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Theater.
Vier Tage hinter einander, es iſt
erfreulich dies zu
ſagen, war Feuer und Luſt in
den Schauſpielern und
in den Zuſchauern. Leben erweckt Leben; der rechte
Genuß des Schauſpiels iſt nur in der gleichen Le⸗5
bendigkeit des Mittheilens und des
Empfangens
moͤglich, ſonſt bleibe man zu Hauſe
und leſe und lang⸗
weile ſich fuͤr ſich
allein.
Die Quaͤlgeiſter haben in
der Bearbeitung
freilich auch nicht einmal den
Titel vom Shakeſpear
10
behalten, und das Genialiſche „Viel Laͤrmen um
nichts“ iſt hier in viel Laͤrmen um etwas,
das bei
weitem nicht ſoviel werth als das nichts iſt und
manchmal recht eigentlich quaͤlt, verwandelt und
ver⸗
waͤſſert. Aber eine einzige Darſtellung, wie
Madam 15
Bethmann ſie in der Rolle der Beatrice gab,
ſtellte
den ewigen Shakeſpear wieder vor aller
Augen in
ſeiner ganzen Herrlichkeit her, der
Geiſt ſchwebte uͤber
dem Waſſer und die
moderniſirteſten und trivialſten
Worte wurden
in ihrem Munde Muſik und Poeſie. 20
Gewiß hat die Betrachtung, daß das Stuͤck einmal
ſo moderniſirt iſt, Herrn Iffland bewogen, auch ſeinen
Dupperich
durnach
darnach
liest ›darnach‹
zu moderniſiren, aber gerade
dieſe Rolle
vertraͤgt es allenfalls, verlangt es vielleicht
ſogar, und ich wenigſten bekenne gern, daß ich nur 25
ſchuͤchtern meine
bewaͤhrte
abweichende
Meinung der prononcirten
Wahl
eines praktiſchen Kuͤnſtlers von Herrn Ifflands
Geiſt und Verſtand gegenuͤber ſtelle. Genug, wie er
die Rolle
nahm, gab er ſie mit der unendlichen komi⸗
ſchen Kraft, die man an ihm zu bewundern nie muͤde
30
wird und vergleichungsweiſe noch immer
nicht genug
wuͤrdigt. Der Raum dieſes Blatts erlaubt es nur
noch des lebhaften eleganten Spiels des Herrn
Be⸗
ſchort und der Talente des Herrn
Gern, des juͤngern,
ſo klein ſeine Rolle auch iſt, zu
erwaͤhnen.35
Die Muſik der
Scheizerfamilie
Schweizerfamilie
hat geruͤhrt,
erfreut und
entzuͤckt. Wie waͤre es auch
moͤglich, daß
ſoviel Wahrheit des muſikaliſchen
Ausdrucks dieſe Wir⸗
kungen auf
unbefangene und nicht verbildete Gemuͤ⸗
[ 49 ]
192ther verfehlen
koͤnnte? Iſt es dennoch der Fall, ſo
40
iſt es freilich kein Wunder, denn vor allen
andern
ſcheint gegenwaͤrtig das faſt
uͤberbevoͤlkerte Reich der
Muſik Geſetz⸗ und
Verfaſſungslos und eine
nnr
nur
im⸗
mer weiter und weiter
getriebene Virtuoſitaͤt im Ein⸗
zeln der
Culminations⸗Punkt alles unbeſtimmten und 45
immer
mehr ſich ſpaltenden Strebens zu ſein. Man
wache ja, daß der
Goͤtzendienſt uns nicht ganz und
gar das
Goͤttliche entruͤcke. Herr Rebenſtein als
junger Schweizer
intereſſirte durch Spiel und Geſang
und
Mſlle. Herbſt
leiſtete ſehr viel, wenn auch nicht 50
alles.
Ein kleines neues
Stuͤck von Kotzebue, das zuge⸗
mauerte Fenſter, das
mit den beiden Klingsbergen
zuſammen gegeben
wurde, wird ſich durch Reize, die
es ſelbſt hat, leichten Gang und
leichten Witz, noch 55
mehr aber durch den
koͤſtlichen Reiz, den Herr Ifflands
originelles
und lebendiges Spiel ihm giebt, auf der
Buͤhne erhalten.
Wie er die ſchwache Gutmuͤthigkeit,
die an
jeden
jedem
Dinge eine erfreuliche Seite
ſteht,
ſieht,
liest ›sieht,‹
mit
ſo einfachen Mitteln in Ton und
Geberden charakteriſirt, 60
laͤßt ſich freilich
nicht beſchreiben, aber noch weniger
moͤcht’
ich es den gewoͤhnlichen Schauſpielern zur Nach⸗
ahmung empfehlen, denn ſo etwas gelingt nur der
freien Eingebung des Genies. Der bekannten bei⸗
den Klingsberge
erwaͤhnt man hier blos deswe⸗65
gen, weil
der lang entbehrte Herr Unzelmann
darin
wieder erſchien und auf eine Art
empfangen wurde,
die ihm ſehr ſchmeichelhaft
beweiſen muß, daß das
Publikum fuͤhlt, wo ein
Iffland iſt, muß auch ein
Unzelmann ſein, neben
einem reichen, allbewunderten 70
Talent, das ſich
kuͤnſtleriſch frei beherrſcht und regelt,
muß
auch
eiu
ein
anders Talent, das kek und luſtig uͤber
die Schranken herausgeht, die, ihm angelegt, nur
Nuͤchtenheit
Nuͤchternheit
hervorbringen wuͤrden, geliebt
nnd
und
geſchaͤtzt
werden. Herr Unzelmanns Spielweiſe, wenn er ſo
recht 75
aufgelegt iſt, macht es uns moͤglich,
ohne Reflexion
aus vollem Herzen luſtig zu
ſein.
Herrlich beſchloß den
Genuß dieſer vier Vorſtel⸗
lungen die
Jungfrau von Orleans,
denn end⸗
lich ſah man auf unſerer
Buͤhne die wunderbare, hei⸗80
lige,
maͤchtige Jungfrau.
Mit edlem Leib und den ernſten Blick
Herabſenkend auf der Erde kleiner Laͤnder,
Da
ſchien ſie mir was hoͤhers zu bedeuten,
Und
duͤnkt mir’s oft, ſie ſtamm, aus andern Zeiten. 85
Die jetzige Madam Schuͤtz, die ſie zuerſt
uns gab,
erlag mit aller ihrer ſchoͤnen
Geſtalt, ihrem Talent
193 und ihrer Kunſt nur
zu oft den beſchraͤnkten Mitteln
ihrer Stimme,
oft einer traͤgen weinerlichen Gefuͤhls⸗
verſchwemmung und faſt noch oͤfter den geſuchten Kuͤnſt⸗90
lichkeiten in einzelnen Stellungen,
worin ſie damals
ſich zu uͤben liebte. Madam
Schroͤck, vielleicht zu ſehr
die
Fehler ihrer Vorgaͤngerin im Auge habend, ver⸗
mied wohl jene aber verlor ſich auf Koſten der Kraft
in eine zu maͤdchenhafte Weichheit, und
kurz, das anmu⸗95
thige Naturell, das uns alle gewoͤhnliche Maͤd⸗
chen ſo liebenswuͤrdig machte, —
vermogte es nicht ſich
in das Ungewoͤhnlichſte, das
Maͤdchen von Orleans,
zu verwandeln. Mſlle.
Maaß, des Zaubers ihrer lieb⸗
lichen Stimme ſich ganz bewußt, ſowie ihrer
treflichen, 100
von aller Ziererei entfernten,
Declamation, hat ſich
von Rechtswegen immer
auf die Wirkung beſchraͤnkt,
die ein
geſchickter Vorleſer hervorbringen kann. Die
voruͤbergehenden
beiden Gaſtſpielerinnen, die zierliche,
rhetoriſche Mſlle.
Jagemann und die monotone, affec⸗105
tirte Madame Hartwig
gehoͤren zur Vollſtaͤndigkeit der
Gallerie, an
deren Ende jetzt Mſlle.
Beck ſo hervorra⸗
gend
ſich geſtellt hat. Gluͤck darf man
der deutſchen
Buͤhne wuͤnſchen, daß ihr
endlich wieder ein Talent
fuͤr das Erhabene,
Große und Wunderbare aufbluͤht, und 110
ſo
unerwartet dieſe Erſcheinung iſt, ſo berechtigt iſt man
zu hoffen, daß ſie auf unſerer berliniſchen
Buͤhne, die
vor andern Mittel und Beruf hat,
die erhabenen tra⸗
giſchen und
poetiſchen
romantischen
Werke ihrer vaterlaͤndiſchen
Dichter wuͤrdig
uud
und
immer wuͤrdiger auszuſtellen, 115
nicht
voruͤbergehend ſein werden. Mſlle.
Beck hat in
der Darſtellung der Johanna ſo
viel Kraft, Feuer,
Innigkeit, richtige und
feſte Ergreifung der wichtigſten
Momente, und
durchweg, das weſentlichſte der Rolle,
den
heiligen uͤberweltlichen Sinn des wunderbaren 120
Maͤdchens offenbart, daß man ungern einige Maͤngel
ruͤgt, die blos die Ausbildung ihrer Diction
im allge⸗
meinen betreffen.
Dahin gehoͤrt, daß ſie oft zu ſchrof
und grell aus tiefen Toͤnen in hohe
uͤberſpringt, ſtatt
ſie leiſe abzuſtufen,
wodurch die Melodie der Stimme 125
leidet. Doch dies iſt es, was gelernt und gelehrt
wer⸗
den kann — das hoͤhere, was
ſie beſitzt, geben nur die
Goͤtter.
Fr. Sch.
Buͤlletin der oͤffentlichen Blaͤtter.
London den 5ten Nov.130
Sr. Maj. Krankheit
iſt im Ganzen nicht ſo heftig
als im Jahr
1788, obſchon ſie, Ihres hohen Alters
194 wegen, diesmal
gefaͤhrlicher iſt. Auch Ihre Maj.
die Koͤniginn und die Prinzeſſinn Maria liegen, von
Kum⸗
mer und Betruͤbniß
angegriffen, krank darnieder. (Mon.)135
Ein engl. Officier,
Nahmens Edward, hat auf
van Van
Van
Diemens Land, wo er, zu ſeinem Vergnuͤ⸗
gen ans Land ging, eine franzoͤſiſche Inſchrift in
ei⸗
nem Baum, und dicht dabei
eine,
liest kein Komma: ›eine‹
in die Erde gegra⸗
bene Flaſche,
mit mehreren verſiegelten Briefſchaften 140
gefunden. Da die Adreſſen an
franzoͤſiſchen Herren
und Damen die unter der
vormaligen Regierung be⸗
kannt waren,
lautet, ſo glaubt man: La
Peyrouſe ſei
der Schreiber
dieſer Briefe und Hr. Edward hat die⸗
ſelben bereits, durch ſeinen Vater in London, zur Be⸗145
foͤrderung an ihre Adreſſe, dem
Grafen Liverpool
zu⸗
ſtellen laſſen. (L. d. B.)
Fecamp den 12ten Nov.
Ein Franzoſe, der am
10. dieſes aus London ab⸗
gereiſt iſt,
bringt die Nachricht mit, daß im Augenblick 150
ſeiner Abreiſe, ein Adjutant des Gen. Wellington die
Nachricht uͤberbracht, daß die engliſche Armee
von Por⸗
tugal zuruͤckkaͤme. (Mon.)
Wien,
den 14. Nov.
Briefe aus Conſtantinopel bringen die
Nachricht 155
mit, daß der Schach von Perſien mit
Rußland einen
ſchnellen Frieden geſchloſſen habe.
Auch die Tuͤrkei,
heißt es, werde ſich
nun wahrſcheinlich bald zum Frie⸗
den
bequemen. (Liſte d. Boͤrſenh.)
London den 10ten Nov.160
Im Fall Sr. Maj. Krankheit
von Dauer ſein
ſollte, ſo wird wahrſcheinlich
die Motion des
Hr Powys.
Hr. Powys
im Jahre 1789, nach welcher Sr. Hoheit dem
Prinzen
von Wallis damals die Regentſchaft
uͤbertragen werden
ſollte, angenommen werden.
(Mon.)165
Polizeiliche Tages-Mittheilungen.
Bei einem Baͤcker in
der Prenzlauer
Straße hat
heute fruͤh ein
Schornſtein gebrannt, iſt aber ſogleich
geloͤſcht.
Der Kutſcher eines
hieſigen Kaufmanns hat am 170
Muͤhlendamm einen
Menſchen uͤbergefahren und iſt
alsdann davon
gejagt. Der Uebergefahrne iſt wenig
beſchaͤdigt, der Kutſcher hiernaͤchſt aber
zum Arreſt
gebracht.