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U. s. w.
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Achilles. Was ist’s, du wunderbares Weib, daſs du, Bellona gleich, an eines Kriegsheers Spitze, Wie aus den Wolken nieder, unbeleidigt, In unsern Streit vor Troja plötzlich fällst? Was treibt, von Kopf zu Fuſs in Erz gerüstet, So unbegriffner Wuth voll, Furien ähnlich, Dich gegen das Geschlecht der Griechen an; Du, die sich bloſs, in ihrer Schöne, ruhig Zu zeigen brauchte, Liebliche, das ganze Geschlecht der Männer dir im Staub zu sehn? Penthesilea. Ach, Nereïdensohn! — Sie ist mir nicht, Die Kunst vergönnt, die sanftere, der Frauen. Nicht bei dem Fest, wie deines Landes Töchter, Wenn zu wetteifernd frohen Übungen Die ganze Jugendpracht zusammenströmt, Darf ich mir den Geliebten ausersehn; Nicht mit dem Strauſs, so oder so gestellt, Und dem verschämten Blick, ihn zu mir locken; Nicht in dem nachtigall-durchschmetterten Granatwald, wenn der Morgen glüht, ihm sagen, An seine Brust gesunken, daſs er’s sei; Im blut’gen Feld der Schlacht muſs ich ihn suchen, Den Jüngling, den mein Herz sich auserkohr, Und ihn mit eh’rnen Armen mir ergreifen, Den diese weiche Brust empfangen soll. Achilles. Und woher quillt, von wannen, ein Gesetz, Unweiblich, du vergiebst mir, unnatürlich, Dem übrigen Geschlecht der Menschen fremd? Penthesilea. Fern aus der Urne alles Heiligen, O Jüngling: von der Zeiten Gipfeln nieder, Den unbetret’nen, die der Himmel ewig Mit Wolkenduft geheimniſsvoll verhüllt. Der ersten Mütter Wort entschied es also, 22 Und dem verstummen wir, Neridensohn, Wie deiner ersten Väter Worten du. Achilles. Sei deutlicher. Penthesilea. Wohlan! So höre mich. — Wo jetzt das Volk der Amazonen herrschet, Da lebte sonst, den Göttern unterthan, Ein Stamm der Scythen, frei und kriegerisch, Jedwedem andern Volk der Erde gleich. Durch Reih’n schon nannt’ er von Iahrhunderten Jahrhunderten Den Kaukasus, den fruchtumblühten, sein: Als Vexoris, der Äthioper König, An seinem Fuſs erschien, die Männer rasch, Die kampfverbundnen, vor sich niederwarf, Sich durch die Thäler goſs, und Greis’ und Knaben, Wo sein gezückter Stahl sie traf, erschlug; Das ganze Prachtgeschlecht der Welt gieng aus. Die Sieger bürgerten, barbarenartig, In unsre Hütten frech sich ein, ernährten Von unsrer reichen Felder Früchten sich, Und, voll der Schande Maas uns zuzumessen, Ertrotzten sie der Liebe Gruſs sich noch: Sie rissen, von den Gräbern ihrer Männer, Die Frau’n zu ihren schnöden Betten hin. Achilles. Vernichtend war, und schrecklich, Königinn, Das Schicksal, das dein Frauenvolk gebahr. Penthesilea. Doch Alles schüttelt, was ihm unerträglich, Der Mensch von seinen Schultern sträubend ab; Den Druck nur mäſs’ger Leiden duldet er. Durch ganze Nächte lagen, still und heimlich, Die Frau’n im Tempel Mars, und höhlten weinend Die Stufen mit Gebet um Rettung aus. Die Betten füllten, die entweihten, sich Mit blankgeschliffnen Dolchen an, gekeilt Aus Schmuckgeräthen, bei des Heerdes Flamme, Aus Senkeln, Ringen, Spangen: nur die Hochzeit Ward, des Äthioperkönigs Vexoris Mit Tanaïs, der Königinn, erharrt, Der Gäste Brust zusammt damit zu küssen. Und als das Hochzeitfest erschienen war, 23 Stieſs ihm die Kön’ginn ihren in das Herz; Mars, an des Schnöden Statt, vollzog die Ehe, Und das gesammte Mordgeschlecht, mit Dolchen, In einer Nacht, ward es zu Tod gekitzelt. Achilles. Solch eine That der Weiber läſst sich denken. Penthesilea. Und dies jetzt ward im Rath des Volks beschlossen: Frei, wie der Wind auf offnem Blachfeld, sind Die Frau’n, die solche Heldenthat vollbracht, Und dem Geschlecht der Männer nicht mehr dienstbar. Ein Staat, ein mündiger, sei aufgestellt, Ein Frauenstaat, den fürder keine andre Herrschsücht’ge Männerstimme mehr durchtrotzt, Der das Gesetz sich würdig selber gebe, Sich selbst gehorche, selber auch beschütze: Und Tanaïs sei seine Königinn! Der Mann, dess’ Auge diesen Staat erschaut, Der soll das Auge gleich auf ewig schlieſsen; Und wo ein Knabe noch gebohren wird, Von der Tyrannen Kuſs, da folg’ er gleich Zum Orkus noch den wilden Vätern nach. Der Tempel Ares füllte sich sogleich Gedrängt mit Volk, die groſse Tanaïs, Zu solcher Satzung Schirmerinn, zu krönen. Gerad’ als sie, im festlichsten Moment, Die Altarstuf’ erstieg, um dort den Bogen, Den groſsen, goldenen, des Scythenreichs, Den sonst die Könige geführt, zu greifen, Von der geschmückten Oberpriest’rinn Hand, Lieſs eine Stimme also sich vernehmen: „Den Spott der Männer werd’ er reizen nur, Ein Staat, wie der, und gleich dem ersten Anfall Des kriegerischen Nachbarvolks erliegen; Weil doch die Kraft des Bogens nimmermehr Von schwachen Frau’n, beengt durch volle Brüste, Leicht, wie von Männern, sich regieren würde.“ Die Königinn stand einen Augenblick, Und harrte still auf solcher Rede Glück; Doch als die feige Regung um sich griff, Riſs sie die rechte Brust sich ab, und taufte Die Frauen, über die sie herrschen würde, 24 Und fiel zusammen, eh’ sie noch vollendet: Die Amazonen oder Busenlosen! Achilles. Nun denn, beim Zevs, die brauchte keine Brüste! Die war der Krone eures Reiches werth, Und meine Männerseele beugt sich ihr. Penthesilea. Still auch, auf diese That, ward’s, Peleïde, Kein Laut vernahm sich, als der Bogen nur, Der aus der Hand, geöffnet im Entsetzen, Der Priesterinn, wie jauchzend, niederfiel. Er stürzt’, der groſse, goldene, des Reichs, Und klirrte, von der Marmorstufe, dreimal, Mit dem Gedrön der Glocken, auf, und legte, Stumm wie der Tod, zu ihren Füſsen sich. Hierauf ward ihr die Krone aufgesetzt. Achilles. Man folgt’ ihr, hoff’ ich, doch im Beispiel nicht? Penthesilea. Nicht — allerdings; so heftig nicht, als sie. Man war gescheut. Achilles (mit Erstaunen) Wie! Also doch — ? Penthesilea. Was sagst du? Achilles. Die ungeheure Sage wäre wahr? Und alle diese blühenden Gestalten, Die dich umstehn, die Zierden des Geschlechts, Sie sind beraubt, wie Tempel, allzusammt — ? Penthesilea. Hast du das nicht gewuſst? Achilles (indem er sein Gesicht an ihre Brust drückt) O Königinn! Der Sitz der jungen, lieblichen Gefühle, Um eines Wahns barbarisch — Penthesilea. Sei ganz ruhig. Sie retteten in diese Linke sich, Wo sie dem Herzen um so näher wohnen. Du wirst, mein junger Freund, mir keins vermissen. Achilles. — Fürwahr, ein Traum, geträumt in Morgenstunden, Scheint mir wahrhaft’ger, als der Augenblick. — Doch sehr begierig bin ich, weiter, Königinn! Auf deiner Rede Schluſs. Penthesilea. Wie? Auf den Schluſs — . 25 Achilles. Denn dieser stolze Frauenstaat, sag’ an, Der ohn’ der Männer Hülf’ enstand, entstand, wie pflanzt er Doch ohne Hülfe sich der Männer fort? Wirft euch Deukalion, von Zeit zu Zeit, Noch seiner Schollen Eine häuptlings zu? Penthesilea. So oft —U. s. w.
U. s. w.
H. v. K. [fehlt, auch kein Hinweis im Kommentar]
Quellenangabe für Zitat:
https://kleist-digital.de/phoebus/01/02 [ + Angabe von Zeile / Vers oder Seite ], 23.11.2024
87befrei’n,[BKA] liest einen Punkt, für [Kleist;Port:2012] bleibt unklar, ob es sich bei dem gedruckten Satzzeichen um ein beschädigtes Komma oder einen Punkt handelt. Es dürfte sich allerdings eindeutig um ein Komma handeln, da der verbliebene Graph eindeutig nicht identisch ist mit einem Punkt und, was wesentlicher ist, zwischen dem ›n‹ von ›befrei’n‹ und dem verbliebenen Graphen das auch sonst im Satzbild gezeigte Spatium vor dem Komma erkennbar ist, während der Punkt in allen Fällen ohne Spatium direkt an den Buchstaben gesetzt ist. Die Kommata sind nur am Zeilenende ohne vorlaufendes Spatium gesetzt.
274f(folgen)›Die anderen jungen Mädchen (folgen)‹ nicht als Bühnenanweisung gesetzt.
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