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    Ueber das Marionettentheater. [1]Litterarische Bemerkung.Bülletin der öffentlichen Blätter.
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  • 63tes Blatt. Den 12ten December 1810.
63tes Blatt. Den 12ten December 1810.

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xxx

Berliner Abendblaͤtter.

63tes Blatt. Den 12ten December 1810.

Ueber das Marionettentheater.

Als ich den Winter 1801 in M... zubrachte,
traf ich daſelbſt eines Abends, in einem oͤffentlichen
Garten, den Hrn. C. an, der ſeit Kurzem, in die⸗
ſer Stadt, als erſter Taͤnzer der Oper, angeſtellt 5
war, und bei dem Publico außerordentliches Gluͤck
machte.

Ich ſagte ihm, daß ich erſtaunt geweſen waͤre,
ihn ſchon mehrere Mal in einem Marionetten⸗
theater zu finden, das auf dem Markte zuſammen⸗10
gezimmert worden war, und den Poͤbel, durch kleine
dramatiſche Burlesken, mit Geſang und Tanz durch⸗
webt, beluſtigte.

Er verſicherte mir, daß ihm die Pantomimik
dieſer Puppen viel Vergnuͤgen machte, und ließ 15
nicht undeutlich merken, daß ein Taͤnzer, der ſich aus⸗
bilden wolle, mancherlei von ihnen lernen koͤnne.

Da dieſe Aeußerung mir, durch die Art, wie
er ſie vorbrachte, mehr, als ein bloßer Einfall ſchien,
ſo ließ ich mich bei ihm nieder, um ihn uͤber die 20
Gruͤnde, auf die er eine ſo ſonderbare Behauptung
ſtuͤtzen koͤnne, naͤher zu vernehmen.

Er fragte mich, ob ich nicht, in der That,
einige Bewegungen der Puppen, beſonders der klei⸗
neren, im Tanz ſehr gratioͤs gefunden hatte. hätte.
25

Dieſen Umſtand konnt’ ich nicht laͤugnen. Eine
Gruppe von vier Bauern, die nach einem raſchen
Tact die Ronde tanzte, haͤtte von Tenier nicht huͤb⸗
ſcher gemahlt werden koͤnnen.

[ 63 ] 248

Ich erkundigte mich nach dem Mechanismus 30
dieſer Figuren, und wie es moͤglich waͤre, die ein⸗
zelnen Glieder derſelben und ihre Puncte, ohne
Myriaden von Faͤden an den Fingern zu haben, ſo
zu regieren, als es der Rhythmus der Bewegungen,
oder der Tanz, erfordere?
35

Er antwortete, daß ich mir nicht vorſtellen
muͤſſe, als ob jedes Glied einzeln, waͤhrend der
verſchiedenen Momente des Tanzes, von dem Ma⸗
ſchiniſten
geſtellt und gezogen wuͤrde.

Jede Bewegung, ſagte er, haͤtte einen Schwer⸗40
punct; es waͤre genug, dieſen, in dem Innern der
Figur, zu regieren; die Glieder, welche nichts als
Pendel waͤren, folgten, ohne irgend ein Zuthun, auf
eine mechaniſche Weiſe von ſelbſt.

Er ſetzte hinzu, daß dieſe Bewegung ſehr ein⸗45
fach waͤre; daß jedesmal, wenn der Schwerpunct
in einer graden Linie bewegt wird, die Glie⸗
der ſchon Courven beſchrieben; und daß oft, auf
eine bloß zuͤfaͤllige zufaͤllige Weiſe erſchuͤttert, das Ganze
ſchon in eine Art von rhythmiſche Bewegung kaͤme, 50
die dem Tanz aͤhnlich waͤre.

Dieſe Bemerkung ſchien mir zuerſt einiges
Licht uͤber das Vergnuͤgen zu werfen, das er in dem
Theater der Marionetten zu finden vorgegeben hatte.
Inzwiſchen ahndete ich bei Weitem die Folgerungen 55
noch nicht, die er ſpaͤterhin daraus ziehen wuͤrde.

Ich fragte ihn, ob er glaubte, daß der Ma⸗
ſchiniſt, der dieſe Puppen regierte, ſelbſt ein Taͤn⸗
zer ſein, oder wenigſtens einen Begriff vom Schoͤnen
im Tanz haben muͤſſe?
60

Er erwiederte, daß wenn ein Geſchaͤft, von
ſeiner mechaniſchen Seite, leicht ſei, daraus noch
nicht folge, daß es ganz ohne Empfindung betrie⸗
ben werden koͤnne.

249

Die Linie, die der Schwerpunct zu beſchreiben 65
hat, waͤre zwar wäre-zwar ſehr einfach, und, wie er glaube,
in den meiſten Faͤllen, gerad.
In Faͤllen, wo ſie
krumm ſei, ſcheine das Geſetz ihrer Kruͤmmung we⸗
nigſtens von der erſten oder hoͤchſtens zweiten Ord⸗
nung; und auch in dieſem letzten Fall nur elyptiſch, 70
welche Form der Bewegung den Spitzen desmenſch⸗
lichen
des menſch⸗
lichen
Koͤrpers (wegen der Gelenke) uͤberhaupt die
natuͤrliche ſei, und alſo dem Maſchiniſten keine
große Kunſt koſte, zu verzeichnen.

Dagegen waͤre dieſe Linie wieder, von einer 75
andern Seite, etwas ſehr Geheimnißvolles.
Denn
ſie waͤre nichts anders, als der Weg der Seele
des Taͤnzers;
und er zweifle, daß ſie anders ge⸗
funden werden koͤnne, als dadurch, daß ſich der
Maſchiniſt in den Schwerpunct der Marionette 80
verſetzt, d. h. mit andern Worten, tanzt.

Ich erwiderte, daß man mir das Geſchaͤfft
deſſelben als etwas ziemlich Geiſtloſes vorgeſtellt
haͤtte: etwa was das Drehen einer Kurbel ſei, die
eine Leyer ſpielt.
85

Keineswegs, antwortete er. Vielmehr verhalten
ſich die Bewegungen ſeiner Finger zur Bewegung
der daran befeſtigten Puppen ziemlich kuͤnſtlich, etwa
wie Zahlen zu ihren Logarithmen oder die Aſymp⸗
tote zur Hyperbel.
90

Inzwiſchen glaube er, daß auch dieſer letzte
Bruch von Geiſt, von dem er geſprochen, aus den
Marionetten entfernt werden, daß ihr Tanz gaͤnz⸗
lich ins Reich mechaniſcher Kraͤfte hinuͤbergeſpielt,
und vermittelſt einer Kurbel, ſo wie ich es mir 95
gedacht, hervorgebracht werden koͤnne.

(Die Fortſetzung folgt.)

250

Litterariſche Bermerkung. Bemerkung.

Die Leſer und Kaͤufer der Grundſaͤtze der ratio⸗
nellen Landwirthſchaft von
Thaͤr,
eines ſo theuren und 100
dabey vom Publicum ſo auffallend beguͤnſtigten Buchs,
hat es billig befremden muͤſſen, daß man die, bei der
Lektuͤre des eben erſchienenen dritten Theils unent⸗
behrlichen, und, bei einem ſo großen Gewinnſt, als die⸗
ſes Buch abwirft, wenig koſtſpieligen Kupferabbildun⸗105
gen der Ackerwerkzeuge, nicht dem Buche hinzugefuͤgt,
ſondern, es fuͤr gut gefunden hat, die Anſchaffung des
abgeſondert erſchienenen Thaͤrſchen Kupferwerks, den
Leſern zur Pflicht zu machen Duͤrfte wohl ein Au⸗
tor wie dieſer, der doch der Dauer ſeiner Arbeiten 110
gewiß zu ſein ſcheint, gleich bei ihrer erſten Erſchei⸗
nung ſo aͤngſtlich auf den Gewinn, der ihm gebuͤhrt
und nicht entgehen kann, gerichtet ſein? —

v. S.

Buͤlletin der oͤffentlichen Blaͤtter.115

Symptome des gelben Fiebers haben ſich zwar an
der Suͤdkuͤſte von Spanien, zumal in dem Hoſpital
von Carthagena gezeigt, jedoch iſt zweien Tagesbefeh⸗
len der Herzoͤge von Bellune und Dalmatien zufolge,
der Verdacht, als ſei dieſe Krankheit von Ceuta und 120
Oran heruͤbergekommen voͤllig ungegruͤndet, und iſt
das am 24ten Sept verordnete Embargo der Afrika⸗
niſchen Schiffe aufgehoben worden. (L. d. B.)

Der Canal zwiſchen Emden und Aurich, der von
Seiten der Franzoͤſiſchen Regierung projektirt worden, 125
wird die Hollaͤndiſchen Canaͤle mit der Elbe, alſo
Frankreich mit der Oſtſee in eine innlaͤndiſche Com⸗
munication ſetzen, alſo den dem Handel und dem Krieg
eine ganz neue Straße eroͤfnen. (L. d. B.)

Ueber das Marionettentheater. [1]; Litterarische Bemerkung.; Bülletin der öffentlichen Blätter.;

https://archive.org/details/BerlinerAbendbltter1810-11/page/n260

Quellenangabe für Zitat:
https://kleist-digital.de/berliner-abendblaetter/1810-63 [ + Angabe von Zeile / Vers oder Seite ], 31.03.2023

Apparat

 Stellenkommentar

11Poͤbel,Vgl. Adelung ›Pöbel‹: »Ehedem war dieses Wort ohne allen verächtlichen Nebenbegriff üblich, so wie man jetzt das Wort Volk gebraucht, und in diesem Verstande kommt es auch noch mehrmahls in der Deutschen Bibel vor. Allein heut zu Tage klebt ihm fast in allen Fällen der Begriff der bürgerlichen so wohl als sittlichen Niedrigkeit an, daher man dieses Wort selten anders als mit einem verächtlichen Nebenbegriffe gebraucht«.

39MaſchiniſtenVgl. GWb ›Maschinist‹: »Einrichter u Bediener, auch Konstrukteur der zur Bühnenmaschinerie gehörigen technischen Vorrichtungen«.

100Grundſaͤtze der rationellen Landwirthſchaft von Thaͤr,Vgl. Digitalisat von ›Albrecht Thaer, Grundsätze der rationellen Landwirthschaft, Bd. 3., Berlin 1810‹.

124Canal zwiſchen Emden und Aurich,Eine Wasserverbindung zwischen Emden und Aurich war mit dem ›Treckfahrtstief‹ schon 1798/99 erbaut worden (vgl. Wikipedia ›Treckfahrtstief‹). Die französischen Pläne einer Erweiterung sind nicht mehr umgesetzt worden.

 Emendationen (insges. 5)
  • 25hatte.hätte.
  • 49zuͤfaͤlligezufaͤllige
  • 71desmenſchlichendes menſchlichen
  • 98Bermerkung.Bemerkung.
  • 128dendem

Textkonstitution

Textwiedergabe nach:
Kleist, Heinrich von (Hrsg.): Berliner Abendblätter. 63tes Blatt. Den 12ten December 1810. Berlin: J. E. Hitzig, 12.12.1810.

Faksimiledruck in: BA-Reprint:1925 S. 247–250

Angaben zu den einzelnen Artikeln

Ueber das Marionettentheater. [1]

Zur Autorschaft: Heinrich von Kleist

Zur Textchronologie:

  • 1. Teil veröffentlicht im 63. Blatt vom 12. Dezember 1810.
  • 2. Teil veröffentlicht im 64. Blatt vom 13. Dezember 1810.
  • 3. Teil veröffentlicht im 65. Blatt vom 14. Dezember 1810.
  • 4. Teil veröffentlicht im 66. Blatt vom 14. Dezember 1810.

Pagina Erstdruck Berliner Abendblätter: S. 247–249

Pagina Kleist-Editionen: [BKA] II/7 I 317–319 [MA] II 425–433 [DKV] III 555–563 [SE:1993] II 338–345

Litterarische Bemerkung.

Zur Autorschaft: Friedrich Carl von Savigny [?]

Pagina Erstdruck Berliner Abendblätter: S. 250

Pagina Kleist-Editionen: [BKA] II/7 I 319f.

Bülletin der öffentlichen Blätter.

Zur Autorschaft: Heinrich von Kleist [Bearb.]

Bülletin ›gelbes Fieber‹: Redigierter Text aus ›Privilegirte Liste der Börsen-Halle‹ vom 8. Dezember 1810;
Bülletin ›Canal‹: Redigierter Text aus ›Privilegirte Liste der Börsen-Halle‹ vom 8. Dezember 1810.

Pagina Erstdruck Berliner Abendblätter: S. 250

Pagina Kleist-Editionen: [BKA] II/7 I 320

 Erwähnte Personen
  • []Perrin gen. Victor, Claude-Victor (1)
  • []Soult, Nicolas Jean-de-Dieu (1)
  • []Teniers der Jüngere, David (1)
  • []Thaer, Albrecht Daniel (1)
  • [»]Alle Personen anzeigen +/–
 Erwähnte Orte
  • []Aurich (1)
  • []Cartagena (1)
  • []Ceuta (1)
  • []Elbe (1)
  • []Emden (1)
  • []Frankreich (1)
  • []Oran (1)
  • []Ostsee (1)
  • []Spanien (1)
  • [»]Alle Orte anzeigen +/–
 Vergleich Editionen

Die durchgeführte Kollation mit unterschiedlichen historischen und aktuellen Kleist-Editionen zeigt bestimmte Lesarten und Emendationen, die von der vorliegenden emendierten Fassung abweichen. In den Anmerkungen finden sich hierzu häufig nähere Erläuterungen. (Gelegentlich ist die Ursache für Abweichungen ein Transkriptionsfehler in der jeweiligen Edition.)

Disclaimer: Abweichungen, die ihren Grund in typographisch bedingten Normalisierungen und Standardisierungen haben, werden nicht angezeigt. Ein Anspruch auf Vollständigkeit kann nicht erhoben werden. Mitgeteilte Abweichungen müssen am Original überprüft werden.

[MA:2010] [1 Abw.]
  • 66waͤre zwar ] wäre-zwar
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