Alle Textversionen sind inhaltlich identisch und folgen dem angegebenen Textzeugen.
Die
Fassung Erstdruck/Textzeuge zeigt die zeichengenaue Wiedergabe des Textzeugen. Nur offensichtliche Fehler sind emendiert. Alle Emendationen sind im Apparat verzeichnet. Der originale Zeilenfall ist beibehalten. Die Fassung wird auf Smartphones wegen der Zeilenlänge nicht angezeigt.
In der Textversion ohne originalen Zeilenfall wird der Zeilenfall mit einem Schrägstrich / angezeigt, die Zeile wird aber nicht umbrochen. Ansonsten folgt sie der angegebenen Textquelle.
In der Textversion ohne ſ, aͤ, oͤ, uͤ sind zusätzlich das lange ſ und historische Umlautformen der heutigen Orthographie angepasst.
Die Heilung./
In den Zeiten des hoͤchſten Glanzes der altfranzoͤſi/ſchen Hofhaltung unter Ludwig XIV, lebte ein Edel/mann, der Marquis de Saint Meran, der die Anmuth, /Geiſtesgewandheit und ſittliche Verderbniß der damali/gen vornehmen Welt im hoͤchſten Grade in ſich vereinigte. /Unter andern unzaͤhlbaren Liebesabentheuern hatte er /auch eines, mit der Frau eines Procuratoren, die es /ihm gelang, dem Manne ſowohl, als deſſen Familie und /ihrer eignen gaͤnzlich abzuwenden, ſo daß ſie deren / 10 Schmach ward, deren Juweel ſie geweſen war, und /in blinder Leidenſchaft das Hotel ihres Verfuͤhrers be/zog. Er hatte zwar nie ſo viel bei einer Liebesge/ſchichte empfunden, als bei dieſer, ja, es regten ſich /bisweilen Gefuͤhle in ihm, die man einen Abglanz von /Religion und Herzlichkeit haͤtte nennen moͤgen, aber /endlich trieb ihn dennoch, wenn nicht die Luſt am /Wechſel, doch die Mode des Wechſels von ſeinem ſchoͤ/nen Opfer wieder fort, und er ſuchte nun dieſes durch /die ausgeſuchteſten und verfeinertſten Grundſaͤtze ſei/ 20 ner Weltweisheit zu beruhigen. Aber das war nichts /fuͤr ein ſolches Herz. Es ſchwoll in Leiden, die ihm /keine Geiſteswendung zu mildern vermochte, ſo ge/waltſam auf, daß es den einſtmals lichtklaren und /lichtſchnellen Verſtand verwirrte, und der Marquis, /nicht boͤsartig genug, die arme Verruͤckte ihrem Jam/mer und dem Hohn der Menſchen zu uͤberlaſſen, ſie /auf ein entferntes Gut in der Provence ſchickte, mit /dem Befehl, ihrer gut und anſtaͤndig zu pflegen. Dort /aber ſtieg was fruͤher ſtille Melancholie geweſen war, / 30 zu den gewaltſamſten phrenetiſchen Ausbruͤchen, mit / 204deren Berichten man jedoch die frohen Stunden des /Marquis zu unterbrechen ſorgſam vermied. Dieſem /faͤllt es endlich einmal ein, die provenzaliſche Beſiz/zungBeſitzung zu beſuchen. Er kommt unvermuthet an, eine /fluͤchtige Frage nach dem Befinden der Kranken wird /eben ſo fluͤchtig beantwortet, und nun geht es zu ei/ner Jagdparthie in die nahen Berge hinaus. Man /hatte ſich aber wohl gehuͤtet, dem Marquis zu ſagen, /daß eben heute die Ungluͤckliche in unbezwinglicher / 40 Wuth aus ihrer Verwahrung gebrochen ſei, und man /ſich noch immer vergeblich abmuͤhe, ſie wieder ein/zufangen. Wie mußte nun dem Leichtſinnigen zu /Muthe werden, als er auf ſchroffem Fußgeſtade an ei/ner der einſamſten Stellen des Gebirges, weit ge/trennt von alle ſeinem Gefolge, im eiligen Umwen/den um eine Ecke des Felſens, der furchtbaren Fluͤch/tigen grad in die Arme rennt, die ihn faßt mit alle /der unwiderſtehlichen Kraft des Wahnſinns, mit ihren, /aus den Kreiſen gewichenen blitzenden Augenſtern, ge/ 50 rad in ſein Antlitz hineinſtarrt, waͤhrend ihr reiches, /nun ſo graͤßliches, ſchwarzes Haar, wie ein Mantel von /Rabenfittigen, uͤber ihr hinweht, und die dennoch nicht /ſo entſtellt iſt, daß er nicht auf den erſten Blick die /einſt ſo geliebte Geſtalt, die von ihm ſelber zur Furie /umgezauberte Geſtalt, haͤtte erkennen ſollen. — Da /wirrte auch um ihm der Wahnſinn ſeine grauſe Schlin/gen, oder vielmehr der Bloͤdſinn, denn der ploͤtzliche Gei/ſtesſchlag zerruͤttete ihn dergeſtalt, daß er beſinnungs/los in den Abgrund hinunter taumeln wollte. Aber / 60 die arme Manon lud ihn, ploͤtzlich ſtill geworden, auf /ihren Ruͤcken, und trug ihn ſorgſam nach der Gegend /des Schloſſes zuruͤck. Man kann ſich das Entſetzen /der Bedienten denken, als ſie ihrem Herren auf dieſe /Weiſe und in der Gewalt der furchtbaren Kranken /begegneten. Aber bald erſtaunten ſie noch mehr, die /Rollen hier vollkommen gewechſelt zu finden. Manon /war die verſtaͤndige, ſittige Retterin und Pflegerin /des bloͤdſinnigen Marquis geworden, und ließ fuͤrder/205hin nicht Tag nicht Nacht auch nur auf eine Stunde / 70 von ihm. Bald gaben die herbeigerufnen Aerzte jede /Hoffnung zu ſeiner Heilung auf, nicht aber Manon. /Dieſe pflegte mit unerhoͤrter Geduld und mit einer /Faͤhigkeit, welche man fuͤr Inſpiration zu halten ver/ſucht war, den armen verwilderten Funken in ihres /Geliebten Haupt, und lange Jahre nachher, ſchon /als ſich beider Locken bleichten, genoß ſie des unaus/ſprechlichen Gluͤckes, den ihr uͤber Alles theuren Geiſt /wieder zu ſeiner ehemaligen Bluͤthe und Kraft herauf/erzogen zu haben. Da gab der Marquis ſeiner Hel/ 80 ferin am Altare die Hand, und in dieſer Entfernung /der Hauptſtadt wußten alle Theilhaber des Feſtes von /keinen anderen Gefuͤhlen, als denen der tiefſten Ehr/furcht und der andaͤchtigſten Freude./
M. F./
Berichtigung./
Auf wiederholtes und dringendes Verlangen des /Verfaſſers der Aufſaͤtze uͤber C. J. Kraus (S. 19tes /und 34tes Abendblatt) nehmen wir noch folgendes /Fragment einer an uns eingelaufenen Erklaͤrung auf:/ 90
„Den Beruf des Herr A. v. A. fuͤr einen Freund, /in die Schranken zu treten, erkennen wir willig und /ehrend an. Ja wir ſind ihm Dank ſchuldig, uns auf/merkſam gemacht zu haben, wie man unſere Worte /auslegen koͤnnte. —/
Wem konnte es aber je einfallen, daß der Ver/faſſer jenes als Feuerbrand bezeichneten Werks, mit /dem Verfaſſer des unter dieſem Titel erſchienenen /Journals je in Vergleichung oder in irgend eine Ge/meinſchaft geſetzt werden ſollte? Selbſt die Schriften / 100 werden nicht verglichen, ſondern ſtehen in directem Ge/genſatz, weshalb eben die Anſpielung auf den waſſer/reichen mit dem Umſchlag und Titel contraſtirenden /Inhalt jenes Journals gemacht wurde. Das Werk ha/ben wir einen Feuerbrand genannt, weil es mit Feuer /geſchrieben iſt, in demſelben Sinne, wie man die /Schriften Luthers, Voltaires, Burkes und jedes Man/nes der fuͤr eine abweichende Meinung mit Kraft auf/tritt, Feuerbraͤnde nennen koͤnnte.“ —/
206Der Reſt dieſer Erklaͤrung betrifft nicht mehr die / 110 Sache, ſondern Perſoͤnlichkeiten; und da er mithin /das Misverſtaͤndniß, ſtatt es aufzuloͤſen, nur vermeh/ren wuͤrde: ſo ſchließen wir den ganzen Streit, den /der Aufſatz C. J. Kraus (11tes Blatt) veranlaßt, mit /dieſer Berichtigung ab. (Die Red.)/
Miscellen./
Aus Kaſſel./
Die Auffuͤhrung der Oper Cendrillon lockte viel /Neugierige herbei. Das Stuͤck war in Paris 42 Mal /hintereinander gegeben worden: und ſo glaubte man / 120 in Kaſſel an eine aͤhnliche Wirkung. Aber das deut/ſche Publikum ſcheint zu einer ſolchen Beſtaͤndigkeit /nicht geſchickt: weder die Muſik iſt von ausgezeichnetem /Gehalt, noch auch wird das Auge durch Dekorationen /beſtochen. Faſt ſollte man glauben, daß die Oper Cen/drillon ihr ganzes Gluͤck der Demoiſelle Alexandrine /St. Aubin verdankt, welche als Cendrillon alle Stim/men fuͤr ſich gewann, und dem mittelmaͤßigen Stuͤck /einen rauſchenden Beifall erwarb./
(Journ. d. L. u. d. Mod.)/ 130
Polizeiliche Tages-Mittheilungen./
Vorgeſtern Abend brach im Hauſe eines Viktua/lienhaͤndlers in einem Schornſtein Feuer aus, welches /aber ſogleich geloͤſcht wurde./
Zweien Schlaͤchtern und einem Seifenſieder ſind /Waageſchaalen in Beſchlag genommen, welche durch /Anhaͤngen von Blei und eiſernen Haken unrichtig ge/macht waren./
Berichtigung./
In dem Theaterartikel des 49ten Blatts haben ſich, / 140 auſſer mehrern kleinern, zwei erhebliche, zum Theil /Widerſinn hervorbringende, Druckfehler eingeſchlichen./ Seite 1 Zeile 25 ſtatt bewaͤhrte ließ: abweichende/ Seite 3 Zeile 28 ſtatt poetiſche ließ: romantiſche./