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Berliner Abendblätter.
36tes Blatt. Den 10ten November 1810.
Allerneuester Erziehungsplan.
(Beschluß.)
In Erwägung nun *) 1) daß alle Sittenschulen bisher nur auf den Nachahmungstrieb gegründet waren, und statt das gute Princip, auf eigenthümliche Weise im Herzen zu entwickeln, nur durch Aufstellung sogenannter guter Beispiele, zu wirken suchten **); 2) daß diese Schulen, wie die Erfahrung lehrt, nichts eben, für den Fortschritt der Menschheit Bedeutendes und Erkleckliches, hervorgebracht haben ***); das Gute aber 3) das sie bewirkt haben, allein von dem Umstand herzurühren scheint, daß sie schlecht waren, und hin und wieder, gegen die Verabredung, einige schlechten Beispiele mitunter liefen; in Erwägung, sagen wir, aller dieser Umstände, sind wir gesonnen, eine sogenannte Lasterschule, oder vielmehr eine gegensätzische Schule, eine Schule der Tugend durch Laster, zu errichten †).
Demnach werden für alle, einander entgegenstehende Laster, Lehrer angestellt werden, die in bestimmten Stunden des Tages, nach der Reihe, auf planmäßige Art, darin Unterricht ertheilen: in der Religionsspötterei sowohl als in der Bigotterie, im Trotz sowohl als in der Wegwerfung und Kriecherei, und im Geiz und in der Furchtsamkeit sowohl, als in der Tollkühnheit und in der Verschwendung.
Diese Lehrer werden nicht bloß durch Ermahnungen, sondern durch Beispiel, durch lebendige Handlung, *) Jetzt rückt dieser merkwürdige Pädagog mit seinem neuesten Erziehungsplan heraus. (Die Redaction.) **) So! — Als ob die pädagogischen Institute nicht, nach ihrer natürlichen Anlage, schwache Seiten genug darböten! (Die Redact.) ***) In der That! — — Dieser Philosoph könnte das Jahrhundert um seinen ganzen Ruhm bringen. (Die Redact.) †) Risum teneatis, amici! (Die Redact.) 140 durch unmittelbaren praktischen, geselligen Umgang und Verkehr zu wirken suchen.
Für Eigennutz, Plattheit, Geringschätzung alles Großen und Erhabenen und manche anderen Untugenden, die man in Gesellschaften und auf der Straße lernen kann, wird es nicht nöthig sein, Lehrer anzustellen.
In der Unreinlichkeit und Unordnung, in der Zank- und Streitsucht und Verläumdung, wird meine Frau Unterricht ertheilen.
Liederlichkeit, Spiel, Trunk, Faulheit und Völlerei, behalte ich mir bevor.
Der Preis ist der sehr mäßige von 300 Rthl.
N. S.
Eltern, die uns ihre Kinder nicht anvertrauen wollten, aus Furcht, sie in solcher Anstalt, auf unvermeidliche Weise, verderben zu sehen, würden dadurch an den Tag legen, daß sie ganz übertriebene Begriffe von der Macht der Erziehung haben. Die Welt, die ganze Masse von Objecten, die auf die Sinne wirken, hält und regiert, an tausend und wieder tausend Fäden, das junge, die Erde begrüßende, Kind. Von diesen Fäden, ihm um die Seele gelegt, ist allerdings die Erziehung Einer, und sogar der wichtigste und stärkste; verglichen aber mit der ganzen Totalität, mit der ganzen Zusammenfassung der übrigen, verhält er sich wie ein Zwirnsfaden zu einem Ankertau; eher drüber als drunter.
Und in der That, wie mißlich würde es mit der Sittlichkeit aussehen, wenn sie kein tieferes Fundament hätte, als das sogenannte gute Beispiel eines Vaters oder einer Mutter, und die platten Ermahnungen eines Hofmeisters oder einer französischen Mamsell. — Aber das Kind ist kein Wachs, das sich, in eines Menschen Händen, zu einer beliebigen Gestalt kneten läßt: es lebt, es ist frei; es trägt ein unabhängiges und eigenthümliches ein eigenthümliches ein eigenthümliches Vermögen der Entwickelung, und das Muster aller innerlichen Gestaltung, in sich.
Ja, gesetzt, eine Mutter nähme sich vor, ein Kind, das sie an ihrer Brust trägt, von Grund aus zu verderben: so würde sich ihr auf der Welt dazu kein unfehlbares Mittel darbieten, und, wenn das Kind nur sonst von gewöhnlichen, rechtschaffenen Anlagen ist, das Unternehmen, vielleicht auf die sonderbarste und überraschendste Art, daran scheitern.
Was sollte auch, in der That, aus der Welt werden, wenn den Eltern ein unfehlbares Vermögen bei141wohnte, ihre Kinder nach Grundsätzen, zu welchen sie die Muster sind, zu erziehen: da die Menschheit, wie bekannt, fortschreiten soll, und es mithin, selbst dann, wenn an ihnen nichts auszusetzen wäre, nicht genug ist, daß die Kinder werden, wie sie; sondern besser.
Wenn demnach die uralte Erziehung, die uns die Väter, in ihrer Einfalt, überliefert haben, an den Nagel gehängt werden soll: so ist kein Grund, warum unser Institut nicht, mit allen andern, die die pädagogische Erfindung, in unsern Tagen, auf die Bahn gebracht hat, in die Schranken treten soll. In unsrer Schule wird, wie in diesen, gegen je Einen, der darin zu Grunde geht, sich ein andrer finden, in dem sich Tugend und Sittlichkeit auf gar robuste und tüchtige Art entwickelt; es wird Alles in der Welt bleiben, wie es ist; und was die Erfahrung von Pestalozzi und Zeller und allen andern Virtuosen der neuesten Erziehungskunst, und ihren Anstalten sagt, das wird sie auch von uns und der unsrigen sagen: „Hilft es nichts, so schadet es nichts.“
Rechtenfleck im Holsteinischen, den 15. Oct. 1810. C. J. Levanus, Conrector.
Wer ist berufen?
Berufen war ich, dem Verfasser des Aufsatzes über Kraus (N. 19 — 21) zu antworten, weil seine Angriffe auf einen Schriftsteller, den er (N. 21) gefährlicher, als den Verfasser der Feuerbrände schilderte (welcher bekanntlich wegen dieser Feuerbrände zur Festungsstrafe verdammt worden) allgemein auf einen geachteten, geachteten kenntnißreichen Freund gedeutet wurden, dem die Verläumdung unberufener Leute schon vielfach geschadet hat, dem es aber nicht wohlangestanden hätte, selbst auf Beschuldigungen der Art zu antworten. — Berufen war ich, denn meine Worte haben die Erklärung (N. 34) jenes unbekannten Anklägers herausgepreßt, daß er jenen Schriftsteller nicht eigentlich dem Staate, sondern nur der Jugend als gefährlich hätte darstellen wollen, ungeachtet er dort von ihm spricht, (N. 21) er sei ein ächter Feuerbrand, der einen in Preussen beseitigten Streit wieder aufnehme und sein Vaterland in helle Flammen setzen könnte, wenn die politischen Verhältnisse seinen Bewohnern nicht täglich zuriefen: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. — Berufen war ich, weil ich dadurch Gelegenheit bekam, jenem Ungenannten für seine Kritik und Staatskenntniß, mit der er in dem Namen des H. v. Knoblauch das au in ein o verwandelt hat, meinen verbindlichsten Dank abzustatten; der Verfasser wird sich erinnern, daß ich gerade über diese Angelegenheit von ihm Auskunft (Seite 109) begehrte, also keinesweges aus Unkenntniß absprechen wollte. — Berufen bin ich noch zum Schlusse, dem Verfasser zu versichern, daß es nicht unschicklich sei, Männer die ganze Völker beglückt haben, öffentlich zu nennen, vielmehr ist es die Schuldigkeit jedes guten Bürgers, das wahre Verdienst als Vorbild öffentlich aufzustellen, und zu öffentlicher Anerkennung zu bringen.
L. A. v. A.
Korrespondenz und Notizen aus Paris.
Moden. Den Sommer über trugen unsere Damen große Schleier, Roben mit langen Schleppen und große Schawls. Diesen Herbst sieht man sie alle mit sehr kleinen Schawls, kurzen Röcken und halben Schleiern. Cachemirschawls und Schleier von 100 Louisd’or werden abgelegt und verkauft, um kleine Schawl-Fichü, oder einen Diminutivschleier anzuschaffen. Von dem Kleide wird gar nicht viel Erwähnung gethan; lang oder kurz, es gilt Alles gleich, wenn es nur alle Tage ein Neues ist. Zu dem Ende arrangirt sich eine Dame mit ihrer Nätherinn; diese nimmt das Kleid von gestern zurück, und verkauft es einer Andern, die es am dritten Tage wieder eben so, gegen das Kleid einer Vierten macht: dergestalt daß eine Boutique de Modes eine Art von Gemeingut der Pariser Damen und der ganze Handel damit gewissermaßen ein Tauschverkehr (eine Leihanstalt) wird. (Z. f. d. eleg. W.)
Miscellen.
Der Kronprinz von Schweden wird den 31ten seinen Einzug zu Pferde in Stockholm halten.
An den Küsten von Calabrien, Sizilien gegenüber, bleibt ein Truppenkorps von 6000 Mann, um die Angriffe, die der Feind versuchen könnte, zurückzutreiben, und die Landbatterien zu vertheidigen. (L. d. B.)
Man will abermals von Unterwerfungsanträgen und Unterhandlungen der Spanischen Junta wissen. (Rhein. Corresp.)
Eine beträchtliche Verstärkung von servischen Truppen, ist an der Drina angekommen. Man glaubt daher, daß im Kurzem entscheidende Vorfälle Statt haben werden.
In Konstantinopel sind, seit geraumer Zeit, alle Couriere und Briefe von der türkischen Armee ausgeblieben; dergestalt, daß man schlechten Nachrichten entgegen sieht.
Der Kronprinz von Schweden ist, an die Stelle des Grafen Axel von Fersen, zum Kanzler der Univ. Upsala ernannt worden.
Das Hauptquartier der Franz. Armee in Deutschland begreift jetzt 4 Divisionen: die des Gen. Friant (auf dem Marsch nach dem Norden) die des Gen. Gudin (die von Hannover nach Magdeburg gegangen ist) die, des Gen. Morand (in den Hanseestädten) und die Cuirassier-Division von La Bruyere (im Hannövrischen).
Polizeiliche Tages-Mittheilungen.
In Böhmisch-Rixdorf ist der lederne Schlauch von der dortigen Feuersprütze, nebst anderm Zubehör gestohlen.
Einem Bäcker ist bei Revision der Backwaaren, für einige Groschen verbackenes Brod zerschnitten.