicht erwehren können, und vor Ihr an der rechten Seite geht Ihre jüngste Tochter, in jeder Hand eine Lilie haltend, welche sie beiden vorzutragen scheint. Indem wir das Bild beschrieben haben, ist es auch gedeutet worden. Manche Beziehung in demselben ist von uns nicht ausgesprochen worden, und andere mögen uns noch entgangen sein. Denn, wie jede Idee selbst etwas überschwengliches ist, so enthält auch jedes wahre Kunstwerk etwas unaussprechliches in sich, und deshalb wagen auch wir nicht, mit Worten auszudrücken, wie wunderbar ergreifend und rührend wir durch dieses Gemählde, durch diese ernsten und edlen Gestalten an das Recht und die Sitte sind erinnert worden.
(Beschluß folgt.)
Theater.
Den 15. Octob. Achilles von Paer.
Es sei dem Artikel National-Theater [emendiert nicht] der Berliner Zeitung vorbehalten den Inhalt der Oper Achil65les dem Publiko bekannt zu machen, wir wollen uns bloß beschränken über die Vorstellung derselben einige Bemerkungen mitzutheilen. Die Musik gehört nicht zu den gelungensten Werken Hrn. Kapellmstr. Paer’s, die er der öffentlichen Kritik Preis gab. Einem so bewährten Künstler muß es allerdings glücken, sei das Sujet so gedehnt und langweilig, wie man wolle, Melodien und einzelne Sätze zu schaffen, die das Ohr ergötzen und den Musiker so wie den Musikliebhaber, zum Beifall zwingen. So ist es bei dieser Musik der Fall. Die einzelnen Stücke eignen sich zu brillanten Concert-Parthieen, wenn auch das Ganze keinesweges dem theatralischen Effect entspricht, der sich nur durch Simplicität und Einheit des Ganzen bewirken läßt. Was der Musik aber im Wesentlichen noch großen Nachtheil gebracht hat, ist ohne Zweifel die schwerfällige unmusikalische Uebersetzung des Original-Textes, und die hier und da vielleicht aus Noth unvortheilhafte Austheilung der Rollen, so wie die ganz kraftlose, öfters nachläßige Execution des Orchesters, welches letztere in der Vorstellung v. 15ten in der That ohne gleichen matt und unaufmerksam war. Ferner, schrieb und berechnete der Compositeur die Haupt Singe-Parthien für Künstler, die er kannte und die zu damaliger Zeit, in seiner Nähe lebten. Die Rolle der Briseïs schrieb, der Meister für seine Frau, deren hohen Töne, wie bekannt, allerdings mit geringer Anstrengung hell und deutlich ansprachen. Mad. Müller hört, jeder Aufmerksame, sie hat mit Sorgfalt diese Parthie studiert und thut so viel ihr Physisches gestattet die vorgeschriebenen Noten zu heben, obgleich die meisten Töne und Passagen außer dem Gebiet ihres Vermögens liegen. Mad. Müller ist mehr für das galante und einschmeichelnde Fach geeignet, und ungewohnt, theils auch unvermögend [liest ›unvermögend‹] ein so großes Haus als das Opernhaus auszufüllen, daher sie, unter solchen Umständen, den ihr gebührenden ungetheilten Beifall nie einerndten wird, den sie im Sargin, Belmonte und Constanze und in der heimlichen Ehe erhält und gewiß in vollem Maaße verdient.
(Der Beschluß folgt.)
Stadt-Neuigkeiten.
Es ist hier von neuem und sehr allgemein das Gespräch, von einer nahe bevorstehenden totalen Reform unsers Theaters — Italiänische Oper (seria und buffa) sollen wieder eingerichtet, und 66 für Deutsches und Italiänisches Theater neue, tüchtige Subjecte gesucht werden. — Die Königl. Kapelle, an ihrer Spitze der verdiente Meister, Herr Righini, soll wieder in Aktivität kommen. — Gewiß ist, daß die berühmte Mamsell Schmalz mit 3200 Thlr. jährlichen Gehalt, vermuthlich für beide Bühnen, hier bei uns engagirt ist. Man erwartet im Laufe des Winters Mamsell Fischer und im April Mamsell Milder aus Wien, beide Sängerinnen und sehr rühmlich bekannt. —
Polizeiliche Tages-Mittheilungen.
Ein Kaufmanns-Lehrling hat sich, nachdem er auf den Namen seines Prinzipals in einem andern Comtoir 100 Thlr. aufgenommen, heimlich aus dessen Dienst entfernt.
Eine Tagelöhnerfrau hat bei einer Wittwe durch Eröffnung eines Vorhänge-Schlosses verschiedene Wäsche gestohlen.
Auf dem Neuen Markt ist einem fremden Obsthändler ein abgenutztes Gemäß zernichtet, und ein ungestempeltes mit Einziehung der gesetzlichen Strafe von 2 Thlr. in Beschlag genommen.
Ein Weinhändler ist gestern früh in seinem Keller erhenkt gefunden.
Neueste Nachricht.
Der Ballon des Hrn. Claudius soll, nach der Aussage eines Reisenden, in Düben niedergekommen sein.
Anzeige.
Zwei Aufsätze, der Eine betitelt: Christian Jacob Kraus. Antwort auf den Aufsatz im Abendblatt Nr. 11. (welcher den 14. d.) der Andere betitelt: Antikritik (welcher den 17. d. an uns abgegeben worden ist) werden, so wie der Aufsatz: Fragmente eines Zuschauers u. s. w. (der bereits vor 8 Tagen an uns abgegeben ist) nebst mehrern andern schätzbaren Aufsätzen, sobald es der Raum dieser Blätter irgend gestattet, darin aufgenommen werden; wobei wir die unbekannten Herrn Mitarbeiter, die uns mit ihren Beiträgen beehren, ganz ergebenst bitten, auf die Oekonomie dieses Blattes Rücksicht zu nehmen, und uns gefälligst die Verlegenheit zu ersparen, die Aufsätze brechen zu müssen.
Die Redaction.