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Die Herrmannsschlacht. Ein Drama.

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[109]
Die Herrmannsschlacht.
Ein Drama.
Wehe, mein Vaterland, Dir! Die Leier, zum Ruhm Dir, zu schlagen, Ist, getreu Dir im Schooß, mir, Deinem Dichter, verwehrt.
[110]

Personen.

Herrmann, Fürst der Cherusker. Thusnelda, seine Gemahlin.
Rinold Adelhart seine Knaben.
Eginhardt, sein Rath.
Luitgar Astolf Winfried dessen Söhne, seine Hauptleute.
Egbert, ein andrer cheruskischer Anführer.
Gertrud Bertha Frauen der Thusnelda.
Marbod, Fürst der Sueven, Verbündeter des Herrmann. Attarin, sein Rath. Komar, ein suevischer Hauptmann.
Wolf, Fürst der Katten Thuiskomar, Fürst der Sicambrier Dagobert, Fürst der Marsen Selgar, Fürst der Brukterer Mißvergnügte.
Fust, Fürst der Cimbern Gueltar, Fürst der Nervier Aristan, Fürst der Ubier Verbündete des Varus.
Quintilius Varus, römischer Feldherr. Ventidius, Legat von Rom Scäpio, sein Geheimschreiber.
Septimius Crassus römische Anführer.
Teuthold, ein Waffenschmidt. Childerich, ein Zwingerwärter. Eine Alraune. Zwei Aeltesten von Teutoburg. Drei cheruskische Hauptleute. Drei cheruskische Boten. Feldherrn, Hauptleute, Krieger, Volk.
[111]

Erster Akt.

Scene: Gegend im Wald, mit einer Jagdhütte.

Erster Auftritt.

Wolf, Fürst der Katten, Thuiskomar Fürst der Sicambrier, Dagobert, Fürst der Marsen, Sel⸗ gar, Fürst der Brukterer und Andere (treten, mit Pfeil und Bogen, auf.) Wolf (indem er sich auf dem Boden wirft). Es ist umsonst, Thuskar, wir sind verloren!/ Rom, dieser Riese, der, das Mittelmeer beschreitend,/ Gleich dem Coloß von Rhodus, trotzig,/ Den Fuß auf Ost und Westen setzet,/ Des Parthers muth’gen Nacken hier,/ Und dort den tapfern Gallier niedertretend: / Er wirft auch jetzt uns Deutsche in den Staub. / Gueltar, der Nervier und Fust, der Fürst der Cimbern, / Erlagen dem Augustus schon; / Holm auch, der Friese, wehrt sich nur noch sterbend; / 10 Aristan hat, der Ubier, / Der ungroßmüthigste von allen deutschen Fürsten, / In Varus Arme treulos sich geworfen; / Und Herrmann, der Cherusker, endlich, / 112 Zu dem wir, als dem letzten Pfeiler, uns, / Im allgemeinen Sturz Germanias, geflüchtet, / Ihr seht es, Freunde, wie er uns verhöhnt: / Statt die Legionen muthig aufzusuchen, / In seine Forsten spielend führt er uns, / Und läßt den Hirsch uns und den Uhr besiegen. / 20 Thuiskomar. (zu Dagobert und Selgar, die im Hintergrund auf und nieder gehen.) Er muß hier diese Briefe lesen! / — Ich bitt’ Euch, meine Freunde, wanket nicht, / Bis die Verrätherei des Varus ihm eröffnet. / Ein förmlicher Vertrag ward jüngst, / Geschlossen zwischen mir und ihm: / Wenn ich dem Fürsten mich der Friesen nicht verbände, / So solle dem August mein Erbland heilig seyn; / Und hier, seht diesen Brief, ihr Herrn, / Mein Erbland ist von Römern überflutet. / Der Krieg, so schreibt der falsche Schelm, / 30 In welchem er mit Holm, dem Friesen, liege, / Erfordere, daß ihm Sicambrien sich öffne: / Und meine Freundschaft für Augustus lass’ ihn hoffen, / Ich werd’ ihm diesen dreisten Schritt, / Den Noth ihm dringend abgepreßt, verzeihn. / Laßt Herrmann, wenn er kömmt, den Gaunerstreich uns melden: / So kommt gewiß, Freund Dagobert, / Freund Selgar, noch der Bund zu Stande, / Um dessenthalb wir hier bei ihm versammelt sind. / Dagobert. Freund Thuiskomar! Ob ich dem Bündniß mich, / 40 Das diese Fremdlinge aus Deutschland soll verjagen, / Anschließen werd’, ob nicht: darüber, weißt Du, / Entscheidet hier ein Wort aus Selgars Munde! / Augustus trägt, Roms Kaiser, mir, / Wenn ich mich seiner Sache will vermählen, / 113 Das ganze, jüngst dem Ariovist entrissne, / Reich der Narisker an — / (Wolf und Thuiskomar machen eine Bewegung.) Nichts! Nichts! Was fahrt Ihr auf? Ich will es nicht! / Dem Vaterlande bleib’ ich treu, / Ich schlag’ es aus, ich bin bereit dazu. / 50 Doch der hier, Selgar, soll, der Fürst der Brukterer, / Den Strich mir, der mein Eigenthum, / An dem Gestad’ der Lippe überlassen; / Wir lagen längst im Streit darum. / Und wenn er mir Gerechtigkeit verweigert, / Selbst jetzt noch, da er meiner Großmuth braucht, / So werd’ ich mich in euren Krieg nicht mischen. / Selgar. Dein Eigenthum! Sieh da! Mit welchem Rechte / Nennst Du, was mir verpfändet, Dein, / Bevor das Pfand, das Horst, mein Ahnherr, zahlte, / 60 An seinen Enkel Du zurückgezahlt? / Ist jetzt der würd’ge Augenblick, / Zur Sprache solche Zwistigkeit zu bringen? / Eh’ ich, Unedelmüth’gem, Dir / Den Strich am Lippgestade überlasse, / Eh’ will an Augusts Heere ich / Mein ganzes Reich, mit Haus und Hof verlieren! / Thuiskomar (dazwischen tretend). O meine Freunde! Ein Fürst (ebenso). Selgar! Dagobert! / (man hört Hörner in der Ferne.) Ein Cherusker (tritt auf). Herrmann, der Fürst, kommt! Thuiskomar. Laßt den Strich, ich bitt’ Euch, / 114 Ruhn, an der Lippe, bis entschieden ist, / 70 Wem das gesammte Reich Germaniens gehört! / Wolf (indem er sich erhebt). Da hast Du recht! Es bricht der Wolf, o Deutschland, / In Deine Hürde ein, und Deine Hirten streiten / Um eine Handvoll Wolle sich. /

Zweiter Auftritt.

Thusnelda (den) Ventidius aufführend. Ihr folgt) Herr⸗ mann, Scäpio, ein Gefolge von Jägern und ein leerer römischer Wagen mit vier breit⸗ gespannten weißen Rossen. Thusnelda. Heil dem Ventidius Carbo! Römerritter! / Dem kühnen Sieger des gehörnten Uhrs! / Das Gefolge. Heil! Heil! Thuiskomar. Was! Habt ihr ihn? Herrmann. Hier, seht, Ihr Freunde! / Man schleppt ihn bei den Hörnern schon herbei! / (der erlegte Auerochs wird herangeschleppt.) Ventidius. Ihr deutschen Herrn, der Ruhm gehört nicht mir! / Er kommt Thusnelden, Herrmanns Gattin, / 80 Kommt der erhabenen Cheruskerfürstin zu! / Ihr Pfeil, auf mehr denn hundert Schritte, / Warf mit der Macht des Donnerkeils ihn nieder, / Und, Sieg! rief, wem ein Odem ward; / Der Uhr hob plötzlich nur, mit pfeildurchbohrtem Nacken / 115 Noch einmal sich vom Sand’ empor: / Da kreuzt’ ich seinen Nacken durch noch einen. / Thusnelda. Du häufst, Ventidius, Siegsruhm auf die Scheitel, / Die Du davon entkleiden willst. / Das Thier schoß, von dem Pfeil gereizt, den ich entsendet, / 90 Mit wutherfüllten Sätzen auf mich ein, / Und schon verloren glaubt’ ich mich; / Da half Dein bessrer Schuß dem meinen nach, / Und warf es völlig leblos vor mir nieder. / Scäpio. Bei allen Helden des Homers! / Dir ward ein Herz von par’schem Marmel, Fürstin! / Des Todes Nacht schlug über mich zusammen, / Als es gekrümmt, mit auf die Brust / Gesetzten Hörnern, auf Dich ein, / Das rachentflammte Unthier, wetterte: / 100 Und Du, Du wichst, Du wanktest nicht — was sag’ ich? / Sorg’ überflog, mit keiner Wolke, / Den heitern Himmel Deines Angesichts! / Thusnelda (muthwillig). Was sollt’ ich fürchten, Scäpio, / So lang Ventidius mir zur Seite stand. / Ventidius. Du warst des Todes gleichwohl, wenn ich fehlte. / Wolf (finster). — Stand sie im Freien, als sie schoß? Ventidius. Die Fürstin? / Scäpio. Nein — hier im Wald. Warum? Ventidius. Ganz in der Nähe, / Wo kreuzend durch die Forst die Wildbahn bricht. / 116 Wolf (lachend). Nun denn, beim Himmel —! Thuiskomar. Wenn sie im Walde stand — / 110 Wolf. Ein Auerochs ist keine Katze, / Und geht, soviel bekannt mir, auf die Wipfel / Der Pinien und Eichen nicht. / Herrmann (abbrechend). Kurz, Heil ruf’ ich Ventidius noch einmal, / Des Uhrs, des hornbewehrten, Sieger, / Und der Thusnelda Retter obenein! / Thusnelda (zu Herrmann). Vergönnst Du mein Gebieter mir, / Nach Teutoburg nunmehr zurückzukehren? / (sie giebt den Pfeil und Bogen weg.) Herrmann (wendet sich). Holla! Die Pferd’! Ventidius (halblaut, zu Thusnelden). Wie, Göttliche, Du willst —? / (sie sprechen heimlich zusammen.) Thuiskomar (die Pferde betrachtend). Schau, die Quadriga, die August Dir schenkte? / 120 Selgar. Die Pferd’ aus Rom? Herrmann (zerstreut). Aus Rom, beim Jupiter! / Ein Zug, wie der Pelid’ ihn nicht geführt! / Ventidius (zu Thusnelda). Darf ich in Teutoburg —? Thusnelda. Ich bitte Dich. / Herrmann. Ventidius Carbo! Willst Du sie begleiten? / 117 Ventidius. Mein Fürst! Du machst zum Seel’gen mich — (er giebt Pfeil und Bogen gleichfalls weg; officiös.) Wann wohl vergönnst Du, / Vor Deinem Thron, o Herr, in Ehrfurcht / Dir eine Botschaft des Augustus zu entdecken? / Herrmann. Wenn Du begehrst, Ventidius! Ventidius. So werd’ ich / Dir mit der nächsten Sonne Strahl erscheinen. / Herrmann. Auf denn! — Ein Roß dem Scäpio, ihr Jäger! / 130 — Gieb Deine Hand, Thusnelda mir! / (er hebt, mit Ventidius, Thusnelda in den Wagen; Ventidius folgt ihr.) Thusnelda (sich aus dem Wagen herausbeugend). Ihr Herrn, wir sehn uns an der Tafel doch? / Herrmann (zu den Fürsten). Wolf! Selgar! Redet! Die Fürsten. Zu Deinem Dienst, Erlauchte! / Wir werden gleich nach dem Gezelt Dir folgen. / Herrmann. Wohlauf, Ihr Jäger! Laßt das Horn dann schmettern, / Und bringt sie im Triumph nach Teutoburg! / (der Wagen fährt ab; Hörnermusik.) 118

Dritter Auftritt.

Herrmann, Wolf, Thuiskomar, Dagobert und Selgar (lassen sich, auf eine Rasenbank, um einen steinernen Tisch nieder, der vor der Jagdhütte steht). Herrmann. Setzt Euch, Ihr Freunde! Laßt den Becher / Zur Letzung jetzt der müden Glieder kreisen! / Das Jagen selbst ist weniger das Fest, / Als dieser heitre Augenblick, / 140 Mit welchem sich das Fest der Jagd beschließet! / (Knaben bedienen ihn mit Wein.) Wolf. O könnten wir, beim Mahle, bald / Ein andres größres Siegsfest selig feiern! / Wie durch den Hals des Uhrs Thusneldens sichre Hand / Den Pfeil gejagt: o Herrmann! könnten wir / Des Krieges eh’rnen Bogen spannen, / Und, mit vereinter Kraft, den Pfeil der Schlacht zerschmetternd / So durch den Nacken hin des Römerheeres jagen, / Das in den Feldern Deutschlands aufgepflanzt! / Thuiskomar. Hast Du gehört, was mir geschehn? / 150 Daß Varus treulos den Vertrag gebrochen, / Und mir Sicambrien mit Römern überschwemmt? / Sieh, Holm, der Friesen wackern Fürsten, / Der durch das engste Band der Freundschaft mir verbunden: / Als jüngst die Rach’ Augustus auf ihn fiel, / Mir die Legionen fern zu halten, / Gab ich der Rach’ ihn des Augustus Preis. / So lang’ an dem Gestad’ der Ems der Krieg nun wüthet, / Mit keinem Wort, ich schwör’s mit keinem Blick, / Bin ich zu Hülfe ihm geeilt; / 160 Ich hütet’, in Calpurns, des Römerboten, Nähe, / 119 Die Mienen, Herrmann, die sich traurend / Auf des verlornen Schwagers Seite stellten: / Und jetzt — noch um den Lohn seh’ ich / Mich der fluchwürdigen Feigherzigkeit betrogen: / Varus führt die Legionen mir ins Land, / Und gleich, als wär’ ich Augusts Feind, / Wird es jedwedem Gräul des Krieges preisgegeben. / Herrmann. Ich hab’ davon gehört, Thuiskar. / Ich sprach den Boten, der die Nachricht / 170 Dir eben aus Sicambrien gebracht. / Thuiskomar. Was nun — was wird für Dich davon die Folge sein? / Marbod, der herrschensgier’ge Suevenfürst, / Der, fern von den Sudeten kommend, / Die Oder rechts und links die Donau überschwemmt, / Und seinem Scepter (so erklärt er) / Ganz Deutschland siegreich unterwerfen will: / Am Weserstrom, im Osten Deiner Staaten, / Mit einem Heere steht er da, / Und den Tribut hat er Dir abgefordert. / 180 Du weißt, wie oft Dir Varus schon / Zu Hülfe schelmisch die Cohorten bot. / Nur allzuklar ließ er die Absicht sehn, / Den Adler auch im Land Cheruskas aufzupflanzen; / Den schlausten Wendungen der Staatskunst nur / Gelang es, bis auf diesen Tag, / Dir den bösart’gen Gast entfernt zu halten. / Nun ist er bis zur Lippe vorgerückt; / Nun steht er, mit drei Legionen, / In Deines Landes Westen Wird hier in ›Westen‹ emendiert, wobei nicht ganz auszuschließen ist, dass ›Vesten‹ hier in der Bedeutung von Festungen stehen soll. In Verbindung mit Vers 178 ›im Osten Deiner Staaten‹ ist allerdings eine Emendation in ›Westen‹ plausibler. DKV belässt es bei ›Vesten‹. drohend da: / 190 Nun mußt Du, wenn er es in Augusts Namen fordert, / Ihm Deiner Plätze Thore öffnen: / Du hast nicht mehr die Macht, es ihm zu wehren. / 120 Herrmann. Gewiß. Da siehst Du richtig. Meine Lage / Ist in der That bedrängter als jemals. / Thuiskomar. Beim Himmel, wenn Du schnell nicht hilfst, / Die Lage eines ganz Verlornen! / — Daß ich, mein wackrer Freund, Dich in dies Irrsaal stürzte, / Durch Schritte, wenig klug und überlegt, / Gewiß, ich fühl’s mit Schmerz, im Innersten der Brust. / 200 Ich hätte nimmer, fühl’ ich, Frieden / Mit diesen Kindern des Betruges schließen, / Und diesen Varus, gleich dem Wolf der Wüste, / In einem ew’gen Streit, bekriegen sollen. / — Das aber ist geschehn, und wenig frommt, Du weißt, / In das Vergangene sich reuig zu versenken. / Was wirst Du, fragt sich, nun darauf beschließen? / Herrmann. Ja! Freund! Davon kann kaum die Red’ noch sein. — / Nach Allem, was geschehn, find’ ich / Läuft nun mein Vortheil ziemlich mit des Varus, / 210 Und wenn er noch darauf besteht, / So nehm’ ich ihn in meinen Gränzen auf. / Thuiskomar (erstaunt). Du nimmst ihn — was? Dagobert. In Deines Landes Gränze? — / Selgar. Wenn Varus drauf besteht, Du nimmst ihn auf? / Thuiskomar. Du Rasender! Hast Du auch überlegt? — / Dagobert. Warum? Selgar. Weshalb, sag’ an? 121 Dagobert. Zu welchem Zweck? / Herrmann. — Mich gegen Marbod zu beschützen, / Der den Tribut mir trotzig abgefordert. / Thuiskomar. Dich gegen Marbod zu beschützen! / Und Du weißt nicht, Unseliger, daß er / 220 Den Marbod schelmisch gegen Dich erregt, / Daß er mit Geld und Waffen heimlich / Ihn unterstützt, ja, daß er Feldherrn / Ihm zugesandt, die in der Kunst ihn tückisch, / Dich aus dem Feld zu schlagen, unterrichten? / Herrmann. Ihr Freund’, ich bitt’ Euch, kümmert Euch / Um meine Wohlfahrt nicht! Bei Wodan, meinem hohen Herrn! / So weit im Kreise mir der Welt / Das Heer der munteren Gedanken reichet, / Erstreb’ ich und bezweck’ ich nichts, / 230 Als jenem Römerkaiser zu erliegen. / Das aber mögt’ ich gern mit Ruhm, Ihr Brüder, / Wie’s einem deutschen Fürsten ziemt: / Und daß ich das vermög’, im ganzen vollen Maaße, / Wie sich’s die frei Seele glorreich denkt — / Will ich allein stehn, und mit Euch mich — / — Die manch’ ein andrer Wunsch zur Seite lockend zieht, — / In dieser wicht’gen Sache nicht verbinden. / Dagobert. Nun, bei den Nornen! Wenn Du sonst nichts willst, / Als dem August erliegen —?! (er lacht.) Selgar. — Man kann nicht sagen, / 240 Daß hoch Arminius das Ziel sich stecket! / 122 Herrmann. So! — / Ihr würdet beide Euren Witz vergebens / Zusammenlegen, dieses Ziel, / Das vor der Stirn Euch dünket, zu erreichen. / Denn setzt einmal, ihr Herrn, ihr stündet / (Wohin ihr es im Lauf der Ewigkeit nicht bringt) / Dem Varus kampfverbunden gegenüber; / Im Grund’ morast’ger Thäler er, / Auf Gipfeln waldbekränzter Felsen ihr: / So dürft’ er Dir nur, Dagobert, / 250 Selgar, Dein Lippgestad’ verbindlich schenken: / Bei den fuchshaarigen Alraunen, seht, / Den Römer laßt ihr beid’ im Stich, / Und fallt Euch, wie zwei Spinnen, selber an. / Wolf (einlenkend). Du hältst nicht eben hoch im Werth uns, Vetter! / Es scheint, das Bündniß nicht sowohl, / Als die Verbündeten mißfallen Dir. / Herrmann. Verzeiht! — Ich nenn’ Euch meine wackern Freunde, / Und will mit diesem Wort, das glaubt mir, mehr, als Euren / Verletzten Busen höflich bloß versöhnen. / 260 Die Zeit stellt, heißen Drangs voll, die Gemüther / Auf eine schwere Prob’; und manchen kenn’ ich besser, / Als er in diesem Augenblick sich zeigt. / Wollt’ ich auf Erden irgend was erringen, / Ich würde glücklich sein, könnt’ ich mit Männern mich, / Wie hier um mich versammelt sind, verbinden; / Jedoch, weil Alles zu verlieren bloß / Die Absicht ist — so läßt, begreift ihr, / Solch’ ein Entschluß nicht wohl ein Bündniß zu: / Allein muß ich, in solchem Kriege, stehn, / 270 Verknüpft mit niemand, als nur meinem Gott. / 123 Thuiskomar. Vergieb mir, Freund, man sieht nicht ein, / Warum nothwendig wir erliegen sollen; / Warum es soll unmöglich ganz, / Undenkbar sein (wenn es auch schwer gleich sein mag), / Falls wir nur sonst vereint, nach alter Sitte, wären, / Den Adler Roms, in einer muntern Schlacht, / Aus unserm deutschen Land hinwegzujagen. / Herrmann. Nein, nein! Das eben ist’s! Der Wahn, Thuiskar, / Der stürzt just rettungslos Euch ins Verderben hin! / 280 Ganz Deutschland ist verloren schon, / Dir der Sicambern Thron, der Thron der Katten Dir, / Der Marsen’ dem, mir der Cherusker, / Und auch der Erb’, bei Hertha! schon benannt: / Es gilt nur bloß noch jetzt, sie abzutreten. / Wie wollt Ihr doch, Ihr Herrn, mit diesem Heer des Varus / Euch messen — an eines Haufens Spitze, / Zusammen aus den Waldungen gelaufen, / Mit der Cohorte, der gegliederten, / Die, wo sie geht und steht, des Geistes sich erfreut? / 290 Was habt Ihr, sagt doch selbst, das Vaterland zu schirmen, / Als nur die nackte Brust allein, / Und Euren Morgenstern; indessen jene dort / Gerüstet mit der ehrnen Waffe kommen, / Die ganze Kunst des Kriegs entfaltend, / In den vier Himmelsstrichen ausgelernt? / Nein, Freunde, so gewiß der Bär dem schlanken Löwen / Im Kampf erliegt, so sicherlich / Erliegt ihr, in der Feldschlacht, diesen Römern. / Wolf. Es scheint, Du hältst dies Volk des fruchtumblühten Latiens / 300 Für ein Geschlecht von höh’rer Art, / Bestimmt, uns roh’re Kauze zu beherrschen? / 124 Herrmann. Hm! In gewissem Sinne sag’ ich: ja. / Ich glaub’, der Deutsch’ erfreut sich einer größern / Anlage, der Italier doch hat seine mindre / In diesem Augenblicke mehr entwickelt. / Wenn sich der Barden Lied erfüllt, / Und, unter einem Königsscepter, / Jemals die ganze Menschheit sich vereint, / So läßt, daß es ein Deutscher führt, sich denken, / 310 Ein Britt’ ein Gallier, oder wer Ihr wollt; / Doch nimmer jener Latier, beim Himmel! / Der keine andre Volksnatur / Verstehen kann und ehren, als nur seine. / Dazu am Schluß der Ding’ auch kommt es noch; / Doch bis die Völker sich, die diese Erd’ umwogen, / Noch jetzt vom Sturm der Zeit gepeitscht, / Gleich einer See, ins Gleichgewicht gestellt, / Kann es leicht sein, der Habicht rupft / Die Brut des Aars, die, noch nicht flügg’, / 320 Im stillen Wipfel einer Eiche ruht. / Wolf. Mithin ergiebst Du wirklich völlig Dich / In das Verhängniß — beugst den Nacken / Dem Joch, das dieser Römer bringt, / Ohn’ auch ein Glied nur sträubend zu bewegen? / Herrmann. Behüte Wodan mich! Ergeben! Seid Ihr toll? / Mein Alles, Haus und Hof, die gänzliche / Gesammtheit dess’, was mein sonst war, / Als ein verlornes Gut in meiner Hand noch ist, / Das, Freunde, setz’ ich dran, im Tod nur, / 330 Wie König Porus, glorreich es zu lassen! / Ergeben! — Einen Krieg, bei Mana! will ich / Entflammen, der in Deutschland rasselnd, / 125 Gleich einem dürren Walde, um sich greifen, / Und auf zum Himmel lodernd schlagen soll! / Thuiskomar. Und gleichwohl — unbegreiflich bist Du, Vetter! / Gleichwohl nährst keine Hoffnung Du, / In solchem tücht’gen Völkerstreit zu siegen? / Herrmann. Wahrhaftig, nicht die mindeste, / Ihr Freunde. Meine ganze Sorge soll / 340 Nur sein, wie ich, nach meinen Zwecken, / Geschlagen werd’. — Welch’ ein wahnsinn’ger Thor / Müßt’ ich doch sein, wollt’ ich mir und der Heeresschaar, / Die ich ins Feld des Todes führ’, erlauben, / Das Aug’, von dieser finstern Wahrheit ab, / Buntfarb’gen Siegesbildern zuzuwenden, / Und gleichwohl dann gezwungen sein, / In dem gefährlichen Momente der Entscheidung, / Die ungeheure Wahrheit anzuschaun? / Nein! Schritt vor Schritt will ich das Land der großen Väter / 350 Verlieren — über jeden Waldstrom schon im Voraus, / Mir eine goldne Brücke baun, / In jeder Mordschlacht denken, wie ich in / Den letzten Winkel nur mich des Cheruskerlands / Zurückezieh’: und triumphiren, / Wie nimmer Marius und Sylla triumphirten, / Wenn ich — nach einer runden Zahl von Jahren, / Versteht sich — im Schatten einer Wodanseiche, / Auf einem Gränzstein, mit den letzten Freunden, / Den schönen Tod der Helden sterben kann. / 360 Dagobert. Nun denn, beim Styxfluß —! Selgar. Das gestehst Du, Vetter, / Auf diesem Weg’ nicht kömmst Du eben weit. / 126 Dagobert. Gleich einem Löwen grimmig steht er auf, / Warum? Um, wie ein Krebs, zurückzugehn. / Herrmann. Nicht weit? Hm! — Seht, das mögt’ ich just nicht sagen. / Nach Rom — ihr Herren, Dagobert und Selgar! / Wenn mir das Glück ein wenig günstig ist. / Und wenn nicht ich, wie ich fast zweifeln muß, / Der Enkel Einer doch, wag’ ich zu hoffen, / Die hier in diesem Paar der Lenden ruhn! / 370 Wolf (umarmt ihn). Du Lieber, Wackrer, Göttlicher —! / Wahrhaftig, Du gefällst mir. — Kommt, stoßt an! / Herrmann soll, der Befreier Deutschlands, leben! / Herrmann (sich losmachend). Kurz, wollt Ihr, wie ich schon einmal Euch sagte, / Zusammenraffen Weib und Kind, / Und auf der Weser rechtes Ufer bringen, / Geschirre, goldn’ und silberne, die Ihr / Besitzet, schmelzen, Perlen und Juwelen / Verkaufen oder sie verpfänden, / Verheeren Eure Fluren, Eure Heerden / 380 Erschlagen, Eure Plätze niederbrennen, / So bin ich Euer Mann —: Wolf. Wie? Was? Herrmann. Wo nicht —? / Thuiskomar. Die eignen Fluren sollen wir verheeren —? / Dagobert. Die Heerden tödten —? Selgar. Unsre Plätze niederbrennen —? / 127 Herrmann. Nicht? Nicht? Ihr wollt es nicht? / Thuiskomar. Das eben Rasender, das ist es ja, / Was wir in diesem Krieg vertheidigen wollen! / Herrmann (abbrechend). Nun denn, ich glaubte, eure Freiheit wär’s. / (er steht auf) Thuiskomar. Was? — Allerdings. Die Freiheit — Herrmann. Ihr vergebt mir! / Thuiskomar. Wohin, ich bitte Dich? Selgar. Was fällt Dir ein? / 390 Herrmann. Ihr Herrn, Ihr hört’s; so kann ich Euch nicht helfen. / Dagobert (bricht auf). Laß Dir bedeuten, Herrmann. Herrmann (in die Scene rufend). Horst! Die Pferde! / Selgar (eben so). Ein Augenblick! Hör an! Du mißverstehst uns! / (die Fürsten brechen sämmtlich auf.) Herrmann. Ihr Herrn, zur Mittagstafel sehn wir uns. / (er geht ab; Hörnermusik.) Wolf. O Deutschland! Vaterland! Wer rettet Dich, / Wenn es ein Held, wie Siegmars Sohn nicht thut! / (Alle ab.)
128

Zweiter Akt.

Scene: Teutoburg. Das Innere eines großen und präch⸗ tigen Fürstenzelts, mit einem Thron.

Erster Auftritt.

Herrmann (auf dem Thron. Ihm zur Seite) Eginhardt, Ventidius, der Legat von Rom (steht vor ihm). Herrmann. Ventidius! Deine Botschaft, in der That, / Erfreut zugleich mich und bestürzt mich. / — Augustus, sagst Du, beut zum Drittenmal, / Mir seine Hülfe gegen Marbod an. / 400 Ventidius. Ja, mein erlauchter Herr. Die drei Legionen, / Die, in Sicambrien, am Strom der Lippe stehn, / Betrachte sie wie Dein! Quintilius Varus harrt, / Ihr großer Feldherr, Deines Winkes nur, / In die Cheruskerplätze einzurücken. / Drei Tage, mehr bedarf es nicht, so steht er / Dem Marbod schon, am Bord der Weser, gegenüber, / Und zahlt, vorn an der Pfeile Spitzen, / Ihm das Metall, das Er gewagt, / Dir als Tribut, der Trotz’ge, abzufodern. / 410 129 Herrmann. Freund, Dir ist selbst bekannt, wie manchem bittern Drangsal / Ein Land ist heillos preis gestellt, / Das einen Heereszug erdulden muß. / Da finden Raub und Mord und Brand sich, / Der höllentstiegene Geschwisterreigen, ein, / Und selbst das Beil oft hält sie nicht zurück. / Meinst Du nicht, Alles wohl erwogen, / Daß ich im Stande wär’, allein / Cheruska vor dem Marbod zu beschützen? / Ventidius. Nein, nein, mein Fürst! Den Wahn, ich bitte Dich, entferne! / 420 Gewiß, die Schaaren, die Du führst, sie bilden / Ein würdig kleines Heer, jedoch bedenke, / Mit welchem Feind’ Du es zu thun! / Marbod, das Kind des Glücks, der Fürst der Sueven ist’s, / Der, von den Riesenbergen niederrollend, / Stets siegreich, wie ein Ball von Schnee, sich groß gewälzt. / Wo ist der Wall um solchem Sturz zu wehren? / Die Römer werden Mühe haben, / Die weltbesiegenden, wie mehr, o Herr, denn Du, / Dein Reich vor der Verschüttung zu beschirmen. / 430 Herrmann. Freilich! Freilich! Du hast zu sehr nur Recht. / Das Schicksal, das im Reich der Sterne waltet, / Ihn hat es, in der Luft des Kriegs, / Zu einem Helden rüstig groß gezogen, / Dagegen mir, Du weißt, das sanftre Ziel sich steckte: / Dem Weib, das mir vermählt, der Gatte, / Ein Vater meinen süßen Kindern, / Und meinem Volk ein guter Fürst zu sein. / Seit jener Mordschlacht, die den Ariovist vernichtet, / Hab’ ich im Felde mich nicht mehr gezeigt; / 440 Die Weisung werd’ ich nimmermehr vergessen: / 130 Es war, im Augenblick der gräßlichen Verwirrung, / Als ob ein Geist erstünde und mir sagte, / Daß mir das Schicksal hier nicht günstig wäre. — / Ventidius. Gewiß! Die Weisheit, die Du mir entfaltest, / Füllt mit Bewundrung mich. — Zudem muß ich Dir sagen, / Daß so, wie nun die Sachen dringend stehn, / O Herr, Dir keine Wahl mehr bleibt, / Daß Du Dich zwischen Marbod und Augustus / Nothwendig jetzt entscheiden mußt; / 450 Daß dieses Sueven Macht, im Reich Germaniens, / Zu ungeheuer anwuchs; daß Augustus / Die Oberherrschaft keinem gönnen kann, / Der, auf ein Heer, wie Marbod, trotzend, / Sich selbst sie nur verdanken will; ja, wenn / Er je ein Oberhaupt der Deutschen anerkennt, / Ein Fürst es sein muß, das begreifst Du, / Den er, durch einen Schritt, verhängnißvoll wie diesen, / Auf immer seinem Thron verbinden kann. / Herrmann (nach einer kurzen Pause). Wenn Du die Aussicht mir eröffnen könntest, / 460 Ventidius, daß mir / Die höchste Herrschgewalt in Deutschland zugedacht: / So würd’ Augustus, das versichr’ ich Dich, / Den wärmsten Freund würd’ er an mir erhalten. — / Denn dieses Ziel, das darf ich Dir gestehn, / Reizt meinen Ehrgeiz, und mit Neid / Seh’ ich den Marbod ihm entgegeneilen. / Ventidius. Mein Fürst! Das ist kein Zweifel mehr. / Glaub’ nicht, was Meuterei hier ausgesprengt, / Ein Neffe werd’ Augusts, sobald es nur erobert, / 470 In Deutschland, als Präfekt, sich niederlassen; / Und wenn gleich Scipio, Agricola, Licin, / 131 Durch meinen großen Kaiser eingesetzt, / Nariska, Markoland und Nervien jetzt verwalten: / Ein Deutscher kann das Ganze nur beherrschen! / Der Grundsatz, das versichr’ ich Dich, / Steht, wie ein Felsen, bei Senat und Volk! / Wenn aber, das entscheide selbst, / Ein Deutscher solch ein Amt verwalten soll: / Wer kann es sein, o Herr, als der allein, / 480 Durch dessen Hülfe uns ersprießlich, / Sich solch’ ein Herrschamt allererst errichtet? / Herrmann (vom Thron herabsteigend). Nun denn, Legat der römischen Cäsaren, / So werf’ ich, was auch säum’ ich länger, / Mit Thron und Reich, in Deine Arme mich! / Cheruskas ganze Macht leg’ ich, / Als ein Vasall, zu Augusts Füßen nieder. / Laß Varus kommen, mit den Legionen; / Ich will fortan, auf Schutz und Trutz / Mich wider König Marbod ihm verbinden! / 490 Ventidius. Nun, bei den Uraniden! Dieser Tag, / Er ist der schönste meines Lebens! / Ich eile dem August, o Herr, Dein Wort zu melden. / Man wird in Rom die Cirken öffnen, / Die Löwen kämpfen, die Athleten, lassen, / Und Freudenfeuer in die Nächte schicken! / — Wann darf Quintilius jetzt die Lippe überschreiten? / Herrmann. Wann es sein Vortheil will. Ventidius. Wohlan, so wirst / Du morgen schon in Teutoburg ihn sehn. / — Vergönne, daß ich die Minute nütze. / 500 (ab.) 132

Zweiter Auftritt.

Herrmann und Eginhardt. (Pause.) Herrmann. Ging er? Eginhardt. Mich dünkte, ja. Er bog sich links. / Herrmann. Mich dünkte, rechts. Eginhardt. Still! Herrmann. Rechts! Der Vorhang rauschte. / Er bog sich in Thusneldens Zimmer hin. /

Dritter Auftritt.

Thusnelda (tritt, einen Vorhang öffnend, zur Seite auf). Die Vorigen. Herrmann. Thuschen! Thusnelda. Was giebt’s? Herrmann. Geschwind! Ventidius sucht Dich. / Thusnelda. Wo? Herrmann. Von dem äußern Gang. Thusnelda. So? Desto besser. / So bin ich durch den mittlern ihm entflohn. / 133 Herrmann. Thuschen! Geschwind! Ich bitte Dich! Thusnelda. Was hast Du? / Herrmann. Zurück, mein Herzchen! Liebst Du mich! Zurücke! / In Deine Zimmer wieder! Rasch! Zurücke! / Thusnelda (lächelnd). Ach, laß mich gehn. Herrmann. Was? Nicht? Du weigerst mir —? / 510 Thusnelda. Laß mich mit diesem Römer aus dem Spiele. / Herrmann. Dich aus dem Spiel? Wie! Was! Bist Du bei Sinnen? / Warum? Weßhalb? Thusnelda. — Er thut mir leid, der Jüngling. / Herrmann. Dir leid? Gewiß, beim Styx, weil er das Unthier gestern —? / Thusnelda. Gewiß! Bei Braga! Bei der sanften Freya: / Er war so rüstig bei der Hand! / Er wähnte doch, mich durch den Schuß zu retten, / Und wir verhöhnen ihn! Herrmann. Ich glaub’, beim Himmel, / Die römische Tarantel hat —? / Er wähnt ja auch, Du Thörinn, Du, / 520 Daß wir den Wahn der That ihm danken! / Fort, Herzchen, fort! Eginhardt. Da ist er selber schon! / 134 Herrmann. Er riecht die Fährt’ ihr ab, ich wußt’ es wohl. / — Du sei mir klug, ich rath’ es Dir! / Komm, Eginhardt, ich hab’ Dir was zu sagen. (ab.) /

Vierter Auftritt.

Thusnelda (nimmt eine Laute und setzt sich nieder). Ventidius und Scäpio (treten auf). Ventidius (noch unter dem Eingang). Scäpio! Hast Du gehört? Scäpio. Du sagst, der Bote —? / Ventidius (flüchtig). Der Bote, der nach Rom geht, an Augustus, / Soll zwei Minuten warten; ein Geschäft / Für Livia liegt, die Kaiserinn, mir noch ob. / Scäpio. Genug! Es soll geschehn. (ab.) Ventidius. Harr’ meiner draußen. / 530

Fünfter Auftritt.

Thusnelda und Ventidius. Ventidius. Vergieb, erlauchte Frau, dem Freund’ des Hauses, / Wenn er den Fuß, unaufgerufen, / In Deine göttergleiche Nähe setzt. / Von Deiner Lippe hört’ ich gern, / 135 Wie Du die Nacht, nach jenem Schreck, der gestern / Dein junges Herz erschütterte, geschlummert? / Thusnelda. Nicht eben gut, Ventidius. Mein Gemüth / War von der Jagd noch ganz des wilden Uhrs erfüllt. / Vom Bogen sandt’ ich tausendmal den Pfeil, / Und immerfort sah’ ich das Thier, / 540 Mit eingestämmten Hörnern, auf mich stürzen. / Ein fürchterlicher Tod, Ventidius, / Solch’ einem Ungeheu’r erliegen! / Arminius sagte scherzend heut, / Ich hätte durch die ganze Nacht, / Ventidius! Ventidius! gerufen. / Ventidius. (läßt sich leidenschaftlich vor ihr nieder, und ergreift ihre Hand.) Wie seelig bin ich, Königin, / Dir ein Gefühl entlockt zu haben! / Was für ein Strahl der Wonne strömt, / Mir unerträglich, alle Glieder lähmend, / 550 Durch den entzückten Busen hin, / Sagt mir Dein süßer Mund, daß Du, bei dem Gedanken / An mich, empfindest — wär’s auch die unscheinbare / Empfindung nur des Danks, verehrte Frau, / Die jedem Glücklichen geworden wäre, / Der, als ein Retter, Dir zur Seite stand! / Thusnelda. Ventidius! Was willst Du mir? Steh’ auf! / Ventidius. Nicht eh’r, Vergötterte, als bis Du meiner Brust / Ein Zeichen, gleichviel welches, des / Gefühls, das ich in Dir entflammt, verehrt! / 560 Sei es das Mindeste, was Sinne greifen mögen, / Das Herz gestaltet es zum Größesten. / Laß es den Strauß hier sein, der Deinen Busen ziert, / 136 Hier diese Schleife, diese goldne Locke — / Ja, Kön’gin, eine Locke laß es sein! / Thusnelda. Ich glaub’, Du schwärmst. Du weißt nicht, wo Du bist. / Ventidius. Gieb eine Locke, Abgott meiner Seelen, / Von diesem Haupthaar mir, das von der Juno Scheiteln / In üpp’gere Wogen nicht zur Ferse wallt! / Sieh, dem Arminius gönn’ ich Alles: / 570 Das ganze duftende Gefäß von Seligkeiten, / Das ich in meinen Armen zitternd halte, / Sein ist’s; ich gönn’ es ihm: es möge sein verbleiben. / Die einz’ge Locke fleh’ ich nur für mich, / Die, in dem Hain, beim Schein des Monds, / An meine Lippe heiß gedrückt, / Mir Deines Daseins Traum ergänzen soll! / Die kannst Du mir, geliebtes Weib, nicht weigern, / Wenn Du nicht grausam mich verhöhnen willst. / Thusnelda. Ventidius, soll ich meine Frauen rufen? / 580 Ventidius. Und müßt’ ich so, in Anbetung gestreckt, / Zu Deinen Füßen flehend liegen, / Bis das Giganten⸗Jahr des Platon abgerollt, / Bis die graubärt’ge Zeit ein Kind geworden, / Und der verliebten Schäfer Paare wieder / An Milch⸗ und Honigströmen zärtlich wandeln: / Von diesem Platz entweichen werd’ ich nicht, / Bis jener Wunsch, den meine Seele / Gewagt hat Dir zu nennen, mir erfüllt. / (Thusnelda steht auf und sieht ihn an. Ventidius läßt sie betre⸗ ten los und erhebt sich. Thusnelda geht und klingelt.) 137

Sechster Auftritt.

Gertrud und Bertha (treten auf). Die Vorigen. Thusnelda. Gertrud; wo bleibst Du? Ich rief nach meinen Kindern. / 590 Gertrud. Sie sind im Vorgemach. (sie wollen beide gehen.) Thusnelda. Wart’! Einen Augenblick! / Gertrud, Du bleibst! — Du, Bertha, kannst sie holen. / (Bertha ab.)

Siebenter Auftritt.

Thusnelda (setzt sich wieder nieder, ergreift die Laute, und thut einige Griffe darauf), Ventidius (läßt sich hinter ihr, auf einem Ses⸗ sel, nieder). Gertrud. (Pause.) Thusnelda (spielt und singt). Ein Knabe sah den Mondenschein / In eines Teiches Becken; / Er faßte mit der Hand hinein, / Den Schimmer einzustecken; / Da trübte sich des Wassers Rand, / Das glänz’ge Mondesbild verschwand / Und seine Hand war — / Ventidius. (steht auf. Er hat, während dessen, unbemerkt eine Locke von Thusnel⸗ dens Haar geschnitten, wendet sich ab, und drückt sie leidenschaftlich an seine Lippe.) Thusnelda (hält inne). Was hast Du? 138 Ventidius (entzückt). — Was ich um das Gold der Afern, / 600 Die Seide Persiens, die Perlen von Korinth, / Um alles, was die Römerwaffen / Je in dem Kreis der Welt erbeuteten, nicht lasse. / Thusnelda. Ich glaub’, Du treibst die Dreistigkeit so weit, / Und nahmst mir — (sie legt die Laute weg.) Ventidius. Nichts, nichts, als diese Locke! / Doch selbst der Tod nicht trennt mich mehr von ihr. / (er beugt ehrfurchtsvoll ein Knie vor ihr und geht ab.) Thusnelda (steht auf). Ventidius Carbo, Du beleidigst mich! — / Gieb sie mir her, sag’ ich! — Ventidius Carbo! /

Achter Auftritt.

Herrmann (mit einer Pergamentrolle. Hinter ihm) Egin⸗ hardt. — Die Vorigen. Herrmann. Was giebt’s, mein Thuschen? Was erhitzt Dich so? / Thusnelda (erzürnt). Nein, dies ist unerträglich, Herrmann! / 610 Herrmann. Was hast Du? Sprich! Was ist geschehn, mein Kind? / Thusnelda. Ich bitte Dich, verschone fürder / Mit den Besuchen dieses Römers mich. / Du wirfst dem Wallfisch, wie das Sprichwort sagt, / Zum Spielen eine Tonne vor; / Doch wenn Du irgend Dich auf offnem Meere noch / 139 Erhalten kannst, so bitt’ ich Dich, / Laß es was Anders, als Thusnelden, sein. / Herrmann. Was wollt’ er Dir, mein Herzchen, sag’ mir an? / Thusnelda. Er kam und bat, mit einer Leidenschaft, / 620 Die wirklich alle Schranken niederwarf, / Gestreckt auf Knieen, wie ein Glücklicher, / Um eine Locke mich — Herrmann. Du gabst sie ihm —? / Thusnelda. Ich —? ihm die Locke geben! Herrmann. Was! Nicht? Nicht? / Thusnelda. Ich weigerte die Locke ihm. Ich sagte, / Ihn hätte Wahnsinn, Schwärmerei ergriffen, / Erinnert’ ihn, an welchem Platz er wäre — / Herrmann. Da kam er her und schnitt die Locke ab —? / Thusnelda. Ja, in der That! Es scheint, Du denkst, ich scherze. / Inzwischen ich auf jenem Sessel mir / 630 Ein Lied zur Cyther sang, lös’t er, / Mit welchem Werkzeug weiß ich nicht, bis jetzt, / Mir eine Locke heimlich von der Scheitel, / Und gleich, als hätt’ er sie, der Thörichte, / Von meiner Gunst davongetragen, / Drückt’ er sie, glühend vor Entzücken, an die Lippen, / Und ging, mit Schritten des Triumphes, / Als Du erschienst, mit seiner Beut’ hinweg. / Herrmann (mit Humor). Ei, Thuschen, was! So sind wir glückliche / 140 Geschöpfe ja, so wahr ich lebe, / 640 Daß er die andern Dir gelassen hat. / Thusnelda. Wie? Was? Wir wären glücklich —? Herrmann. Ja, beim Himmel! / Käm’ er daher, mit seinen Leuten, / Die Scheitel ratzenkahl Dir abzuscheeren: / Ein Schelm, mein Herzchen, will ich sein, / Wenn ich die Macht besitz’, es ihm zu wehren. / Thusnelda (zuckt die Achseln). — Ich weiß nicht, was ich von Dir denken soll. / Herrmann. Bei Gott, ich auch nicht. Varus rückt / Mit den Cohorten morgen bei mir ein. — / Thusnelda (streng). Armin, Du hörst, ich wiederhol’ es Dir, / 650 Wenn irgend Dir Dein Weib was werth ist, / So nöthigst Du mich nicht, das Herz des Jünglings ferner / Mit falschen Zärtlichkeiten, zu entflammen. / Bekämpf’ ihn, wenn Du willst, mit Waffen des Betrugs, / Da, wo er mit Betrug Dich angreift; / Doch hier, wo, gänzlich unbesonnen, / Sein junges Herz sich Dir entfaltet, / Hier wünsch’ ich lebhaft, muß ich Dir gestehn, / Daß Du auf offne Weise ihm begegnest. / Sag’ ihm, mit einem Wort, bestimmt doch ungehässig, / 660 Daß seine kaiserliche Sendung / An Dich, und nicht an Deine Gattinn sei gerichtet. / Herrmann (sieht sie an). Entflammen? Wessen Herz? Ventidius Carbos? / Thuschen! Sieh mich ’mal an! — Bei unsrer Hertha! / Ich glaub’, Du bild’st Dir ein, Ventidius liebt Dich? / 141 Thusnelda. Ob er mich liebt? Herrmann. Nein sprich, im Ernst, das glaubst Du? / So, was ein Deutscher lieben nennt, / Mit Ehrfurcht und mit Sehnsucht, wie ich Dich? / Thusnelda. Gewiß, glaub’ mir, ich fühl’s, und fühl’s mit Schmerz, / Daß ich den Irrthum leider selbst, / 670 Der dieses Jünglings Herz ergriff, verschuldet. / Er hätte, ohne die betrügerischen Schritte, / Zu welchen Du mich aufgemuntert, / Sich nie in diese Leidenschaft verstrickt; / Und wenn Du das Geschäft, ihn offen zu enttäuschen, / Nicht übernehmen willst, wohlan: / Bei unsrer nächsten Zwiesprach’ werd’ ich’s selbst. / Herrmann. Nun, Thuschen, ich versichre Dich, / Ich liebe meinen Hund mehr, als er Dich. / Du machst, beim Styx, Dir überflüss’ge Sorge. / 680 Ich zweifle nicht, o ja, wenn ihn Dein schöner Mund / Um einen Dienst ersucht, er thut ihn Dir: / Doch wenn er die Orange ausgesaugt, / Die Schaale, Herzchen, wirft er auf den Schutt. / Thusnelda (empfindlich). Dich macht, ich seh’, Dein Römerhaß ganz blind. / Weil als dämonenartig Dir / Das Ganz’ erscheint, so kannst Du Dir / Als sittlich nicht den Einzelnen gedenken. / Herrmann. Meinst Du? Wohlan! Wer Recht hat, wird sich zeigen. / Wie er die Lock’, auf welche Weise, / 690 Gebrauchen will, das weiß ich nicht; / Doch sie im Stillen an den Mund zu drücken, / 142 Das kannst Du sicher glauben, ist es nicht. / — Doch, Thuschen, willst Du jetzt allein mich lassen? / Thusnelda. O ja. Sehr gern. Herrmann. Du bist mir doch nicht bös? / Thusnelda. Nein, Nein! Versprich mir nur, für immer mich / Mit diesem Thoren aus dem Spiel zu lassen! / Herrmann. Topp! Meine Hand drauf! In drei Tagen, / Soll sein Besuch Dir nicht zur Last mehr fallen! / (Thusnelda und Gertrud ab.)

Neunter Auftritt.

Herrmann und Eginhardt. Herrmann. Hast Du mir den geheimen Boten / 700 An Marbod, Fürst von Suevien, besorgt? / Eginhardt. Er steht im Vorgemach. Herrmann. Wer ist es? / Eginhardt. Mein Fürst und Herr, es ist mein eigner Sohn! / Ich konnte keinen Schlechteren / Für diese wicht’ge Botschaft Dir bestellen. / Herrmann. Ruf’ ihn herein! Eginhardt. Luitogar, erscheine! / 143

Zehnter Auftritt.

Luitgar (tritt auf) — Die Vorigen. Herrmann. Du bist entschlossen, hör’ ich, Luitgar, / An Marbod heimlich eine Botschaft zu besorgen? / Luitgar. Ich bin’s, mein hoher Herr. Herrmann. Kann ich gewiß sein, / Daß das, was ich Dir anvertraue, / 710 Vor morgen Nacht in seinen Händen ist? / Luitgar. Mein Fürst, so sicher, als ich morgen lebe, / So sicher auch ist es ihm überbracht. / Herrmann. Gut. — Meine beide blonden Jungen wirst Du, / Den Rinold und den Adelhart, / Empfangen, einen Dolch, und dieses Schreiben hier, / Dem Marbod, Herrn des Suevenreiches, / Von mir zu überliefern. — Die drei Dinge / Erklären sich, genau erwogen, selbst, / Und einer mündlichen Bestellung braucht es nicht; / 720 Doch, um Dich in den Stand zu setzen, / Sogleich jedwedem Irrthum zu begegnen, / Der etwa nicht von mir berechnet wäre, / Will ich umständlich, von dem Schritt, / Zu dem ich mich entschloß, Dir Kenntniß geben. / Luitgar. Geruhe Deinen Knecht zu unterrichten. / Herrmann. Die Knaben schick’ ich ihm zuvörderst und den Dolch, / Damit dem Brief’ er Glauben schenke. / 144 Wenn irgend in dem Brief ein Arges ist enthalten, / Soll er den Dolch sofort ergreifen, / 730 Und in der Knaben weiße Brüste drücken. / Luitgar. Wohl, mein erlauchter Herr. Herrmann. Augustus hat / Das Angebot der drei Legionen, / Die Varus führt, zum Schutze wider Marbod, / Zum Drittenmal mir heute wiederholt. / Gründe von zwingender Gewalt bestimmten mich, / Die Truppen länger nicht mehr abzulehnen. / Sie rücken morgen in Cheruska ein, / Und werden, in drei Tagen schon, / Am Weserstrom, in’s Angesicht ihm sehn. / 740 Varus will schon am Idus des Augusts / (Also am Tag’ nach unserem / Hochheil’gen Nornentag, das merk’ Dir wohl), / Mit seinem Römerheer die Weser überschiffen, / Und Herrmann wird, auf Einen Marsch, / Mit dem Cheruskerheer, zu gleichem Zweck, ihm folgen. / An dem Alraunentag, Luitgar, / (Also am Tag vor unserm Nornentag) / Brech’ ich von Teutoburg mit meinen Schaaren auf. / Jenseits der Weser wollen wir / 750 Vereint auf Marbods Haufen plötzlich fallen; / Und wenn wir ihn erdrückt, (wie kaum zu zweifeln steht), / Soll mir, nach dem Versprechen Augusts, / Die Oberherrschaft in Germanien werden. / Luitgar. Ich fass’, o Herr, Dich und bewundre / Schon im Voraus, was noch erfolgen wird. / Herrmann. Ich weiß inzwischen, daß Augustus sonst / 145 Ihm mit der Herrschaft von Germanien geschmeichelt. / Mir ist von guter Hand bekannt, / Daß Varus heimlich ihn mit Geld, / 760 Und Waffen selbst versehn, mich aus dem Feld zu schlagen. / Das Schicksal Deutschlands lehrt nur allzudeutlich mich, / Daß Augusts letzte Absicht sei, / Uns beide, mich wie ihn, zu Grund zu richten, / Und wenn er, Marbod, wird vernichtet sein, / Der Suevenfürst, so fühl’ ich lebhaft, / Wird an Arminius die Reihe kommen. / Luitgar. Du kennst, ich seh’, die Zeit, wie Wenige. / Herrmann. Da ich nun — soll ich einen Oberherrn erkennen, / Weit lieber einem Deutschen mich, / 770 Als einem Römer unterwerfen will: / Von allen Fürsten Deutschlands aber ihm, / Marbod, um seiner Macht, und seines Edelmuths, / Der Thron am unzweideutigsten gebührt: / So unterwerf’ ich mich hiermit demselben, / Als meinem Herrn und hohen König, / Und zahl’ ihm den Tribut, Luitogar, den er / Durch einen Herold, jüngst mir abgefordert. / Luitgar (betreten). Wie mein erlauchter Herr! Hört’ ich auch recht? / Du unterwirfst —? Ich bitte Dich, mein Vater! / 780 (Eginhardt winkt ihm, ehrfurchtsvoll zu schweigen.) Herrmann. Dagegen, hoff’ ich, übernimmt nun Er, / Als Deutschlands Oberherrscher, die Verpflichtung, / Das Vaterland von dem Tyrannenvolk zu säubern. / Er wird den Römeradler länger nicht / Um einen Tag, steht es in seiner Macht / Auf Herrmanns, seines Knechts, Gefilden dulden. / 146 Und da der Augenblick sich eben günstig zeigt, / DenIn der BKA wird in ›Dem‹ emendiert. Es handelt sich hier eher um eine der vielen im märkischen Dialekt bis heute vorhandenen Vermischungen von Dativ- und Akkusativformen, die sich auch in Kleists Texten häufig finden. Varus, eh’ der Mond noch wechselte, / Das Grab in dem Cheruskerland zu graben, / So wag’ ich es, sogleich dazu / 790 In Ehrfurcht Ihm den Kriegsplan vorzulegen. / Eginhardt. Jetzt merk’ wohl auf, Luitogar, / Und laß kein Wort Arminius Dir entschlüpfen. / Luitgar. Mein Vater! Meine Brust ist Erz / Und ein Demantengriffel seine Rede! / Herrmann. Der Plan ist einfach und begreift sich leicht. — / Varus kommt, in der Nacht der düsteren Alraunen, / Im Teutoburger Walde an, / Der zwischen mir liegt und der Weser Strom. / Er denkt am folgenden, dem Tag der letzten Nornen, / 800 Des Stroms Gestade völlig zu erreichen, / Um, an dem Idus des August’s, / Mit seinem Heer darüber hin zu gehn. / Nun aber überschifft, am Tag schon der Alraunen, / Marbod der Weser Strom und rückt / Ihm bis zum Wald von Teutoburg entgegen. / Am gleichen Tag brech’ ich, dem Heer des Varus folgend, / Aus meinem Lager auf, und rücke / Von hinten ihm zu diesem Walde nach. / Wenn nun der Tag der Nornen purpurn / 810 Des Varus Zelt bescheint, so siehst Du, Freund Luitgar, / Ist ihm der Lebensfaden schon durchschnitten. / Denn nun fällt Marbod ihn von vorn, / Von hinten ich ihn grimmig an, / Erdrückt wird er von unsrer Doppelmacht: / Und keine andre Sorge bleibt uns, / Als die nur, eine Hand voll Römer zu verschonen; / 147 Die, von dem Fall der Uebrigen, / Die Todespost an den Augustus bringen. / — Ich denk’ der Plan ist gut. Was meinst Du, Luitgar? / 820 Luitgar. O Herrmann! Wodan hat ihn selbst Dir zugeflüstert! / Sieh, wenn Du den Cheruskern ihn wirst nennen, / Sie werden, was sie nimmer thun, / Sieg! vor dem ersten Keulenschlag schon rufen! / Herrmann. Wohlan! In dem Vertraun itzt, das ich hege, / Er, Marbod, auch, werd’ diesen Plan, / Nach seiner höh’ren Weisheit billigen, / Nimmt er für mich die Kraft nun des Gesetzes an. / An dem Alraunentag rück’ ich nunmehr so fehllos, / Als wär’ es sein Gebot, aus meinem Lager aus, / 830 Und steh’, am Nornentag, vor’m Teutoburger Wald. / Ihm aber — überlass’ ich es in Ehrfurcht, / Nach dem Entwurf, das Seinige zu thun. / — Hast Du verstanden? Luitgar. Wohl, mein erlauchter Herr. / Herrmann. Sobald wir über Varus Leiche uns / Begegnet — beug’ ich ein Knie vor ihm, / Und harre seines weiteren Befehls. / — Weißt Du noch sonst was, Eginhardt? / Eginhardt. Nichts, mein Gebieter. Herrmann. Oder Du, Luitgar? / Luitgar (zögernd). Nichts mindestens, das von Bedeutung wäre. — / 840 Laß Deiner Weisheit ganz mich unterwerfen. / 148 Herrmann. — Nun? Sag’s nur dreist heraus, Du siehst so starr / Auf diese kleine Rolle nieder, / Als hätt’st Du nicht das Herz, sie zu ergreifen. / Luitgar. Mein Fürst, die Wahrheit Dir zu sagen, / Die Möglichkeit, daß mich ein Unfall träf’, erschreckt mich. / Laß uns, in keinem Stück, der Gunst des Glücks vertraun. / Vergönne mir, ich bitte Dich, / Zwei Freund’ in’s Lager Marbods mitzunehmen, / Damit, wenn mir Verhindrung käme, / 850 Ein Andrer, und ein Dritter noch, / Das Blatt in seine Hände bringen kann. / Herrmann. Nichts, nichts, Luitgar! Welch’ ein Wort entfiel Dir? / Wer wollte die gewalt’gen Götter / Also versuchen?! Meinst Du, es ließe / Das große Werk sich ohne sie vollziehn? / Als ob ihr Blitz drei Boten minder, / Als einen einzelnen, zerschmettern könnte! / Du gehst allein; und triffst Du mit der Botschaft / Zu spät bei Marbod, oder gar nicht, ein: / 860 Sei’s! mein Geschick’ ist’s, das ich tragen werde. / Luitgar. Gieb mir die Botschaft! Nur der Tod verhindert, / Daß er sie morgen in den Händen hält. / Herrmann. Komm. So gebraucht’ ich Dich. Hier ist die Rolle, / Und Dolch und Kinder händ’g’ ich gleich Dir ein. / (Alle ab.)
149

Dritter Akt.

Scene: Platz vor einem Hügel, auf welchem das Zelt Herrmanns steht. Zur Seite eine Eiche, unter welcher ein großes Polster liegt, mit prächtigen Tigerfellen überdeckt. Im Hintergrunde sieht man die Wohnungen der Horde.

Erster Auftritt.

Herrmann, Eginhardt, zwei Aeltesten der Horde und Andere (stehen vor dem Zelt und schauen in die Ferne). Herrmann. Das ist Thuiskon, was jetzt Feuer griff? / Erster Aeltester. Vergieb mir, Herthakon. Herrmann. Ja, dort zur Linken. / Der Ort, der brannte längst. Zur Rechten, mein’ ich. / Erster Aeltester. Zur Rechten, meinst Du. Das ist Helakon. / Thuiskon kann man hier vom Platz nicht sehn. / 870 Herrmann. Was! Helakon! Das liegt in Asche schon. / Ich meine, was jetzt eben Feuer griff? / 150 Erster Aeltester. Ganz recht! Das ist Thuiskon, mein Gebieter! / Die Flamme schlägt jetzt übern Wald empor. — / (Pause.) Herrmann. Auf diesem Weg’ rückt, dünkt mich, Varus an? / Erster Aeltester. Varus? Vergieb. Von Deinem Jagdhaus Orla. / Das ist der Ort, wo heut’ er übernachtet. / Herrmann. Ja, Varus in Person. Doch die drei Haufen, / Die er ins Land mir führt —? Zweiter Aeltester (vortretend.) Die ziehn, mein König, / Durch Thuiskon, Helakon und Herthakon. / 880 (Pause.) Herrmann (indem er vom Hügel herabschreitet). Man soll auf’s beste, will ich, sie empfangen. / An Nahrung weder, reichlicher, / Wie der Italier sie gewohnt, soll man’s / Noch auch an Meth, an Fellen für die Nacht, / Noch irgend sonst, wie sie auch heiße, / An einer Höflichkeit gebrechen laßen. / Denn meine guten Freunde sind’s, / Von August mir gesandt, Cheruska zu beschirmen, / Und das Gesetz der Dankbarkeit erfodert, / Nichts, was sie mir verbinden kann, zu sparen. / 890 Erster Aeltester. Was Dein getreuer Lagerplatz besitzt, / Das zweifle nicht, wird er den Römern geben. / Zweiter Aeltester. Warum auch soll er warten, bis man’s nimmt? /
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Zweiter Auftritt.

Drei Hauptleute (treten eilig nach einander auf). — Die Vorigen. Der erste Hauptmann (indem er auftritt). Mein Fürst, die ungeheueren / Unordnungen, die sich dies Römerheer erlaubt, / Beim Himmel! übersteigen allen Glauben. / Drei Deiner blühndsten Plätze sind geplündert, / Entflohn die Horden, alle Hütten und Gezelte — / Die unerhörte That! — den Flammen preisgegeben! / Herrmann (heimlich und freudig). Geh, geh, Siegrest! Spreng’ aus, es wären sieben! / 900 Der erste Hauptmann. Was? — Was gebeut mein König? Eginhardt. Herrmann sagt —/ (er nimmt ihn bei Seite.) Der erste Aelteste. Dort kommt ein neuer Unglücksbote schon! / Der zweite Hauptmann (tritt auf). Mein Fürst, man schickt von Herthakon mich her, / Dir eine gräßliche Begebenheit zu melden! / Ein Römer ist, in diesem armen Ort, / Mit einer Wöchnerin in Streit gerathen, / Und hat, da sie den Vater rufen wollte, / Das Kind, das sie am Busen trug, ergriffen, / Des Kindes Schädel, die Hyäne, rasend / An seiner Mutter Schädel eingeschlagen. / 910 Die Feldherrn, denen man die Gräuelthat gemeldet, / Die Achseln haben sie gezuckt, die Leichen / In eine Grube heimlich werfen lassen. / Herrmann (eben so). Geh! Fleuch! Verbreit’ es in dem Platz, Govin! / 152 Versichere von mir, den Vater hätten sie / Lebendig, weil er zürnte, nachgeworfen! / Der zweite Hauptmann. Wie? Mein erlauchter Herr! Eginhardt (nimmt ihn beim Arm). Ich will Dir sagen — / (er spricht heimlich mit ihm.) Erster Aeltester. Beim Himmel! Da erscheint der Dritte schon! / Der dritte Hauptmann (tritt auf). Mein Fürst, Du mußt, wenn Du die Gnade haben willst, / Verzuglos Dich nach Helakon verfügen. / 920 Die Römer fällten dort, man sagt mir, aus Versehen, / Der tausendjähr’gen Eichen Eine, / Dem Wodan, in dem Hain der Zukunft, heilig. / Ganz Helakon hierauf, Thuiskon, Herthakon, / Und Alles, was den Kreis bewohnt, / Mit Spieß und Schwerdt stand auf, die Götter zu vertheid’gen. / Den Aufruhr rasch zu dämpfen, steckten / Die Römer plötzlich alle Läger an: / Das Volk, so schwer bestraft, zerstreute jammernd sich, / Und heult jetzt um die Asche seiner Hütten. — / 930 Komm, bitt’ ich Dich, und steure der Verwirrung. / Herrmann. Gleich, gleich! — Man hat mir hier gesagt, / Die Römer hätten die Gefangenen gezwungen, / Zevs, ihrem Gräulgott, in den Staub zu knien? / Der dritte Hauptmann. Nein, mein Gebieter, davon weiß ich nichts. / Herrmann. Nicht? Nicht? — Ich hab’ es von Dir selbst gehört! / Der dritte Hauptmann. Wie? Was? 153 Herrmann (in den Bart). Wie! Was! Die deutschen Uhren! / — Bedeut’ ihm, was die List sei, Eginhardt. / Eginhardt. Versteh’, Freund Ottokar! Der König meint — / (er nimmt ihn beim Arm und spricht heimlich mit ihm.) Erster Aeltester. Nun solche Zügellosigkeit, beim hohen Himmel, / 940 In Freundes Land noch obenein, / Ward doch, seitdem die Welt steht, nicht erlebt! / Zweiter Aeltester. Schickt Männer aus, zu löschen! Herrmann (der wieder in die Ferne gesehn). Hör’, Eginhardt! / Was ich Dir sagen wollte — Eginhardt. Mein Gebieter! / Herrmann (heimlich). Hast Du ein Häuflein wackrer Leute wohl, / Die man zu einer List gebrauchen könnte? / Eginhardt. Mein Fürst, die Waar’ ist selten, wie Du weißt. / — Was wünschest Du, sag’ an? Herrmann. Was? Hast Du sie? / Nun hör’, schick sie dem Varus, Freund, / Wenn er zur Weser morgen weiter rückt, / 950 Schick’ sie in Römerkleidern doch vermummt ihm nach. / Laß sie, ich bitte Dich, auf allen Straßen, / Die sie durchwandern, sengen, brennen, plündern: / Wenn sie’s geschickt vollziehn, will ich sie lohnen! / Eginhardt. Du sollst die Leute haben. Laß mich machen. / (er mischt sich unter die Hauptleute.)
154

Dritter Auftritt.

Thusnelda (tritt aus dem Zelt). — Die Vorigen. Herrmann (heiter). Ei, Thuschen! Sieh! Mein Stern! Was bringst Du mir? / (er sieht wieder, mit vorgeschützter Hand, in die Ferne hinaus.) Thusnelda. Ei nun! Die Römer, sagt man, ziehen ein; / Die muß Arminius Frau doch auch begrüßen. / Herrmann. Gewiß, gewiß! So will’s die Artigkeit. / Doch weit sind sie im Felde noch; / 960 Komm her und laß den Zug heran uns plaudern! / (er winkt ihr, sich unter der Eiche niederzulassen.) Thusnelda (den Sitz betrachtend). Der Sybarit! Sieh da! Mit seinen Polstern! / Schämst Du Dich nicht? — Wer traf die Anstalt hier? / (sie setzt sich nieder.) Herrmann. Ja, Kind! Die Zeiten, weißt Du sind entartet. — / Holla, schafft Wein mir her, ihr Knaben, / Damit der Perserschach vollkommen sei! / (er läßt sich an Thusneldens Seite nieder und umarmt sie.) Nun, Herzchen, sprich, wie geht’s Dir, mein Planet? / Was macht Ventidius, Dein Mond? Du sahst ihn? / (es kommen Knaben und bedienen ihn mit Wein.) Thusnelda. Ventidius? Der grüßt Dich. Herrmann. So! Du sahst ihn? / Thusnelda. Aus meinem Zimmer eben ging er fort. / 970 — Sieh mich ’mal an! Herrmann. Nun? 155 Thusnelda. Siehst Du nichts? Herrmann. Nein, Thuschen. / Thusnelda. Nichts? Gar nichts? Nicht das Mindeste? / Herrmann. Nein, in der That! Was soll ich sehn? Thusnelda. Nun wahrlich,/ Wenn Varus auch so blind, wie Du, / Der Feldherr Roms, den wir erwarten, / So war die ganze Mühe doch verschwendet. / Herrmann. (indem er dem Knaben, der ihn bedient, den Becher zurückgiebt.) Ja, so! Du hast, auf meinen Wunsch, den Anzug / Heut mehr gewählt, als sonst — Thusnelda. So! Mehr gewählt! / Geschmückt bin ich, beim hohen Himmel, / Daß ich die Straßen Roms durchschreiten könnte! / 980 Herrmann. Potz! Bei der großen Hertha! Schau! — Hör’, Du! / Wenn Ihr den Adler seht, so ruft Ihr mich. / (der Knabe, der ihn bedient, nickt mit dem Kopf.) Thusnelda. Was? Herrmann. Und Ventidius war bei Dir? / Thusnelda. Ja, allerdings. Und zeigte mir am Putztisch, / Wie man, in Rom, das Haar sich ordnet, / Den Gürtel legt, das Kleid in Falten wirft. / Herrmann. Schau, wie er göttlich Dir den Kopf besorgt! / 156 Der Kopf, beim Styx, von einer Juno! / Bis auf das Diadem sogar, / Das Dir vom Scheitel blitzend niederstrahlt! / 990 Thusnelda. Das ist das schöne Prachtgeschenk, / Das Du aus Rom mir jüngsthin mitgebracht. / Herrmann. So? Der geschnitt’ne Stein, gefaßt in Perlen? / Ein Pferd war, dünkt mich, drauf? Thusnelda. Ein wildes, ja, / Das seinen Reiter abwirft. — (er betrachtet das Diadem.) Herrmann. Aber, Thuschen! Thuschen!Korrumpierter Druck: Im zugrundegelegten Exemplar ist nur ein Punkt statt eines Ausrufezeichens erkennbar. Nach BKA ist das Ausrufezeichen in anderen Exemplaren jedoch sichtbar. Vgl. BKA I/7, S. 63 / Wie wirst Du aussehn, liebste Frau, / Wenn Du mit einem kahlen Kopf wirst gehn? / Thusnelda. Wer? Ich? Herrmann. Du, ja! — Wenn Marbod erst geschlagen ist, / So läuft kein Mond ins Land, beim Himmel! / Sie scheeren Dich so kahl wie eine Ratze. / 1000 Thusnelda. Ich glaub’, Du träumst, Du schwärmst! Wer wird den Kopf mir —? / Herrmann. Wer? Ei, Quintilius Varus und die Römer, / Mit denen ich alsdann verbunden bin. / Thusnelda. Die Römer! Was! Herrmann. Ja, was zum Henker, denkst Du? / 157 — Die röm’schen Damen müssen doch, / Wenn sie sich schmücken, hübsche Haare haben? / Thusnelda. Nun haben denn die röm’schen Damen keine? / Herrmann. Nein, sag’ ich! Schwarze! Schwarz und fett, wie Hexen! / Nicht hübsche, trockne, goldne, so wie Du! / Thusnelda. Wohlan! So mögen sie! Der trifft’ge Grund! / 1010 Wenn sie mit hübschen nicht begabt, / So mögen sie mit schmutz’gen sich behelfen. / Herrmann. So! In der That! Da sollen die Cohorten / Umsonst wohl übern Rhein gekommen sein? / Thusnelda. Wer? Die Cohorten? Herrmann. Ja, die Varus führt. / Thusnelda (lacht). Das muß ich sagen! Der wird doch / Um meiner Haare nicht gekommen sein? / Herrmann. Was? Allerdings! Bei unsrer großen Hertha! / Hat Dir Ventidius das noch nicht gesagt? / Thusnelda. Ach, geh! Du bist ein Affe. Herrmann. Nun, ich schwör’s Dir. — / 1020 Wer war es schon, der jüngst beim Mahl erzählte, / Was einer Frau in Ubien begegnet? / Thusnelda. Wem? Einer Ubierin? Herrmann. Das weißt Du nicht mehr? / 158 Thusnelda. Nein, Lieber! — Daß drei Römer sie, meinst Du, / In Staub gelegt urplötzlich und gebunden —? / Herrmann. Nun ja! Und ihr nicht bloß, vom Haupt hinweg, / Das Haar, das goldene, die Zähne auch, / Die elfenbeinernen, mit einem Werkzeug, / Auf offner Straße, aus dem Mund genommen? / Thusnelda. Ach, geh! Laß mich zufrieden. Herrmann. Das glaubst Du nicht? / 1030 Thusnelda. Ach, was! Ventidius hat mir gesagt, / Das wär’ ein Mährchen. Herrmann. Ein Mährchen! So! / Ventidius hat ganz recht, wahrhaftig, / Sein Schäfchen, für die Schurzeit, sich zu kirren. / Thusnelda. Nun, der wird doch den Kopf mir selber nicht —? / Herrmann. Ventidius? Hm! Ich steh’ für nichts, mein Kind. / Thusnelda (lacht). Was? Er? Er, mir? Nun, das muß ich gestehn —! / Herrmann. Du lachst. Es sei. Die Folge wird es lehren. / (Pause.) Thusnelda (ernsthaft). Was denn, in aller Welt, was machen sie / In Rom, mit diesen Haaren, diesen Zähnen? / 1040 Herrmann. Was Du für Fragen thust, so wahr ich lebe! / 159 Thusnelda. Nun ja! Wie nutzen sie, bei allen Nornen! / Auf welche Art gebrauchen sie die Dinge? / Sie können doch die fremden Locken nicht / An ihre eignen knüpfen, nicht die Zähne / Aus ihrem eignen Schädel wachsen machen? / Herrmann. Aus ihrem eignen Schädel wachsen machen! / Thusnelda. Nun also! Wie verfahren sie? So sprich! / Herrmann (mit Laune). Die schmutz’gen Haare schneiden sie sich ab, / Und hängen unsre trocknen um die Platte! / 1050 Die Zähne reißen sie, die schwarzen, aus, / Und stecken unsre weißen in die Lücken! / Thusnelda. Was! Herrmann. In der That! Ein Schelm, wenn ich Dir lüge. — / Thusnelda (glühend). Bei allen Rachegöttern! Allen Furien! / Bei allem, was die Hölle finster macht! / Mit welchem Recht, wenn dem so ist, / Vom Kopf uns aber nehmen sie sie weg? / Herrmann. Ich weiß nicht, Thuschen, wie Du heut Dich stellst. / Steht August nicht, mit den Cohorten, / In allen Ländern siegreich aufgepflanzt? / 1060 Für wen erschaffen ward die Welt, als Rom? / Nimmt August nicht dem Elephanten / Das Elfenbein, das Oel der Bisamkatze, / Dem Pantherthier das Fell, dem Wurm die Seide? / Was soll der Deutsche hier zum voraus haben? / 160 Thusnelda (sieht ihn an). Was wir zum voraus sollen —? Herrmann. Allerdings. / Thusnelda. Daß Du verderben müßtest, mit Vernünfteln! / Das sind ja Thiere, Queerkopf, der Du bist, / Und keine Menschen! Herrmann. Menschen! Ja, mein Thuschen, / Was ist der Deutsche in der Römer Augen? / 1070 Thusnelda. Nun, doch kein Thier, hoff’ ich —? Herrmann. Was? — Eine Bestie, / Die auf vier Füßen in den Wäldern läuft! / Ein Thier, das, wo der Jäger es erschaut, / Just einen Pfeilschuß werth, mehr nicht, / Und ausgeweidet und gepelzt dann wird! / Thusnelda. Ei, die verwünschte Menschenjägerei! / Ei, der Dämonenstolz! Der Hohn der Hölle! / Herrmann (lacht). Nun wird ihr bang’, um ihre Zähn’ und Haare. / Thusnelda. Ei, daß wir, wie die grimm’gen Eber, doch / Uns über diese Schützen werfen könnten! / 1080 Herrmann (ebenso). Wie sie nur aussehn wird! Wie’n Todtenkopf! / Thusnelda. Und diese Römer nimmst Du bei Dir auf? / Herrmann. Ja, Thuschen! Liebste Frau, was soll ich machen? / 161 Soll ich, um Deiner gelben Haare, / Mit Land und Leut’ in Kriegsgefahr mich stürzen? / Thusnelda. Um meiner Haare! Was? Gilt es sonst nichts? / Meinst Du, wenn Varus so gestimmt, er werde / Das Fell Dir um die nackten Schultern lassen? / Herrmann. Sehr wahr, beim Himmel! Das bedacht’ ich nicht. / Es sei! Ich will die Sach’ mir überlegen. / 1090 Thusnelda. Dir überlegen! — Er rücket ja schon ein! / Herrmann. Je nun, mein Kind. Man schlägt ihn wieder ’naus. / (sie sieht ihn an.) Thusnelda. Ach, geh! Ein Geck bist Du, ich seh’s und äffst mich! / Nicht, nicht? Gesteh’s mir nur: Du scherztest bloß? / Herrmann (küßt sie). Ja. — Mit der Wahrheit, wie ein Abderit. / — Warum soll sich, von seiner Noth, / Der Mensch, auf muntre Art, nicht unterhalten? — / Die Sach’ ist zehnmal schlimmer, als ichs machte, / Und doch auch, wieder so betrachtet, / Bei weitem nicht so schlimm. — Beruh’ge Dich. / 1100 (Pause.) Thusnelda. Nun, meine goldnen Locken kriegt er nicht! / Die Hand, die in den Mund mir käme, / Wie jener Frau, um meiner Zähne: / Ich weiß nicht, Herrmann, was ich mit ihr machte. / Herrmann (lacht). Ja, liebste Frau, da hast Du recht! Beiß zu! / Danach wird weder Hund noch Katze krähen. — / Thusnelda. Doch sieh! Wer fleucht so eilig dort heran? /
162

Vierter Auftritt.

Ein Cherusker (tritt auf). Die Vorigen. Der Cherusker. Varus kömmt! Herrmann (erhebt sich). Was! Der Feldherr Roms! Unmöglich! / Wer war’s, der mir von seinem Einzug / In Teutoburg die Nachricht geben wollte? / 1110

Fünfter Auftritt.

Varus (tritt auf. Ihm folgen) Ventidius, der Legat; Crassus und Septimius, zwei römische Haupt⸗ leute; und die deutschen Fürsten Fust, Gueltar und Aristan. — Die Vorigen. Herrmann (indem er ihm entgegengeht). Vergieb, Quintilius Varus, mir, / Daß Deine Hoheit mich hier suchen muß! / Mein Wille war, Dich ehrfurchtsvoll / In meines Lagers Thore einzuführen, / Oktav August in Dir, den großen Kaiser Roms, / Und meinen hochverehrten Freund, zu grüßen. / Varus. Mein Fürst, Du bist sehr gütig, in der That. / Ich hab’ von außerordentlichen / Unordnungen gehört, die die Cohorten sich / In Helakon und Herthakon erlaubt; / 1120 Von einer Wodanseiche unvorsichtiger / Verletzung — Feuer, Raub und Mord, / Die dieser That unseel’ge Folgen waren, / 163 Von einer Aufführung, mit einem Wort, / Nicht eben, leider! sehr geschickt, / Den Römer in Cheruska zu empfehlen. / Sei überzeugt, ich selbst befand mich in Person / Bei keinem der drei Heereshaufen, / Die von der Lippe her ins Land Dir rücken. / Die Eiche, sagt man zwar, ward nicht aus Hohn verletzt, / 1130 Der Unverstand nur achtlos warf sie um; / Gleichwohl ist ein Gericht bereits bestellt, / Die Thäter aufzufahn, und morgen wirst Du sie, / Zur Sühne Deinem Volk, enthaupten sehn. / Herrmann. Quintilius! Dein erhabnes Wort beschämt mich! / Ich muß Dich für die allzuraschen / Cherusker dringend um Verzeihung bitten, / Die eine That sogleich, aus Unbedacht geschehn, / Mit Rebellion fanatisch strafen wollten. / Mißgriffe, wie die vorgefallnen, sind / 1140 Auf einem Heereszuge unvermeidlich. / Laß diesen Irrthum, ich beschwöre Dich, / Das Fest nicht stören, das mein Volk, / Zur Feier Deines Einzugs, vorbereitet. / Gönn’ mir ein Wort zu Gunsten der Bedrängten, / Die Deine Rache treffen soll: / Und weil sie bloß aus Unverstand gefehlt, / So schenk’ das Leben ihnen, laß sie frei! / Varus (reicht ihm die Hand). Nun, Freund Armin; beim Jupiter, es gilt! / Nimm diese Hand, die ich Dir reiche, / 1150 Auf immer hast Du Dir mein Herz gewonnen! — / Die Frevler, bis auf Einen, sprech’ ich frei! / Man wird den Namen ihres Retters ihnen nennen, / Und hier im Staube sollen sie, / Das Leben Dir, das mir verwirkt war, danken. — / 164 Den Einen nur behalt’ ich mir bevor, / Der, dem ausdrücklichen Ermahnungswort zuwider, / Den ersten Schlag der Eiche zugefügt; / Der Herold hat es mehr denn zehnmal ausgerufen, / Daß diese Eichen heilig sind, / 1160 Und das Gesetz verurtheilt ihn des Kriegs, / Das kein Gesuch entwaffnen kann, nicht ich. / Herrmann. — Wann Du auf immer jeden Anlaß willst, / Der eine Zwistigkeit entflammen könnte, / Aus des Cheruskers treuer Brust entfernen, / So bitt’ ich, würd’ge diese Eichen, / Quintilius, würd’ge ein’ger Sorgfalt sie. / Von ihnen her rinnt einzig fast die Quelle / Des Uebels, das uns zu entzweien droht. / Laß irgend, was es sei, ein Zeichenbild zur Warnung, / 1170 Wenn Du Dein Lager wählst, bei diesen Stämmen pflanzen: / So hast Du, glaub’ es mir, für immer / Den wackern Eingebornen Dir verbunden. / Varus. Wohlan! — Woran erkennt man diese Eichen? / Herrmann. An ihrem Alter und dem Schmuck der Waffen, / In ihres Wipfels Wölbung aufgehängt. / Varus. Septimius Nerva! Septimius (tritt vor). Was gebeut mein Feldherr? / Varus. Laß eine Schaar von Römern gleich / Sich in den Wald zerstreun, der diese Niederlassung, / Cheruskas Hauptplatz Teutoburg umgiebt. / 1180 Bei jeder Eiche grauen Alters, / In deren Wipfel Waffen aufgehängt, / 165 Soll eine Wache von zwei Kriegern halten, / Und jeden, der vorübergeht, belehren, / Daß Wodan in der Nähe sei. / Denn Wodan ist, daß Ihr’s nur wißt, Ihr Römer, / Der Zevs der Deutschen, Herr des Blitzes / Diesseits der Alpen, so wie jenseits der; / Er ist der Gott, dem sich mein Knie sogleich, / Beim ersten Eintritt in dies Land, gebeugt; / 1190 Und kurz, Quintilius, Euer Feldherr, will / Mit Ehrfurcht und mit Scheu, im Tempel dieser Wälder, / Wie den Olympier selbst, geehrt ihn wissen. / Septimius. Man wird Dein Wort, o Herr, genau vollziehn. / Varus (zu Herrmann). Bist Du zufrieden, Freund? Herrmann. Du überfleugst, / Quintilius, die Wünsche Deines Knechts. / Varus. (nimmt ein Kissen, auf welchem Geschenke liegen, aus der Hand eines Skla⸗ ven, und bringt sie der Thusnelda.) Hier, meine Fürstin, überreich’ ich Dir, / Von August, meinem hohen Herrn, / Was er für Dich mir jüngsthin zugesandt, / Es sind Gesteine, Perlen, Federn, Oele — / 1200 Ein kleines Rüstzeug, schreibt er, Cupido’s. / August, erlauchte Frau, bewaffnet Deine Schönheit, / Damit Du Herrmanns großes Herz, / Stets in der Freundschaft Banden ihm erhaltest. / Thusnelda (empfängt das Kissen und betrachtet die Geschenke). Quintilius! Dein Kaiser macht mich stolz. / Thusnelda nimmt die Waffen an, / Mit dem Versprechen, Tag und Nacht, / Damit geschirrt, für ihn zu Feld’ zu ziehn. / (sie übergiebt das Kissen ihren Frauen.) 166 Varus (zu Herrmann). Hier stell’ ich Gueltar, Fust Dir und Aristan, / Die tapfern Fürsten Deutschlands vor, / 1210 Die meinem Heereszug sich angeschlossen. / (er tritt zurück und spricht mit Ventidius.) Herrmann (indem er sich dem Fürsten der Cimbern nähert). Wir kennen uns, wenn ich nicht irre, Fust, / Aus Gallien, von der Schlacht des Ariovist. / Fust. Mein Prinz, ich kämpfte dort an Deiner Seite. / Herrmann (lebhaft). Ein schöner Tag, beim hohen Himmel, / An den Dein Helmbusch lebhaft mich erinnert! / — Der Tag, an dem Germanien zwar / Dem Cäsar sank, doch der zuerst / Den Cäsar die Germanier schätzen lehrte. / Fust (niedergeschlagen). Mir kam er theuer, wie Du weißt, zu stehn. / 1220 Der Cimbern Thron, nicht mehr, nicht minder, / Den ich nur Augusts Gnade jetzt verdanke. — / Herrmann (indem er sich zu dem Fürsten der Nervier wendet). Dich, Gueltar, auch sah ich an diesem Tag? / Gueltar. Auf einen Augenblick. Ich kam sehr spät. / Mich kostet’ er, wie Dir bekannt seyn wird, / Den Thron von Nervien; doch August hat / Mich durch den Thron von Aeduen entschädigt. / Herrmann (indem er sich zu dem Fürsten der Ubier wendet). Wo war Aristan an dem Tag der Schlacht? / Aristan (kalt und scharf). Aristan war in Ubien, / Diesseits des Rheines, wo er hingehörte. / 1230 Aristan hat das Schwerdt niemals / Den Cäsarn Roms gezückt, und er darf kühnlich sagen: / 167 Er war ihr Freund, sobald sie sich / Nur an der Schwelle von Germania zeigten. / Herrmann (mit einer Verbeugung). Arminius bewundert seine Weisheit. / — Ihr Herrn, wir werden uns noch weiter sprechen. / (ein Marsch in der Ferne).

Sechster Auftritt.

Ein Herold (tritt auf. Bald darauf) das Römerheer. — Die Vorigen. Der Herold (zum Volk das zusammengelaufen). Platz hier, beliebt’s Euch, Ihr Cherusker! / Varus, des Feldherrn Roms, Lictoren / Nahn festlich an des Heeres Spitze sich! / Thusnelda. Was giebt’s? Septimius (nähert sich ihr). Es ist das Römerheer, / 1240 Das seinen Einzug hält in Teutoburg! / Herrmann (zerstreut). Das Römerheer? (er beobachtet Varus und Ventidius, welche heimlich mit einander sprechen.) Thusnelda. Wer sind die ersten dort? / Crassus. Varus Liktoren, königliche Frau, / Die des Gesetzes heil’ges Richtbeil tragen. / Thusnelda. Das Beil? Wem! Uns? Septimius. Vergieb! Dem Heere, / Dem sie ins Lager feierlich voranziehn. / (das Römerheer zieht in voller Pracht vorüber.) 168 Varus (zu Ventidius). Was also, sag’ mir an, was hab’ ich / Von jenem Herrmann dort mir zu versehn? / Ventidius. Quintilius! Das fass’ ich in zwei Worten! / Er ist ein Deutscher. / 1250 In einem Hämmling ist, der an der Tiber graset, / Mehr Lug’ und Trug, muß ich Dir sagen, / Als in dem ganzen Volk, dem er gehört. — / Varus. So kann ich, meinst Du, dreist der Sueven Fürsten / Entgegenrücken? Habe nichts von diesem, / Bleibt er in meinem Rücken, zu befürchten? / Ventidius. So wenig, wiederhol’ ich Dir, / Als hier vor BKA emendiert in ›von‹. diesem Dolch in meinem Gurt. — / Varus. Ich werde doch den Platz, in dem Cheruskerland, / Beschaun, nach des Augusts Gebot, / 1260 Auf welchem ein Kastell erbaut soll werden. / — Marbod ist mächtig, und nicht weiß ich, / Wie sich am Weserstrom das Glück entscheiden wird. / (er sieht ihn fragend an.) Ventidius. Das lob’ ich sehr. Solch’ eine Anstalt / Wird stets, auch wenn Du siegst, zu brauchen sein. / Varus. Wie so? Meinst Du vielleicht, die Absicht sei, Cheruska / Als ein erobertes Gebiet —? Ventidius. Quintilius, / Die Absicht, dünkt mich, läßt sich fast errathen. / Varus. — Ward Dir etwa bestimmte Kund’ hierüber? / 169 Ventidius. Nicht, nicht! Mißhör’ mich nicht! Ich theile bloß, / 1270 Was sich in dieser Brust prophetisch regt, Dir mit / Und Freunde mir aus Rom bestätigen. / Varus. Sei’s! Was bekümmert’s mich? Es ist nicht meines Amtes / Den Willen meines Kaisers zu erspähn. / Er sagt ihn, wenn er ihn vollführt will wissen. — / Wahr ist’s, Rom wird auf seinen sieben Hügeln, / Vor diesen Horden nimmer sicher sein, / Bis ihrer kecken Fürstenhand / Auf immerdar der Scepterstab entwunden. / Ventidius. So denkt August, so denket der Senat. / 1280 Varus. Laß uns in ihre Mitte wieder treten. / (sie treten wieder zu Herrmann und Thusnelda, welche, von Feldherrn und Fürsten umringt, dem Zuge des Heers zusehen.) Thusnelda. Septimius! Was bedeutet dieser Adler? / Septimius. Das ist ein Kriegspanier, erhabne Frau! / Jedweder der drei Legionen / Fleucht solch’ metallnes Adlerbild voran. / Thusnelda. So, so! Ein Kriegspanier! Sein Anblick hält / Die Schaaren in der Nacht des Kampfs zusammen? / Septimius. Du trafst’s. Er führet sie den Pfad des Siegs. — / Thusnelda. Wie jedes Land doch seine Sitte hat! / — Bei uns thut es der Chorgesang der Barden. / 1290 (Pause. Der Zug schließt, die Musik schweigt.) Herrmann (indem er sich zu dem Feldherrn Roms wendet). Willst Du Dich in das Zelt verfügen, Varus? / 170 Ein Mahl ist, nach Cheruskersitte, / Für Dich und Dein Gefolge drin bereitet. / Varus. Ich werde kurz jedoch mich fassen müssen. / (er nimmt ihn vertraulich bei der Hand.) Ventidius hat Dir gesagt, / Wie ich den Plan für diesen Krieg entworfen? / Herrmann. Ich weiß um jeden seiner weisen Puncte. / Varus. Ich breche morgen mit dem Römerheer / Aus diesem Lager auf, und übermorgen / Rückst Du mit dem Cheruskervolk mir nach. / 1300 Jenseits der Weser, in des Feindes Antlitz, / Hörst Du das Weitre. — Wünschest Du vielleicht, / Daß ein geschickter Römerfeldherr, / Für diesen Feldzug, sich in Dein Gefolge mische? / Sag’s dreist mir an. Du hast nur zu befehlen. / Herrmann. Quintilius, in der That, Du wirst / Durch eine solche Wahl mich glücklich machen. / Varus. Wohlan, Septimius, schick’ Dich an, / Dem Kriegsbefehl des Königs zu gehorchen. — / (er wendet sich zu Crassus) Und daß die Teutoburg gesichert sei, / 1310 Indessen wir entfernt sind, lass’ ich, Crassus, / Mit drei Cohorten, Dich darin zurück. / — Weißt Du noch sonst was anzumerken, Freund? / Herrmann. Nichts, Feldherr Roms! Dir übergab ich Alles, / So sei die Sorge auch, es zu beschützen, Dein. / 171 Varus (zu Thusnelda). Nun, schöne Frau, so bitt’ ich — Eure Hand! / (er führt die Fürstin ins Zelt.) Herrmann. Holla, die Hörner! Dieser Tag / Soll für Cheruska stets ein Festtag sein! / (Hörnermusik. Alle ab.)
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Vierter Akt.

Scene: Marbods Zelt, im Lager der Sueven, auf dem rechten Ufer der Weser.

Erster Auftritt.

Marbod (den Brief Herrmanns, mit dem Dolch, in der Hand haltend. Neben ihm) Attarin (sein Rath. Im Hintergrunde) zwei Hauptleute. — (Auf der andern Seite des Zeltes) Luit⸗ gar (mit Herrmanns Kindern) Rinold und Adelhart. Marbod. Was soll’ ich davon denken, Attarin? / — Arminius, der Cheruskerfürst, / 1320 Läßt mir durch jenen wackern Freund dort melden: / Varus sei ihm, auf Schutz und Trutz, verbunden, / Und werd’, in dreien Tagen schon, / Mich am Gestad’ der Weser überfallen! — / Der Bund, schreibt Herrmann doch, sei ihm nur aufgedrungen, / Und stets im Herzen, nach wie vor, / Sei er der Römer unversöhnter Feind. / — Er ruft mich auf, verknüpft mit ihm, / Sogleich dem Mordverrath zuvor zu kommen, / Die Weser, Angesichts des Blatts, zu überschiffen, / 1330 Und, im Morast des Teutoburger Walds, / 173 Die ganze gift’ge Brut der Hölle zu vertilgen. — / Zum Preis mir, wenn der Sieg erfochten, / Will er zu Deutschlands Oberherrn mich krönen. / — Da, lies den Brief, den er mir zugefertigt! / War’s nicht so, Luitgar? Luitgar. Allerdings! So sagt’ ich. / Attarin (nachdem er den Brief genommen und gelesen). Mein Fürst, trau diesem Fuchs, ich bitte Dich, / Dem Herrmann, nicht! Der Himmel weiß, / Was er mit dieser schnöden List bezweckt. / Send’ ihm, Roms Cäsar so, wie er verdient, zu ehren, / 1340 Das Schreiben ohne Antwort heim, / Und melde Varus gleich den ganzen Inhalt! / Es ist ein tückischer, verräthrischer Versuch / Das Bündniß, das Euch einigt, zu zerreißen. / (er giebt ihnAkkusativ-Dativ-Vermischung. Vgl. editorische Anmerkung zu Vers 788. In BKA emendiert in ›er giebt ihm‹. den Brief zurück.) Marbod. Was! List! Verrätherei! — Da schicket er / Den Rinold und den Adelhart, / Die beiden Knaben mir, die ihm sein Weib gebahr, / Und diesen Dolch hier, sie zu tödten, / Wenn sich ein Trug in seinen Worten findet. / Attarin (wendet sich). Wo? Marbod. Dort! Attarin. Das wären des Arminius Kinder? / 1350 Marbod. Arminius, allerdings! Ich glaub’ Du zweifelst? / In Teutoburg, vor sieben Monden, / Als ich den Staatenbund verhandeln wollte, / Hab’ ich die Jungen, die dort stehn, / Wie oft an diese alte Brust gedrückt! / 174 Attarin. Vergieb, o Herr, das sind die Knaben nicht! / Das sind zwei unterschobene, behaupt’ ich, / An Wuchs den ächten Prinzen ähnlich bloß. / Laß die Verrätherbrut gleich in Verwahrsam bringen, / Und ihn, der sie gebracht Dir hat, dazu! / 1360 (Pause.) Marbod (nachdem er die Knaben aufmerksam betrachtet). Rinold! (er setzt sich nieder). Rinold (tritt dicht vor ihn). Marbod. Nun, was auch willst Du mir? Wer rief Dich? / Rinold (sieht ihn an). Je, nun! Marbod. Je, nun! — Den andern meint’ ich, Rinold! / (er winkt den Adelhart.) Adelhart (tritt gleichfalls vor ihn). Marbod (nimmt ihn bei der Hand). Nicht? Nicht? Du bist der Rinold? Allerdings! / Adelhart. Ich bin der Adelhart. Marbod. — So. Bist Du das. / (er stellt die beiden Knaben neben einander und scheint sie zu prüfen.) Nun, Jungen, sagt mir; Rinold! Adelhart! / Wie steht’s in Teutoburg daheim, / Seit ich, vergangnen Herbst her, Euch nicht sah? / — Ihr kennt mich doch? Rinold. O ja. Marbod. — Ich bin der Holtar, / Der alte Kämmrer, im Gefolge Marbods, / 175 Der Euch, kurz vor der Mittagsstunde, / 1370 Stets in des Fürsten Zelt herüber brachte. / Rinold. Wer bist Du? Marbod. Was! Das wißt Ihr nicht mehr? Holtar, / Der Euch mit glänz’gem Perlenmutter, / Corallen und mit Bernstein noch beschenkte. / Rinold (nach einer Pause). Du trägst ja Marbods eisern’ Ring am Arm. / Marbod. Wo? Rinold. Hier! Marbod. Trug Marbod diesen Ring damals? / Rinold. Marbod? Marbod. Ja, Marbod, frag’ ich, mein Gebieter. / Rinold. Ach, Marbod! Was! Freilich trugst Du den Ring! / Du sagtest, weiß ich noch, auf Vater Herrmanns Frage, / Du hättest ein Gelübd’ gethan, / 1380 Und müßtest an dem Arm den Ring von Eisen tragen, / So lang’ ein römischer Mann in Deutschland sei. / Marbod. Das hätt’ ich — wem? Euch? Nein, das hab’ ich nicht —! / Rinold. Nicht uns! Dem Herrmann! Marbod. Wann? 176 Rinold. Am ersten Mittag, / Als Holtar beid’ in Dein Gezelt uns brachte. / (Marbod sieht den Attarin an.) Attarin (der die Knaben aufmerksam beobachtet). Das ist ja sonderbar, so wahr ich lebe! / (er nimmt Herrmanns Brief noch einmal und überlies’t ihn. Pause.) Marbod (indem er gedankenvoll in den Haaren der Knaben spielt). Ist denn, den Weserstrom zu überschiffen, / Vorläufig eine Anstalt schon gemacht? / Einer der beiden Hauptleute (vortretend). Mein Fürst, die Kähne liegen, in der That, / Zusammt am rechten Ufer aufgestellt. / 1390 Marbod. Mithin könnt’ ich — wenn ich den Entschluß faßte, / Gleich, in der That, wie Herrmann wünscht, / Des Stromes andern Uferrand gewinnen. / Der Hauptmann. Warum nicht? In drei Stunden, wenn Du willst. / Der Mond erhellt die Nacht; Du hättest nichts, / Als den Entschluß nur schleunig zu erklären. — / Attarin (unruhig). Mein Herr und Herrscher, ich beschwöre Dich, / Laß zu nichts Uebereiltem Dich verführen! / Armin ist selbst hier der Betrogene! / Nach dem, wie sich Roms Cäsar zeigte, / 1400 Wär’s eine Raserei, zu glauben, / Er werde den Cheruskern sich verbinden. / Hat er mit Waffen Dich, Dich nicht mit Geld versehn, / In Ihre Staaten feindlich einzufallen? / Stählt man die Brust, die man durchbohren will? / Dein Lager ist von Römern voll, / Der herrlichsten Patrizier Söhnen, / Die hergesandt, Dein Heer die Bahn des Siegs zu führen; / 177 Die dienen Dir, für Augusts Wort, / Als Geißel, Herr, und würden ja / 1410 Zusammt ein Opfer Deiner Rache fallen, / Wenn ein so schändlicher Verrath Dich träfe. / — Beschließe nichts, ich bitte Dich, / Bis Dir durch Fulvius, den Legaten Roms, / Von Varus Plänen näh’re Kunde ward. / (Pause.) Marbod. Ich will den Fulvius mindestens / Gleich über diese Sache doch vernehmen. / (er steht auf und klingelt.)

Zweiter Auftritt.

Komar (tritt auf). Die Vorigen. Marbod. Den Fulvius Lepidus, Legaten Roms, / Ersuch’ ich, einen Augenblick, / In diesem Zelt, sein Antlitz mir zu schenken. / 1420 Komar. Den Fulvius? Vergieb! Der wird nicht kommen; / Er hat so eben, auf fünf Kähnen, / Sich mit der ganzen Schaar von Römern eingeschifft, / Die Dein Gefolg’ bis heut vergrößerten. — / Hier ist ein Brief, den er zurückgelassen. / Marbod. Was sagst Du mir? Attarin. Er hat, mit allen Römern —? / Marbod. Wohin mit diesem Troß, jetzt, da die Nacht kömmt? / 178 Komar. In das Cheruskerland, dem Anschein nach. / Er ist am andern Weserufer schon, / Wo Pferde stehen, die ihn weiter bringen. / 1430 Attarin. — Gift, Tod und Rache! Was bedeutet dies? / Marbod (lies’t). „Du hast für Rom Dich nicht entscheiden können, / „Aus voller Brust, wie Du gesollt: / „Rom, der Bewerbung müde, giebt Dich auf. / „Versuche jetzt (es war Dein Wunsch) ob Du / „Allein den Herrschthron Dir in Deutschland kannst errichten. / „August jedoch, daß Du es wissest, / „Hat den Armin auf seinem Sitz erhöht, / „Und Dir — die Stufen jetzo weis’t er an!" / (er läßt den Brief fallen.) Attarin. Verrätherei! Verrätherei! / 1440 Auf! Zu den Kähnen an der Weser! / Setzt dem Verfluchten nach und bringt ihn her! / Marbod. Laß, laß’ ihn, Freund! Er läuft der Nemesis, / Der er entfliehen will, entgegen! / Das Rachschwerdt ist schon über ihn gezückt! / Er glaubte, mir die Grube zu eröffnen, / Und selbst, mit seiner ganzen Rotte, / Zur neunten Hölle schmetternd stürzt er nieder! / — Luitgar! Luitgar. Mein erlauchter Herr! Marbod. Tritt näher! — / Wo ist, sag’ an, wollt’ ich die Freiheitsschlacht versuchen, / 1450 179 Nach des Arminius Kriegsentwurf, / Der Ort, an dem die Würfel fallen sollen? / Luitgar. Das ist der Teutoburger Wald, mein König. / Marbod. Und welchen Tag unfehlbar und bestimmt, / Hat er zum Fall der Würfel festgesetzt? / Luitgar. Den Nornentag, mein königlicher Herr. — / Marbod (indem er ihm die Kinder giebt und den Dolch zerbricht). Wohlan, Dein Amt ist aus, hier nimm die Kinder, / Und auch, in Stücken, Deinen Dolch zurück! / Den Brief auch — (indem er ihn durchsieht.) kann ich nur zur Hälfte brauchen; / (er zerreißt ihn.) Den Theil, der mir von seiner Huld’gung spricht, / 1460 Als einem Oberherrn, den lös’ ich ab. — / Triffst Du ihn ehr, als ich, so sagst Du ihm, / Zu Worten hätt’ ich keine Zeit gehabt: / Mit Thaten würd’ ich ihm die Antwort schreiben! / Luitgar (indem er den Dolch und die Stücke des Briefes übernimmt). Wenn ich Dich recht verstehe, mein Gebieter —? / Marbod (zu den Feldherren). Auf, Komar! Brunold! Meine Feldherrn! / Laßt uns den Strom sogleich der Weser überschiffen! / Die Nornen werden ein Gericht, / Des Schicksals fürchterliche Göttinnen, / Im Teutoburger Wald, dem Heer des Varus halten: / 1470 Auf, mit der ganzen Macht, Ihr Freunde, / Daß wir das Amt der Schergen übernehmen! / (Alle ab.)
180 Scene: Straße in Teutoburg. Es ist Nacht.

Dritter Auftritt.

Herrmann und Eginhardt (treten auf). Herrmann. Tod und Verderben, sag’ ich, Eginhardt! / Woher die Ruh’, woher die Stille, / In diesem Standplatz röm’scher Kriegerhaufen? / Eginhardt. Mein bester Fürst, Du weißt, Quintilius Varus zog / Heut mit des Heeres Masse ab. / Er ließ, zum Schutz in diesem Platz, / Nicht mehr, als drei Cohorten nur, zurück. / Die hält man ehr in Zaum, als so viel Legionen, / 1480 Zumal, wenn sie so wohlgewählt, wie die. / Herrmann. Ich aber rechnete, bei allen Rachegöttern, / Auf Feuer, Raub, Gewalt und Mord, / Und alle Gräul des fessellosen Krieges! / Was brauch’ ich Latier, die mir Gutes thun? / Kann ich den Römerhaß, eh’ ich den Platz verlasse, / In der Cherusker Herzen nicht / Daß er durch ganz Germanien schlägt, entflammen: / So scheitert meine ganze Unternehmung! / Eginhardt. Du hättest Wolf, dünkt mich, und Thuskar und den Andern, / 1490 Doch Dein Geheimniß wohl entdecken sollen. / Sie haben, als die Römer kamen, / Mit Flüchen, gleich die Teutoburg verlassen. / Wie gut, wenn Deine Sache siegt, / Hättst Du in Deutschland sie gebrauchen können. / 181 Herrmann. Die Schwätzer, die! Ich bitte Dich; / Laß sie zu Hause gehn. — / Die schreiben, Deutschland zu befreien, / Mit Chiffern, schicken, mit Gefahr des Lebens, / Einander Boten, die die Römer hängen, / 1500 Versammeln sich um Zwielicht — essen, trinken, / Und schlafen, kommt die Nacht, bei ihren Frauen. — / Wolf ist der Einz’ge, der es redlich meint. / Eginhardt. So wirst Du doch den Flambert mindestens, / Den Torst und Alarich und Singar, / Die Fürsten an des Maines Ufer, / Von Deinem Wagstück staatsklug unterrichten? / Herrmann. Nichts, Liebster! Nenne mir die Namen nicht! / Meinst Du, die ließen sich bewegen, / Auf meinem Flug’ mir munter nachzuschwingen? / 1510 Eh’ das von meinem Maulthier würd’ ich hoffen. / Die Hoffnung: morgen stirbt Augustus! / Lockt sie, bedeckt mit Schmach und Schande, / Von einer Woche in die andere. — / Es braucht der That, nicht der Verschwörungen. / Den Widder laß sich zeigen, mit der Glocke, / So folgen, glaub’ mir alle Anderen. / Eginhardt. So mög’ der Himmel Dein Beginnen krönen! / Herrmann. Horch! Still! Eginhardt. Was giebt’s? Herrmann. Rief man nicht dort Gewalt? / 182 Eginhardt. Nein, mein erlauchter Herr! Ich hörte nichts, / 1520 Es war die Wache, die die Stunden rief. / Herrmann. Verflucht sei diese Zucht mir der Cohorten! / Ich stecke, wenn sich niemand rührt, / Die ganze Teutoburg an allen Ecken an! / Eginhardt. Nun, nun! Es wird sich wohl ein Frevel finden. / Herrmann. Komm’, lass’ uns heimlich durch die Gassen schleichen, / Und sehn ob uns der Zufall etwas beut. / (beide ab.)

Vierter Auftritt.

Ein Auflauf. — (Zuerst) ein Greis und Andere, (bald darauf) zwei Cherusker, (welche) eine Person (aufführen, die ohnmächtig ist). Fackeln. Volk jeden Alters und Geschlechts. Der Greis (mit aufgehobenen Händen). Wodan, den Blitz regierst Du, in den Wolken: / Und einen Gräul, entsetzensvoll, / Wie den, läßt Du auf Erden sich verüben! / 1530 Ein junges Mädchen. Mutter, was giebt’s? Ein Anderes. Was läuft das Volk zusammen? / Die Mutter (mit einem Kinde an der Brust). Nichts, meine Töchter, nichts! Was fragt Ihr doch? / Ein Mensch, der auf der offnen Straß’ erkrankte, / Wird von den Freunden hier vorbeigeführt. / 183 Ein Mann (indem er auftritt). Habt Ihr gesehn? Den jungen Römerhauptmann, / Der plötzlich, mit dem Federbusch, erschien? / Ein Anderer. Nein, Freund! Von wo? Ein Dritter. Was that er? Der Mann. Was er that? / Drei’n dieser geilen appeninschen Hunden, / Als man die That ihm meldete, / Hat er das Herz gleich mit dem Schwerdt durchbohrt! / 1540 Der Greis. Vergieb mir, Gott! ich kann es ihm nicht danken! / Ein Weib (aus dem Haufen). Da kommt die Unglückseel’ge schon heran! / (die Person, von zwei Cheruskern geführt, erscheint.) Der Greis. Hinweg die Fackeln! Das Volk. Seht, o seht! Der Greis. Hinweg! / — Seht Ihr nicht, daß die Sonne sich verbirgt? / Das Volk. O des elenden, schmachbedeckten Wesens! / Der fußzertretnen, kothgewälzten, / An Brust und Haupt, zertrümmerten Gestalt. / Einige Stimmen. Wer ist’s? Ein Mann? Ein Weib? Der Cherusker (der die Person führt). Fragt nicht, Ihr Leute, / Werft einen Schleier über die Person! / (er wirft ein großes Tuch über sie.) 184 Der zweite Cherusker (der sie führt). Wo ist der Vater? Eine Stimme (aus dem Volke). Der Vater ist der Teuthold! / 1550 Der zweite Cherusker. Der Teuthold, Helgars Sohn, der Schmidt der Waffen? / Mehrere Stimmen. Teuthold, der Schmidt, er, ja! Der zweite Cherusker. Ruft ihn herbei! / Das Volk. Da tritt er schon, mit seinen Vettern, auf! /

Fünfter Auftritt.

Teuthold und zwei andre Männer (treten auf). Der zweite Cherusker. Teuthold, heran! Teuthold. Was giebt’s? Der zweite Cherusker. Heran hier, sag’ ich! — / Platz, Freunde, bitt’ ich! Laßt den Vater vor! / Teuthold. Was ist geschehn? Der zweite Cherusker. Gleich, gleich! — Hier stell’ Dich her! / Die Fackeln! He, Ihr Leute! Leuchtet ihm! / Teuthold. Was habt Ihr vor? 185 Der zweite Cherusker. Hör’ an und fass’ Dich kurz. — / Kennst Du hier die Person? Teuthold. Wen, meine Freunde? / Der zweite Cherusker. Hier, frag’ ich, die verschleierte Person? / 1560 Teuthold. Nein! Wie vermögt’ ich das? Welch’ ein Geheimniß! / Der Greis. Du kennst sie nicht? Der Erste der beiden Vettern. Darf man den Schleier lüften? / Der erste Cherusker. Halt, sag’ ich Dir! Den Schleier rühr’ nicht an! / Der zweite Vetter. Wer die Person ist, fragt ihr? (er nimmt eine Fackel und beleuchtet ihre Füße.) Teuthold. Gott im Himmel! / Hally, mein Einziges, was widerfuhr Dir? / (der Greis führt ihn auf die Seite und sagt ihm etwas ins Ohr. Teuthold steht, wie vom Donner gerührt. Die Vettern, die ihm gefolgt waren, erstarren gleichfalls. Pause.) Der zweite Cherusker. Genug! Die Fackeln weg! Führt sie ins Haus! / Ihr aber eilt den Herrmann herzurufen! / Teuthold (indem er sich plötzlich wendet). Halt dort! Der erste Cherusker. Was giebt’s? Teuthold. Halt, sag’ ich, ihr Cherusker! / Ich will sie führen, wo sie hingehört. (er zieht den Dolch.) / — Kommt, meine Vettern, folgt mir! 186 Der zweite Cherusker. Mann, was denkst Du? / 1570 Teuthold (zu den Vettern). Rudolf, Du nimmst die Rechte, Ralf, die Linke! / — Seid Ihr bereit, sagt an? Die Vettern (indem sie die Dolche ziehn). Wir sind’s! Brich’ auf! / Teuthold (bohrt sie nieder). Stirb! Werde Staub! Und über Deiner Gruft / Schlag’ ewige Vergessenheit zusammen! / (sie fällt, mit einem kurzen Laut, übern Haufen.) Das Volk. Ihr Götter! Der erste Cherusker (fällt ihm in den Arm). Ungeheuer! Was beginnst Du? / Eine Stimme (aus dem Hintergrunde). Was ist geschehn? Eine andere. Sprecht! Eine dritte. Was erschrickt das Volk? / Das Volk (durcheinander). Weh! Weh! Der eigne Vater hat, mit Dolchen, / Die eignen Vettern, sie in Staub geworfen! / Teuthold (indem er sich über die Leiche wirft). Hally! Mein Einz’ges! Hab’ ich’s recht gemacht? /
187

Sechster Auftritt.

Herrmann und Eginhardt (treten auf). Die Vo⸗ rigen. Der zweite Cherusker. Komm her, mein Fürst, schau diese Gräuel an! / 1580 Herrmann. Was giebt’s? Der erste Cherusker. Was! Fragst Du noch? Du weißt von nichts? / Herrmann. Nichts, meine Freund’! ich komm’ aus meinem Zelte. / Eginhardt. Sagt, was erschreckt Euch? Der zweite Cherusker (halblaut). Eine ganze Meute / Von geilen Römern, die den Platz durchschweifte, / Hat bei der Dämmrung schaamlos eben jetzt — / Herrmann (indem er ihn vorführt). Still, Selmar, still! Die Luft, Du weißt, hat Ohren. / — Ein Römerhaufen? Eginhardt. Ha! Was wird das werden? / (sie sprechen heimlich zusammen. Pause.) Herrmann (mit Wehmuth, halblaut). Hally? Was sagst Du mir! Die junge Hally? / Der zweite Cherusker. Hally, Teutholds, des Schmidts der Waffen, Tochter! / — Da liegt sie jetzt, schau her, mein Fürst, / 1590 Von ihrem eignen Vater hingeopfert! / Eginhardt (vor der Leiche). Ihr großen, heiligen und ew’gen Götter! / Der erste Cherusker. Was wirst Du nun, o Herr, darauf beschließen? / 188 Herrmann (zum Volke). Kommt, Ihr Cherusker! Kommt, Ihr Wodankinder! / Kommt, sammelt Euch um mich und hört mich an! / (das Volk umringt ihn; er tritt vor Teuthold.) Teuthold, steh’ auf! Teuthold (am Boden). Laß mich! Herrmann. Steh’ auf, sag’ ich! / Teuthold. Hinweg! Des Todes ist, wer sich mir naht. / Herrmann. — Hebt ihn empor, und sagt Ihm, wer ich sei. / Der zweite Cherusker. Steh’ auf, unseel’ger Alter! Der erste Cherusker. Fasse Dich! / Der zweite Cherusker. Herrmann, Dein Rächer ist’s, der vor Dir steht. / 1600 (sie heben ihn empor.) Teuthold. Herrmann, mein Rächer, sagt Ihr? — Kann er Rom, / Das Drachennest, vom Erdenrund vertilgen? / Herrmann. Ich kann’s und will’s! Hör’ an, was ich Dir sage. / Teuthold (sieht ihn an). Was für ein Laut des Himmels traf mein Ohr? / Die beiden Vettern. Du kannst’s und willst’s? Teuthold. Gebeut! Sprich! Red’, o Herr! / Was muß geschehn? Wo muß die Keule fallen? / Herrmann. Das hör’ jetzt, und erwiedre nichts. — / 189 Brich’, Rabenvater, auf, und trage, mit den Vettern, / Die Jungfrau, die geschändete, / In einen Winkel Deines Hauses hin! / 1610 Wir zählen funfzehn Stämme der Germaner; / In funfzehn Stücke, mit des Schwerdtes Schärfe, / Theil’ ihren Leib, und schick’ mit funfzehn Boten, / Ich will Dir funfzehn Pferde dazu geben, / Den funfzehn Stämmen ihn Germaniens zu. / Der wird in Deutschland, Dir zur Rache, / Bis auf die todten Elemente werben: / Der Sturmwind wird, die Waldungen durchsausend, / Empörung! rufen, und die See, / Des Landes Ribben schlagend, Freiheit! brüllen. / 1620 Das Volk. Empörung! Rache! Freiheit! Teuthold. Auf! Greift an! / Bringt sie ins Haus, zerlegt in Stücken sie! / (sie tragen die Leiche fort.) Herrmann. Komm, Eginhardt! Jetzt hab’ ich nichts mehr / An diesem Ort zu thun! Germanien lodert: / Laß uns den Varus jetzt, den Stifter dieser Gräuel, / Im Teutoburger Walde suchen! / (Alle ab.)
Scene: Herrmanns Zelt.

Siebenter Auftritt.

Herrmann (tritt auf, mit Schild und Spieß. Hinter ihm) Sep⸗ timius. — Gefolge. Herrmann. Hast Du die neuste Einrichtung getroffen? / Mir das Cheruskerheer, das vor den Thoren liegt, / 190 Nach Römerart, wie Du versprachst, / In kleinere Manipeln abgetheilt? / 1630 Septimius. Mein Fürst, wie konnt’ ich? Deine deutschen Feldherrn / Versicherten, Du wolltest selbst, / Bei dieser Neuerung zugegen sein. / Ich harrte, vor dem Thor, bis in die Nacht auf Dich; / Doch Du — warum? nicht weiß ich es — bliebst aus. / Herrmann. Was! So ist Alles noch im Heer, wie sonst? / Septimius. Auf jeden Punkt; wie könnt’ es anders? / Es ließ sich, ohne Dich, Du weißt, nichts thun. / Herrmann. Das thut mir leid, Septimius, in der That! / Mich hielt ein dringendes Geschäft / 1640 Im Ort zurück; Du würdest, glaubt’ ich, / Auch ohne mich hierin verfügen können. / Nun — wird es wohl beim Alten bleiben müssen. / Der Tag bricht an; hast Du das Heer, / Dem Plan gemäß, zum Marsch nach Arkon, / Dem Teutoburger Waldplatz angeschickt? / Septimius. Es harrt nur Deines Worts, um anzutreten. / Herrmann (indem er einen Vorhang lüftet). — Ich denk’, es wird ein schöner Tag heut werden? / Septimius. Die Nacht war heiß, ich fürchte ein Gewitter. / (Pause.) Herrmann. Nun, sei so gut, verfüg’ Dich nur voran! / 1650 Von meinem Weib’ nur will ich Abschied nehmen, / Und folg’, in einem Augenblick, Dir nach! / (Septimius ab.) 191 (Zu dem Gefolge.) Auf, folgt ihm, und verlaßt ihn nicht! / Und jegliche Gemeinschaft ist, / Des Heers mit Teutoburg, von jetzt streng aufgehoben. / (das Gefolge ab.)

Achter Auftritt.

Herrmann (nachdem er Schild und Spieß weggelegt). Nun wär’ ich fertig, wie ein Reisender. / Cheruska, wie es steht und liegt, / Kommt mir, wie eingepackt in eine Kiste, vor: / Um einen Wechsel könnt’ ich es verkaufen. / Denn käm’s heraus, daß ich auch nur / 1660 Davon geträumt, Germanien zu befrein: / Roms Feldherr steckte gleich mir alle Plätze an, / Erschlüge, was die Waffen trägt, / Und führte Weib und Kind gefesselt übern Rhein. — / August straft den Versuch, so wie die That! / (er zieht eine Klingel; ein Trabant tritt auf.) Ruf’ mir die Fürstin! Der Trabant. Hier erscheint sie schon! /

Neunter Auftritt.

Herrmann und Thusnelda. Herrmann (nimmt einen Brief aus dem Busen). Nun, Thuschen, komm; ich hab’ Dir was zu sagen. / Thusnelda (ängstlich). Sag’, liebster Freund, ums Himmelswillen, / Welch’ ein Gerücht läuft durch den Lagerplatz? / 192 Ganz Teutoburg ist voll, es würd’, in wenig Stunden, / 1670 Dem Crassus, der Cohorten Führer, / Ein fürchterliches Blutgericht ergehn! / Dem Tode, wär’ die ganze Schaar geweiht, / Die als Besatzung hier zurückgeblieben. / Herrmann. Ja! Kind, die Sach’ hat ihre Richtigkeit. / Ich warte nur auf Astolf noch, / Deshalb gemess’ne Ordre ihm zu geben. / Sobald ich Varus Heer, beim Strahl des nächsten Tages, / Im Teutoburger Wald’ erreicht, / Bricht Astolf hier im Ort dem Crassus los; / 1680 Die ganze Brut, die in den Leib Germaniens / Sich eingefilzt, wie ein Insectenschwarm, / Muß durch das Schwerdt der Rache jetzo sterben. / Thusnelda. Entsetzlich! — Was für Gründe, sag’ mir, / Hat Dein Gemüth, so grimmig zu verfahren? / Herrmann. Das muß ich Dir ein Andermal erzählen. / Thusnelda. Crassus, mein liebster Freund, mit allen Römern —? / Herrmann. Mit Allen, Kind; nicht Einer bleibt am Leben! / Vom Kampf, mein Thuschen, übrigens, / Der hier im Ort gekämpft wird werden, / 1690 Hast Du auch nicht das Mindeste zu fürchten; / Denn Astolf ist dreimal so stark, als Crassus; / Und überdies noch bleibt ein eigner Kriegerhaufen, / Zum Schutze Dir, bei diesem Zelt zurück. / Thusnelda. Crassus? Nein, sag’ mir an! Mit allen Römern —? / Die Guten mit den Schlechten, rücksichtslos? / 193 Herrmann. Die Guten mit den Schlechten. — Was! Die Guten! / Das sind die Schlechtesten! Der Rache Keil / Soll sie zuerst, vor allen Andern, treffen! / Thusnelda. Zuerst! Unmenschlicher! Wie Mancher ist, / 1700 Dem wirklich Dankbarkeit Du schuldig bist —? / Herrmann. — Daß ich nicht wüßte! Wem? Thusnelda. Das fragst Du noch! / Herrmann. Nein, in der That, Du hörst; ich weiß von nichts. / Nenn’ einen Namen mir? Thusnelda. Dir einen Namen! / So mancher Einzelne, der, in den Plätzen, / Auf Ordnung hielt, das Eigenthum beschützt — / Herrmann. Beschützt! Du bist nicht klug! Das thaten sie, / Es um so besser unter sich zu theilen. / Thusnelda (mit steigender Angst). Du Unbarmherz’ger! Ungeheuerster! / — So hätt’ auch der Centurio / 1710 Der, bei dem Brande in Thuiskon jüngst / Die Heldenthat gethan, Dir kein Gefühl entlockt? / Herrmann. Nein — Was für ein Centurio? Thusnelda. Nicht? Nicht? / Der junge Held, der, mit Gefahr des Lebens, / Das Kind, auf seiner Mutter Ruf, / Dem Tod’ der Flammen muthig jüngst entrissen? — / Er hätte kein Gefühl der Liebe Dir entlockt? / 194 Herrmann (glühend). Er sei verflucht, wenn er mir das gethan! / Er hat, auf einen Augenblick, / Mein Herz veruntreut, zum Verräther / 1720 An Deutschlands großer Sache mich gemacht! / Warum setzt’ er Thuiskon mir in Brand? / Ich will die höhnische Dämonenbrut nicht lieben! / So lang’ sie in Germanien trotzt, / Ist Haß mein Amt und meine Tugend Rache! / Thusnelda (weinend). Mein liebster, bester Herzens⸗Herrmann, / Ich bitte Dich um des Ventidius Leben! / Das eine Haupt nimmst Du von Deiner Rache aus! / Laß’, ich beschwöre Dich, laß mich ihm heimlich melden, / Was über Varus Du verhängt: / 1730 Mag er in’s Land der Väter rasch sich retten! / Herrmann. Ventidius? Nun gut. — Ventidius Carbo? / Nun denn, es sei! — Weil es mein Thuschen ist, / Die für ihn bittet, mag er fliehn: / Sein Haupt soll meinem Schwerdt, so wahr ich lebe, / Um dieser schönen Regung heilig sein! / Thusnelda (sie küßt seine Hand). O Herrmann! Ist es wirklich wahr? O Herrmann! / Du schenkst sein Leben mir? Herrmann. Du hörst. Ich schenk’s ihm. / Sobald der Morgen angebrochen, / Steckst Du zwei Wort’ ihm heimlich zu, / 1740 Er möchte gleich sich übern Rheinstrom retten; / Du kannst ihm Pferd’ aus meinen Ställen schicken, / Daß er den Tagesstrahl nicht mehr erschaut. / Thusnelda. O Liebster mein! Wie rührst Du mich! O Liebster! / 195 Herrmann. Doch eher nicht, hörst Du, das bitt’ ich sehr, / Als bis der Morgen angebrochen! / Eh’ auch mit Mienen nicht verräthst Du Dich! / Denn alle Andern müssen unerbittlich, / Die schändlichen Tyrannenknechte, sterben: / Der Anschlag darf nicht etwa durch ihn scheitern! / 1750 Thusnelda (indem sie sich die Thränen trocknet). Nein, nein; ich schwör’s Dir zu! Kurz vor der Sonn’ erst! / Kurz vor der Sonn’ erst soll er es erfahren! / Herrmann. So, wenn der Mond entweicht. Nicht eh’, nicht später. / Thusnelda. Und daß der Jüngling auch nicht etwa, / Der thörigte, um dieses Briefs, / Mit einem falschen Wahn sich schmeichele, / Will ich den Brief in Deinem Namen schreiben; / Ich will, mit einem höhnschen Wort ihm sagen: / Bestimmt wär’ er, die Post vom Untergang des Varus / Nach Rom, an seinen Kaiserhof, zu bringen! / 1760 Herrmann (heiter). Das thu. Das ist sehr klug. — Sieh da, mein schönes Thuschen! / Ich muß Dich küssen. — / Doch, was ich sagen wollte — — / Hier ist die Locke wieder, schau, / Die Er Dir jüngst vom Scheitel abgelös’t, / Sie war, als eine Probe Deiner Haare, / Schon auf dem Weg nach Rom; jedoch ein Schütze bringt, / Der in den Sand den Boten streckte, / Sie wieder in die Hände mir zurück. / (er giebt ihr den Brief, worin die Locke eingeschlagen.) Thusnelda (indem sie den Brief entfaltet). Die Lock’? O was! Um die ich Ihn verklagt? / 1770 196 Herrmann. Dieselbe, ja! Thusnelda. Sieh da! Wo kommt sie her? / Du hast sie dem Arkadier abgefordert? / Herrmann. Ich? O behüte! Thusnelda. Nicht? — Ward sie gefunden? / Herrmann. Gefunden, ja, in einem Brief, Du siehst, / Den Er nach Rom hin, gestern früh, / An Livia, seine Kais’rin, abgefertigt. / Thusnelda. In einem Brief? An Kaiserin Livia? / Herrmann. Ja, lies die Aufschrift nur. Du hältst den Brief. / (indem er mit dem Finger zeigt.) „An Livia, Roms große Kaiserin.“ / Thusnelda. Nun? Und? Herrmann. Nun? Und? Thusnelda. — Freund, ich versteh’ kein Wort! / 1780 — Wie kamst Du zu dem Brief? Wer gab ihn Dir? / Herrmann. Ein Zufall, Thuschen, hab’ ich schon gesagt! / Der Brief, mit vielen andern noch, / Ward einem Boten abgejagt, / Der nach Italien ihn bringen sollte. / Den Boten warf ein guter Pfeilschuß nieder, / Und sein Packet, worin die Locke, / Hat mir der Schütze eben überbracht. / 197 Thusnelda. Das ist ja seltsam, das, so wahr ich lebe! — / Was sagt Ventidius denn darin? Herrmann. Er sagt —: / 1790 Laß sehn! Ich überflog ihn nur. Was sagt er? / (er guckt mit hinein.) Thusnelda (lies’t). „Varus, o Herrscherin, steht, mit den Legionen, / „Nun in Cheruska siegreich da; / „Cheruska, fass’ mich wohl, der Heimath jener Locken, / „Wie Gold so hell und weich wie Seide, / „Die Dir der heitre Markt von Rom verkauft. / „Nun bin ich jenes Wortes eingedenk, / „Das Deinem schönen Mund’, Du weißt, / „Als ich zuletzt Dich sah, im Scherz entfiel. / „Hier schick’ ich von dem Haar, das ich Dir zugedacht, / 1800 „Und das sogleich, wenn Herrmann sinkt, / „Die Scheere für Dich erndten wird, / „Dir eine Probe zu, mir klug verschafft; / „Beim Styx! so legt’s am Capitol, / „Phaon, der Krämer, Dir nicht vor: / „Es ist vom Haupt der ersten Frau des Reichs, / „Vom Haupt der Fürstin selber der Cherusker!“ / — Ei der Verfluchte! (sie sieht Herrmann an, und wieder in den Brief hinein.) Nein, ich las wohl falsch? / Herrmann. Was? Thusnelda. Was! Herrmann. — Steht’s anders in dem Briefe da? / Er sagt —: 198 Thusnelda. „Hier schick’ ich von dem Haar,“ sagt er, / 1810 „Das ich Dir zugedacht, und das sogleich, / „Wenn Herrmann sinkt — die Scheere für Dich erndten „wird —“ / (die Sprache geht ihr aus.) Herrmann. Nun ja; er will —! Verstehst Du’s nicht? Thusnelda (sie wirft sich auf einen Sessel nieder). O Hertha! / Nun mag ich diese Sonne nicht mehr sehn./ (sie verbirgt ihr Haupt). Herrmann (leise, flüsternd). Thuschen! Thuschen! Er ist ja noch nicht fort. / (er folgt ihr und ergreift ihre Hand.) Thusnelda. Geh, laß mich sein. Herrmann (beugt sich ganz über sie). Heut, wenn die Nacht sinkt, Thuschen, / Schlägt Dir der Rache süße Stunde ja! / Thusnelda. Geh, geh, ich bitte Dich! Verhaßt ist Alles, / Die Welt mir, Du mir, ich: laß mich allein! / Herrmann (er fällt vor ihr nieder). Thuschen! Mein schönes Weib! Wie rührst Du mich! / 1820 (Kriegsmusik draußen.)

Zehnter Auftritt.

Eginhardt und Astolf (treten auf). Die Vorigen. Eginhardt. Mein Fürst, die Hörner rufen Dich! Brich auf! / Du darfst, willst Du das Schlachtfeld noch erreichen, / Nicht, wahrlich! einen Augenblick mehr säumen. / 199 Herrmann (steht auf). Gertrud! Eginhardt. Was fehlt der Königin? Herrmann. Nichts, nichts! / (die Frauen der Thusnelda treten auf.) Hier! Sorgt für Eure Frau! Ihr seht, sie weint. / (er nimmt Schild und Spieß.) Astolf ist von dem Kriegsplan unterrichtet? / Eginhardt. Er weiß von Allem. Herrmann (zu Astolf). Sechshundert Krieger bleiben Dir / In Teutoburg zurück, und ein Gezelt mit Waffen, / Cheruska’s ganzes Volk damit zu rüsten. / Teuthold bewaffnest, und die Seinen, Du, / 1830 Um Mitternacht, wenn Alles schläft, zuerst. / Sobald der Morgen dämmert brichst Du los. / Crassus und alle Führer der Cohorten, / Suchst Du in ihren Zelten auf; / Den Rest des Haufens fäll’st Du, gleichviel, wo? / Auch den Ventidius empfehl’ ich Dir. / Wenn hier in Teutoburg der Schlag gefallen, / Folgst Du, mit Deinem ganzen Troß, / Mir nach dem Teutoburger Walde nach; / Dort wirst Du weiteren Befehl erhalten. — / 1840 Hast Du verstanden? Astolf. Wohl, mein erlauchter Herr. / Eginhardt (besorgt). Mein bester Fürst! Willst Du nicht lieber ihn / Nach Norden, an den Lippstrom, schicken, / Cheruska vor dem Pästus zu beschirmen, / 200 Der dort, Du weißt, mit Holm, dem Herrn der Friesen, kämpft. / Cheruska ist ganz offen dort, / Und Pästus, wenn er hört, daß Rom von Dir verrathen, / Beim Styx! er sendet, zweifle nicht, / Gleich einen Haufen ab, in Deinem Rücken, / Von Grund’ aus, alle Plätze zu verwüsten. / 1850 Herrmann. Nichts, nichts, mein alter Freund! Was fällt Dir ein? / Kämpf’ ich auch für den Sand, auf den ich trete, / Kämpf’ ich für meine Brust? / Cheruska schirmen! Was! Wo Herrmann steht, da siegt er, / Und mithin ist Cheruska da. / Du folgst mir, Astolf, ins Gefild’ der Schlacht; / Wenn Varus, an der Weser, sank, / Werd’ ich, am Lippstrom, auch den Pästus treffen! / Astolf. Es ist genug, o Herr! Es wird geschehn. / Herrmann (wendet sich zu Thusnelda). Leb’ wohl, Thusnelda, mein geliebtes Weib! / 1860 Astolf hat Deine Rache übernommen. / Thusnelda (steht auf). An denAkkusativ-Dativ-Vermischung. Vgl. editorische Anmerkung zu Vers 788. In BKA emendiert in ›dem‹. Ventidius? (sie drückt einen heißen Kuß auf seine Lippen.) Ueberlass’ ihn mir! / Ich habe mich gefaßt, ich will mich rächen! / Herrmann. Dir? Thusnelda. Mir! Du sollst mit mir zufrieden sein. / Herrmann. Nun denn, so ist der erste Sieg erfochten! / Auf jetzt, daß ich den Varus treffe: / Roms ganze Kriegsmacht, wahrlich, scheu’ ich nicht! / (Alle ab.)
201

Fünfter Akt.

Scene: Teutoburger Wald. Nacht, Donner und Blitz.

Erster Auftritt.

Varus und mehrere Feldherrn, an der Spitze des römischen Heeres, mit Fackeln (treten auf). Varus. Ruft: Halt! Ihr Feldherrn, den Cohorten zu! / Die Feldherrn (in der Ferne). Halt! — Halt! Varus. Licinius Valva! Ein Hauptmann (vortretend). Hier! Wer ruft? / Varus. Schaff’ mir die Boten her, die drei Cherusker, / 1870 Die an der Spitze gehn! Der Hauptmann. Du hörst, mein Feldherr! / Du wirst die Männer schuldlos finden; / Arminius hat sie also unterrichtet. / Varus. Schaff’ sie mir her, sag’ ich, ich will sie sprechen! — / 202 Ward, seit die Welt in Kreisen rollt, / Solch’ ein Verrath erlebt? Cherusker führen mich, / Die man, als Kundige des Landes, mir / Mit breitem Munde rühmt, am hellen Mittag irr’! / Rück’ ich nicht, um zwei Meilen zu gewinnen, / Bereits durch sechzehn volle Stunden fort? / 1880 Wars ein Versehn, daß man nach Pfiffi mich, / Statt Iphikon geführt: wohlan, ich will es mindstens, / Bevor ich weiter rücke, untersuchen. / Erster Feldherr (in den Bart). Daß durch den Mantel doch, den sturmzerrißnen, / Der Nacht, der um die Köpf’ uns hängt, / Ein Einz’ges Sternbild schimmernd niederblinkte! / Wenn auf je hundert Schritte nicht, / Ein Blitzstrahl zischend vor uns niederkeilte, / Wir würden, wie die Eul’ am Tage, / Haupt und Gebein uns im Gebüsch zerschellen! / 1890 Zweiter Feldherr. Wir können keinen Schritt fortan, / In diesem feuchten Mordgrund, weiter rücken! / Er ist so zäh, wie Vogelleim geworden. / Das Heer schleppt halb Cheruska an den Beinen, / Und wird noch, wie ein bunter Specht, / Zuletzt, mit Haut und Haar, dran kleben bleiben. / Dritter Feldherr. Pfiffikon! Iphikon! — Was das, beim Jupiter! / Für eine Sprache ist! Als schlüg’ ein Stecken / An einen alten, rostzerfress’nen Helm! / Ein Gräulsystem von Worten, nicht geschickt, / 1900 Zwei solche Ding’, wie Tag und Nacht, / Durch einen eignen Laut zu unterscheiden. / Ich glaub’, ein Tauber war’s, der das Geheul erfunden, / Und an den Mäulern sehen sie sich’s ab. / 203 Ein Römer. Dort kommen die Cherusker! Varus. Bringt sie her! /

Zweiter Auftritt.

Der Hauptmann (mit den) drei cheruskischen Boten. — Die Vorigen. Varus. Nach welchem Ort, sag’ an, von mir benannt, / Hast Du mich heut von Arkon führen sollen? / Der erste Cherusker. Nach Pfiffikon, mein hochverehrter Herr. / Varus. Was, Pfiffikon! hab’ ich nicht Iphi Dir / Bestimmt, und wieder Iphikon genannt? / 1910 Der erste Cherusker. Vergieb, o Herr, Du nanntest Pfiffikon. / Zwar sprachst Du, nach der Römermundart, / Das läugn’ ich nicht: „führt mich nach Iphikon;“ / Doch Herrmann hat bestimmt uns gestern, / Als er uns unterrichtete, gesagt: / „Des Varus Wille ist nach Pfiffikon zu kommen; / „Drum thut nach mir, wie er auch ausspricht, / „Und führt sein Heer auf Pfiffikon hinaus.“ / Varus. Was! Der erste Cherusker. Ja, mein erlauchter Herr, so ist’s. / Varus. Woher kennt auch Dein Herrmann meine Mundart? / 1920 204 Den Namen hatt’ ich: Iphikon, / Ja schriftlich ihm, mit dieser Hand gegeben?! / Der erste Cherusker. Darüber wirst Du ihn zur Rede stellen; / Doch wir sind schuldlos, mein verehrter Herr. / Varus. O wart’! — — Wo sind wir jetzt? Der erste Cherusker. Das weiß ich nicht. / Varus. Das weißt Du nicht, verwünschter Galgenstrick, / Und bist ein Bote? Der erste Cherusker. Nein! Wie vermögt’ ich das? / Der Weg, den Dein Gebot mich zwang, / Südwest queer durch den Wald hin einzuschlagen, / Hat in der Richtung mich verwirrt: / 1930 Mir war die große Straße nur, / Von Teutoburg nach Pfiffikon, bekannt. / Varus. Und Du? Du weißt es auch nicht. Der zweite Cherusker. Nein, mein Feldherr. / Varus. Und Du? Der dritte Cherusker. Ich auch bin, seit es dunkelt, irre. — / Nach Allem doch, was ich ringsum erkenne, / Bist Du nicht weit von unserm Waldplatz Arkon. / Varus. Von Arkon? Was! Wo ich heut ausgerückt? / Der dritte Cherusker. Von eben dort; Du bist ganz heimgegangen. / 205 Varus. Daß Euch der Erde finstrer Schooß verschlänge! — / Legt sie in Stricken! — Und wenn sie jedes ihrer Worte / 1940 Herrmann ins Antlitz nicht beweisen können, / So hängt der Schufte Einen auf, / Und gerbt den beiden Anderen die Rücken! / (die Boten werden abgeführt.)

Dritter Auftritt.

Die Vorigen (ohne die Boten). Varus. Was ist zu machen? — — Sieh da! Ein Licht im Walde! / Erster Feldherr. He, dort! Wer schleicht dort? Zweiter Feldherr. Nun, beim Jupiter! / Seit wir den Teutoburger Wald durchziehn, / Der erste Mensch, der unserm Blick begegnet! / Der Hauptmann. Es ist ein altes Weib, das Kräuter sucht. /

Vierter Auftritt.

Eine Alraune (tritt auf, mit Krücke und Laterne). Die Vo⸗ rigen. Varus. Auf diesem Weg’, den ich im Irrthum griff, / Stammmütterchen Cheruska’s, sag’ mir an, / 1950 Wo komm’ ich her? Wo bin ich? Wohin wandr’ ich? / 206 Die Alraune. Varus, o Feldherr Roms, das sind drei Fragen! / Auf mehr nicht kann mein Mund Dir Rede stehn! / Varus. Sind Deine Worte so geprägt, / Daß Du, wie Stücken Goldes, sie berechnest? / Wohlan, es sei, ich bin damit zufrieden! / Wo komm’ ich her? Die Alraune. Aus nichts, Quintilius Varus! / Varus. Aus Nichts? — Ich komm’ aus Arkon heut. / — Die Römische Sybille, seh’ ich wohl, / Und jene Wunderfrau von Endor bist Du nicht. / 1960 — Laß sehn, wie Du die andern Punct’ erledigst! / Wenn Du nicht weißt, woher des Wegs ich wandre: / Wenn ich südwestwärts, sprich, stets ihn verfolge, / Wo geh’ ich hin? Die Alraune. In’s Nichts, Quintilius Varus! / Varus. In’s Nichts? — Du singst ja, wie ein Rabe! / Von wannen kommt Dir diese Wissenschaft? / Eh’ ich in Charons düstern Nachen steige, / Denk’ ich, als Sieger, zweimal noch / Rom, mit der heiteren Quadriga, zu durchschreiten! / Das hat ein Priester Jovis mir vertraut. / 1970 — Triff, bitt’ ich Dich, der dritten Frage, / Die Du vergönnt mir, besser auf die Stirn! / Du siehst, die Nacht hat mich Verirrten überfallen: / Wo geh’ ich her? Wo geh’ ich hin? / Und wenn Du das nicht weißt, wohlan: / Wo bin ich? sag’ mir an, das wirst Du wissen; / In welcher Gegend hier befind’ ich mich? / 207 Die Alraune. Zwei Schritt vom Grab’, Quintilius Varus, / Hart zwischen Nichts und Nichts! Gehab’ Dich wohl! / Das sind genau der Fragen drei; / 1980 Der Fragen mehr, auf dieser Haide, / Giebt die cheruskische Alraune nicht! / (sie verschwindet.)

Fünfter Auftritt.

Die Vorigen (ohne die Alraune). Varus. Sieh da! Erster Feldherr. Beim Jupiter, dem Gott der Welt! / Zweiter Feldherr. Was war das? Varus. Wo? Zweiter Feldherr. Hier, wo der Pfad sich kreuzet! / Varus. Saht ihr es auch, das sinnverrückte Weib? / Erster Feldherr. Das Weib? Zweiter Feldherr. Ob wir’s gesehn? Varus. Nicht? — Was war’s sonst? / Der Schein des Monds, der durch die Stämme fällt? / Erster Feldherr. Beim Orkus! Eine Hexe! halt’ sie fest! / Da schimmert die Laterne noch! 208 Varus (niedergeschlagen). Laßt, laßt! / Sie hat des Lebens Fittig mir / 1990 Mit ihrer Zunge scharfem Stahl gelähmt! /

Sechster Auftritt.

Ein Römer (tritt auf). Die Vorigen. Der Römer. Wo ist der Feldherr Roms? Wer führt mich zu ihm? / Der Hauptmann. Was giebt’s? Hier steht er! Varus. Nun? Was bringst Du mir? / Der Römer. Quintilius, zu den Waffen, sag’ ich Dir! / Marbod hat übern Weserstrom gesetzt! / Auf weniger, denn tausend Schritte, / Steht er mit seinem ganzen Suevenheere da! / Varus. Marbod! Was sagst Du mir? Erster Feldherr. Bist Du bei Sinnen? / Varus. — Von wem kommt Dir die aberwitz’ge Kunde? / Der Römer. Die Kunde? Was! Beim Zevs, hier von mir selbst! / 2000 Dein Vortrab stieß so eben auf den seinen, / Bei welchem ich, im Schein der Fackeln, / So eben durch die Büsche, ihn gesehn! / Varus. Unmöglich ist’s! 209 Zweiter. Das ist ein Irrthum, Freund! / Varus. Fulvius Lepidus, der Legate Roms, / Der eben jetzt, aus Marbods Lager, / Hier angelangt, hat ihn vorgestern / Ja noch jenseits des Weserstroms verlaßen?! / Der Römer. Mein Feldherr, frage mich nach nichts! / Schick’ Deine Späher aus und überzeuge Dich! / 2010 Marbod, hab’ ich gesagt, steht, mit dem Heer der Sueven, / Auf Deinem Weg zur Weser aufgepflanzt; / Hier diese Augen haben ihn gesehn! / Varus. — Was soll dies alte Herz fortan nicht glauben? / Kommt her und sprecht: Marbod und Herrmann / Verständen heimlich sich, in dieser Fehde, / Und so wie der im Antlitz mir, / So stände der mir schon im Rücken, / Mich hier mit Dolchen in den Staub zu werfen: / Beim Styx! ich glaubt’ es noch; ich hab’s, schon vor drei Tagen, / 2020 Als ich den Lippstrom überschifft, geahnt! / Erster Feldherr. Pfui doch, Quintilius, des unrömerhaften Worts! / Marbod und Herrmann! In den Staub Dich werfen! / Wer weiß, ob Einer noch von beiden / In Deiner Nähe ist! — Gieb mir ein Häuflein Römer, / Den Wald, der Dich umdämmert, zu durchspähn: / Die Schaar, auf die Dein Vordertrapp gestoßen, / Ist eine Horde noch zuletzt, / Die hier den Uhren oder Bären jagt. / Varus (sammelt sich). Auf! — Drei Centurien geb’ ich Dir! / 2030 210 — Bring’ Kunde mir, wenn Du’s vermagst, / Von seiner Zahl; verstehst Du mich? / Und seine Stellung auch im Wald’ erforsche; / Jedoch vermeide sorgsam ein Gefecht. / (der erste Feldherr ab.)

Siebenter Auftritt.

Varus. — (Im Hintergrunde) das Römerheer. Varus. O Priester Zevs, hast Du den Raben auch, / Der Sieg mir zu verkünd’gen schien, verstanden? / Hier war ein Rabe, der mir prophezeiht, / Und seine heisre Stimme sprach: das Grab! /

Achter Auftritt.

Ein zweiter Römer (tritt auf). Die Vorigen. Der Römer. Man schickt mich her, mein Feldherr, Dir zu melden, / Daß Herrmann, der Cheruskerfürst, / 2040 Im Teutoburger Wald so eben eingetroffen; / Der Vortrab seines Heers, Dir hülfreich zugeführt, / Berührt den Nachtrab schon des Deinigen! / Varus. Was sagst Du? Zweiter Feldherr. Herrmann? — Hier in diesem Wald? / Varus (wild). Bei allen Furien der flammenvollen Hölle! / Wer hat ihm Fug und Recht gegeben, / Heut weiter, als bis Arkon, vorzurücken? / 211 Der Römer. Darauf bleib’ ich die Antwort schuldig Dir. — / Servil, der mich Dir sandte, schien zu glauben / Er werde Dir, mit dem Cheruskerheer, / 2050 In Deiner Lage sehr willkommen sein. / Varus. Willkommen mir? Daß ihn die Erd’ entraffte! / Fleuch gleich zu seinen Schaaren hin, / Und ruf mir den Septimius, hörst Du, / Den Feldherrn her, den ich ihm zugeordnet! / Dahinter fürcht’ ich sehr, steckt eine Meuterei, / Die ich sogleich an’s Tageslicht will ziehn! /

Neunter Auftritt.

Aristan, Fürst der Ubier (tritt eilig auf). Die Vorigen. Aristan. Verrätherei! Verrätherei! / Marbod und Herrmann stehn im Bund’, Quintilius! / Den Teutoburger Wald umringen sie, / 2060 Mit Deinem ganzen Heere Dich / In der Moräste Tiefen zu ersticken! / Varus. Daß Du zur Eule werden müßtest, / Mit Deinem mitternächtlichen Geschrei! / — Woher kommt Dir die Nachricht? Aristan. Mir die Nachricht? — / Hier lies den Brief, bei allen Römergöttern, / Den er mit Pfeilen eben jetzt / 212 Ließ in die Feu’r der Deutschen schießen, / Die Deinem Heereszug hierher gefolgt! / (er giebt ihm einen Zettel.) Er spricht von Freiheit, Vaterland und Rache, / 2070 Ruft uns — ich bitte Dich! der gift’ge Meuter, auf, / Uns muthig seinen Schaaren anzuschließen, / Die Stunde hätte Deinem Heer geschlagen, / Und droht, jedwedes Haupt, das er in Waffen / Erschauen wird, die Sache Roms verfechtend, / Mit einem Beil, vom Rumpf herab, zum Kuß / Auf der Germania heil’gen Grund zu nöth’gen! / Varus (nachdem er gelesen). Was sagten die german’schen Herrn dazu? / Aristan. Was sie dazu gesagt? Die gleißnerischen Gauner! / Sie fallen Alle von Dir ab! / 2080 Fust rief zuerst, der Cimbern Fürst, / Die Andern gleich, auf dieses Blatt, zusammen; / Und, unter einer Fichte eng / Die Häupter aneinander drückend, / Stand, einer Glucke gleich, die Rotte der Rebellen, / Und brütete, die Waffen plusternd, / Gott weiß, welch’ eine Unthat aus, / Mordvolle Blick’ auf mich zur Seite werfend, / Der aus der Ferne sie in Aufsicht nahm! / Varus (scharf). Und Du, Verräther, folgst dem Aufruf nicht? / 2090 Aristan. Wer? Ich? Dem Ruf Armins? — Zevs Donnerkeil / Soll mich hier gleich zur Erde schmettern, / Wenn der Gedank’ auch nur mein Herz beschlich! / Varus. Gewiß? Gewiß? — Daß mir der Schlecht’ste just, / Von allen deutschen Fürsten, bleiben muß! — / 213 Doch, kann es anders sein? — — O Herrmann! Herrmann! / So kann man blondes Haar und blaue Augen haben, / Und doch so falsch sein, wie ein Punier? / Auf! Noch ist Alles nicht verloren. — / Publius Sextus! Zweiter Feldherr. Was gebeut mein Feldherr? / 2100 Varus. Nimm die Cohorten, die den Schweif mir bilden, / Und wirf die deutsche Hülfsschaar gleich, / Die meinen Zug’ hierher gefolgt, zusammen! / Zur Hölle, mitleidlos, eh’ sie sich noch entschlossen, / Die ganze Meuterbrut herab; / Es fehlt mir hier an Stricken, sie zu binden! / (er nimmt Schild und Spieß aus der Hand eines Römers.) Ihr aber — folgt mir zu den Legionen! / Arminius, der Verräther, wähnt, / Mich durch den Anblick der Gefahr zu schrecken; / Laß sehn, wie er sich fassen wird, / 2110 Wenn ich, die Waffen in der Hand, / Gleich einem Eber, jetzt hinein mich stürze! (Alle ab.) /
Scene: Eingang des Teutoburger Walds.

Zehnter Auftritt.

Egbert (mit mehreren) Feldherrn und Hauptleuten (stehen versammelt). Fackeln. (Im Hintergrunde) das Che⸗ ruskerheer. Egbert. Hier, meine Freunde! Sammelt Euch um mich! / Ich will das Wort Euch muthig führen! / 214 Denkt, daß die Sueven Deutsche sind, wie ihr: / Und wie sich seine Red’ auch wendet, / Verharrt bei Eurem Entschluß nicht zu fechten! / Erster Feldherr. Hier kommt er schon. Ein Hauptmann. Doch rath’ ich Vorsicht an! /

Eilfter Auftritt.

Herrmann und Winfried (treten auf). Die Vorigen. Herrmann (in die Ferne schauend). Siehst Du die Feuer dort? Winfried. Das ist der Marbod! — / Er giebt das Zeichen Dir zum Angriff schon. / 2120 Herrmann. Rasch! — Daß ich keinen Augenblick verliere. / (er tritt in die Versammlung.) Kommt her, ihr Feldherrn der Cherusker! / Ich hab’ Euch etwas Wicht’ges zu entdecken. / Egbert (indem er vortritt). Mein Fürst und Herr, eh’ Du das Wort ergreifst, / Vergönnst, auf einen Augenblick, / In Deiner Gnade, Du die Rede mir! / Herrmann. Dir? — Rede! Egbert. Wir folgten Deinem Ruf / Ins Feld des Tods, Du weißt, vor wenig Wochen, / Im Wahn, den Du geschickt erregt, / Es gelte Rom und die Tyrannenmacht, / 2130 215 Die unser heil’ges Vaterland zertritt. / Des Tages neueste, unselige Geschichte / Belehrt uns doch, daß wir uns schwer geirrt: / Dem August hast Du Dich, dem Feind’ des Reichs, verbunden, / Und rückst, um eines nicht’gen Streits, / Marbod, dem deutschen Völkerherrn entgegen. / Cherusker, hätt’st Du wissen können, / Leihn, wie die Ubier sich, und Aeduer, nicht, / Die Sclavenkette, die der Römer bringt, / Den deutschen Brüdern um den Hals zu legen. / 2140 Und kurz, daß ich’s, o Herr mit Einem Wort Dir melde: / Dein Heer verweigert muthig Dir den Dienst; / Es folgt zum Sturm nach Rom Dir wenn Du willst, / Doch in des wackern Marbod Lager nicht. / Herrmann (sieht ihn an). Was! hört’ ich recht? Winfried. Ihr Götter des Olymps! / Herrmann. Ihr weigert, ihr Verräther, mir den Dienst? / Winfried (ironisch). Sie weigern Dir den Dienst, Du hörst! Sie wollen / Nur gegen Varus Legionen fechten! / Herrmann (indem er sich den Helm in die Augen drückt). Nun denn, bei Wodans erz’nem Donnerwagen, / So soll ein grimmig Beispiel doch / 2150 Solch’ eine schlechte Regung in Dir strafen! / — Gieb Deine Hand mir her! (er streckt ihm die Hand hin.) Egbert. Wie, mein Gebieter. / Herrmann. Mir Deine Hand, sag’ ich! Du sollst, Du Römerfeind, / Noch heut, auf ihrer Adler Einen, / 216 Im dichtesten Gedräng’ des Kampfs mir treffen! / Noch eh’ die Sonn’ entwich, das merk’ Dir wohl, / Legst Du ihn hier zu Füßen mir darnieder! / Egbert. Auf wen, mein Fürst? Vergieb, daß ich erstaune! / Ist’s Marbod nicht, dem Deine Rüstung —? Herrmann. Marbod? / Meinst Du, daß Herrmann minder deutsch gesinnt, / 2160 Als Du? — Der ist hier diesem Schwerdt verfallen, / Der seinem greisen Haupt ein Haar nur krümmt! — / Auf meinen Ruf, Ihr Brüder, müßt Ihr wissen, / Steht er auf jenen Höhn, durch eine Botschaft / Mir, vor vier Tagen, heimlich schon verbunden! / Und kurz, daß ich mich gleichfalls rund erkläre: / Auf, Ihr Cherusker zu den Waffen! / Doch ihn nicht, Marbod, meinem Freunde, / Germaniens Henkersknecht, Quintilius Varus gilt’s! / Winfried. Das war’s, was Herrmann Euch zu sagen hatte. / 2170 Egbert (freudig). Ihr Götter! Die Feldherrn und Hauptleute (durcheinander). Tag des Jubels und der Freude! / Das Cheruskerheer (jauchzend). Heil, Herrmann, Heil Dir! Heil, Sohn Siegmars, dir! / Daß Wodan Dir den Sieg verleihen mög’! /
217

Zwölfter Auftritt.

Ein Cherusker (tritt auf). Die Vorigen. Der Cherusker. Septimius Nerva kommt, den Du gerufen! / Herrmann. Still, Freunde, still! Das ist der Halsring von der Kette, / Die der Cheruska angethan; / Jetzt muß das Werk der Freiheit gleich beginnen. / Winfried. Wo war er? Herrmann. Bei dem Brand’ in Arkon, nicht? / Beschäftiget zu retten und zu helfen? / Der Cherusker. In Arkon, ja, mein Fürst; bei einer Hütte, / 2180 Die durch den Römerzug, in Feuer aufgegangen. / Er schüttete gerührt dem Eigner / Zwei volle Säckel Geldes aus! / Bei Gott! der ist zum reichen Mann geworden, / Und wünscht noch oft ein gleiches Unheil sich. / Herrmann. Das gute Herz! Winfried. Wo stahl er doch die Säckel? / Herrmann. Dem Nachbar auf der Rechten oder Linken? / Winfried. Er preßt mir Thränen aus. Herrmann. Doch still! Da kömmt er. /
218

Dreizehnter Auftritt.

Septimius (tritt auf). Die Vorigen. Herrmann (kalt). Dein Schwerdt, Septimius Nerva, Du mußt sterben. / Septimius. — Mit wem sprech’ ich? Herrmann. Mit Herrmann, dem Cherusker, / 2190 Germaniens Retter und Befreier / Von Roms Tyrannenjoch! Septimius. Mit dem Armin? — / Seit wann führt der so stolze Titel? / Herrmann. Seit August sich so niedre zugelegt. / Septimius. So ist es wahr? Arminius spielte falsch? / Verrieth die Freunde, die ihn schützen wollten? / Herrmann. Verrieth Euch, ja; was soll ich mit Dir streiten? / Wir sind verknüpft, Marbod und ich, / Und werden, wenn der Morgen tagt, / Den Varus, hier im Walde, überfallen. / 2200 Septimius. Die Götter werden ihre Söhne schützen! / — Hier ist mein Schwerdt! Herrmann (indem er das Schwerdt wieder weggiebt). Führt ihn hinweg, / Und laßt sein Blut, das erste, gleich / Des Vaterlandes dürren Boden trinken! / (Zwei Cherusker ergreifen ihn.) 219 Septimius. Wie, Du Barbar! Mein Blut? Das wirst Du nicht —! / Herrmann. Warum nicht? Septimius (mit Würde). — Weil ich Dein Gefangner bin! / An Deine Siegerpflicht erinnr’ ich Dich! / Herrmann (auf sein Schwerdt gestützt). An Pflicht und Recht! Sieh da, so wahr ich lebe! / Er hat das Buch vom Cicero gelesen. / Was müßt’ ich thun, sag’ an, nach diesem Werk? / 2210 Septimius. Nach diesem Werk? Armseel’ger Spötter, Du! / Mein Haupt, das wehrlos vor Dir steht, / Soll Deiner Rache heilig sein; / Also gebeut Dir das Gefühl des Rechts, / In Deines Busens Blättern aufgeschrieben! / Herrmann (indem er auf ihn einschreitet). Du weißt was Recht ist, Du verfluchter Bube, / Und kamst nach Deutschland, unbeleidigt, / Um uns zu unterdrücken? / Nehmt eine Keule doppelten Gewichts, / Und schlagt ihn todt! / 2220 Septimius. Führt mich hinweg! — hier unterlieg’ ich, / Weil ich mit Helden würdig nicht zu thun! / Der das Geschlecht der königlichen Menschen / Besiegt, in Ost und West, der ward / Von Hunden in Germanien zerrissen: / Das wird die Inschrift meines Grabmals sein! / (er geht ab; Wache folgt ihn.Akkusativ-Dativ-Vermischung. Vgl. editorische Anmerkung zu Vers 788. In BKA emendiert in ›ihm‹.) Das Heer (in der Ferne). Hurrah! Hurrah! Der Nornentag bricht an! /
220

Vierzehnter Auftritt.

Die Vorigen (ohne den Septimius). Herrmann. Steckt das Fanal in Brand, Ihr Freunde, / Zum Zeichen Marbod und den Sueven, / Daß wir nunmehr zum Schlagen fertig sind! / 2230 (ein Fanal wird angesteckt.) Die Barden! He! Wo sind die süßen Alten / Mit ihrem herzerhebendem Gesang? / Winfried. Ihr Sänger, he! Wo steckt Ihr? Egbert. Ha, schau her! / Dort, auf dem Hügel, wo die Fackeln schimmern! / Winfried. Horch! Sie beginnen Dir das Schlachtlied schon! / (Musik.) Chor der Barden (aus der Ferne). Wir litten menschlich seit dem Tage, / Da jener Fremdling eingerückt; / Wir rächten nicht die erste Plage, / Mit Hohn auf uns herabgeschickt; / Wir übten, nach der Götter Lehre, / 2240 Uns durch viel Jahre im Verzeihn: / Doch endlich drückt des Joches Schwere, / Und abgeschüttelt will es sein! / (Herrmann hat sich, mit vorgestützter Hand, an den Stamm einer Eiche gelehnt. — Feierliche Pause. — Die Feldherren sprechen heimlich mit einander.) Winfried (nähert sich ihm). Mein Fürst, vergieb! Die Stunde drängt, / Du wolltest uns den Plan der Schlacht — 221 Herrmann (wendet sich). Gleich, gleich! — / — Du, Bruder, sprich für mich, ich bitte Dich. / (er sinkt, heftig bewegt, wieder an die Eiche zurück.) Ein Hauptmann. Was sagt er? Ein Anderer. Was? Winfried. Laßt ihn. — Er wird sich fassen. / Kommt her, daß ich den Schlachtplan Euch entdecke! / (er versammelt die Anführer um sich.) Wir stürzen uns, das Heer zum Keil geordnet, / Herrmann und ich, vorn an der Spitze, / 2250 Grad auf den Feldherrn des Augustus ein! / Sobald ein Riß das Römerheer gesprengt, / Nimmst Du die erste Legion, / Die zweite Du, die dritte Du! / In Splittern völlig fällt es auseinander. / Das Endziel ist, den Marbod zu erreichen; / Wenn wir zu diesem, mit dem Schwerdt, / Uns kämpfend einen Weg gebahnt, / Wird der uns weitere Befehle geben. / Chor der Barden (fällt wieder ein). Du wirst nicht wanken und nicht weichen, / 2260 Vom Amt, das Du Dir kühn erhöht, / Die Regung wird Dich nicht beschleichen, / Die Dein getreues Volk verräth; / Du bist so mild, o Sohn der Götter, / Der Frühling kann nicht milder sein: / Sei schrecklich heut, ein Schlossenwetter, / Und Blitze laß Dein Antlitz spein! / (die Musik schweigt. — Kurze Pause. — Ein Hörnertusch in der Ferne.) Egbert. Ha! Was war das? 222 Herrmann (in ihre Mitte tretend). Antwortet! Das war Marbod! / (ein Hörnertusch in der Nähe.) Auf! — Mana und die Helden von Walhalla! / (er bricht auf.) Egbert (tritt ihn an). Ein Wort, mein Herr und Herrscher! Winfried! Hört mich! / 2270 Wer nimmt die Deutschen, das vergaßt Ihr, / Die sich dem Zug’ der Römer angeschlossen? / Herrmann. Niemand, mein Freund! Es soll kein deutsches Blut, / An diesenAkkusativ-Dativ-Vermischung. Vgl. editorische Anmerkung zu Vers 788. In BKA emendiert in ›diesem‹. Tag, von deutschen Händen fließen! / Egbert. Was! Niemand! hört’ ich recht? Es wär Dein Wille —? / Herrmann. Niemand! So wahr mir Wodan helfen mög’! / Sie sind mir heilig; ich berief sie, / Sich muthig unsern Schaaren anzuschließen! / Egbert. Was! Die Verräther, Herr, willst Du verschonen, / Die grimm’ger, als die Römer selbst, / 2280 In der Cheruska Herzen wütheten? / Herrmann. Vergebt! Vergeßt! Versöhnt, umarmt und liebt Euch! / Das sind die Wackersten und Beßten, / Wenn es nunmehr die Römerrache gilt! — / Hinweg! — Verwirre das Gefühl mir nicht! / Varus und die Cohorten, sag’ ich Dir; / Das ist der Feind, dem dieser Busen schwillt! / (Alle ab.)
223 Scene: Teutoburg. Garten hinter dem Fürstenzelt. Im Hintergrund ein eisernes Gitter, das in einen, von Felsen eingeschlossenen, öden Eichwald führt.

Funfzehnter Auftritt.

Thusnelda und Gertrud (treten auf). Thusnelda. Was war’s, sag’ an, was Dir Ventidius gestern, / August’s Legat gesagt, als Du ihm früh / Im Eingang des Gezelts begegnetest? / 2290 Gertrud. Er nahm, mit schüchterner Gebehrde, meine Königin, / Mich bei der Hand, und einen Ring / An meinen Finger flüchtig steckend, / Bat und beschwor er mich, bei allen Kindern Zevs, / Ihm in Geheim zu Nacht Gehör zu schaffen, / Bei der, die seine Seele innig liebt. / Er schlug, auf meine Frage: wo? / Hier diesen Park mir vor, wo zwischen Felsenwänden, / Das Volk sich oft vergnügt, den Uhr zu hetzen; / Hier, meint’ er, sei es still, wie an dem Lethe, / 2300 Und keines läst’gen Zeugen Blick zu fürchten, / Als nur der Mond, der ihm zur Seite buhlt. / Thusnelda. Du hast ihm meine Antwort überbracht? / Gertrud. Ich sagt’ ihm: wenn er heut, beim Untergang des Mondes, / Eh noch der Hahn den Tag bekräht, / Den Eichwald, den er meint, besuchen wollte, / Würd’ ihn daselbst die Landesfürstin, / Sie, deren Seele heiß ihn liebt, / Am Eingang gleich, zur Seite rechts, empfangen. / 224 Thusnelda. Und nun hast Du, der Bärin wegen, / 2310 Die Herrmann jüngst im Walde griff, / Mit Childrich, ihrem Wärter, Dich besprochen? / Gertrud. Es ist geschehn, wie mir Dein Mund geboten; / Childerich, der Wärter, führt sie schon heran! — / Doch, meine große Herrscherin, / Hier werf’ ich mich zu Füßen Dir: / Die Rache der Barbaren sei Dir fern! / Es ist Ventidius nicht, der mich mit Sorg’ erfüllt; / Du selbst, wenn nun die That gethan, / Von Reu’ und Schmerz wirst Du zusammenfallen! / 2320 Thusnelda. Hinweg! — Er hat zur Bärin mich gemacht! / Arminius will ich wieder würdig werden! /

Sechzehnter Auftritt.

Childerich (tritt auf, eine Bärin an einer Kette führend). Die Vorigen. Childerich. Heda! Seid ihr’s, Frau Gertrud? Gertrud (steht auf). Gott im Himmel! / Da naht der Allzupünktliche sich schon! / Childerich. Hier ist die Bärin! Gertrud. Wo? Childerich. Seht ihr sie nicht? / 225 Gertrud. Du hast sie an der Kette, will ich hoffen? / Childerich. An Kett’ und Koppel. — Ach, so habt’ Euch doch! / Wenn ich dabei bin, müßt Ihr wissen, / Ist sie so zahm, wie eine junge Katze. / Gertrud. Gott möge ewig mich vor ihr bewahren! — / 2330 S’ist gut, bleib’ mir nur fern, hier ist der Schlüssel, / Thu sie hinein und schleich’ Dich wieder weg. / Childerich. Dort in den Park? Gertrud. Ja, wie ich Dir gesagt. / Childerich. Mein Seel’ ich hoff’, so lang’ die Bärin drinn, / Wird niemand anders sich der Pforte nahn? / Gertrud. Kein Mensch, verlass’ Dich drauf! Es ist ein Scherz nur, / Den meine Frau sich eben machen will. / Childerich. Ein Scherz? Gertrud. Ja, was weiß ich? Childerich. Was für ein Scherz? / Gertrud. Ei, so frag’ Du —! Fort! In den Park hinein! / Ich kann das Thier nicht mehr vor Augen sehn! / 2340 Childerich. Nun, bei den Elfen, hört; nehmt Euch in Acht! / Die Petze hat, wie Ihr befahlt, / Nun seit zwölf Stunden nichts gefressen; / 226 Sie würde Witz, von grimmiger Art, Euch machen, / Wenn’s Euch gelüsten sollte, sie zu necken. / (er läßt die Bärin in den Park und schließt ab.) Gertrud. Fest! Childerich. Es ist Alles gut. Gertrud. Ich sage, fest! / Den Riegel auch noch vor, den eisernen! / Childerich. Ach, was! Sie wird doch keine Klinke drücken? / — Hier ist der Schlüssel! Gertrud. Gut, gieb her! — / Und nun entfernst Du Dich, in das Gebüsch, / 2350 Doch so, daß wir sogleich Dich rufen können. — / (Childerich geht ab.) Schirmt, all’ Ihr guten Götter, mich! / Da schleicht der Unglücksel’ge schon heran! /

Siebzehnter Auftritt.

Ventidius (tritt auf.) — Thusnelda und Gertrud. Ventidius. Dies ist der stille Park, von Bergen eingeschlossen, / Der, auf die Lispelfrage: wo? / Mir gestern in die trunknen Sinne fiel! / Wie mild der Mondschein durch die Stämme fällt! / Und wie der Waldbach fern, mit üppigem Geplätscher, / Vom Rand des hohen Felsens niederrinnt! — / Thusnelda! Komm und lösche diese Glut, / 2360 Soll’ ich, gleich einem jungen Hirsch, / 227 Das Haupt voran, mich in die Flut nicht stürzen! — / Gertrud! — — So hieß ja, dünkt mich, wohl die Zofe, / Die mir versprach, mich in den Park zu führen? / (Gertrud steht und kämpft mit sich selbst.) Thusnelda (mit gedämpfter Stimme). Fort! Gleich! Hinweg! Du hörst! Gieb ihm die Hand, / Und führ’ ihn in den Park hinein! / Gertrud. Geliebte Königin?! Thusnelda. Bei meiner Rache! / Fort, augenblicks, sag’ ich! Gieb ihm die Hand, / Und führ’ ihn in den Park hinein! / Gertrud (fällt ihr zu Füßen). Vergebung, meine Herrscherin, Vergebung! / 2370 Thusnelda (ihr ausweichend). Die Närrin, die verwünschte, die! Sie auch / Ist in das Affenangesicht verliebt! / (sie reißt ihr den Schlüssel aus der Hand und geht zu Ventidius.) Ventidius. Gertrud, bist Du’s? Thusnelda. Ich bin’s. Ventidius. O sei willkommen, / Du meiner Juno süße Iris, / Die mir Elisium eröffnen soll! — / Komm, gieb mir Deine Hand, und leite mich! / — Mit wem sprachst Du? Thusnelda. Thusnelden, meiner Fürstin. / Ventidius. Thusnelden! Wie Du mich entzückst! / Mir wär’ die Göttliche so nah? / 228 Thusnelda. Im Park, dem Wunsch gemäß, den Du geäußert, / 2380 Und heißer Brunst voll harrt sie schon auf Dich! / Ventidius. O so eröffne schnell die Thore mir! / Komm her! Der Saturniden Wonne / Ersetzt mir solche Augenblicke nicht! / (Thusnelda läßt ihn ein. Wenn er die Thür hinter sich hat, wirft sie dieselbe mit Heftigkeit zu, und zieht den Schlüssel ab.)

Achtzehnter Auftritt.

Ventidius (innerhalb des Gitters). — Thusnelda und Gertrud. — (Nachher) Childerich, der Zwin⸗ gerwärter. Ventidius (mit Entsetzen). Zevs, Du, der Götter und der Menschen Vater! / Was für ein Höllen⸗Ungethüm erblick’ ich? / Thusnelda (durch das Gitter). Was giebt’s, Ventidius? Was erschreckt Dich so? / Ventidius. Die zottelschwarze Bärin von Cheruska, / Steht, mit gezückten Tatzen, neben mir! / Gertrud (in die Scene eilend). Du Furie, gräßlicher, als Worte sagen —! / 2390 — He, Childerich! Herbei! Der Zwingerwärter! / Thusnelda. Die Bärin von Cheruska? Gertrud. Childrich! Childrich! / Thusnelda. Thusnelda, bist Du klug, die Fürstin ist’s, / Von deren Haupt, der Livia zur Probe, / 229 Du jüngst die seidne Locke abgelös’t! / Laß den Moment, Dir günstig, nicht entschlüpfen, / Und ganz die Stirn jetzt schmeichelnd scheer’ Ihr ab! / Ventidius. Zevs, Du, der Götter und der Menschen Vater, / Sie bäumt sich auf, es ist um mich geschehn! / Childerich (tritt auf). Ihr Rasenden! Was giebt’s? Was machtet Ihr? / 2400 Wen ließt Ihr in den Zwinger ein, sagt an? / Gertrud. Ventidius, Childrich, Roms Legat, ist es! / Errett’ ihn, beßter aller Menschenkinder, / Eröffn’ den Pfortenring und mach’ ihn frei! / Childerich. Ventidius, der Legat? Ihr heil’gen Götter! / (er bemüht sich das Gitter zu öffnen.) Thusnelda (durch das Gitter). Ach, wie die Borsten, Liebster, schwarz und starr, / Der Livia, Deiner Kaiserin, werden stehn, / Wenn sie um ihren Nacken niederfallen! / Statthalter von Cheruska, grüß’ ich Dich! / Das ist der mindste Lohn, Du treuer Knecht, / 2410 Der Dich für die Gefälligkeit erwartet! / Ventidius. Zevs, Du, der Götter und der Menschen Vater, / Sie schlägt die Klaun in meine weiche Brust! / Thusnelda. Thusneld’? O was! Childerich. Wo ist der Schlüssel, Gertrud? / Gertrud. Der Schlüssel, Gott des Himmels, steckt er nicht? / Childerich. Der Schlüssel, nein! 230 Gertrud. Er wird am Boden liegen. / — Das Ungeheu’r! Sie hält ihn in der Hand. / (auf Thusnelda deutend.) Ventidius (schmerzvoll). Weh mir! Weh mir! Gertrud (zu Childerich). Reiß ihr das Werkzeug weg! / Thusnelda. Sie sträubt sich Dir? Childerich (da Thusnelda den Schlüssel verbirgt). Wie, meine Königin? / Gertrud. Reiß ihr das Werkzeug, Childerich, hinweg! / 2420 (sie bemühen sich, ihr den Schlüssel zu entwinden.) Ventidius. Ach! O des Jammers! Weh mir! O Thusnelda! / Thusnelda. Sag’ ihr, daß Du sie liebst, Ventidius, / So hält sie still und schenkt die Locken Dir! / (sie wirft den Schlüssel weg und fällt in Ohnmacht.) Gertrud. Die Gräßliche! — Ihr ew’gen Himmelsmächte! / Da fällt sie sinnberaubt mir in den Arm! / (sie läßt die Fürstin auf einen Sitz nieder.)

Neunzehnter Auftritt.

Astolf und ein Haufen cheruskischer Krieger (treten auf). — Die Vorigen. Astolf. Was giebt’s, Ihr Fraun? Was für ein Jammerruf, / Als ob der Mord entfesselt wäre, / Schallt aus dem Dunkel jener Eichen dort? / 231 Childerich. Fragt nicht und kommt und helft das Gitter mir zersprengen! / (die Cherusker stürzen in den Park. Pause. — Bald darauf die Leiche des Ventidius, von den Cheruskern getragen, und Chil⸗ derich mit der Bärin.) Astolf (läßt die Leiche vor sich niederlegen). Ventidius, der Legate Roms! — / 2430 Nun, bei den Göttern von Walhalla, / So hab’ ich einen Spieß an ihm gespart! / Gertrud (aus dem Hintergrund). Helft mir, Ihr Leut’, ins Zelt die Fürstin führen! / Astolf. Helft Ihr! Ein Cherusker. Bei allen Göttern, welch’ ein Vorfall? / Astolf. Gleichviel! Gleichviel! Auf! Folgt zum Crassus mir, / Ihn, eh’ er noch die That erfuhr, / Ventidius, dem Legaten, nachzuschicken! (Alle ab.) /
Scene: Teutoburger Wald. Schlachtfeld. Es ist Tag.

Zwanzigster Auftritt.

Marbod (von) Feldherren (umringt, steht auf einem Hügel und schaut in die Ferne). — Komar (tritt auf). Komar. Sieg! König Marbod! Sieg! Und wieder, Sieg! / Von allen zwei und dreißig Seiten, / Durch die der Wind in Deutschlands Felder bläs’t! / 2440 Marbod (von dem Hügel herabsteigend). Wie steht die Schlacht, sag’ an? 232 Ein Feldherr. Laß hören, Komar, / Und spar’ die lusterfüllten Worte nicht! / Komar. Wir rückten, wie Du weißt, beim ersten Strahl der Sonne, / Arminius Plan gemäß, auf die Legionen los; / Doch hier, im Schatten ihrer Adler, / Hier wüthete die Zwietracht schon: / Die deutschen Völker hatten sich empört, / Und rissen heulend ihre Kette los. / Dem Varus eben doch, — der schnell, mit allen Waffen, / Dem pfeilverletzten Eber gleich, / 2450 Auf ihren Haufen fiel, erliegen wollten sie: / Als Brunold hülfreich schon, mit Deinem Heer erschien, / Und ehe Herrmann noch den Punkt der Schlacht erreicht, / Die Schlacht der Freiheit völlig schon entschied. / Zerschellt ward nun das ganze Römerheer, / Gleich einem Schiff, gewiegt in Klippen, / Und nur die Scheitern hülflos irren / Noch auf dem Ocean des Siegs umher! / Marbod. So traf mein Heer der Sueven wirklich / Auf Varus früher ein, als die Cherusker? / 2460 Komar. Sie trafen früher ihn! Arminius selbst, / Er wird gestehn, daß Du die Schlacht gewannst! / Marbod. Auf jetzt, daß ich den Trefflichen begrüße! / (Alle ab.)
233

Einundzwanzigster Auftritt.

Varus (tritt verwundet auf). Da sinkt die große Weltherrschaft von Rom / Vor eines Wilden Witz zusammen, / Und kommt, die Wahrheit zu gestehn, / Mir wie ein dummer Streich der Knaben vor! / Rom, wenn, gebläht von Glück, Du mit drei Würfeln doch, / Nicht neunzehn Augen werfen wolltest! / Die Zeit noch kehrt sich, wie ein Handschuh um, / 2470 Und über uns seh’ ich die Welt regieren, / Jedwede Horde, die der Kitzel treibt. — / Da naht der Derwisch mir, Armin, der Fürst der Uhren, / Der diese Sprüche mich gelehrt. — / Der Rhein, wollt’ ich, wär’ zwischen mir und ihm! / Ich warf, von Schaam erfüllt, dort in dem Schilf des Moors, / Mich in des eignen Schwerdtes Spitze schon; / Doch meine Ribbe, ihm verbunden, / Beschirmte mich; mein Schwerdt zerbrach, / Und nun bin ich dem Seinen aufgespart. — / 2480 Fänd’ ich ein Pferd nur, das mich rettete. /

Zweiundzwanzigster Auftritt.

Herrmann (mit bloßem Schwerdt, von der einen Seite) Fust, Fürst der Cimbern, und Gueltar, Fürst der Ner⸗ vier (von der andern, treten hitzig auf). — Varus. Herrmann. Steh’, Du Tyrannenknecht, Dein Reich ist aus! / Fust. Steh, Höllenhund! 234 Gueltar. Steh’, Wolf vom Tiberstrande, / Hier sind die Jäger, die Dich fällen wollen! / (Fust und Gueltar stellen sich auf Herrmanns Seite) Varus (nimmt ein Schwerdt auf). Nun will ich thun, als führt’ ich zehn Legionen! — / Komm her, Du dort im Fell des zott’gen Löwen, / Und laß mich sehn, ob Du Herakles bist! / (Herrmann und Varus bereiten sich zum Kampf.) Fust (sich zwischen sie werfend). Halt dort, Armin! Du hast des Ruhms genug. / Gueltar (eben so). Halt, sag’ auch ich! Fust. Quintilius Varus / Ist mir, und wenn ich sinke, dem verfallen! / 2490 Herrmann. Wem! Dir? Euch? — Ha! Sieh da! Mit welchem Recht? / Fust. Das Recht, bei Mana, wenn Du es verlangst, / Mit Blut schreib’ ich’s auf Deine schöne Stirn! / Er hat in Schmach und Schande mich gestürzt, / An Deutschland, meinem Vaterlande, / Der Mordknecht, zum Verräther mich gemacht: / Den Schandfleck wasch’ ich ab in seinem Blute, / Das hab’ ich heut, das mußt Du wissen, / Gestreckt am Boden heulend, mir, / Als mir Dein Brief kam, Göttlicher, gelobt! / 2500 Herrmann. Gestreckt am Boden heulend! Sei verwünscht, / Gefallner Sohn des Teut, mit Deiner Reue! / Soll ich von Schmach Dich rein zu waschen, / Den Ruhm, beim Jupiter, entbehren, / Nach dem ich durch zwölf Jahre treu gestrebt? / 235 Komm her, fall’ aus und triff — und verflucht sei, / Wer jenen Römer eh berührt, / Als dieser Streit sich zwischen uns gelös’t! / (sie fechten.) Varus (für sich). Ward solche Schmach im Weltkreis schon erlebt? / Als wär’ ich ein gefleckter Hirsch, / 2510 Der, mit zwölf Enden durch die Forsten bricht! — / Herrmann (hält inne). Gueltar. Sieg, Fust, halt ein! Das Glück hat Dir entschieden. / Fust. Wem? Mir? — Nein, sprich! Gueltar. Beim Styx! Er kann’s nicht läugnen. / Blut röthet ihm den Arm! Fust. Was! Traf ich Dich? / Herrmann (indem er sich den Arm verbindet). Ich wills zufrieden sein. Dein Schwerdt fällt gut. / Da nimm ihn hin. Man kann ihn Dir vertraun. / (er geht, mit einem tödtenden Blick auf Varus, auf die Seite.) Varus (wüthend). Zevs, diesen Uebermuth hilfst Du mir strafen! / Du schnöder, pfauenstolzer Schelm, / Der Du gesiegt, heran zu mir, / Es soll der Tod sein, den Du Dir errungen! / 2520 Fust. Der Tod? Nimm Dich in Acht! Auch noch im Tode / Zapf’ ich das Blut Dir ab, das rein mich wäscht. / (sie fechten; Varus fällt.) Varus. Rom, wenn Du fällst, wie ich: was willst Du mehr? / (er stirbt.) 236 Das Gefolge. Triumph! Triumph! Germaniens Todfeind stürzt! / Heil, Fust, Dir! Heil Dir, Fürst der Cimbern! / Der Du das Vaterland von ihm befreit! (Pause.) / Fust. Herrmann! Mein Bruderherz! Was hab’ ich Dir gethan? / (er fällt ihm um den Hals.) Herrmann. Nun, es ist Alles gut. Gueltar (umhals’t ihn gleichfalls). Du bist verwundet —! / Fust. Das Blut des besten Deutschen fällt in Staub. / Herrmann. Ja, allerdings. Fust. Daß mir die Hand verdorrte! / 2530 Gueltar. Komm her, soll ich das Blut Dir saugen? / Fust. Mir laß — mir, mir! Herrmann. Ich bitt’ Euch, meine Freunde —! / Fust. Herrmann, Du bist mir bös, mein Bruderherz, / Weil ich den Siegskranz schelmisch Dir geraubt?! / Herrmann. Du bist nicht klug! Vielmehr, es macht mich lachen! / Laß einen Herold gleich nur kommen, / Der Deinen Namen ausposaune: / Und mir schaff einen Arzt, der mich verbindet. / (er lacht und geht ab.) Das Gefolge. Kommt! hebt die Leiche auf und tragt sie fort! / (Alle ab).
237 Scene: Teutoburg. Platz unter Trümmern.

Dreiundzwanzigster Auftritt.

Thusnelda (mit ihren) Frauen. — (Ihr zur Seite) Egin⸗ hardt und Astolf. — (Im Hintergrunde) Wolf, Thuis⸗ komar, Dagobert, Selgar. — Herrmann (tritt auf. Ihm folgen) Fust, Gueltar, Winfried, Eg⸗ bert und Andere. Wolf u.s.w. Heil, Herrmann! Heil Dir, Sieger der Cohorten! / 2540 Germaniens Retter, Schirmer und Befreier! / Herrmann. Willkommen, meine Freunde! Thusnelda (an seinem Busen). Mein Geliebter! / Herrmann (empfängt sie). Mein schönes Thuschen! Heldin, grüß’ ich Dich! / Wie groß und prächtig hast Du Wort gehalten? / Thusnelda. Das ist geschehn. Laß sein. Herrmann. Doch scheinst Du blaß? / (er betrachtet sie mit Innigkeit. — Pause.) Wie steht’s, Ihr deutschen Herrn! Was bringt Ihr mir? / Wolf. Uns selbst, mit Allem jetzt, was wir besitzen! / Hally, die Jungfrau, die geschändete, / Die Du, des Vaterlandes Sinnbild, / Zerstückt in alle Stämme hast geschickt, / 2550 Hat unsrer Völker Langmuth aufgezehrt. / 238 In Waffen siehst Du ganz Germanien lodern, / Den Gräul zu strafen, der sich ihr verübt: / Wir aber kamen her, Dich zu befragen, / Wie Du das Heer, das wir ins Feld gestellt, / Im Krieg nun gegen Rom gebrauchen willst? / Herrmann. Harrt einen Augenblick, bis Marbod kömmt, / Der wird bestimmteren Befehl Euch geben! — / Astolf. Hier leg’ ich Crassus Schwerdt zu Füßen Dir! / Herrmann (nimmt es auf). Dank, Freund, für jetzt! Die Zeit auch kömmt, das weißt Du, / 2560 Wo ich Dich zu belohnen wissen werde! / (er giebt es weg.) Eginhardt. Doch hier, o Herr, schau her! Das sind die Folgen / Des Kampfs, den Astolf mit den Römern kämpfte: / Ganz Teutoburg siehst Du in Schutt und Asche! / Herrmann. Mag sein! Wir bauen uns ein schön’res auf. / Ein Cherusker (tritt auf). Marbod, der Fürst der Sueven, naht sich Dir! / Du hast geboten, Herr, es Dir zu melden. / Herrmann. Auf, Freunde! Laßt uns ihm entgegen eilen! /
239

Letzter Auftritt.

Marbod mit Gefolge (tritt auf. Hinter ihm, von einer Wache geführt) Aristan, Fürst der Ubier (in Fesseln). — Die Vorigen. Herrmann (beugt ein Knie vor ihm). Heil, Marbod, meinem edelmüth’gen Freund! / Und wenn Germanien meine Stimme hört: / 2570 Heil seinem großen Oberherrn und König! / Marbod. Steh’ auf, Arminius, wenn ich reden soll! / Herrmann. Nicht eh’r, o Herr, als bis Du mir gelobt, / Nun den Tribut, der uns entzweite, / Von meinem Kämmrer huldreich anzunehmen! / Marbod. Steh auf, ich wiederhol’s! Wenn ich Dein König, / So ist mein erst Gebot an Dich: steh’ auf! / (Herrmann steht auf.) Marbod (beugt ein Knie vor ihm). Heil, ruf’ ich, Herrmann, Dir, dem Retter von Germanien! / Und wenn es meine Stimme hört: / Heil seinem würd’gen Oberherrn und König! / 2580 Das Vaterland muß einen Herrscher haben, / Und weil die Krone sonst, zur Zeit der grauen Väter, / Bei Deinem Stamme rühmlich war: / Auf Deine Scheitel falle sie zurück! / Die suevischen Feldherrn. Heil, Herrmann! Heil Dir, König von Germanien! / So ruft der Suev’, auf König Marbods Wort! / Fust (vortretend). Heil, ruf’ auch ich, beim Jupiter! 240 Gueltar. Und ich! / Wolf und Thuiskomar. Heil, König Herrmann, alle Deutschen Dir! / (Marbod steht auf.) Herrmann (umarmt ihn). Laß diese Sach’, beim nächsten Mondlicht, uns, / Wenn die Druiden Wodan opfern, / 2590 In der gesammten Fürsten Rath, entscheiden! / Marbod. Es sei! Man soll im Rath die Stimmen sammeln. / Doch bis dahin, das weigre nicht, / Gebeutst Du als Regent und führst das Heer! / Dagobert und Selgar. So sei’s! — Beim Opfer soll die Wahl entscheiden. / Marbod (indem er einige Schritte zurückweicht). Hier übergeb’ ich, Oberster der Deutschen, / (er winkt der Wache.) Den ich in Waffen aufgefangen, / Aristan, Fürsten Dir der Ubier! / Herrmann (wendet sich ab). Weh mir! Womit muß ich mein Amt beginnen? / Marbod. Du wirst nach Deiner Weisheit hier verfahren. / 2600 Herrmann (zu Aristan). — Du hattest, Du Unseeliger, vielleicht / Den Ruf, den ich den deutschen Völkern, / Am Tag der Schlacht erlassen, nicht gelesen? / Aristan (keck). Ich las, mich dünkt, ein Blatt von Deiner Hand, / Das für Germanien in den Kampf mich rief! / Jedoch was galt Germanien mir? / Der Fürst bin ich der Ubier, / 241 Beherrscher eines freien Staats, / In Fug und Recht, mich jedem, wer es sei, / Und also auch dem Varus zu verbinden! / 2610 Herrmann. Ich weiß, Aristan. Diese Denkart kenn’ ich. / Du bist im Stand’ und treibst mich in die Enge, / Fragst, wo und wann Germanien gewesen? / Ob in dem Mond? Und zu der Riesen Zeiten? / Und was der Witz sonst an die Hand Dir giebt; / Doch jetzo, ich versichre Dich, jetzt wirst Du / Mich schnell begreifen, wie ich es gemeint: / Führt ihn hinweg und werft das Haupt ihm nieder! / Aristan (erblaßt). Wie, Du Tyrann! Du scheutest Dich so wenig —? / Marbod (halblaut, zu Wolf). Die Lektion ist gut. Wolf. Das sag’ ich auch. / 2620 Fust. Was gilts, er weiß jetzt, wo Germanien liegt? / Aristan. Hört mich, Ihr Brüder —! Herrmann. Führt ihn hinweg! / Was kann er sagen, das ich nicht schon weiß? / (Aristan wird abgeführt.) Ihr aber kommt, ihr wackern Söhne Teuts, / Und laßt, im Hain der stillen Eichen, / Wodan für das Geschenk des Siegs uns danken! — / Uns bleibt der Rhein noch schleunig zu ereilen, / Damit vorerst der Römer keiner / Von der Germania heil’gem Grund entschlüpfe: / 242 Und dann — nach Rom selbst muthig aufzubrechen! / 2630 Wir oder unsre Enkel, meine Brüder! / Denn eh’ doch, seh’ ich ein, erschwingt der Kreis der Welt / Vor dieser Mordbrut keine Ruhe, / Als bis das Raubnest ganz zerstört, / Und nichts, als eine schwarze Fahne, / Von seinem öden Trümmerhaufen weht! /
Die Herrmannsschlacht. Ein Drama.

Quellenangabe für Zitat:
https://kleist-digital.de/dramen/herrmannsschlacht [ + Angabe von Zeile / Vers oder Seite ], 27.01.2023

Apparat

Zur Textkonstitution

Textwiedergabe nach Erstdruck:
[D1] Heinrich v. Kleist: Die Herrmannsschlacht. Ein Drama. Berlin: Reimer, 1821.

Zugrunde gelegtes Exemplar:

  • BSB. Bayerische Staatsbibliothek. Sigle: germ 728

Editorische Anmerkungen

  • 190 Veſten Wird hier in ›Weſten‹ emendiert, wobei nicht ganz auszuschließen ist, dass ›Veſten‹ hier in der Bedeutung von Festungen stehen soll. In Verbindung mit Vers 178 ›im Oſten Deiner Staaten‹ ist allerdings eine Emendation in ›Weſten‹ plausibler. DKV belässt es bei ›Veſten‹.
  • 788DenIn der BKA wird in ›Dem‹ emendiert. Es handelt sich hier eher um eine der vielen im märkischen Dialekt bis heute vorhandenen Vermischungen von Dativ- und Akkusativformen, die sich auch in Kleists Texten häufig finden.
  • 995Thuschen!Korrumpierter Druck: Im zugrundegelegten Exemplar ist nur ein Punkt statt eines Ausrufezeichens erkennbar. Nach BKA ist das Ausrufezeichen in anderen Exemplaren jedoch sichtbar. Vgl. BKA I/7, S. 63
  • 1344er giebt ihnAkkusativ-Dativ-Vermischung. Vgl. editorische Anmerkung zu Vers 788. In BKA emendiert in ›er giebt ihm‹.
  • 1862adenAkkusativ-Dativ-Vermischung. Vgl. editorische Anmerkung zu Vers 788. In BKA emendiert in ›dem‹.
  • nach 2226ihn.Akkusativ-Dativ-Vermischung. Vgl. editorische Anmerkung zu Vers 788. In BKA emendiert in ›ihm‹.
  • 2274dieſenAkkusativ-Dativ-Vermischung. Vgl. editorische Anmerkung zu Vers 788. In BKA emendiert in ›diesem‹.
 Emendationen (insges. 17)
  • 16StnrzSturz
  • 80EsEr
  • 190VeſtenWeſten
  • 507Tuschen!Thuschen!
  • 557auf;auf!
  • 606ſteht(ſteht
  • 868ichich.
  • 1181CicheEiche
  • 1191Quitilius,Quintilius,
  • 1198Herrn.Herrn,
  • 1249Quitilius!Quintilius!
  • 1308Schick’ſchick’
  • 1367Seit’Seit
  • 1549ſie.ſie.)
  • 1729Laßlaß
  • 1924ſchudlos,ſchuldlos,
  • vor 2569eineein
Pagina Kleist-Ausgaben
  • [BKA] I/7 7–173
  • [MA] I 629–744
  • [DKV] II 447–554
  • [SE:1993] I 533–628
  • [Bremer:2011 (Reclam)] 5–125
 Vergleich Editionen

Die durchgeführte Kollation mit unterschiedlichen historischen und aktuellen Kleist-Editionen zeigt bestimmte Lesarten und Emendationen, die von der vorliegenden emendierten Fassung abweichen. In den Anmerkungen finden sich hierzu häufig nähere Erläuterungen. (Gelegentlich ist die Ursache für Abweichungen ein Transkriptionsfehler in der jeweiligen Edition.)

Disclaimer: Abweichungen, die ihren Grund in typographisch bedingten Normalisierungen und Standardisierungen haben, werden nicht angezeigt. Ein Anspruch auf Vollständigkeit kann nicht erhoben werden. Mitgeteilte Abweichungen müssen am Original überprüft werden.

[BKA:1989] [1 Abw.]
  • 1258vor ] BKA emendiert in ›von‹.
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