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Berliner Abendblätter.
42tes Blatt. Den 17ten November 1810.
Die heilige Cäcilie oder die Gewalt der Musik.
(Beschluß.) (Beschluß)
Aber der Triumph der Religion war, wie sich nach einigen Tagen ergab, noch weit größer. Denn der Gastwirth, bei dem diese vier Brüder wohnten, verfügte sich, ihrer sonderbaren und auffallenden Aufführung wegen, auf das Rathhaus, und zeigte der Obrigkeit an, daß dieselben, dem Anschein nach, abwesenden oder gestörten Geistes sein müßten. Die jungen Leute, sprach er, wären nach Beendigung des Frohnleichnamsfestes, still und niedergeschlagen, in ihre Wohnung zurückgekehrt, hätten sich, in ihre dunkle Mäntel gehüllt, um einen Tisch niedergelassen, nichts als Brod und Wasser zur Nahrung verlangt, und gegen die Mitternachtsstunde, da sich schon Alles zur Ruhe gelegt, mit einer schauerlichen und grausenhaften Stimme, das gloria in excelsis intonirt. Da er, der Gastwirth, mit Licht hinaufgekommen, um zu sehen, was diese ungewohnte Musik veranlaße, habe er sie noch singend alle vier aufrecht um den Tisch vorgefunden: worauf sie, mit dem Glockenschlag Eins, geschwiegen, sich, ohne ein Wort zu sagen, auf die Bretter des Fußbodens niedergelegt, einige Stunden geschlafen, und mit der Sonne schon wieder erhoben hätten, um dasselbe öde und traurige Klosterleben, bei Wasser und Brod, anzufangen. Fünf Mitternächte hindurch, sprach der Wirth, hätte er sie nun schon, mit einer Stimme, daß die Fenster des Hauses erklirrten, das gloria in excelsis absingen gehört; außer diesem Gesang, nicht ohne musikalischen Wohlklang, aber durch sein Geschrei gräßlich, käme kein Laut über ihre Lippen: dergestalt, daß er die Obrigkeit bitten müsse, ihm diese Leute, in welchen ohne Zweifel der böse Geist walten müsse, aus dem Hause zu schaffen. — Der Arzt, der von dem Magistrat in Folge dieses Berichts befehligt ward, den Zustand der gedachten jungen Leute zu untersuchen, und der denselben ganz so fand, wie ihn der Wirth beschrieben hatte, konnte schlechterdings, aller Forschungen ungeachtet, nicht erfahren, was ih 164nen in der Kirche, wohin sie noch ganz mit gesunden und rüstigen Sinnen gekommen waren, zugestoßen war. Man zog einige Bürger der Stadt, die während der Messe, in ihrer Nähe gewesen waren, vor Gericht; allein diese sagten aus, daß sie, zu Anfang derselben, zwar einige, den Gottesdienst störende, Possen getrieben hätten: nachher aber, beim Beginnen der Musik, ganz still geworden, andächtig, Einer nach dem Andern, auf’s Knie gesunken wären, und, nach dem Beispiel der übrigen Gemeinde, zu Gott gebetet hätten. Bald darauf starb Schwester Antonia, die Kapellmeisterinn, an den Folgen des Nervenfiebers, an dem sie, wie schon oben erwähnt worden, daniederlag; und als der Arzt sich, auf Befehl des Prälaten der Stadt, ins Kloster verfügte, um die Partitur des, am Morgen jenes merkwürdigen Tages aufgeführten Musikwerks zu übersehen, versicherte die Aebtissinn demselben, indem sie ihm die Partitur, unter sonderbar innerlichen Bewegungen übergab, daß schlechterdings niemand wisse, wer eigentlich, an der Orgel, die Messe dirigirt habe. Durch ein Zeugniß, das vor wenig Tagen, in Gegenwart des Schloßvoigts und mehrerer andern Männer abgelegt worden, sei erwiesen, daß die Vollendete in der Stunde, da die Musik aufgeführt worden, ihrer Glieder gänzlich unmächtig, im Winkel ihrer Klosterzelle danieder gelegen habe; eine Klosterschwester, die ihr als leibliche Verwandtin zur Pflege ihres Körpers beigeordnet gewesen, sei während des ganzen Vormittags, da das Frohnleichnamsfest gefeiert worden, nicht von ihrer Seite gewichen. — Demnach sprach der Erzbischof von Trier, an welchen dieser sonderbare Vorfall berichtet ward, zuerst das Wort aus, mit welchem die Aebtissinn, aus mancherlei Gründen, nicht laut zu werden wagte: nämlich, daß die heilige Cäcilia selbst dieses, zu gleicher Zeit schreckliche und herrliche, Wunder vollbracht habe. Der Pabst, mehrere Jahre darauf, bestätigte es; und noch am Schluß des dreißigjährigen Krieges, wo das Kloster, wie oben bemerkt, säcularisirt ward, soll, sagt die Legende, der Tag, an welchem die heilige Cäcilia dasselbe, durch die geheimnißvolle Gewalt der Musik rettete, gefeiert, und ruhig und prächtig das gloria in excelsis darin abgesungen worden sein.
yz.
Uralte Reichstagsfeierlichkeit, oder Kampf der Blinden mit dem Schweine.
Als Kaiser Maximilian der Erste zu Augsburg, um die Stände zu einem Türkenkriege zu bewegen, einen Reichstag hielt, ergötzten sich Fürsten und Adel mit mancherlei ritterlichen Spielen. Aber eine eigene Belustigung für den Kaiser hatte sich Kunz von der Rosen, Maximilians Hofnarr sowohl als Obrist, ausgedacht. Auf dem Weinmarkt nämlich, in der Mitte eines von starken Schranken eingeschlossenen Platzes, ward ein Pfahl befestigt; an dem Pfahl aber, vermittelst eines langen Stricks, ein fettes Schwein gebunden. Zwölf Blinde, arme Leute, mit einem Prügel bewaffnet, eine Pickelhaube auf, und von Kopf zu Fuß in altes rostiges Eisen gesteckt, traten nun in die Schranken, um gegen das Schwein zu kämpfen; denn Kunz von der Rosen hatte versprochen, daß demjenigen das Schwein gehören solle, der es erlegen würde. Drauf, nachdem die Blinden sich in einen Kreis gestellt, geht, auf einem Trompetenstoß, der Angriff an. Die Blinden tappten auf den Punct zu, wo die Sau auf etwas Stroh lag und grunzte. Jetzt empfing diese einen Streich und fing an zu schreien und fuhr dabei einen oder zwei Blinden zwischen die Füße und warf die Blinden um. Die übrigen, auf der Seite stehenden, welche die Sau grunzen und schreien hörten, eilten auch hinzu, schlugen tapfer darauf los, und trafen eben so oft einen Mitkämpfer, als die Sau. Der Mitkämpfer schlug auf den Angreifer, dem er nichts gethan hatte, ärgerlich zurück; und endlich schlug gar ein Dritter, der von ihrem Hader nichts wußte, indem er meinte, sie schlügen auf das Schwein, auf beide los. Zuweilen waren die Blinden alle mit ihren Prügeln an einander und arbeiteten so grimmig auf die Pickelhauben der Mitkämpfer loß, daß es klang, als wären Kesselschmiede und Pfannenflicker in Eisenhütten und Werkstätten geschäftig. Die Sau, welche den Vortheil hatte, gut zu sehen und den Streichen ausweichen zu können, fing indessen an, zu gröllen. Auf dies Gegröll spitzen die Blinden die Ohren; sie verlassen einander und gehen, mit ihren Prügeln, auf das Schwein zu. Aber dies hat sich indessen schon wieder einen andern Platz gesucht; und die Blinden stoßen aneinander, sie fallen über das Seil, woran das Schwein festgebunden ist, sie berühren die Schranke, und führen, weil sie glauben, das 166 Schwein getroffen zu haben, einen ungeheuren Schlag darauf. Endlich, nach vielen Stunden vergeblichen Suchens, gelingt es Einem: er trifft das Schwein mit dem Prügel auf die Schnauze; es fällt — und ein unendliches Jubelgeschrei erhebt sich. Er wird zum Sieger ausgerufen, das Schwein ihm, vom Kampfherold zuerkannt; und blutrünstig und unterlaufen, wie sie sein mögen, setzen sie sich, sammt und sonders, an einem herrlichen Gastmahl nieder, das die Feierlichkeit beschließt. — (Gem. Unterh. Bl.)
Miscellen.
Petersburg d. 28 Okt.
Hier ist eine offizielle Bekanntmachung erschienen, in welcher das von unruhigen Politikern verbreitete Gerücht, als ob ein neuer Krieg im Norden ausbrechen werde, durchaus widerlegt wird. Man bezieht sich darin auf das 270 [liest ›270.‹] Stück des Moniteurs, worin gesagt wird, daß weder Rußland von Frankreich, noch Frankreich von Rußland etwas zu befürchten habe. Auch wird darin angezeigt, daß Sr Maj. der Kaiser Napoleon dem Fürsten Kurakin, bei seiner Abreise aus Paris, eine kostbare goldene, mit großen Brillanten besetzte Dose, mit dem Bildniß Sr Maj. geschenkt habe. (L. d. B.) [liest ›(L. d. B.)‹]
Bern, d. 3. Nov.
Es hat ein neuer Bergfall bei Oberhöfen am Thuner See Statt gefunden. Auch will man Erdstöße verspürt haben. (L. d. B.)
Panesowa, d. 25. Oct.
Die 30000 Mann starke Bosnische Macht ist von den Serbiern am 20. bei Losnitza in einem entscheidenden Treffen ganz über die Drina zurückgeschlagen worden. (L. d. B.)
Paris, d. 7. Nov.
Der heutige Moniteur enthält zwei Proklamationen des kommandirenden Offiziers zu Lissabon, Lucas de Scabra da Sylva, woraus erhellt, daß eine erstaunliche Menge Landvolks seine Wohnungen verlassen, und sich in Lissabon versammelt habe. Der Commandant ertheilt darin sowohl wegen ihres Unterkommens in der Stadt, als auch wegen Ueberschiffung derselben auf das linke Ufer des Tago, wo ihre Erhaltung leichter ist, die gehörigen Befehle. (Mon.)
London d. 30 Okt.
In Liverpool haben neuerdings sechs der ersten Häuser aufgehört zu zahlen. — Dagegen setzen die Häuser von Abr. Goldsmid und Adelbert ihre Zahlungen ungestört fort. — Man hat Hoffnung, die Prinzessinn Amalia wieder hergestellt zu sehen. — Dagegen ist der Gesundheitszustand Sr. Maj. mißlich. (L. d. B.)
Polizeiliche Tages-Mittheilungen.
Ein angeblich aus der Charite entlassener Mensch, ist sinnlos betrunken auf dem neuen Markte gefunden, und zur Stadtvoigtei abgeliefert. [›abgeliefert‹ nicht emendiert in ›abgeliefert.‹]
Ein Posamentirgeselle ist auf Ansuchen seines Meisters wegen unanständigen Benehmens zum Arrest gebracht. Desgl. ein Frauenzimmer wegen Herumtreibens, und ein Lohgerbergeselle wegen der Krätze.
Ein Lehrling eines hiesigen StadtChirurgen ist wegen schlechter Behandlung von Seiten seines Lehrherrn und dessen Familie, an der Waisenbrücke in die Spree gesprungen, um sich zu ersäufen ist aber durch den Schleusen-Meister Käbisch gerettet.