kleist-digital
  • Werke
  • Briefe
  • Verzeichnisse
  •  Lexikalische Suche
  •  Semantische Suche
kleist-digital
  •  Suche
  • Werke
  • Briefe
  • Verzeichnisse

  • Apparat
  • Überlieferung
  • Emendationen
  • Kollation Editionen
  • Stellenkommentar

    Artikel im Heft

    • Prolog
    • Penthesilea. Organisches Fragment.
    • Bedeutung des Tanzes
    • Engel am Grabe des Herrn
    • [Engel am Grabe d. Herrn] Anmerkung
    • An Dorothee
    • Fragmente dramatische Poesie und Kunst
    • Popularität und Mysticismus
    • Frau von Stael-Holstein
    • Epilog
    • Inhaltsanzeige
  • Home
  • Werke
  • Phöbus 01
  • Penthesilea. Organisches Fragment.

Textwiedergabe  nach .

  • Diplomatische Umschrift
  • Textversion
    ohne orig. Zeilenfall
  • Textversion
    [+] ohne ſ, aͤ, oͤ, uͤ

Alle Textversionen sind inhaltlich identisch und folgen dem angegebenen Textzeugen.
Die Fassung Erstdruck/Textzeuge zeigt die zeichengenaue Wiedergabe des Textzeugen. Nur offensichtliche Fehler sind emendiert. Alle Emendationen sind im Apparat verzeichnet. Der originale Zeilenfall ist beibehalten. Die Fassung wird auf Smartphones wegen der Zeilenlänge nicht angezeigt.

In der Textversion ohne originalen Zeilenfall wird der Zeilenfall mit einem Schrägstrich / angezeigt, die Zeile wird aber nicht umbrochen. Ansonsten folgt sie der angegebenen Textquelle.

In der Textversion ohne ſ, aͤ, oͤ, uͤ sind zusätzlich das lange ſ und historische Umlautformen der heutigen Orthographie angepasst.

5 [BKA IV/3 xxx] [MA II xxx]

I. Organisches Fragment

aus dem Trauerspiel:

Penthesilea.

Personen.

Penthesilea, Königinn
Prothoe,
Asteria, Fürstinnen der Amazonen.
Die Oberpriesterinn der Diana.
Achilles,
Ulysses,
Diomedes,
Antilochus, Könige des Griechenvolks.
Amazonen und Griechen.
Antilochus Ulysses Diomedes Achilles Penthesilea Prothoe Asteria Amazonen Die Oberpriesterinn der Diana

Scene: Schlachtfeld bei Troja.

A. Erster Auftritt.

Ulysses und Diomedes (von der einen Seite) Antilochus (von der andern) Gefolge
(treten auf)
Antilochus. Seid mir gegrüſst, ihr Könige! Wie geht’s? Ulysses. Schlecht, Antiloch. Du siehst auf diesen Feldern Der Griechen und der Amazonen Heer Wie zwei erboste Wölfe sich umkämpfen: Beim Jupiter! sie wissen nicht warum? Wenn Mars entrüstet, oder Delius, Den Stecken nicht ergreift, der Wolkenrüttler Mit Donnerkeilen nicht dazwischen wettert: Todt sinken die Verbiſsnen heut noch nieder, Des Einen Zahn im Schlund’ des Anderen. — Schafft einen Helm mit Wasser! 6 Antilochus. Element! Was wollen diese Amazonen uns? Ulysses. Wir zogen aus, auf des Atriden Rath, Mit einem Häuflein muthiger Argiver, Achill und ich: Penthesilea, hieſs es, Sei in den scythschen Wäldern aufgestanden, Und führ’ ein Heer, bedeckt mit Schlangenhäuten, Von Amazonen, heiſser Kampflust voll, Durch der Gebirge Windungen heran, Den Priamus in Troja zu entsetzen. An des Skamandros Ufer hören wir, Troïlus auch, der Priamide, sei Mit einer Schaar aus Ilium gezogen, Die Bundsverwandte, die ihm hülfreich naht, Nach Freundesart zu grüſsen. Wir verschlingen Die Straſse jetzt, uns zwischen dieser Gegner Heillosem Bündniſs wehrend aufzupflanzen: Die ganze Nacht durch windet sich der Zug. Doch, bei des Morgens erster Dämmerröthe, Welch’ ein Erstaunen faſst uns, Antiloch, Da wir, in einem duftgen Thal vor uns, Mit des Troïlus Iliern im Kampf Die Amazonen sehn. Penthesilea, Wie Sturmwind ein zerrissenes Gewölk, Weht der Trojaner Reihen vor sich her, Als gält es, über’n Hellespont hinaus, Hinweg vom Rund’ der Erde sie zu blasen. Antilochus. Seltsam, bei unserm Gott! Ulysses. Wir sammeln uns, Der Trojer Flucht, die wetternd auf uns ein, Gleich einem Anfall keilt, zu widerstehen, Und dicht zur Mauer drängen wir die Spieſse. Auf diesen Anblick stutzt der Priamide: Und wir, im kurzen Rath, beschlieſsen gleich, Die Amazonenfürstinn zu begrüſsen; Sie hat auch ihren Siegeslauf gehemmt. Doch eh’ der Bote, den wir senden wollen, Den Staub noch von der Rüstung abgeschüttelt, Stürzt die Kenthaurinn mit verhängtem Zügel, 7 Auf sie und uns schon, Griech’ und Trojer, ein, Mit eines Waldstroms wüthendem Erguſs, Die Einen, wie die Andern, niederbrausend. Antilochus. Von diesem Allen gabst du Bothschaft uns. Doch keiner rings im Heer, der deinen Boten, Und sein Geschwätz, begriff. Ulysses. Jetzt hebt ein Kampf an, Wie er, so lang Hephästos Waffen schmiedet, Noch nicht gekämpft ward auf der Erde Rücken. Soviel ich weiſs, giebt es in der Natur Kraft bloſs und ihren Widerstand, nichts Drittes. Was Glut des Feuers löscht, lös’t Wasser siedend Zu Dampf nicht auf, und umgekehrt; doch hier Zeigt ein ergrimmter Feind von beiden sich, Bei dessen Anblick nicht das Feuer weiſs, Ob’s mit dem Wasser rieseln soll, das Wasser, Ob’s mit dem Feuer himmelan soll lodern. Der Trojer wirft, gedrängt von Amazonen, Sich hinter eines Griechen Schild, der Grieche Befreit ihn von der Jungfrau, die ihn drängte, Und Griech’ und Trojer müssen jetzt sich fast, Dem Raub der Helena zum Trotz, vereinen, Um dem gemeinen Feinde zu begegnen. (ein Grieche bringt Wasser.) Dank! Meine Zunge lechzt. Diomedes. Seit jenem Tage Schwebt über dieser Ebne unbeweglich Die Schlacht, mit immer reger Wuth, wie ein Gewitter, zwischen waldgekrönter Felsen Gipfeln Geklemmt. Als ich mit den Ätoliern gestern Erschien, der Unsern Reihen zu verstärken, Schlug sie mit Donnerkrachen eben ein, Als wollte sie den ganzen Griechenstamm Bis auf den Grund, die Wüthende, zerspalten. Der Krone ganze Blüthe liegt, Ariston, Astyanax, vom Sturm herabgerüttelt, Menandros, auf dem Schlachtfeld da, den Lorbeer Mit ihren jungen, schönen Leibern, groſs, Für diese kühne Tochter Ares, düngend. Mehr der Gefangnen siegreich nahm sie schon, 8 Als sie uns Augen, sie zu missen, Arme, Sie wieder zu befrei’n, uns übrig lieſs. Antilochus. Und niemand kann, was sie uns will, ergründen? Diomedes. Kein Mensch, das eben ist’s: wohin wir spähend Auch des Gedankens Senkblei fallen lassen! — Oft, aus der sonderbaren Wuth zu schlieſsen, Mit welcher sie, im Kampfgewühl, den Sohn Der Thetis sucht, scheint’s uns, als ob ein Haſs Persönlich wider ihn die Brust ihr füllte. So folgt, so hungerheiſs, die Wölfinn nicht, Durch Wald und Feld und Flur, der Beute gierig, Die sich ihr Auge einmal auserkohr, Als sie, durch unsre Schlachtreihn, dem Achill. Doch jüngst, in einem Augenblick, da schon Sein Leben war in ihre Macht gegeben, Gab sie es lächelnd, ein Geschenk, ihm wieder; Er war verloren, wenn sie ihn nicht hielt. Antilochus. Wie? Diese Königinn, sagst du? Diomedes. Sie selbst. Denn als sie, um die Abenddämm’rung gestern, Im Kampf, Penthesilea und Achill, Einander trafen, stürmt Troïl daher, Und auf der Jungfrau Seite hingestellt, Der Teukrische, trifft er dem Peleïden Mit einem tückschen Schlag die Rüstung prasselnd, Daſs rings der Ormen Wipfel wiederhallten. Die Königinn, entfärbt, läſst zwei Minuten Die Arme sinken: und die Locken dann Entrüstet um entflammte Wangen schüttelnd, Hebt sie vom Pferdesrücken hoch sich auf, Und senkt, wie aus dem Firmament geholt, Das Schwerdt ihm wetterstrahlend in den Hals, Daſs er zu Füſsen hin, der Unberufne, Dem Sohn, dem göttlichen, der Thetis rollt. Er jetzt, zum Dank, will ihr, der Peleide, Ein Gleiches thun; doch sie, bis auf den Hals Gebückt, den mähnumflossenen, des Schecken, Der, in den Goldzaum beiſsend, sich herumwirft, Weicht seinem Mordhieb aus, und schieſst die Zügel, Und sieht sich um, und lächelt, und ist fort. 9 Antilochus. Ganz wunderbar. Ulysses. Was bringst du uns von Troja? Antilochus. Mich sendet, weiser Sohn des Sysiphus, Dir Agamemnon her, und läſst dich fragen, Ob Klugheit nicht, bei so gewandelten Verhältnissen, den Rückzug dir gebiete. Uns gelt’ es, Iliums Mauern einzustürzen, Nicht einer freien Fürstinn Heereszug, Nach einem uns gleichgült’gen Ziel, zu stören. Falls du daher Gewiſsheit dir verschafft, Daſs nicht mit Hülfe der Dardanerburg Penthesilea naht, woll’ er, daſs ihr Sogleich, um welchen Preis, gleichviel, euch wieder In die argivische Verschanzung werft. Verfolgt sie euch, so werd’ er, der Atride, Dann an des Heeres Spitze selber sehn, Wozu sich diese räthselhafte Sphynx Im Angesicht von Troja wird entscheiden. Ulysses. Beim Jupiter! Der Meinung bin ich auch. Meint ihr, daſs der Laertiade sich In diesem sinnentblöſsten Kampf gefällt? Schafft den Peliden weg von diesem Platze! Denn wie die Dogg’ entkoppelt, mit Geheul, In das Geweih des Hirsches fällt: der Jäger, Erfüllt von Sorge, lockt und ruft sie ab; Jedoch, verbissen in des Prachtthiers Nacken, Tanzt sie durch Berge neben ihm, und Ströme, Fern in des Waldes Nacht hinein: so er, Der Rasende, seit in der Forst des Krieges Dies Wild sich von so seltner Art ihm zeigte. Durchbohrt mit einem Pfeilschuſs, ihn zu fesseln, Die Schenkel ihm: er weicht, so schwört er, eher Von dieser Amazone Ferse nicht, Bis er bei ihren seidnen Haaren sie Von dem gefleckten Tigerpferd gerissen. Versuchs, o Antiloch, wenn dir’s beliebt, Und sieh, was deine rednerische Kunst, Wenn seine Lippe schäumt, bei ihm vermag. Diomedes. Laſst uns vereint, ihr Könige, noch einmal Vernunft keilförmig, mit Gelassenheit, 10 Auf seine rasende Entschlieſsung setzen. Du wirst, erfindungsreicher Larissäer, Den Riſs schon, den er beut, zu finden wissen. Weicht er dir nicht, wohlan, so will ich ihn Mit zwei Ätoliern auf den Rücken nehmen, Und, einem Klotz gleich, weil der Sinn ihm fehlt, In dem Argiverlager niederwerfen.

B. Fünfter Auftritt.

(Zur Erklärung: Die Griechen sind von Neuem geschlagen worden. Achill ist nur durch eine
geschickte Wendung, mit seiner Quadriga, der Penthesilea entkommen, wobei diese
mit dem Pferde gestürzt ist.)
Penthesilea, Prothoe, Asteria, Gefolge von Amazonen (treten auf) Die Amazonen. Heil dir, du Sieg’rinn! Überwinderinn! Des Rosenfestes Königinn! Triumph dir! Penthesilea. Nichts von Triumph mir! Nichts vom Rosenfeste! Es ruft die Schlacht noch einmal mich ins Feld! Den jungen trotz’gen Kriegsgott bänd’g’ ich mir, Gefährtinnen, zehntausend Sonnen dünken, Zu einem Glutball eingeschmelzt, so glanzvoll Nicht, als ein Sieg, ein Sieg mir über ihn! Prothoe. Geliebte, ich beschwöre dich. Penthesilea. Laſs mich! Du hörst, was ich beschloſs, eh würdest du Den Strom, wenn er herab von Bergen schieſst, Als meiner Seele Donnersturz regieren. Ich will zu meiner Füſse Staub ihn sehen, Den Übermüthigen, der mir an diesem Glorwürd’gen Schlachtentag, wie keiner noch, Das kriegerische Hochgefühl verwirrt. Ist das die Siegerinn, die schreckliche, Der Amazonen stolze Königinn, Die seines Busens erzne Rüstung mir, Wenn sich mein Fuſs ihm naht, zurückespiegelt? Fühl’ ich, ich Fluchbeladene, mich nicht, Indessen rings das Heer der Griechen flieht, Bei seines einz’gen Federbusches Anblick, 11 Gelähmt, mich in dem Innersten getroffen, Mich, mich die Überwundene, Besiegte? Wo ist der Sitz mir, der kein Busen ward, Auch des Gefühls, das mich zu Boden wirft? In’s Schlachtgetümmel stürzen will ich mich, Wo der Hohnlächelnde mein harrt, und ihn Mir überwinden, oder leben nicht! Prothoe. Wenn du dein Haupt doch, theure Königinn, An diesem treuen Busen ruhen wolltest. Der Sturz, der dir die Brust gewaltsam traf, Hat dir das Blut entflammt, den Sinn empört: An allen jungen Gliedern zitterst du! Beschlieſse nichts, wir Alle flehen dich, Bis heitrer dir der Geist zurückgekehrt. Komm, ruhe dich bei mir ein wenig aus. Penthesilea. Warum? Weshalb? Was ist geschehn? Was sagt’ ich? Hab’ ich — ? Was hab’ ich denn — ? Prothoe. Um eines Siegs, Der deine junge Seele flüchtig reizt, Willst du das Spiel der Schlachten neu beginnen? Weil unerfüllt ein Wunsch, ich weiſs nicht welcher, Dir im geheimen Herzen blieb, den Seegen, Gleich einem übellaun’gen Kind’, hinweg, Der deines Volks Gebete krönte, werfen? Penthesilea. Ha, sieh! Verwünscht das Loos mir dieses Tages! Wie mit dem Schicksal heut, dem tückischen, Sich meiner Seele liebste Freundinnen Verbünden, mir zu schaden, mich zu kränken! kränken Wo sich die Hand, die lüsterne, nur regt, Den Ruhm, wenn er bei mir vorüberfleucht, Bei seinem goldnen Lockenhaar zu fassen, Tritt eine Macht mir hämisch in den Weg — Und Trotz ist, Widerspruch, die Seele mir! Hinweg! Prothoe (für sich) Ihr Himmlischen, beschützet sie! Penthesilea. Denk’ ich bloſs mich, sind’s meine Wünsche bloſs, Die mich zurück auf’s Feld der Schlachten rufen? Ist’s das Verderben nicht, Kurzsichtige, Das in des Siegs wahnsinniger Berauschung, 12 Hörbaren Flügelschlags, dem Volke naht? Was ist geschehn, daſs wir zur Vesper schon Wie nach vollbrachter Arbeit, ruhen wollen? Gemäht liegt uns, zu Garben eingebunden, Der Erndte üpp’ger Schatz, in Scheuern hoch, Die in den Himmel ragen, aufgethürmt: Jedoch die Wolke heillos überschwebt ihn, Und den Vernichtungsstrahl droht sie herab. Die Jünglingsschaar, die überwundene, Ihr werdet sie bekränzt mit Blumen nicht, Bei der Posaunen und der Cymbeln Klang, Zu euren duft’gen Heimathsthälern führen. Aus jedem tückschen Hinterhalt hervor, Der sich ihm beut, seh’ ich den Peleïden Auf euren frohen Jubelzug sich stürzen; Euch, und dem Trosse der Gefangenen, Bis zu den Mauern Themiscyra’s folgen; Ja, in dem Tempel Aphrodites siegreich Die Ketten noch, die rosenblüthenen, Von ihren Gliedern reiſsen, und die unsern Mit erzgegoſsner Fessel Last bewuchten. Soll ich von seiner Fers’, ich Rasende, Die nun fünf ſchweiſserfüllte schweiſserfüllte Sonnen schon An seinem Sturze rüttelte, entweichen: Da er vom Windzug eines Streiches muſs, Getroffen, unter meines Rosses Huf, Wie eine reife Südfrucht niederfallen? Nein, eh’ ich, was so herrlich mir begonnen, So groſs, nicht endige, eh ich nicht völlig Den Kranz, der mir die Stirn umrauscht, erfasse, Eh’ ich Mars Töchter nicht, wie ich versprach, Jetzt auf des Glückes Gipfel jauchzend führe, Eh möge seine Pyramide schmetternd Zusammenbrechen über mich und sie: Verflucht das Herz, das sich nicht mäſs’gen kann! Prothoe. O Königinn!

U. s. w.

13

C. Sechster Auftritt.

(Zur Erklärung: Penthesilea und Achill treffen sich während dieses Auftritts im Felde.) Die Oberpriesterinn der Diana (mit ihren) Priesterinnen (treten auf. Ihnen fol⸗
gen
) eine Schaar junger Mädchen (mit Rosen in Körben auf den Köpfen, und)
die Gefangenen (geführt von einigen bewaffneten) Amazonen.
Die Oberpriesterinn. Nun, ihr geliebten, kleinen Rosenjungfrau’n, Laſst jetzt die Frucht mich eurer Wandrung sehn. Hier, wo die Felsenquelle einsam schäumt, Beschattet von der Pinie, sind wir sicher: Hier schüttet eure Erndte vor mir aus. Ein junges Mädchen (ihren Korb ausschüttend) Sieh, diese Rosen pflückt’ ich,
heil’ge Mutter!
Ein Anderes (eben so) Hier diesen Schoosvoll ich! Ein Drittes. Und diesen ich! Ein Viertes. Und diesen ganzen üpp’gen Frühling ich! Die anderen jungen Mädchen (folgen)
Die Oberpriesterinn. Das blüht ja wie der Gipfel von Hymetta! Nun solch ein Tag des Seegens, o Diana, Gieng deinem Volke herrlich noch nicht auf. Die Mütter bringen mir, die Töchter, Gaben; Nicht, von der Pracht, der doppelten, geblendet, Weiſs ich, wem schön’rer Dank gebühren mag. — Doch ist dies euer ganzer Vorrath, Kinder? Das erste Mädchen. Mehr nicht, als du hier siehst, war aufzufinden. Die Oberpriesterinn. So waren eure Mütter fleiſsiger. Das zweite Mädchen. Auf diesen Feldern, heil’ge Priest’rinn, erndten Gefangne leichter auch, als Rosen sich. Wenn dichtgedrängt, auf allen Hügeln rings, Die Saat der jungen Griechen steht, die Sichel Nur einer muntren Schnitterinn erwartend, So blüht so sparsam, in den Thälern rings, Und so verschanzt, versichr’ ich dich, die Rose, Daſs man durch Pfeile sich und Lanzen lieber, Als ihr Gefllecht Geflecht der Dornen schlagen möchte. — Sieh nur die Finger an, ich bitte dich. 14 Das dritte Mädchen. Auf eines Felsens Vorsprung wagt’ ich mich, Um eine einz’ge Rose dir zu pflücken. Und blaſs nur, durch des Kelches Dunkelgrün, Erschimmerte sie noch, ein Knösplein nur, Für volle Liebe noch nicht aufgeblüht. Doch greif’ ich sie, und strauchl’ und sinke plötzlich In einen Abgrund hin, der Nacht des Todes Glaubt’ ich, Verlorne, in den Schoos zu sinken. Mein Glück doch war’s, denn eine Rosenpracht Stand hier im Flor, daſs wir zehn Siege noch Der Amazonen hätten feiern können. Das vierte Mädchen. Ich pflückte dir, du heil’ge Priesterinn, Dir pflückt’ ich eine Rose nur, nur Eine; Doch eine Rose ist’s, hier diese, sieh! In eines Königs Fesselkranz zu flechten: Nicht schöner wünscht Penthesilea sie, Wenn sie Achill, den Göttersohn, sich fällt. Die Oberpriesterinn. Wohlan, wenn ihn Penthesilea fällt, Sollst du die königliche Ros’ ihr reichen. Verwahre sie nur sorgsam, bis sie kömmt. Das erste Mädchen. Zukünftig, wenn, beim Cymbelschall, von Neuem Das Amazonenheer in’s Schlachtfeld rückt, Ziehn wir zwar mit, doch nicht mehr, das versprichst du, Durch Rosenpflücken bloſs und Kränzewinden Den Sieg der Mütter zu verherrlichen. Sieh, dieser Arm, er schwingt den Wurfspieſs schon, Und sausend trifft die Schleuder mir das Ziel: Was gilt’s? mir selbst schon blüht ein Kranz zusammen — Und tapfer im Gedräng’ schon mag er kämpfen, Der Jüngling, dem sich diese Sehne straft! strafft! Die Oberpriesterinn. Meinst du? Nun freilich wohl, du muſst es wissen, — Hast du die Rosen schon drauf angesehen? — — Den nächsten Lenz, sobald sie wieder reif, Sollst du den Jüngling im Gedräng’ dir suchen. — Doch Doch jetzt, der Mütter frohe Herzen drängen; Die Rosen rasch zu Kränzen eingewunden! Die Mädchen (durcheinander) Fort zum Geschäft! Geschäft! Wie greifen wir es an? Das erste Mädchen (zum zweiten) Komm her, Glaukothoe! 15 Das Dritte (zum vierten)Komm, Charmion! (sie setzen sich paarweise) Das erste Mädchen. Wir — der Ornythia winden wir den Kranz, Die sich Alcest, mit hohen Büschen, fällte. Das Dritte. Und wir, Parthenion, Schwester; Athenäus, Mit der Medus’ im Schilde, soll sie fesseln. Die Oberpriesterinn (zu den bewaffneten Amazonen) Nun? Wollt ihr eure Gäste
nicht erheitern?
— Steht ihr nicht unbehülflich da, ihr Jungfrau’n, Als müſst’ ich das Geschäft der Lieb’ euch lehren! — Wollt ihr das Wort nicht freundlich ihnen wagen? Nicht hören, was die Schlachtermüdeten, Schlachtermüdeten Was sie begehren? Wünschen? Was sie brauchen?
Die erste Amazone. Sie sagen, sie bedürfen nichts, Ehrwürd’ge. Die Zweite. Bös’ sind sie uns. Die Dritte. Wenn man sich ihnen naht, So wenden sich die Trotz’gen schmäh’nd hinweg. Die Oberpriesterinn. Ei, wenn sie bös’ euch sind, bei unsrer Göttinn, So macht sie wieder gut! Warum auch habt ihr So heftig sie im Kampfgewühl getroffen? Sagt ihnen, was geschehn wird, sie zu trösten: So werden sie nicht unerbittlich sein. Die erste Amazone (zu einem Gefangenen) Willst du auf weichen Teppichen, o
Jüngling,
Die Glieder ruhn? Soll ich von Frühlingsblumen, Denn müde scheinst du sehr, ein Lager dir, Im Schatten jenes Lorbeerbaums, bereiten?
Die Zweite (eben so) Soll ich das Duftendste der Perseröle In Wasser mischen, frisch dem Quell entschöpft, Und dir den staubbedeckten Fuſs erquicken? Die Dritte. Doch der Orange Saft verschmähst du nicht, Mit eigner Hand dir liebend dargebracht? Die drei Amazonen. Sprecht! Redet! Womit dient man euch! euch? Ein Grieche. Mit nichts. Die erste Amazone. Ihr sonderbaren Fremdlinge, was härmt euch? Was ist’s, da uns der Pfeil im Köcher ruht, 16 Daſs ihr vor unserm Anblick noch erschreckt? Du, mit dem Gürtel, sprich! Was fürchtest du? Der Grieche. Wem winden jene Kränze sich? Sagt an! Die erste Amazone. Wem? Euch! Wem sonst? Der Grieche. Uns! Und das sagt ihr noch, Unmenschliche! Wollt ihr geschmückt mit Blumen, Gleich Opferthieren, uns zur Schlachtbank führen? Die erste Amazone. Zum Tempel Aphrodite’s euch! Was denkt ihr? Zu Amors heiligem Altar, wo eurer Entzücken ohne Maas und Ordnung wartet! Der Grieche (zu den Gefangenen) War je ein Traum so bunt, als was hier wahr ist?

D. Neunter Auftritt.

(Zur Erklärung: Penthesilea kann ihres Gegners nicht mächtig werden. Sie ist im Kampf
mit dem Achill gefallen, man hat sie aus seinen Händen gerettet. Er verfolgt sie.)
Penthesilea (bleich, mit zerstörten Haaren, zum Versinken matt) Prothoe und Aste⸗
ria
(führen sie) Gefolge von Amazonen.
Penthesilea. Hetzt alle Hund’ auf ihn! Mit Feuerbüscheln Die Elephanten peitschet auf ihn los! Rhinoceros und Schakaln führt herbei, Und laſst sie seine Glieder niedertreten! Prothoe. Geliebte! Hör mich! Ich beschwöre dich! Asteria. Achilles naht! Prothoe. Wenn dir dein Leben lieb, So säume keinen Augenblick und flieh! Penthesilea. Mir diesen Busen zu zerschmettern, Prothoe! Die Brust, so voll Gesang, Asteria, Ein Lied jedweder Saitengriff auf ihn! Dem Bären kauert’ ich zu Füſsen mich, Und streichelte das Pantherthier, das mir In solcher Regung nahte, wie ich ihm. Prothoe. So willst du nicht entweichen? Asteria. Nicht dich retten? Prothoe. Das Ungeheuerste, o Königinn, Hier soll es sich, auf diesem Platz, vollbringen? 17 Penthesilea. War’s meine Schuld, daſs ich im Schlachtfeld muſste, Mit Erz und Stahl umschient, den Fuſs ihm nahn? Was will ich denn, wenn ich das Schwerdt ihm zücke? Will ich ihn denn zum Orkus niederschleudern? Ich will ihn ja, ihr ew’gen Götter, nur, An diese Brust will ich ihn niederziehn! Prothoe. Sie ras’t — Die Oberpriesterinn. Unglückliche! Asteria. Sie ist von Sinnen — Prothoe. Indeſs der Schreckliche stets weiter dringt — Was ist zu thun? Asteria. Ehrwürdigste der Mütter! Die Oberpriesterinn. Bringt sie in jenes Thalgeklüft! Penthesilea (einen Rosenkranz in zweier Mädchen Hand erblickend) Ha, sieh! Wer gab Befehl, die Rosen einzupflücken? Die Oberpriesterinn. Warst du’s nicht selbst, Verlorene — ? Penthesilea. Wer? Ich! Die Oberpriesterinn. Es sollte sich das Fest des Siegs, nun ja! Das heiſs ersehnte deiner Jungfrau’n, feiern. Penthesilea. Verflucht mir diese schnöde Ungeduld! Verflucht, im blutumschäumten Mordgetümmel, Mir der Gedanke an die Orgien! Verflucht, im Busen keuscher Arestöchter, Begierden, die, wie losgelassne Hunde, Mir der Drommete erzne Lunge bellend, Und aller Feldherrn Rufen, überschrei’n! — Der Sieg, ist er erkämpft mir schon, daſs, mit Der Hölle Hohn, schon der Triumph mir naht? — Mir aus den Augen! (sie zerhaut die Rosenkränze) Das erste Mädchen. Herrscherin, was thu’st du? Das Zweite (die Rosen wieder aufsammelnd) Der Frühling bringt dir rings, auf
Meilenweite,
Nichts für das Fest mehr —
Penthesilea. Daſs der ganze Frühling Verdorrte! Daſs der Stern, auf dem wir athmen, Geknickt, gleich Einer dieser Rosen, läge! 18 Daſs ich den ganzen Kranz der Welten so, Wie dies Geflecht der Blumen lösen könnte! — O Aphrodite! Die Oberpriesterinn. Die Unseelige. Prothoe. Verloren ist sie! Asteria. Den Erynnien Zum Raub’ ist ihre Seele hingegeben. Eine Amazone (auf einem Hügel) Ihr Jungfrau’n! Rettet euch! Der Sohn des
Peleus,
Im Schuſs der Pfeile naht er schon heran!
Prothoe. So fleh’ ich dich auf meinen Knieen, folg’ uns! Penthesilea. Ach, meine Seel’ ist matt bis in den Tod. (sie setzt sich)

U. s. w.

E. Vierzehnter Auftritt.

(Zur Nachricht: Penthesilea ist, in einem Anfall von Wahnsinn, in Ohnmacht gefallen,
und, während der Ohnmacht, vom Achill gefangen genommen worden. Da sie er⸗
wacht
, verschweigt man ihr, was vorgegangen; sie hält den Sohn des Peleus, von
Allem, was sie umringt, getäuscht, für ihren Gefangenen)
Penthesilea (am Fuſs einer Eiche, beschäftigt, Kränze zu flechten. Ihr zur Seite, eben so)
Prothoe. Achilles (gedankenvoll im Vordergrunde stehend)
Penthesilea. Komm jetzt, du süſser Nereïdensohn, Komm — lege dich zu Füſsen mir — Ganz her! Nur dreist heran! — Du fürchtest mich doch nicht? Du thust es gern? Achilles (indem er sich zu ihren Füſsen niederläſst) Wie Blumen Sonnenschein. Penthesilea. So sieh mich auch wie deine Sonne an. Diana, meine Herrscherin, er ist Verletzt! Achilles. Geritzt, von einem Pfeil, nichts weiter. Penthesilea. — Ich bitte dich, Pelide, glaube nicht, Daſs ich jemals nach deinem Leben zielte. Zwar gern, mit diesem Arm hier, traf ich dich; Doch als du niedersankst, beneidete Hier diese Brust den Staub, der dich empfieng. 19 Achilles. Wenn du mich liebst, so sprichst du nicht davon. Du siehst, es heilt schon. Penthesilea. So verzeihst du mir? Achilles. Von ganzem Herzen. Penthesilea (indem sie die Kränze nimmt) Jetzt — kannst du mir sagen, Wie es die Liebe macht, der Flügelknabe, Wenn sie den störr’gen Leun in Fesseln schlägt? Achilles. Sie streichelt, denk’ ich, seine rauhen Wangen, So hält er still. Penthesilea. Nun denn, so wirst du dich Nicht mehr, als eine junge Taube regen, Um deren Hals ein Mädchen Schlingen legt. Denn die Gefühle dieser Brust, o Jüngling, Wie Hände sind sie, und sie streicheln dich. (sie umschlingt ihn mit den Kränzen) Achilles. Wer bist du, wunderbares Weib? Penthesilea. Gieb her. — Ich sagte, still! — Du wirst es schon erfahren. — Hier diese leichte Rosenwindung nur Um deinen weiſsen Nacken hin — Zu deinen Armen, deinen Füſsen nieder — Und wieder auf zum Haupt — — so ist’s geschehn. — Was athmest du? Achilles. Duft deiner ſüſsen süſsen Lippen. Penthesilea (indem sie sich zurückbeugt) Es sind die Rosen, die Gerüche streu’n. — Nichts, nichts! Achilles. Ich wollte sie am Stocke kosten. Penthesilea. Jetzt ist’s geschehn! — O sieh, ich bitte dich, Wie der zerflossne Rosenglanz ihm steht! Wie sein gewitterdunkles Antlitz schimmert! Der junge Tag, wahrhaftig, liebste Freundinn, Wenn ihn die Horen von den Bergen führen, Demanten perlen unter seinen Tritten: Er sieht so weich und mild nicht drein, als er. — Ist’s nicht, o sprich, als ob sein Auge glänzte? — Beim Styx! Man mögte, wenn er so erscheint, fast zweifeln, Daſs er es sei. 20 Prothoe. Wer, meinst du? Penthesilea. Der Pelide! — Sprich, wer den Gröſsesten der Priamiden Vor Troja’s Mauern fällte, warst das du? Hast du ihm wirklich, du, mit diesen Händen, Den flücht’gen Fuſs durchkeilt, an deiner Axe Ihn häuptlings um die Vaterstadt geschleift? — Sprich! Rede! Was bewegt dich so? Was fehlt dir? Achilles. Ich bin’s. Penthesilea (nachdem sie ihn scharf angesehen hat) Er sagt, er sei’s. Prothoe. Er ist es, Königinn; An diesem Schmuck hier kannst du ihn erkennen. Penthesilea. Woher? Prothoe. Es ist der Kriegsschmuck, sieh nur her, Den Thetis ihm, die hohe Göttermutter, Bei dem Hephäst, des Feuers Gott, erschmeichelt. Penthesilea. Nun denn, so grüſs’ ich dich mit diesem Kuſs, Unbändigster der Menschen, mein! Ich bin’s, Du junger Kriegsgott, der du angehörst; Wenn man im Volk dich fragt, so nennst du mich. Achilles. O du, die eine Glanzerscheinung mir, Als hätte sich das Ätherreich eröffnet, Herabsteigst, Unbegreifliche, wer bist du? Wie nenn’ ich dich, wenn meine eigne Seele Sich, die entzückte, fragt, wem sie gehört? Penthesilea. Wenn sie dich fragt, so nenne diese Züge, Das sei der Nam’, in welchem du mich denkst. Zwar diesen goldnen Ring hier schenk’ ich dir, Mit jedem Merkmal, das dich sicher stellt, Und zeigst du ihn, so weis’t man dich zu mir. Jedoch ein Ring vermiſst sich, Namen schwinden; Wenn dir der Nam’ entschwänd’, der Ring sich miſste: Fänd’st du mein Bild in dir wohl wieder aus? Kannst du’s wohl mit geschlossnen Augen denken? Achilles. Es steht so fest, wie Züg’ in Diamanten. Penthesilea. Ich bin die Königinn der Amazonen, Er nennt sich Marserzeugt, mein Völkerstamm, 21 Otrere war die groſse Mutter mir, Und mich begrüſst das Volk: Penthesilea. Achilles. Penthesilea. Penthesilea. Ja, so sagt’ ich dir.

U. s. w.

Achilles. Was ist’s, du wunderbares Weib, daſs du, Bellona gleich, an eines Kriegsheers Spitze, Wie aus den Wolken nieder, unbeleidigt, In unsern Streit vor Troja plötzlich fällst? Was treibt, von Kopf zu Fuſs in Erz gerüstet, So unbegriffner Wuth voll, Furien ähnlich, Dich gegen das Geschlecht der Griechen an; Du, die sich bloſs, in ihrer Schöne, ruhig Zu zeigen brauchte, Liebliche, das ganze Geschlecht der Männer dir im Staub zu sehn? Penthesilea. Ach, Nereïdensohn! — Sie ist mir nicht, Die Kunst vergönnt, die sanftere, der Frauen. Nicht bei dem Fest, wie deines Landes Töchter, Wenn zu wetteifernd frohen Übungen Die ganze Jugendpracht zusammenströmt, Darf ich mir den Geliebten ausersehn; Nicht mit dem Strauſs, so oder so gestellt, Und dem verschämten Blick, ihn zu mir locken; Nicht in dem nachtigall-durchschmetterten Granatwald, wenn der Morgen glüht, ihm sagen, An seine Brust gesunken, daſs er’s sei; Im blut’gen Feld der Schlacht muſs ich ihn suchen, Den Jüngling, den mein Herz sich auserkohr, Und ihn mit eh’rnen Armen mir ergreifen, Den diese weiche Brust empfangen soll. Achilles. Und woher quillt, von wannen, ein Gesetz, Unweiblich, du vergiebst mir, unnatürlich, Dem übrigen Geschlecht der Menschen fremd? Penthesilea. Fern aus der Urne alles Heiligen, O Jüngling: von der Zeiten Gipfeln nieder, Den unbetret’nen, die der Himmel ewig Mit Wolkenduft geheimniſsvoll verhüllt. Der ersten Mütter Wort entschied es also, 22 Und dem verstummen wir, Neridensohn, Wie deiner ersten Väter Worten du. Achilles. Sei deutlicher. Penthesilea. Wohlan! So höre mich. — Wo jetzt das Volk der Amazonen herrschet, Da lebte sonst, den Göttern unterthan, Ein Stamm der Scythen, frei und kriegerisch, Jedwedem andern Volk der Erde gleich. Durch Reih’n schon nannt’ er von Iahrhunderten Jahrhunderten Den Kaukasus, den fruchtumblühten, sein: Als Vexoris, der Äthioper König, An seinem Fuſs erschien, die Männer rasch, Die kampfverbundnen, vor sich niederwarf, Sich durch die Thäler goſs, und Greis’ und Knaben, Wo sein gezückter Stahl sie traf, erschlug; Das ganze Prachtgeschlecht der Welt gieng aus. Die Sieger bürgerten, barbarenartig, In unsre Hütten frech sich ein, ernährten Von unsrer reichen Felder Früchten sich, Und, voll der Schande Maas uns zuzumessen, Ertrotzten sie der Liebe Gruſs sich noch: Sie rissen, von den Gräbern ihrer Männer, Die Frau’n zu ihren schnöden Betten hin. Achilles. Vernichtend war, und schrecklich, Königinn, Das Schicksal, das dein Frauenvolk gebahr. Penthesilea. Doch Alles schüttelt, was ihm unerträglich, Der Mensch von seinen Schultern sträubend ab; Den Druck nur mäſs’ger Leiden duldet er. Durch ganze Nächte lagen, still und heimlich, Die Frau’n im Tempel Mars, und höhlten weinend Die Stufen mit Gebet um Rettung aus. Die Betten füllten, die entweihten, sich Mit blankgeschliffnen Dolchen an, gekeilt Aus Schmuckgeräthen, bei des Heerdes Flamme, Aus Senkeln, Ringen, Spangen: nur die Hochzeit Ward, des Äthioperkönigs Vexoris Mit Tanaïs, der Königinn, erharrt, Der Gäste Brust zusammt damit zu küssen. Und als das Hochzeitfest erschienen war, 23 Stieſs ihm die Kön’ginn ihren in das Herz; Mars, an des Schnöden Statt, vollzog die Ehe, Und das gesammte Mordgeschlecht, mit Dolchen, In einer Nacht, ward es zu Tod gekitzelt. Achilles. Solch eine That der Weiber läſst sich denken. Penthesilea. Und dies jetzt ward im Rath des Volks beschlossen: Frei, wie der Wind auf offnem Blachfeld, sind Die Frau’n, die solche Heldenthat vollbracht, Und dem Geschlecht der Männer nicht mehr dienstbar. Ein Staat, ein mündiger, sei aufgestellt, Ein Frauenstaat, den fürder keine andre Herrschsücht’ge Männerstimme mehr durchtrotzt, Der das Gesetz sich würdig selber gebe, Sich selbst gehorche, selber auch beschütze: Und Tanaïs sei seine Königinn! Der Mann, dess’ Auge diesen Staat erschaut, Der soll das Auge gleich auf ewig schlieſsen; Und wo ein Knabe noch gebohren wird, Von der Tyrannen Kuſs, da folg’ er gleich Zum Orkus noch den wilden Vätern nach. Der Tempel Ares füllte sich sogleich Gedrängt mit Volk, die groſse Tanaïs, Zu solcher Satzung Schirmerinn, zu krönen. Gerad’ als sie, im festlichsten Moment, Die Altarstuf’ erstieg, um dort den Bogen, Den groſsen, goldenen, des Scythenreichs, Den sonst die Könige geführt, zu greifen, Von der geschmückten Oberpriest’rinn Hand, Lieſs eine Stimme also sich vernehmen: „Den Spott der Männer werd’ er reizen nur, Ein Staat, wie der, und gleich dem ersten Anfall Des kriegerischen Nachbarvolks erliegen; Weil doch die Kraft des Bogens nimmermehr Von schwachen Frau’n, beengt durch volle Brüste, Leicht, wie von Männern, sich regieren würde.“ Die Königinn stand einen Augenblick, Und harrte still auf solcher Rede Glück; Doch als die feige Regung um sich griff, Riſs sie die rechte Brust sich ab, und taufte Die Frauen, über die sie herrschen würde, 24 Und fiel zusammen, eh’ sie noch vollendet: Die Amazonen oder Busenlosen! Achilles. Nun denn, beim Zevs, die brauchte keine Brüste! Die war der Krone eures Reiches werth, Und meine Männerseele beugt sich ihr. Penthesilea. Still auch, auf diese That, ward’s, Peleïde, Kein Laut vernahm sich, als der Bogen nur, Der aus der Hand, geöffnet im Entsetzen, Der Priesterinn, wie jauchzend, niederfiel. Er stürzt’, der groſse, goldene, des Reichs, Und klirrte, von der Marmorstufe, dreimal, Mit dem Gedrön der Glocken, auf, und legte, Stumm wie der Tod, zu ihren Füſsen sich. Hierauf ward ihr die Krone aufgesetzt. Achilles. Man folgt’ ihr, hoff’ ich, doch im Beispiel nicht? Penthesilea. Nicht — allerdings; so heftig nicht, als sie. Man war gescheut. Achilles (mit Erstaunen) Wie! Also doch — ? Penthesilea. Was sagst du? Achilles. Die ungeheure Sage wäre wahr? Und alle diese blühenden Gestalten, Die dich umstehn, die Zierden des Geschlechts, Sie sind beraubt, wie Tempel, allzusammt — ? Penthesilea. Hast du das nicht gewuſst? Achilles (indem er sein Gesicht an ihre Brust drückt) O Königinn! Der Sitz der jungen, lieblichen Gefühle, Um eines Wahns barbarisch — Penthesilea. Sei ganz ruhig. Sie retteten in diese Linke sich, Wo sie dem Herzen um so näher wohnen. Du wirst, mein junger Freund, mir keins vermissen. Achilles. — Fürwahr, ein Traum, geträumt in Morgenstunden, Scheint mir wahrhaft’ger, als der Augenblick. — Doch sehr begierig bin ich, weiter, Königinn! Auf deiner Rede Schluſs. Penthesilea. Wie? Auf den Schluſs — . 25 Achilles. Denn dieser stolze Frauenstaat, sag’ an, Der ohn’ der Männer Hülf’ enstand, entstand, wie pflanzt er Doch ohne Hülfe sich der Männer fort? Wirft euch Deukalion, von Zeit zu Zeit, Noch seiner Schollen Eine häuptlings zu? Penthesilea. So oft —

U. s. w.

F. Neunzehnter Auftritt.

(Zur Erklärung: Penthesilea ist, in dem Augenblick, da sie von ihrer wahren Lage (näm⸗
lich
, daſs nicht Achill der ihrige, sondern sie die Gefangne Achill’s war) unterrichtet
worden, von den Amazonen befreit und aus seinen Armen gerissen worden. Sie ruft
ihn, in der ersten Regung des Schmerzes zurück; doch, von der Oberpriesterinn bitter
und schonungslos darüber gestraft, steht sie jetzt beschämt und zitternd, im Gefühl
gänzlicher Vernichtung, vor ihrem Volke da, das noch obenein, in diesem Gefecht um
ihre Freiheit, seine eigenen Gefangenen eingebüſst hat.)
Penthesilea (ihr Haupt am Busen der) Prothoe (verbergend) Die Oberpriesterinn.
Das Volk. Ein Herold (tritt auf)
Eine Amazone. Dort kömmt ein Herold uns. Prothoe. Was bringst du? Rede! Der Herold. Mich sendet dir Achilleus, Königinn, Der schilfumkränzten Nereïde Sohn, Und läſst durch meinen Mund dir kündigen: Weil dich Gelüst treibt, als Gefangnen ihn Nach deinen Heimathsfluren abzuführen, Ihn aber auch hinwiederum Gelüst, Nach seinen heimathlichen Fluren dich; So fordert er zum Kampf, auf Tod und Leben, Noch einmal dich in’s Feld hinaus, auf daſs Das Schwerdt, des Schicksals eh’rne Zung’, entscheide, In der gerechten Götter Angesicht, Wer würdig sei, du oder er, von beiden, Den Staub, nach ihrem heiligen Beschluſs, Zu seines Gegners Füſsen aufzulecken. Hast du’s auf solchen Strauſs zu wagen Lust? Penthesilea (nach einer Pause) Mein Schwesterherz! Was sagte dieser Mann — Ist’s der Pelide, der so mit mir spricht? 26 Prothoe. Verweigre ihm den Zweikampf, Königinn. Penthesilea. Er ruft, o Diana! mich, der mich zu schwach, Um sich mit ihm im Kampf zu messen, weiſs, Zum Kampf ruft er auf Tod und Leben mich? Die Brust hier, erst zerschmettern will er sie, Mit seiner weiſsen Pferde Tritt, und dann Auf ihrem bleichen Kissen fröhlich ruhn? Was ich vom Fest der Rosen ihm gesagt, Und unserm Tempel, in der Eichen Dunkel, Hat ihn mit der Musik der Rede bloſs, Wie eines Felsens starres Ohr, getroffen? Es rührt’ ihn nicht, er dachte nichts dabei, Es rührt’ ihn nicht, sein Bild aus Marmor hätt’ ich Gleich gut mit meinen Rosen kränzen können? Prothoe. Vergiſs den Unempfindlichen. Penthesilea. Nun ist’s aus. Prothoe. Wie? Penthesilea (verstört) Gut, gut, gut. Prothoe. Geliebte meiner Seele! Penthesilea. Ihr sollt all’ die Gefang’nen wieder haben. Der Herold. Du willst den Kampf — ? Penthesilea. Ich will’s, sag’s ihm, o Herold: Er soll im Angesicht der Götter mich, Die Furien auch ruf’ ich herab, mich treffen! (der Donner rollt) Die Oberpriesterinn. Wenn dich mein Wort gereizt, Penthesilea, So wirst du mir den Schmerz — Penthesilea (ihre Thränen unterdrückend) Laſs mich, du Heil’ge! Ich will den Bogen wieder reinigen. Eine Amazone (aus ihrem Gefolge) Ehrwürd’ge Priesterinn! Dein Ansehn brauche. Die Oberpriesterinn. Hörst du ihn, Königinn, der dir zürnt? Penthesilea. Ihn ruf’ ich Mit allen seinen Donnern mir herab! Die erste Amazone (in Bewegung) Ihr Fürstinnen! Die Zweite. Unmöglich ist’s! 27 Die Dritte. Es kann nicht! Penthesilea (mit zuckender Wildheit) Herbei, Ananke, Führerin der Hunde! Die erste Amazone. Wir sind zerstreut, geschwächt — Die Zweite. Wir sind ermüdet — Penthesilea. Halkymnia, gräuelvolle Schnitterinn, Die du des Schlachtfelds Erndtefest bestellst, Mit deinen Sichelwagen mir herbei! Die Oberpriesterinn. Erscheint man so zum Zweikampf, Unglückseel’ge? Penthesilea. Und ihr, die ihr der Menschen Saat zerdrescht, Daſs Korn und Halm auf ewig untergehen, Ihr Elephanten-Reihen, stampft heran! Ihr Reuterschaaren und ihr Bogenschützen, Zum Stoppellesen geizig hinterher! Du ganzer Schreckenspomp des Kriegs, dich ruf’ ich, Vernichtender, entsetzlicher, herbei! (sie ergreift den groſsen Bogen des Reichs aus einer Amazone Hand) Amazonen (mit Meuten gekoppelter Hunde, Elephanten, Sichelwagen, Fackeln, u. s. w.)
Prothoe. O, meine groſse Königinn, höre mich! Penthesilea (sich zu den Hunden wendend) Auf, Tigris, jetzt, dich brauch’ ich!
Auf, Leäne!
Auf, mit der Zoddelmähne du, Melampus! Auf, Akle, die den Fuchs erhascht, auf, Sphynx, Und, der die Hirschkuh übereilt, Alektor, Auf, Oxus, der den Eber niederreiſst, Und der dem Leuen nicht erbebt, Hyrkaon!
(der Donner rollt heftig) Prothoe. O! Sie ist auſser sich — ! Die Oberpriesterinn. Sie ist wahnsinnig! Penthesilea (kniet nieder, mit allen Zeichen der Raserei, während die Hunde ein gräſsli⸗
ches
Geheul anstimmen)

Dich, Ares, ruf’ ich jetzt, dich, Schrecklichen, Dich, meines Hauses hohen Gründer, an! Oh! — — deinen erznen Wagen mir herab: Wo du der Städte Mauern auch und Thore Zermalmst, Vertilgergott, gekeilt in Straſsen, Der Menschen Reihen jetzt auch niedertrittst; Oh! — — deinen erznen Wagen mir herab: 28 Daſs ich den Fuſs in seine Muschel setze, Die Zügel greife, durch die Felder rolle, Und, wie ein Donnerkeil aus Wetterwolken, Auf dieses Griechen Scheitel niederfalle!
(sie steht auf) Die erste Amazone (ihr in den Weg tretend) Auf! Wehrt der Rasenden! Herbei! Penthesilea (indem sie den Bogen spannt) Ei, lustig! So muſs ich sehn, ob mir der Pfeil noch trifft. (sie legt auf die Amazone an) Die Amazone (niederstürzend) Ihr Himmlischen! Eine Priesterinn (stellt sich rasch hinter die Königinn) Achill ruft! Eine zweite Amazone. Der Pelide! Die Priesterinn. Hier steht er hinter dir. Penthesilea (wendet sich) Wo? Die Priesterinn. War er’s nicht? — Penthesilea. Nein, hier sind noch die Furien nicht versammelt. — Folg’ mir, Ananke! Folgt, ihr Freundinnen! (ab, mit dem ganzen Kriegstroſs, unter heftigen Gewitterschlägen) Die Oberpriesterinn. Seht, die Wahnsinnige!

U. s. w.

G. Ein und zwanzigster Auftritt.

Achilles und Diomedes (treten auf. Späterhin) Ulysses. (zuletzt) der Herold. Achilles. Hör’, thu mir den Gefallen, Diomed, Und sag’ dem Sittenrichter nichts, dem grämlichen Odyſs, von dem, was ich dir anvertraue; Mir widersteht’s, es macht mir Übelkeiten, Wenn ich den Zug um seine Lippe sehe. Diomedes. Hast du den Herold ihr gesandt, Pelide? Ist’s wahr? Ist’s wirklich? Achilles. Ich will dir sagen, Freund: — Du aber, du erwiederst nichts, verstehst du? Gar nichts, kein Wort! — — Dies wunderbare Weib, Halb Furie, halb Grazie, sie liebt mich. — 29 Und allen Weibern Hellas ich zum Trotz, Beim Styx! Beim ganzen Hades! — Ich sie auch. Diomedes. Was? Achilles. Ja. Doch eine Grille, die ihr heilig, Will, daſs ich ihrem Schwerdt im Kampf erliege; Eh nicht in Liebe kann sie mich umfangen. Nun schickt ich — Diomedes. Rasender! Achilles (das Blut schieſst ihm in’s Gesicht) Er hört mich nicht! Was er im Weltkreis noch, so lang’ er lebt, Mit seinen blauen Augen nicht gesehn, Das kann er in Gedanken auch nicht fassen. Diomedes. Du willst — ? — Nein, sprich! Du willst — ? Achilles. — Was also will ich? Was ist’s, das ich so Ungeheures will? Diomedes. Der Herold ward ihr bloſs geschickt, Wahnsinn’ger, Um ihr — ? Achilles. Beim wolkenrüttelnden Kroniden, Sie thut mir nichts, sag’ ich! Eh wird ihr Arm Im Zweikampf gegen ihren Busen wüthen, Und rufen: Sieg! wenn Wenn er von Herzblut trieft, Als wider mich! — Auf einen Mond bloſs will ich ihr, In dem was sie begehrt zu Willen sein; Auf einen oder zwei, mehr nicht: das wird Euch ja den alten meerzerfress’nen Isthmus Nicht gleich zusammenstürzen. — Frei bin ich dann, Wie ich aus ihrem eignen Munde weiſs, Wie Wild auf Haiden wieder; und folgt sie mir, Beim Jupiter! ich wär’ ein Seeliger, Könnt’ ich auf meiner Väter Thron sie setzen. Ulysses (kommt)
Diomedes. Komm her, Ulyſs’, ich bitte dich. Ulysses. Pelide! Du hast die Königinn zum Kampf gefordert; Willst du, ermüdet, wie die Schaaren sind, Von Neu’m das ungeheure Wagstück wagen? 30 Diomedes. Nichts, Freund, von Wagestücken, nichts von Kämpfen; Er will sich bloſs ihr zu gefangen geben. Ulysses. Was! Achilles (das Blut schieſst ihm in’s Gesicht) Thu mir dein Gesicht weg, bitt’ ich dich! Ulysses. Er will — ? Diomedes. Du hörst’s, ja! Ihr den Helm zerkeilen, Gleich einem Fechter, grimmig sehn und wüthen, Dem Schild aufdonnern, daſs die Funken sprühen, Und stumm sich, als ein Überwundener, Zu ihren kleinen Füſsen niederlegen. Ulysses. Ist dieser Mann bei Sinnen, Sohn des Peleus? Hast du gehört, was er — ? Achilles. Ich bitte dich, Halt deine Oberlippe fest, Ulyſs. Es steckt mich an, bei den gerechten Göttern, Und bis zur Faust gleich zuckt es mir herab. Ulysses. Tydide! Sei so gut, und kräftige, Mit einem Eid, daſs ich auf’s Reine komme, Mir jegliches, was ich dich fragen werde. — Er will der Königinn sich gefangen geben? Diomedes. Du hörst’s. Ulysses. Nach Themiscyra will er gehn? Diomedes. So ist’s. Ulysses. Und unseren Helenenstreit, Vor der Dardanerburg, der Sinnentblöſste, Den will er, wie ein Kinderspiel, weil sich Was anders Buntes zeigt, im Stiche lassen? Diomedes. Beim Jupiter! Ich schwör’s. Ulysses (indem er die Arme verschränkt) — Ich kann’s nicht glauben. Achilles. Er spricht von der Dardanerburg. Ulysses. Was? Achilles. Was? Ulysses. Mich dünkt, du sagtest was? Achilles. Ich? Ulysses. Du! 31 Achilles. — Ich sagte, Er spricht von der Dardanerburg. Ulysses. Nun ja. Wie ein Besess’ner fragt’ ich, ob der ganze Helenenstreit, vor der Dardanerburg, Gleich einem Morgentraum, vergessen sei? Achilles. Wenn die Dardanerburg, Laertiade, Versänke, du verstehst, so, daſs ein See, Ein bläulicher, an ihre Stelle träte; Wenn graue Fischer, bei dem Schein des Monds, Den Kahn an ihre Wetterhähne knüpften; Wenn im Pallast des Priamus ein Hecht Regiert’, ein Ottern- oder Ratzenpaar Im Bette sich der Helena umarmten: So wär’s für mich gerad’ so viel, als jetzt. Ulysses. Beim Styx! Es ist sein voller Ernst, Tydide! Achilles. Beim Styx! Bei dem Lernäersumpf! Beim Hades! Der ganzen Oberwelt und Unterwelt Und jedem dritten Ort: es ist mein Ernst; Ich will den Tempel der Diana sehn! Ulysses (halb in’s Ohr) Laſs ihn nicht von der Stelle, Diomed, Wenn du so gut willst sein. Diomedes. Wenn ich — ich glaube! Sei doch so gut, und leih mir deine Arme. Der Herold (tritt auf)
Achilles. Ha! Stellt sie sich? Was bringst du? Stellt sie sich? Der Herold. Sie stellt sich, ja, Neridensohn, sie naht schon; Jedoch mit Hunden auch und Elephanten, Und einem ganzen wilden Reutertroſs: Was die beim Zweikampf sollen, weiſs ich nicht. Achilles. Gut. Dem Gesetz war sie das schuldig. Folgt mir! — O, sie ist listig, bei den ew’gen Göttern! — Mit Hunden, sagst du? Der Herold. Ja. Achilles. Und Elephanten? Der Herold. Daſs es ein Schrecken ist zu sehn, Pelide! Gält’ es, die Atreïden anzugreifen, 32 Im Lager vor der Trojerburg, sie könnte In keiner finstrern Gräuelrüstung nahn. Achilles (in den Bart) Die fressen aus der Hand wahrscheinlich — Folgt mir! O beim Kroniden — Folgt! (ab mit den Seinigen) Diomedes. Der Rasende! Ulysses. Laſst uns ihn knebeln, binden — hört, ihr Griechen! Diomedes. Hier nahn die Amazonen schon — hinweg! (Alle ab)

H. Zwei und zwanzigster Auftritt.

Die Oberpriesterinn (tritt in groſser Bewegung auf) Priesterinnen und Amazonen
(folgen ihr)
Die Oberpriesterinn (vor Schrecken bleich) Schafft Stricke her, ihr Frau’n! Eine Priesterinn. Was ist geschehn? Die Oberpriesterinn. Reiſst sie zu Boden nieder! Bindet sie! Eine Amazone. Die Königinn, sagst du? Die Oberpriesterinn. Die Hündinn, sag’ ich! Der Menschen Hände bänd’gen sie nicht mehr. Die Priesterinn. Hochwürd’ge Priest’rinn, du bist auſser dir. Die Oberpriesterinn. Mit einem Stein drei Jungfrau’n warf sie nieder, Die wir geschickt, sie aufzuhalten; Prothoe, Weil sie auf Knie’n sich in den Weg ihr warf, Bei jedem süſsen Namen sie beschwörend, Mit Hunden hat sie sie hinweggehetzt. Als ich von fern der Rasenden nur nahte, Den groſsen Bogen gleich erspannte sie, Auf mich gestellt ward er — verloren war ich, Wenn ich im Haufen nicht des Volks verschwand. Die erste Amazone. Es ist entsetzlich! Die Zweite. Gräſslich ist’s, ihr Jungfrau’n! Die Oberpriesterinn. Jetzt unter ihren Hunden wüthet sie, Mit schaumbedeckter Lipp’, und nennt sie Schwestern, Die heulenden, und, der Mänade gleich, Mit ihrem Bogen durch die Felder tanzend, Hetzt sie die Meute, die mordathmende, 33 Die sie umringt, das schönste Wild zu fangen, Das je die Erde, wie sie sagt, durchschweift. Die Priesterinn. Ihr Orkusgötter, wie bestraft ihr sie! Die Oberpriesterinn. Drum mit dem Strick jetzt heimlich, Töchter Mars, Mir auf den Kreuzweg hin; legt Schlingen ihr, Bedeckt mit Sträuchern, vor der Füſse Tritt. Und reiſst, wenn sich ihr Fuſs darin verfängt, Dem wuthgetroffnen Hunde gleich, sie nieder: Daſs wir sie binden, in die Heimath bringen, Und sehen, ob sie noch zu retten sei. Das Heer der Amazonen (auſserhalb der Scene) Triumph! Triumph! Triumph!
Achilleus stürzt!
Gefangen ist der Held! Die Siegerinn, Mit Rosen wird sie seine Scheitel kränzen! U. s. w.

H. v. K. [fehlt, auch kein Hinweis im Kommentar]

http://ds.ub.uni-bielefeld.de/viewer/image/2104383_001/6
Penthesilea. Organisches Fragment.

Quellenangaben für Zitation
https://kleist-digital.de/phoebus/01/02, [ggf. Angabe von Zeile/Vers oder Seite], 08.06.2025

Zeilen- u. Seitennavigation
  • Überlieferung
  • Emendationen
  • Kollation Editionen
  • Stellenkommentar

Apparat

Überlieferung

Generell zur Transkription des Phöbus: vgl. editorische Bemerkungen zur Textkonstitution des Phöbus.

Das lange-s ist außerhalb der Buchstabenfolge ſs (ß) fälschlicherweise an zwei weiteren Stellen (Verse 253, 454; siehe Corrigenda) gesetzt und wird hier entsprechend wiedergegeben. (Die Kombination ſs ist generell durch ß ersetzt, siehe Phöbus-Transkriptionsregeln.)

 Emendationen (insges. 8)
  • 253ſchweiſserfüllteschweiſserfüllte
  • 292GefllechtGeflecht
  • 323straft!strafft!
  • 330Geschäft!Geschäft!
  • 359euch!euch?
  • 454ſüſsensüſsen
  • 542IahrhundertenJahrhunderten
  • 645enstand,entstand,
Pagina Kleist-Ausgaben
  • [BKA] I/5 193–244
  • [MA] III 187–222
  • [DKV] II 109–141
  • [SE:1993] I 856–859 [Auszüge]
  • [Port:2012 (Reclam)] 273–307
 Vergleich Editionen

Die durchgeführte Kollation mit unterschiedlichen historischen und aktuellen Kleist-Editionen zeigt bestimmte Lesarten und Emendationen, die von der vorliegenden emendierten Fassung abweichen. In den Anmerkungen finden sich hierzu häufig nähere Erläuterungen. (Gelegentlich ist die Ursache für Abweichungen ein Transkriptionsfehler in der jeweiligen Edition.)

Disclaimer: Abweichungen, die ihren Grund in typographisch bedingten Normalisierungen und Standardisierungen haben, werden nicht angezeigt. Ein Anspruch auf Vollständigkeit kann nicht erhoben werden. Mitgeteilte Abweichungen müssen am Original überprüft werden.

[MA:2010] [4 Abw.]
  • 328— Doch ] Doch
  • 340Schlachtermüdeten, ] Schlachtermüdeten
  • 759wenn ] Wenn
  • 868fH. v. K. ] [fehlt, auch kein Hinweis im Kommentar]
Stellenkommentar

87befrei’n,[BKA] liest einen Punkt, für [Kleist;Port:2012] bleibt unklar, ob es sich bei dem gedruckten Satzzeichen um ein beschädigtes Komma oder einen Punkt handelt. Es dürfte sich allerdings eindeutig um ein Komma handeln, da der verbliebene Graph eindeutig nicht identisch ist mit einem Punkt und, was wesentlicher ist, zwischen dem ›n‹ von ›befrei’n‹ und dem verbliebenen Graphen das auch sonst im Satzbild gezeigte Spatium vor dem Komma erkennbar ist, während der Punkt in allen Fällen ohne Spatium direkt an den Buchstaben gesetzt ist. Die Kommata sind nur am Zeilenende ohne vorlaufendes Spatium gesetzt.

274(folgen)›Die anderen jungen Mädchen (folgen)‹ nicht als Bühnenanweisung gesetzt.

WERKE
  • Dramen
  • Erzählungen
  • Lyrik
  • Sonstige Prosa
  • Berliner Abendblätter
  • Phöbus
VERZEICHNISSE
  • Personen
  • Orte
  • Kleist Texte (alphabetisch)
  • Von Kleist erwähnte Werke
  • Literaturverzeichnis
SONSTIGES
  • Über die Edition
  • Kleist-Wörter-Rätsel
  • Handschriften-Simulator
  • Handschriften-Fonts
  • Kontakt Herausgeber
  • Impressum / Haftungsausschluss
  • Datenschutzerklärung
  • Creative Commons Lizenzvertrag Dieses Werk ist lizenziert unter einer
    Creative Commons Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz