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Berliner Abendblätter.
8tes Blatt. Den 9ten October 1810.
Kunſt⸗Ausſtellung.
(Fortſetzung.)
Um nun von den übrigen ausgeſtellten Arbeiten des Herrn W. Schadow zu reden, ſo bietet ſich zuförderſt das Porträt Sr. Durchl. des Fürſten Radzivil dar, als welches das Auge und mithin auch das Urtheil gewiſſermaßen herauszufordern ſcheint. Die vortheilhafte Pohlniſche Tracht mit ihren kecken Farben, die Orden, der kühne Ausdruck des männlich ſchönen Geſichtes, Alles dieſes macht Wirkung und die Aehnlichkeit iſt nicht zu verkennen. Nichts deſto weniger fehlt dem Bilde gerade das, wodurch es zum Porträt, zum Charakterbilde hätte werden können, und diejenigen, welche gewohnt ſind, dieſen geiſtreichen und liebenswürdigen Fürſten als den eifrigen Kenner und Beförderer der Künſte und Talente, als den zärtlichen Gemahl und Vater und als die Zierde der Geſellſchaft zu betrachten und zu bewundern, werden ſchwerlich in dieſem Bilde mehr von Ihm wieder finden, als die äußere Aehnlichkeit der Geſichtszüge. Das Porträt ſoll aber, nach dem, was vorhin im Allgemeinen geſagt worden iſt, keinesweges irgend einen willkührlichen, möglichen Moment des Lebens herausheben und feſthalten dürfen, ſondern vielmehr das ganze vollſtändige Leben ſelbſt im bedeutenden Auszuge darſtellen wollen; und es wird daher in demſelben durchaus keine Zufälligkeit des Beyweſens geſtattet, ſondern überall eine nothwendige Bezüglichkeit und Bedeu32tung auf das beſtimmteſte verlangt. Wozu alſo, könnte man bei dieſem Bilde fragen, der vom Winde bewegte Mantel? Wozu im Hintergrunde der unnatürlich geſchwärzte und bewölkte Himmel? Soll denn derſelbe Zufall, dem unſere Zeit ſo leichtſinniger Weiſe im Leben die Gewalt eingeräumt hat, auch im Reiche der Kunſt frei ſchalten und walten dürfen? Oder iſt es etwa die Idee dieſes Bildes, den Fürſten darzuſtellen, wie er in den Stürmen und Ungewittern der letzten Zeit den beiden, damals mit einander entzweiten Mächten, ſeinem Vaterlande und dem verſchwägerten Königshauſe, zugleich beharrlich treu und ergeben geblieben ſey? Dann würde den Künſtler der noch größere Vorwurf treffen, daß er nicht verſtanden habe, dem Geſichte einen ernſteren und tieferen Ausdruck zu geben, und das ebenfalls ausgeſtellte Porträt des Prinzen von Oranien von Herrn Erdmann Hummel würde ihn nicht wenig beſchämen, wo dieſer Prinz gehüllt in einen Mantel, worauf der ſchwarze Adler⸗Orden zu ſehen iſt, kräftig, beſonnen und gefaßt vor den bedeutungsvollen Hintergrund des offenen Meeres geſtellt worden iſt.
(Wird fortgeſetzt.)
Betrachtungen über den Weltlauf.
Es giebt Leute, die ſich die Epochen, in welchen welcher [wird nicht emendiert in ›welchen‹] welcher [wird nicht emendiert in ›welchen‹] die Bildung einer Nation fortſchreitet, in einer gar wunderlichen Ordnung vorſtellen. Sie bilden ſich ein, daß ein Volk zuerſt in thieriſcher Rohheit und Wildheit daniederläge; daß man nach Verlauf einiger Zeit, das Bedürfniß einer Sittenverbeſſerung empfinden, und ſomit die Wiſſenſchaft von der Tugend aufſtellen müſſe; daß man, um den Lehren der33ſelben Eingang zu verſchaffen, daran denken würde, ſie in ſchönen Beiſpielen zu verſinnlichen, und daß ſomit die Aeſthetik erfunden werden würde: daß man nunmehr, nach den Vorſchriften derſelben, ſchöne Verſinnlichungen verfertigen, und ſomit die Kunſt ſelbſt ihren Urſprung nehmen würde: und daß vermittelſt der Kunſt endlich das Volk auf die höchſte Stufe menſchlicher Cultur hinaufgeführt werden würde. Dieſen Leuten dient zur Nachricht, daß Alles, wenigſtens bei den Griechen und Römern, in ganz umgekehrter Ordnung erfolgt iſt. Dieſe Völker machten mit der heroiſchen Epoche, welches ohne Zweifel die höchſte iſt, die erſchwungen werden kann, den Anfang; als ſie in keiner menſchlichen und bürgerlichen Tugend mehr Helden hatten, dichteten ſie welche; welche: als ſie keine mehr dichten konnten, erfanden ſie dafür die Regeln; als ſie ſich in den Regeln verwirrten, abſtrahirten ſie die Weltweisheit ſelbſt; und als ſie damit fertig waren, wurden ſie ſchlecht.
z.
Polizeiliche Tages⸗Mittheilungen.
Am 3. d. M. hat ſich in Charlottenburg ein fremder Hund mit einem Stricke um den Hals eingefunden, und iſt nachdem er ſich mit mehrern Hunden gebiſſen hatte, und aus mehrern Häuſern verjagt war, auf den Hof des Herrn Geh. Commerz. Rath Pauli gerathen. Daſelbſt wurde er von ſämmtlichen Hunden angefallen, und weil er ſich mit ihnen herumbiß, ſo hielt man ihn für toll, erſchoß ihn, und alle Pauliſche, von ihm gebiſſene Hunde, und begrub ſie ehrlich. Dieſes Faktum hat zu dem Gerücht Anlaß gegeben, daß in Charlottenburg ein toller Hund Menſchen und Vieh gebiſſen habe. Menſchen ſind gar nicht gebiſſen, das Vieh aber, das er biß, iſt theils getödtet und begraben, theils in Obſervation geſetzt. Zudem da er ſich gutwillig aus mehreren Häuſern verjagen ließ, iſt nur 34zu wahrſcheinlich, daß der Hund gar nicht toll geweſen.
Auf dem Abendmarkt ſind 4 fremde nicht richtige Maaße zerſchlagen, und einem Butterhändler, wegen ungetreuen Abwägens, 50½ ℔. Butter confiscirt worden.
Am 7. des Abends iſt der vierjährige Sohn des Seidenwürkers Albrecht unter den Frankfurter Linden von einem Bauer übergefahren worden. Weil der Bauer nur im Schritt fuhr, gleich ſtill hielt und das Pferd über ihn wegſprang, iſt er bloß am Kopf vom Rade ein wenig geſtreift und außer aller Gefahr.
Stadt⸗Gerücht.
Die berüchtigte Louiſe, von der Mordbrenner⸗Bande, ſoll vorgeſtern unerkannt auf dem Poſthauſe geweſen ſein, und daſelbſt nach Briefen gefragt haben. Es iſt nicht unmöglich, daß dieſelbe ſich noch in dieſem Augenblick in der Stadt befindet.
Intereſſante Schriften, welche in der Buchhandlung von J. E. Hitzig zu haben ſind.
Wilhelm Kuhns Handbuch der deutſchen Sprache, mit Aufgaben zur häuslichen Beſchäftigung. Zum beſondern Gebrauch für Töchter⸗ und Elementarſchulen entworfen.
Karl Heinrich Sintenis Ciceroniſche Anthologie, oder Sammlung intereſſanter Stellen aus den Schriften des Cicero. Zwei Theile. 1 thl. 18 gr.
Druckfehler.
7tes Blatt. Seite 28. Zeile 16 von oben: lies gemahlt ſtatt gemacht.