Die Herrmannsschlacht. Ein Drama.
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Perſonen.
Herrmann, Fürſt der Cherusker. Thusnelda, ſeine Gemahlin.Erſter Akt.
Scene: Gegend im Wald, mit einer Jagdhütte.Erſter Auftritt.
Wolf, Fürſt der Katten, Thuiskomar Fürſt der Sicambrier, Dagobert, Fürſt der Marſen, Sel⸗gar, Fürſt der Brukterer und Andere (treten, mit
Pfeil und Bogen, auf.) Wolf (indem er ſich auf dem Boden wirft). Es iſt umſonſt, Thuskar, wir ſind verloren!/ Rom, dieſer Rieſe, der, das Mittelmeer beſchreitend,/ Gleich dem Coloß von Rhodus, trotzig,/ Den Fuß auf Oſt und Weſten ſetzet,/ Des Parthers muth’gen Nacken hier,/ Und dort den tapfern Gallier niedertretend: / Er wirft auch jetzt uns Deutſche in den Staub. / Gueltar, der Nervier und Fuſt, der Fürſt der Cimbern, / Erlagen dem Auguſtus ſchon; / Holm auch, der Frieſe, wehrt ſich nur noch ſterbend; / 10 Ariſtan hat, der Ubier, / Der ungroßmüthigſte von allen deutſchen Fürſten, / In Varus Arme treulos ſich geworfen; / Und Herrmann, der Cherusker, endlich, / 112 Zu dem wir, als dem letzten Pfeiler, uns, / Im allgemeinen Sturz Germanias, geflüchtet, / Ihr ſeht es, Freunde, wie er uns verhöhnt: / Statt die Legionen muthig aufzuſuchen, / In ſeine Forſten ſpielend führt er uns, / Und läßt den Hirſch uns und den Uhr beſiegen. / 20 Thuiskomar. (zu Dagobert und Selgar, die im Hintergrund auf und nieder gehen.) Er muß hier dieſe Briefe leſen! / — Ich bitt’ Euch, meine Freunde, wanket nicht, / Bis die Verrätherei des Varus ihm eröffnet. / Ein förmlicher Vertrag ward jüngſt, / Geſchloſſen zwiſchen mir und ihm: / Wenn ich dem Fürſten mich der Frieſen nicht verbände, / So ſolle dem Auguſt mein Erbland heilig ſeyn; / Und hier, ſeht dieſen Brief, ihr Herrn, / Mein Erbland iſt von Römern überflutet. / Der Krieg, ſo ſchreibt der falſche Schelm, / 30 In welchem er mit Holm, dem Frieſen, liege, / Erfordere, daß ihm Sicambrien ſich öffne: / Und meine Freundſchaft für Auguſtus laſſ’ ihn hoffen, / Ich werd’ ihm dieſen dreiſten Schritt, / Den Noth ihm dringend abgepreßt, verzeihn. / Laßt Herrmann, wenn er kömmt, den Gaunerſtreich uns melden: / So kommt gewiß, Freund Dagobert, / Freund Selgar, noch der Bund zu Stande, / Um deſſenthalb wir hier bei ihm verſammelt ſind. / Dagobert. Freund Thuiskomar! Ob ich dem Bündniß mich, / 40 Das dieſe Fremdlinge aus Deutſchland ſoll verjagen, / Anſchließen werd’, ob nicht: darüber, weißt Du, / Entſcheidet hier ein Wort aus Selgars Munde! / Auguſtus trägt, Roms Kaiſer, mir, / Wenn ich mich ſeiner Sache will vermählen, / 113 Das ganze, jüngſt dem Arioviſt entriſſne, / Reich der Narisker an — / (Wolf und Thuiskomar machen eine Bewegung.) Nichts! Nichts! Was fahrt Ihr auf? Ich will es nicht! / Dem Vaterlande bleib’ ich treu, / Ich ſchlag’ es aus, ich bin bereit dazu. / 50 Doch der hier, Selgar, ſoll, der Fürſt der Brukterer, / Den Strich mir, der mein Eigenthum, / An dem Geſtad’ der Lippe überlaſſen; / Wir lagen längſt im Streit darum. / Und wenn er mir Gerechtigkeit verweigert, / Selbſt jetzt noch, da er meiner Großmuth braucht, / So werd’ ich mich in euren Krieg nicht miſchen. / Selgar. Dein Eigenthum! Sieh da! Mit welchem Rechte / Nennſt Du, was mir verpfändet, Dein, / Bevor das Pfand, das Horſt, mein Ahnherr, zahlte, / 60 An ſeinen Enkel Du zurückgezahlt? / Iſt jetzt der würd’ge Augenblick, / Zur Sprache ſolche Zwiſtigkeit zu bringen? / Eh’ ich, Unedelmüth’gem, Dir / Den Strich am Lippgeſtade überlaſſe, / Eh’ will an Auguſts Heere ich / Mein ganzes Reich, mit Haus und Hof verlieren! / Thuiskomar (dazwiſchen tretend). O meine Freunde! Ein Fürſt (ebenſo). Selgar! Dagobert! / (man hört Hörner in der Ferne.) Ein Cherusker (tritt auf). Herrmann, der Fürſt, kommt! Thuiskomar. Laßt den Strich, ich bitt’ Euch, / 114 Ruhn, an der Lippe, bis entſchieden iſt, / 70 Wem das geſammte Reich Germaniens gehört! / Wolf (indem er ſich erhebt). Da haſt Du recht! Es bricht der Wolf, o Deutſchland, / In Deine Hürde ein, und Deine Hirten ſtreiten / Um eine Handvoll Wolle ſich. /
Zweiter Auftritt.
Thusnelda (den) Ventidius aufführend. Ihr folgt) Herr⸗mann, Scäpio, ein Gefolge von Jägern und
ein leerer römiſcher Wagen mit vier breit⸗
geſpannten weißen Roſſen. Thusnelda. Heil dem Ventidius Carbo! Römerritter! / Dem kühnen Sieger des gehörnten Uhrs! / Das Gefolge. Heil! Heil! Thuiskomar. Was! Habt ihr ihn? Herrmann. Hier, ſeht, Ihr Freunde! / Man ſchleppt ihn bei den Hörnern ſchon herbei! / (der erlegte Auerochs wird herangeſchleppt.) Ventidius. Ihr deutſchen Herrn, der Ruhm gehört nicht mir! / Er kommt Thusnelden, Herrmanns Gattin, / 80 Kommt der erhabenen Cheruskerfürſtin zu! / Ihr Pfeil, auf mehr denn hundert Schritte, / Warf mit der Macht des Donnerkeils ihn nieder, / Und, Sieg! rief, wem ein Odem ward; / Der Uhr hob plötzlich nur, mit pfeildurchbohrtem Nacken / 115 Noch einmal ſich vom Sand’ empor: / Da kreuzt’ ich ſeinen Nacken durch noch einen. / Thusnelda. Du häufſt, Ventidius, Siegsruhm auf die Scheitel, / Die Du davon entkleiden willſt. / Das Thier ſchoß, von dem Pfeil gereizt, den ich entſendet, / 90 Mit wutherfüllten Sätzen auf mich ein, / Und ſchon verloren glaubt’ ich mich; / Da half Dein beſſrer Schuß dem meinen nach, / Und warf es völlig leblos vor mir nieder. / Scäpio. Bei allen Helden des Homers! / Dir ward ein Herz von par’ſchem Marmel, Fürſtin! / Des Todes Nacht ſchlug über mich zuſammen, / Als es gekrümmt, mit auf die Bruſt / Geſetzten Hörnern, auf Dich ein, / Das rachentflammte Unthier, wetterte: / 100 Und Du, Du wichſt, Du wankteſt nicht — was ſag’ ich? / Sorg’ überflog, mit keiner Wolke, / Den heitern Himmel Deines Angeſichts! / Thusnelda (muthwillig). Was ſollt’ ich fürchten, Scäpio, / So lang Ventidius mir zur Seite ſtand. / Ventidius. Du warſt des Todes gleichwohl, wenn ich fehlte. / Wolf (finſter). — Stand ſie im Freien, als ſie ſchoß? Ventidius. Die Fürſtin? / Scäpio. Nein — hier im Wald. Warum? Ventidius. Ganz in der Nähe, / Wo kreuzend durch die Forſt die Wildbahn bricht. / 116 Wolf (lachend). Nun denn, beim Himmel —! Thuiskomar. Wenn ſie im Walde ſtand — / 110 Wolf. Ein Auerochs iſt keine Katze, / Und geht, ſoviel bekannt mir, auf die Wipfel / Der Pinien und Eichen nicht. / Herrmann (abbrechend). Kurz, Heil ruf’ ich Ventidius noch einmal, / Des Uhrs, des hornbewehrten, Sieger, / Und der Thusnelda Retter obenein! / Thusnelda (zu Herrmann). Vergönnſt Du mein Gebieter mir, / Nach Teutoburg nunmehr zurückzukehren? / (ſie giebt den Pfeil und Bogen weg.) Herrmann (wendet ſich). Holla! Die Pferd’! Ventidius (halblaut, zu Thusnelden). Wie, Göttliche, Du willſt —? / (ſie ſprechen heimlich zuſammen.) Thuiskomar (die Pferde betrachtend). Schau, die Quadriga, die Auguſt Dir ſchenkte? / 120 Selgar. Die Pferd’ aus Rom? Herrmann (zerſtreut). Aus Rom, beim Jupiter! / Ein Zug, wie der Pelid’ ihn nicht geführt! / Ventidius (zu Thusnelda). Darf ich in Teutoburg —? Thusnelda. Ich bitte Dich. / Herrmann. Ventidius Carbo! Willſt Du ſie begleiten? / 117 Ventidius. Mein Fürſt! Du machſt zum Seel’gen mich — (er giebt Pfeil und Bogen gleichfalls weg; officiös.) Wann wohl vergönnſt Du, / Vor Deinem Thron, o Herr, in Ehrfurcht / Dir eine Botſchaft des Auguſtus zu entdecken? / Herrmann. Wenn Du begehrſt, Ventidius! Ventidius. So werd’ ich / Dir mit der nächſten Sonne Strahl erſcheinen. / Herrmann. Auf denn! — Ein Roß dem Scäpio, ihr Jäger! / 130 — Gieb Deine Hand, Thusnelda mir! / (er hebt, mit Ventidius, Thusnelda in den Wagen; Ventidius folgt ihr.) Thusnelda (ſich aus dem Wagen herausbeugend). Ihr Herrn, wir ſehn uns an der Tafel doch? / Herrmann (zu den Fürſten). Wolf! Selgar! Redet! Die Fürſten. Zu Deinem Dienſt, Erlauchte! / Wir werden gleich nach dem Gezelt Dir folgen. / Herrmann. Wohlauf, Ihr Jäger! Laßt das Horn dann ſchmettern, / Und bringt ſie im Triumph nach Teutoburg! / (der Wagen fährt ab; Hörnermuſik.) 118
Dritter Auftritt.
Herrmann, Wolf, Thuiskomar, Dagobert und Selgar (laſſen ſich, auf eine Raſenbank, um einen ſteinernen Tiſchnieder, der vor der Jagdhütte ſteht). Herrmann. Setzt Euch, Ihr Freunde! Laßt den Becher / Zur Letzung jetzt der müden Glieder kreiſen! / Das Jagen ſelbſt iſt weniger das Feſt, / Als dieſer heitre Augenblick, / 140 Mit welchem ſich das Feſt der Jagd beſchließet! / (Knaben bedienen ihn mit Wein.) Wolf. O könnten wir, beim Mahle, bald / Ein andres größres Siegsfeſt ſelig feiern! / Wie durch den Hals des Uhrs Thusneldens ſichre Hand / Den Pfeil gejagt: o Herrmann! könnten wir / Des Krieges eh’rnen Bogen ſpannen, / Und, mit vereinter Kraft, den Pfeil der Schlacht zerſchmetternd / So durch den Nacken hin des Römerheeres jagen, / Das in den Feldern Deutſchlands aufgepflanzt! / Thuiskomar. Haſt Du gehört, was mir geſchehn? / 150 Daß Varus treulos den Vertrag gebrochen, / Und mir Sicambrien mit Römern überſchwemmt? / Sieh, Holm, der Frieſen wackern Fürſten, / Der durch das engſte Band der Freundſchaft mir verbunden: / Als jüngſt die Rach’ Auguſtus auf ihn fiel, / Mir die Legionen fern zu halten, / Gab ich der Rach’ ihn des Auguſtus Preis. / So lang’ an dem Geſtad’ der Ems der Krieg nun wüthet, / Mit keinem Wort, ich ſchwör’s mit keinem Blick, / Bin ich zu Hülfe ihm geeilt; / 160 Ich hütet’, in Calpurns, des Römerboten, Nähe, / 119 Die Mienen, Herrmann, die ſich traurend / Auf des verlornen Schwagers Seite ſtellten: / Und jetzt — noch um den Lohn ſeh’ ich / Mich der fluchwürdigen Feigherzigkeit betrogen: / Varus führt die Legionen mir ins Land, / Und gleich, als wär’ ich Auguſts Feind, / Wird es jedwedem Gräul des Krieges preisgegeben. / Herrmann. Ich hab’ davon gehört, Thuiskar. / Ich ſprach den Boten, der die Nachricht / 170 Dir eben aus Sicambrien gebracht. / Thuiskomar. Was nun — was wird für Dich davon die Folge ſein? / Marbod, der herrſchensgier’ge Suevenfürſt, / Der, fern von den Sudeten kommend, / Die Oder rechts und links die Donau überſchwemmt, / Und ſeinem Scepter (ſo erklärt er) / Ganz Deutſchland ſiegreich unterwerfen will: / Am Weſerſtrom, im Oſten Deiner Staaten, / Mit einem Heere ſteht er da, / Und den Tribut hat er Dir abgefordert. / 180 Du weißt, wie oft Dir Varus ſchon / Zu Hülfe ſchelmiſch die Cohorten bot. / Nur allzuklar ließ er die Abſicht ſehn, / Den Adler auch im Land Cheruskas aufzupflanzen; / Den ſchlauſten Wendungen der Staatskunſt nur / Gelang es, bis auf dieſen Tag, / Dir den bösart’gen Gaſt entfernt zu halten. / Nun iſt er bis zur Lippe vorgerückt; / Nun ſteht er, mit drei Legionen, / In Deines Landes Weſten drohend da: / 190 Nun mußt Du, wenn er es in Auguſts Namen fordert, / Ihm Deiner Plätze Thore öffnen: / Du haſt nicht mehr die Macht, es ihm zu wehren. / 120 Herrmann. Gewiß. Da ſiehſt Du richtig. Meine Lage / Iſt in der That bedrängter als jemals. / Thuiskomar. Beim Himmel, wenn Du ſchnell nicht hilfſt, / Die Lage eines ganz Verlornen! / — Daß ich, mein wackrer Freund, Dich in dies Irrſaal ſtürzte, / Durch Schritte, wenig klug und überlegt, / Gewiß, ich fühl’s mit Schmerz, im Innerſten der Bruſt. / 200 Ich hätte nimmer, fühl’ ich, Frieden / Mit dieſen Kindern des Betruges ſchließen, / Und dieſen Varus, gleich dem Wolf der Wüſte, / In einem ew’gen Streit, bekriegen ſollen. / — Das aber iſt geſchehn, und wenig frommt, Du weißt, / In das Vergangene ſich reuig zu verſenken. / Was wirſt Du, fragt ſich, nun darauf beſchließen? / Herrmann. Ja! Freund! Davon kann kaum die Red’ noch ſein. — / Nach Allem, was geſchehn, find’ ich / Läuft nun mein Vortheil ziemlich mit des Varus, / 210 Und wenn er noch darauf beſteht, / So nehm’ ich ihn in meinen Gränzen auf. / Thuiskomar (erſtaunt). Du nimmſt ihn — was? Dagobert. In Deines Landes Gränze? — / Selgar. Wenn Varus drauf beſteht, Du nimmſt ihn auf? / Thuiskomar. Du Raſender! Haſt Du auch überlegt? — / Dagobert. Warum? Selgar. Weshalb, ſag’ an? 121 Dagobert. Zu welchem Zweck? / Herrmann. — Mich gegen Marbod zu beſchützen, / Der den Tribut mir trotzig abgefordert. / Thuiskomar. Dich gegen Marbod zu beſchützen! / Und Du weißt nicht, Unſeliger, daß er / 220 Den Marbod ſchelmiſch gegen Dich erregt, / Daß er mit Geld und Waffen heimlich / Ihn unterſtützt, ja, daß er Feldherrn / Ihm zugeſandt, die in der Kunſt ihn tückiſch, / Dich aus dem Feld zu ſchlagen, unterrichten? / Herrmann. Ihr Freund’, ich bitt’ Euch, kümmert Euch / Um meine Wohlfahrt nicht! Bei Wodan, meinem hohen Herrn! / So weit im Kreiſe mir der Welt / Das Heer der munteren Gedanken reichet, / Erſtreb’ ich und bezweck’ ich nichts, / 230 Als jenem Römerkaiſer zu erliegen. / Das aber mögt’ ich gern mit Ruhm, Ihr Brüder, / Wie’s einem deutſchen Fürſten ziemt: / Und daß ich das vermög’, im ganzen vollen Maaße, / Wie ſich’s die frei Seele glorreich denkt — / Will ich allein ſtehn, und mit Euch mich — / — Die manch’ ein andrer Wunſch zur Seite lockend zieht, — / In dieſer wicht’gen Sache nicht verbinden. / Dagobert. Nun, bei den Nornen! Wenn Du ſonſt nichts willſt, / Als dem Auguſt erliegen —?! (er lacht.) Selgar. — Man kann nicht ſagen, / 240 Daß hoch Arminius das Ziel ſich ſtecket! / 122 Herrmann. So! — / Ihr würdet beide Euren Witz vergebens / Zuſammenlegen, dieses Ziel, / Das vor der Stirn Euch dünket, zu erreichen. / Denn ſetzt einmal, ihr Herrn, ihr ſtündet / (Wohin ihr es im Lauf der Ewigkeit nicht bringt) / Dem Varus kampfverbunden gegenüber; / Im Grund’ moraſt’ger Thäler er, / Auf Gipfeln waldbekränzter Felſen ihr: / So dürft’ er Dir nur, Dagobert, / 250 Selgar, Dein Lippgeſtad’ verbindlich ſchenken: / Bei den fuchshaarigen Alraunen, ſeht, / Den Römer laßt ihr beid’ im Stich, / Und fallt Euch, wie zwei Spinnen, ſelber an. / Wolf (einlenkend). Du hältſt nicht eben hoch im Werth uns, Vetter! / Es ſcheint, das Bündniß nicht ſowohl, / Als die Verbündeten mißfallen Dir. / Herrmann. Verzeiht! — Ich nenn’ Euch meine wackern Freunde, / Und will mit dieſem Wort, das glaubt mir, mehr, als Euren / Verletzten Buſen höflich bloß verſöhnen. / 260 Die Zeit ſtellt, heißen Drangs voll, die Gemüther / Auf eine ſchwere Prob’; und manchen kenn’ ich beſſer, / Als er in dieſem Augenblick ſich zeigt. / Wollt’ ich auf Erden irgend was erringen, / Ich würde glücklich ſein, könnt’ ich mit Männern mich, / Wie hier um mich verſammelt ſind, verbinden; / Jedoch, weil Alles zu verlieren bloß / Die Abſicht iſt — ſo läßt, begreift ihr, / Solch’ ein Entſchluß nicht wohl ein Bündniß zu: / Allein muß ich, in ſolchem Kriege, ſtehn, / 270 Verknüpft mit niemand, als nur meinem Gott. / 123 Thuiskomar. Vergieb mir, Freund, man ſieht nicht ein, / Warum nothwendig wir erliegen ſollen; / Warum es ſoll unmöglich ganz, / Undenkbar ſein (wenn es auch ſchwer gleich ſein mag), / Falls wir nur ſonſt vereint, nach alter Sitte, wären, / Den Adler Roms, in einer muntern Schlacht, / Aus unſerm deutſchen Land hinwegzujagen. / Herrmann. Nein, nein! Das eben iſt’s! Der Wahn, Thuiskar, / Der ſtürzt juſt rettungslos Euch ins Verderben hin! / 280 Ganz Deutſchland iſt verloren ſchon, / Dir der Sicambern Thron, der Thron der Katten Dir, / Der Marſen’ dem, mir der Cherusker, / Und auch der Erb’, bei Hertha! ſchon benannt: / Es gilt nur bloß noch jetzt, ſie abzutreten. / Wie wollt Ihr doch, Ihr Herrn, mit dieſem Heer des Varus / Euch meſſen — an eines Haufens Spitze, / Zuſammen aus den Waldungen gelaufen, / Mit der Cohorte, der gegliederten, / Die, wo ſie geht und ſteht, des Geiſtes ſich erfreut? / 290 Was habt Ihr, ſagt doch ſelbſt, das Vaterland zu ſchirmen, / Als nur die nackte Bruſt allein, / Und Euren Morgenſtern; indeſſen jene dort / Gerüſtet mit der ehrnen Waffe kommen, / Die ganze Kunſt des Kriegs entfaltend, / In den vier Himmelsſtrichen ausgelernt? / Nein, Freunde, ſo gewiß der Bär dem ſchlanken Löwen / Im Kampf erliegt, ſo ſicherlich / Erliegt ihr, in der Feldſchlacht, dieſen Römern. / Wolf. Es ſcheint, Du hältſt dies Volk des fruchtumblühten Latiens / 300 Für ein Geſchlecht von höh’rer Art, / Beſtimmt, uns roh’re Kauze zu beherrſchen? / 124 Herrmann. Hm! In gewiſſem Sinne ſag’ ich: ja. / Ich glaub’, der Deutſch’ erfreut ſich einer größern / Anlage, der Italier doch hat ſeine mindre / In dieſem Augenblicke mehr entwickelt. / Wenn ſich der Barden Lied erfüllt, / Und, unter einem Königsſcepter, / Jemals die ganze Menſchheit ſich vereint, / So läßt, daß es ein Deutſcher führt, ſich denken, / 310 Ein Britt’ ein Gallier, oder wer Ihr wollt; / Doch nimmer jener Latier, beim Himmel! / Der keine andre Volksnatur / Verſtehen kann und ehren, als nur ſeine. / Dazu am Schluß der Ding’ auch kommt es noch; / Doch bis die Völker ſich, die dieſe Erd’ umwogen, / Noch jetzt vom Sturm der Zeit gepeitſcht, / Gleich einer See, ins Gleichgewicht geſtellt, / Kann es leicht ſein, der Habicht rupft / Die Brut des Aars, die, noch nicht flügg’, / 320 Im ſtillen Wipfel einer Eiche ruht. / Wolf. Mithin ergiebſt Du wirklich völlig Dich / In das Verhängniß — beugſt den Nacken / Dem Joch, das dieſer Römer bringt, / Ohn’ auch ein Glied nur ſträubend zu bewegen? / Herrmann. Behüte Wodan mich! Ergeben! Seid Ihr toll? / Mein Alles, Haus und Hof, die gänzliche / Geſammtheit deſſ’, was mein ſonſt war, / Als ein verlornes Gut in meiner Hand noch iſt, / Das, Freunde, ſetz’ ich dran, im Tod nur, / 330 Wie König Porus, glorreich es zu laſſen! / Ergeben! — Einen Krieg, bei Mana! will ich / Entflammen, der in Deutſchland raſſelnd, / 125 Gleich einem dürren Walde, um ſich greifen, / Und auf zum Himmel lodernd ſchlagen ſoll! / Thuiskomar. Und gleichwohl — unbegreiflich biſt Du, Vetter! / Gleichwohl nährſt keine Hoffnung Du, / In ſolchem tücht’gen Völkerſtreit zu ſiegen? / Herrmann. Wahrhaftig, nicht die mindeſte, / Ihr Freunde. Meine ganze Sorge ſoll / 340 Nur ſein, wie ich, nach meinen Zwecken, / Geſchlagen werd’. — Welch’ ein wahnſinn’ger Thor / Müßt’ ich doch ſein, wollt’ ich mir und der Heeresſchaar, / Die ich ins Feld des Todes führ’, erlauben, / Das Aug’, von dieſer finſtern Wahrheit ab, / Buntfarb’gen Siegesbildern zuzuwenden, / Und gleichwohl dann gezwungen ſein, / In dem gefährlichen Momente der Entſcheidung, / Die ungeheure Wahrheit anzuſchaun? / Nein! Schritt vor Schritt will ich das Land der großen Väter / 350 Verlieren — über jeden Waldſtrom ſchon im Voraus, / Mir eine goldne Brücke baun, / In jeder Mordſchlacht denken, wie ich in / Den letzten Winkel nur mich des Cheruskerlands / Zurückezieh’: und triumphiren, / Wie nimmer Marius und Sylla triumphirten, / Wenn ich — nach einer runden Zahl von Jahren, / Verſteht ſich — im Schatten einer Wodanseiche, / Auf einem Gränzſtein, mit den letzten Freunden, / Den ſchönen Tod der Helden ſterben kann. / 360 Dagobert. Nun denn, beim Styxfluß —! Selgar. Das geſtehſt Du, Vetter, / Auf dieſem Weg’ nicht kömmſt Du eben weit. / 126 Dagobert. Gleich einem Löwen grimmig ſteht er auf, / Warum? Um, wie ein Krebs, zurückzugehn. / Herrmann. Nicht weit? Hm! — Seht, das mögt’ ich juſt nicht ſagen. / Nach Rom — ihr Herren, Dagobert und Selgar! / Wenn mir das Glück ein wenig günſtig iſt. / Und wenn nicht ich, wie ich faſt zweifeln muß, / Der Enkel Einer doch, wag’ ich zu hoffen, / Die hier in dieſem Paar der Lenden ruhn! / 370 Wolf (umarmt ihn). Du Lieber, Wackrer, Göttlicher —! / Wahrhaftig, Du gefällſt mir. — Kommt, ſtoßt an! / Herrmann ſoll, der Befreier Deutſchlands, leben! / Herrmann (ſich losmachend). Kurz, wollt Ihr, wie ich ſchon einmal Euch ſagte, / Zuſammenraffen Weib und Kind, / Und auf der Weſer rechtes Ufer bringen, / Geſchirre, goldn’ und ſilberne, die Ihr / Beſitzet, ſchmelzen, Perlen und Juwelen / Verkaufen oder ſie verpfänden, / Verheeren Eure Fluren, Eure Heerden / 380 Erſchlagen, Eure Plätze niederbrennen, / So bin ich Euer Mann —: Wolf. Wie? Was? Herrmann. Wo nicht —? / Thuiskomar. Die eignen Fluren ſollen wir verheeren —? / Dagobert. Die Heerden tödten —? Selgar. Unſre Plätze niederbrennen —? / 127 Herrmann. Nicht? Nicht? Ihr wollt es nicht? / Thuiskomar. Das eben Raſender, das iſt es ja, / Was wir in dieſem Krieg vertheidigen wollen! / Herrmann (abbrechend). Nun denn, ich glaubte, eure Freiheit wär’s. / (er ſteht auf) Thuiskomar. Was? — Allerdings. Die Freiheit — Herrmann. Ihr vergebt mir! / Thuiskomar. Wohin, ich bitte Dich? Selgar. Was fällt Dir ein? / 390 Herrmann. Ihr Herrn, Ihr hört’s; ſo kann ich Euch nicht helfen. / Dagobert (bricht auf). Laß Dir bedeuten, Herrmann. Herrmann (in die Scene rufend). Horſt! Die Pferde! / Selgar (eben ſo). Ein Augenblick! Hör an! Du mißverſtehſt uns! / (die Fürſten brechen ſämmtlich auf.) Herrmann. Ihr Herrn, zur Mittagſtafel ſehn wir uns. / (er geht ab; Hörnermuſik.) Wolf. O Deutſchland! Vaterland! Wer rettet Dich, / Wenn es ein Held, wie Siegmars Sohn nicht thut! / (Alle ab.)
Zweiter Akt.
Scene: Teutoburg. Das Innere eines großen und präch⸗tigen Fürſtenzelts, mit einem Thron.Erſter Auftritt.
Herrmann (auf dem Thron. Ihm zur Seite) Eginhardt, Ventidius, der Legat von Rom (ſteht vor ihm). Herrmann. Ventidius! Deine Botſchaft, in der That, / Erfreut zugleich mich und beſtürzt mich. / — Auguſtus, ſagſt Du, beut zum Drittenmal, / Mir ſeine Hülfe gegen Marbod an. / 400 Ventidius. Ja, mein erlauchter Herr. Die drei Legionen, / Die, in Sicambrien, am Strom der Lippe ſtehn, / Betrachte ſie wie Dein! Quintilius Varus harrt, / Ihr großer Feldherr, Deines Winkes nur, / In die Cheruskerplätze einzurücken. / Drei Tage, mehr bedarf es nicht, ſo ſteht er / Dem Marbod ſchon, am Bord der Weſer, gegenüber, / Und zahlt, vorn an der Pfeile Spitzen, / Ihm das Metall, das Er gewagt, / Dir als Tribut, der Trotz’ge, abzufodern. / 410 129 Herrmann. Freund, Dir iſt ſelbſt bekannt, wie manchem bittern Drangſal / Ein Land iſt heillos preis geſtellt, / Das einen Heereszug erdulden muß. / Da finden Raub und Mord und Brand ſich, / Der höllentſtiegene Geſchwiſterreigen, ein, / Und ſelbſt das Beil oft hält ſie nicht zurück. / Meinſt Du nicht, Alles wohl erwogen, / Daß ich im Stande wär’, allein / Cheruska vor dem Marbod zu beſchützen? / Ventidius. Nein, nein, mein Fürſt! Den Wahn, ich bitte Dich, entferne! / 420 Gewiß, die Schaaren, die Du führſt, ſie bilden / Ein würdig kleines Heer, jedoch bedenke, / Mit welchem Feind’ Du es zu thun! / Marbod, das Kind des Glücks, der Fürſt der Sueven iſt’s, / Der, von den Rieſenbergen niederrollend, / Stets ſiegreich, wie ein Ball von Schnee, ſich groß gewälzt. / Wo iſt der Wall um ſolchem Sturz zu wehren? / Die Römer werden Mühe haben, / Die weltbeſiegenden, wie mehr, o Herr, denn Du, / Dein Reich vor der Verſchüttung zu beſchirmen. / 430 Herrmann. Freilich! Freilich! Du haſt zu ſehr nur Recht. / Das Schickſal, das im Reich der Sterne waltet, / Ihn hat es, in der Luft des Kriegs, / Zu einem Helden rüſtig groß gezogen, / Dagegen mir, Du weißt, das ſanftre Ziel ſich ſteckte: / Dem Weib, das mir vermählt, der Gatte, / Ein Vater meinen ſüßen Kindern, / Und meinem Volk ein guter Fürſt zu ſein. / Seit jener Mordſchlacht, die den Arioviſt vernichtet, / Hab’ ich im Felde mich nicht mehr gezeigt; / 440 Die Weiſung werd’ ich nimmermehr vergeſſen: / 130 Es war, im Augenblick der gräßlichen Verwirrung, / Als ob ein Geiſt erſtünde und mir ſagte, / Daß mir das Schickſal hier nicht günſtig wäre. — / Ventidius. Gewiß! Die Weisheit, die Du mir entfalteſt, / Füllt mit Bewundrung mich. — Zudem muß ich Dir ſagen, / Daß ſo, wie nun die Sachen dringend ſtehn, / O Herr, Dir keine Wahl mehr bleibt, / Daß Du Dich zwiſchen Marbod und Auguſtus / Nothwendig jetzt entſcheiden mußt; / 450 Daß dieſes Sueven Macht, im Reich Germaniens, / Zu ungeheuer anwuchs; daß Auguſtus / Die Oberherrſchaft keinem gönnen kann, / Der, auf ein Heer, wie Marbod, trotzend, / Sich ſelbſt ſie nur verdanken will; ja, wenn / Er je ein Oberhaupt der Deutſchen anerkennt, / Ein Fürſt es ſein muß, das begreifſt Du, / Den er, durch einen Schritt, verhängnißvoll wie dieſen, / Auf immer ſeinem Thron verbinden kann. / Herrmann (nach einer kurzen Pauſe). Wenn Du die Ausſicht mir eröffnen könnteſt, / 460 Ventidius, daß mir / Die höchſte Herrſchgewalt in Deutſchland zugedacht: / So würd’ Auguſtus, das verſichr’ ich Dich, / Den wärmſten Freund würd’ er an mir erhalten. — / Denn dieſes Ziel, das darf ich Dir geſtehn, / Reizt meinen Ehrgeiz, und mit Neid / Seh’ ich den Marbod ihm entgegeneilen. / Ventidius. Mein Fürſt! Das iſt kein Zweifel mehr. / Glaub’ nicht, was Meuterei hier ausgeſprengt, / Ein Neffe werd’ Auguſts, ſobald es nur erobert, / 470 In Deutſchland, als Präfekt, ſich niederlaſſen; / Und wenn gleich Scipio, Agricola, Licin, / 131 Durch meinen großen Kaiſer eingeſetzt, / Nariska, Markoland und Nervien jetzt verwalten: / Ein Deutſcher kann das Ganze nur beherrſchen! / Der Grundſatz, das verſichr’ ich Dich, / Steht, wie ein Felſen, bei Senat und Volk! / Wenn aber, das entſcheide ſelbſt, / Ein Deutſcher ſolch ein Amt verwalten ſoll: / Wer kann es ſein, o Herr, als der allein, / 480 Durch deſſen Hülfe uns erſprießlich, / Sich ſolch’ ein Herrſchamt allererſt errichtet? / Herrmann (vom Thron herabſteigend). Nun denn, Legat der römiſchen Cäſaren, / So werf’ ich, was auch ſäum’ ich länger, / Mit Thron und Reich, in Deine Arme mich! / Cheruskas ganze Macht leg’ ich, / Als ein Vaſall, zu Auguſts Füßen nieder. / Laß Varus kommen, mit den Legionen; / Ich will fortan, auf Schutz und Trutz / Mich wider König Marbod ihm verbinden! / 490 Ventidius. Nun, bei den Uraniden! Dieſer Tag, / Er iſt der ſchönſte meines Lebens! / Ich eile dem Auguſt, o Herr, Dein Wort zu melden. / Man wird in Rom die Cirken öffnen, / Die Löwen kämpfen, die Athleten, laſſen, / Und Freudenfeuer in die Nächte ſchicken! / — Wann darf Quintilius jetzt die Lippe überſchreiten? / Herrmann. Wann es ſein Vortheil will. Ventidius. Wohlan, ſo wirſt / Du morgen ſchon in Teutoburg ihn ſehn. / — Vergönne, daß ich die Minute nütze. / 500 (ab.) 132Zweiter Auftritt.
Herrmann und Eginhardt. (Pauſe.) Herrmann. Ging er? Eginhardt. Mich dünkte, ja. Er bog ſich links. / Herrmann. Mich dünkte, rechts. Eginhardt. Still! Herrmann. Rechts! Der Vorhang rauſchte. / Er bog ſich in Thusneldens Zimmer hin. /Dritter Auftritt.
Thusnelda (tritt, einen Vorhang öffnend, zur Seite auf). DieVorigen. Herrmann. Thuschen! Thusnelda. Was giebt’s? Herrmann. Geſchwind! Ventidius ſucht Dich. / Thusnelda. Wo? Herrmann. Von dem äußern Gang. Thusnelda. So? Deſto beſſer. / So bin ich durch den mittlern ihm entflohn. / 133 Herrmann. Thuschen! Geſchwind! Ich bitte Dich! Thusnelda. Was haſt Du? / Herrmann. Zurück, mein Herzchen! Liebſt Du mich! Zurücke! / In Deine Zimmer wieder! Raſch! Zurücke! / Thusnelda (lächelnd). Ach, laß mich gehn. Herrmann. Was? Nicht? Du weigerſt mir —? / 510 Thusnelda. Laß mich mit dieſem Römer aus dem Spiele. / Herrmann. Dich aus dem Spiel? Wie! Was! Biſt Du bei Sinnen? / Warum? Weßhalb? Thusnelda. — Er thut mir leid, der Jüngling. / Herrmann. Dir leid? Gewiß, beim Styx, weil er das Unthier geſtern —? / Thusnelda. Gewiß! Bei Braga! Bei der ſanften Freya: / Er war ſo rüſtig bei der Hand! / Er wähnte doch, mich durch den Schuß zu retten, / Und wir verhöhnen ihn! Herrmann. Ich glaub’, beim Himmel, / Die römiſche Tarantel hat —? / Er wähnt ja auch, Du Thörinn, Du, / 520 Daß wir den Wahn der That ihm danken! / Fort, Herzchen, fort! Eginhardt. Da iſt er ſelber ſchon! / 134 Herrmann. Er riecht die Fährt’ ihr ab, ich wußt’ es wohl. / — Du ſei mir klug, ich rath’ es Dir! / Komm, Eginhardt, ich hab’ Dir was zu ſagen. (ab.) /
Vierter Auftritt.
Thusnelda (nimmt eine Laute und ſetzt ſich nieder). Ventidius und Scäpio (treten auf). Ventidius (noch unter dem Eingang). Scäpio! Haſt Du gehört? Scäpio. Du ſagſt, der Bote —? / Ventidius (flüchtig). Der Bote, der nach Rom geht, an Auguſtus, / Soll zwei Minuten warten; ein Geſchäft / Für Livia liegt, die Kaiſerinn, mir noch ob. / Scäpio. Genug! Es ſoll geſchehn. (ab.) Ventidius. Harr’ meiner draußen. / 530Fünfter Auftritt.
Thusnelda und Ventidius. Ventidius. Vergieb, erlauchte Frau, dem Freund’ des Hauſes, / Wenn er den Fuß, unaufgerufen, / In Deine göttergleiche Nähe ſetzt. / Von Deiner Lippe hört’ ich gern, / 135 Wie Du die Nacht, nach jenem Schreck, der geſtern / Dein junges Herz erſchütterte, geſchlummert? / Thusnelda. Nicht eben gut, Ventidius. Mein Gemüth / War von der Jagd noch ganz des wilden Uhrs erfüllt. / Vom Bogen ſandt’ ich tauſendmal den Pfeil, / Und immerfort ſah’ ich das Thier, / 540 Mit eingeſtämmten Hörnern, auf mich ſtürzen. / Ein fürchterlicher Tod, Ventidius, / Solch’ einem Ungeheu’r erliegen! / Arminius ſagte ſcherzend heut, / Ich hätte durch die ganze Nacht, / Ventidius! Ventidius! gerufen. / Ventidius. (läßt ſich leidenſchaftlich vor ihr nieder, und ergreift ihre Hand.) Wie ſeelig bin ich, Königin, / Dir ein Gefühl entlockt zu haben! / Was für ein Strahl der Wonne ſtrömt, / Mir unerträglich, alle Glieder lähmend, / 550 Durch den entzückten Buſen hin, / Sagt mir Dein ſüßer Mund, daß Du, bei dem Gedanken / An mich, empfindeſt — wär’s auch die unſcheinbare / Empfindung nur des Danks, verehrte Frau, / Die jedem Glücklichen geworden wäre, / Der, als ein Retter, Dir zur Seite ſtand! / Thusnelda. Ventidius! Was willſt Du mir? Steh’ auf! / Ventidius. Nicht eh’r, Vergötterte, als bis Du meiner Bruſt / Ein Zeichen, gleichviel welches, des / Gefühls, das ich in Dir entflammt, verehrt! / 560 Sei es das Mindeſte, was Sinne greifen mögen, / Das Herz geſtaltet es zum Größeſten. / Laß es den Strauß hier ſein, der Deinen Buſen ziert, / 136 Hier dieſe Schleife, dieſe goldne Locke — / Ja, Kön’gin, eine Locke laß es ſein! / Thusnelda. Ich glaub’, Du ſchwärmſt. Du weißt nicht, wo Du biſt. / Ventidius. Gieb eine Locke, Abgott meiner Seelen, / Von dieſem Haupthaar mir, das von der Juno Scheiteln / In üpp’gere Wogen nicht zur Ferſe wallt! / Sieh, dem Arminius gönn’ ich Alles: / 570 Das ganze duftende Gefäß von Seligkeiten, / Das ich in meinen Armen zitternd halte, / Sein iſt’s; ich gönn’ es ihm: es möge ſein verbleiben. / Die einz’ge Locke fleh’ ich nur für mich, / Die, in dem Hain, beim Schein des Monds, / An meine Lippe heiß gedrückt, / Mir Deines Daſeins Traum ergänzen ſoll! / Die kannſt Du mir, geliebtes Weib, nicht weigern, / Wenn Du nicht grauſam mich verhöhnen willſt. / Thusnelda. Ventidius, ſoll ich meine Frauen rufen? / 580 Ventidius. Und müßt’ ich ſo, in Anbetung geſtreckt, / Zu Deinen Füßen flehend liegen, / Bis das Giganten⸗Jahr des Platon abgerollt, / Bis die graubärt’ge Zeit ein Kind geworden, / Und der verliebten Schäfer Paare wieder / An Milch⸗ und Honigſtrömen zärtlich wandeln: / Von dieſem Platz entweichen werd’ ich nicht, / Bis jener Wunſch, den meine Seele / Gewagt hat Dir zu nennen, mir erfüllt. / (Thusnelda ſteht auf und ſieht ihn an. Ventidius läßt ſie betre⸗ten los und erhebt ſich. Thusnelda geht und klingelt.) 137Sechſter Auftritt.
Gertrud und Bertha (treten auf). Die Vorigen. Thusnelda. Gertrud; wo bleibſt Du? Ich rief nach meinen Kindern. / 590 Gertrud. Sie ſind im Vorgemach. (ſie wollen beide gehen.) Thusnelda. Wart’! Einen Augenblick! / Gertrud, Du bleibſt! — Du, Bertha, kannſt ſie holen. / (Bertha ab.)Siebenter Auftritt.
Thusnelda (ſetzt ſich wieder nieder, ergreift die Laute, und thut einigeGriffe darauf), Ventidius (läßt ſich hinter ihr, auf einem Seſ⸗
ſel, nieder). Gertrud. (Pauſe.) Thusnelda (ſpielt und ſingt). Ein Knabe ſah den Mondenſchein / In eines Teiches Becken; / Er faßte mit der Hand hinein, / Den Schimmer einzuſtecken; / Da trübte ſich des Waſſers Rand, / Das glänz’ge Mondesbild verſchwand / Und ſeine Hand war — / Ventidius. (ſteht auf. Er hat, während deſſen, unbemerkt eine Locke von Thusnel⸗dens Haar geſchnitten, wendet ſich ab, und drückt ſie leidenſchaftlich an ſeine Lippe.) Thusnelda (hält inne). Was haſt Du? 138 Ventidius (entzückt). — Was ich um das Gold der Afern, / 600 Die Seide Perſiens, die Perlen von Korinth, / Um alles, was die Römerwaffen / Je in dem Kreis der Welt erbeuteten, nicht laſſe. / Thusnelda. Ich glaub’, Du treibſt die Dreiſtigkeit ſo weit, / Und nahmſt mir — (ſie legt die Laute weg.) Ventidius. Nichts, nichts, als dieſe Locke! / Doch ſelbſt der Tod nicht trennt mich mehr von ihr. / (er beugt ehrfurchtsvoll ein Knie vor ihr und geht ab.) Thusnelda (ſteht auf). Ventidius Carbo, Du beleidigſt mich! — / Gieb ſie mir her, ſag’ ich! — Ventidius Carbo! /
Achter Auftritt.
Herrmann (mit einer Pergamentrolle. Hinter ihm) Egin⸗hardt. — Die Vorigen. Herrmann. Was giebt’s, mein Thuschen? Was erhitzt Dich ſo? / Thusnelda (erzürnt). Nein, dies iſt unerträglich, Herrmann! / 610 Herrmann. Was haſt Du? Sprich! Was iſt geſchehn, mein Kind? / Thusnelda. Ich bitte Dich, verſchone fürder / Mit den Beſuchen dieſes Römers mich. / Du wirfſt dem Wallfiſch, wie das Sprichwort ſagt, / Zum Spielen eine Tonne vor; / Doch wenn Du irgend Dich auf offnem Meere noch / 139 Erhalten kannſt, ſo bitt’ ich Dich, / Laß es was Anders, als Thusnelden, ſein. / Herrmann. Was wollt’ er Dir, mein Herzchen, ſag’ mir an? / Thusnelda. Er kam und bat, mit einer Leidenſchaft, / 620 Die wirklich alle Schranken niederwarf, / Geſtreckt auf Knieen, wie ein Glücklicher, / Um eine Locke mich — Herrmann. Du gabſt ſie ihm —? / Thusnelda. Ich —? ihm die Locke geben! Herrmann. Was! Nicht? Nicht? / Thusnelda. Ich weigerte die Locke ihm. Ich ſagte, / Ihn hätte Wahnſinn, Schwärmerei ergriffen, / Erinnert’ ihn, an welchem Platz er wäre — / Herrmann. Da kam er her und ſchnitt die Locke ab —? / Thusnelda. Ja, in der That! Es ſcheint, Du denkſt, ich ſcherze. / Inzwiſchen ich auf jenem Seſſel mir / 630 Ein Lied zur Cyther ſang, löſ’t er, / Mit welchem Werkzeug weiß ich nicht, bis jetzt, / Mir eine Locke heimlich von der Scheitel, / Und gleich, als hätt’ er ſie, der Thörichte, / Von meiner Gunſt davongetragen, / Drückt’ er ſie, glühend vor Entzücken, an die Lippen, / Und ging, mit Schritten des Triumphes, / Als Du erſchienſt, mit ſeiner Beut’ hinweg. / Herrmann (mit Humor). Ei, Thuschen, was! So ſind wir glückliche / 140 Geſchöpfe ja, ſo wahr ich lebe, / 640 Daß er die andern Dir gelaſſen hat. / Thusnelda. Wie? Was? Wir wären glücklich —? Herrmann. Ja, beim Himmel! / Käm’ er daher, mit ſeinen Leuten, / Die Scheitel ratzenkahl Dir abzuſcheeren: / Ein Schelm, mein Herzchen, will ich ſein, / Wenn ich die Macht beſitz’, es ihm zu wehren. / Thusnelda (zuckt die Achſeln). — Ich weiß nicht, was ich von Dir denken ſoll. / Herrmann. Bei Gott, ich auch nicht. Varus rückt / Mit den Cohorten morgen bei mir ein. — / Thusnelda (ſtreng). Armin, Du hörſt, ich wiederhol’ es Dir, / 650 Wenn irgend Dir Dein Weib was werth iſt, / So nöthigſt Du mich nicht, das Herz des Jünglings ferner / Mit falſchen Zärtlichkeiten, zu entflammen. / Bekämpf’ ihn, wenn Du willſt, mit Waffen des Betrugs, / Da, wo er mit Betrug Dich angreift; / Doch hier, wo, gänzlich unbeſonnen, / Sein junges Herz ſich Dir entfaltet, / Hier wünſch’ ich lebhaft, muß ich Dir geſtehn, / Daß Du auf offne Weiſe ihm begegneſt. / Sag’ ihm, mit einem Wort, beſtimmt doch ungehäſſig, / 660 Daß ſeine kaiſerliche Sendung / An Dich, und nicht an Deine Gattinn ſei gerichtet. / Herrmann (ſieht ſie an). Entflammen? Weſſen Herz? Ventidius Carbos? / Thuschen! Sieh mich ’mal an! — Bei unſrer Hertha! / Ich glaub’, Du bild’ſt Dir ein, Ventidius liebt Dich? / 141 Thusnelda. Ob er mich liebt? Herrmann. Nein ſprich, im Ernſt, das glaubſt Du? / So, was ein Deutſcher lieben nennt, / Mit Ehrfurcht und mit Sehnſucht, wie ich Dich? / Thusnelda. Gewiß, glaub’ mir, ich fühl’s, und fühl’s mit Schmerz, / Daß ich den Irrthum leider ſelbſt, / 670 Der dieſes Jünglings Herz ergriff, verſchuldet. / Er hätte, ohne die betrügeriſchen Schritte, / Zu welchen Du mich aufgemuntert, / Sich nie in dieſe Leidenſchaft verſtrickt; / Und wenn Du das Geſchäft, ihn offen zu enttäuſchen, / Nicht übernehmen willſt, wohlan: / Bei unſrer nächſten Zwieſprach’ werd’ ich’s ſelbſt. / Herrmann. Nun, Thuschen, ich verſichre Dich, / Ich liebe meinen Hund mehr, als er Dich. / Du machſt, beim Styx, Dir überflüſſ’ge Sorge. / 680 Ich zweifle nicht, o ja, wenn ihn Dein ſchöner Mund / Um einen Dienſt erſucht, er thut ihn Dir: / Doch wenn er die Orange ausgeſaugt, / Die Schaale, Herzchen, wirft er auf den Schutt. / Thusnelda (empfindlich). Dich macht, ich ſeh’, Dein Römerhaß ganz blind. / Weil als dämonenartig Dir / Das Ganz’ erſcheint, ſo kannſt Du Dir / Als ſittlich nicht den Einzelnen gedenken. / Herrmann. Meinſt Du? Wohlan! Wer Recht hat, wird ſich zeigen. / Wie er die Lock’, auf welche Weiſe, / 690 Gebrauchen will, das weiß ich nicht; / Doch ſie im Stillen an den Mund zu drücken, / 142 Das kannſt Du ſicher glauben, iſt es nicht. / — Doch, Thuschen, willſt Du jetzt allein mich laſſen? / Thusnelda. O ja. Sehr gern. Herrmann. Du biſt mir doch nicht bös? / Thusnelda. Nein, Nein! Verſprich mir nur, für immer mich / Mit dieſem Thoren aus dem Spiel zu laſſen! / Herrmann. Topp! Meine Hand drauf! In drei Tagen, / Soll ſein Beſuch Dir nicht zur Laſt mehr fallen! / (Thusnelda und Gertrud ab.)
Neunter Auftritt.
Herrmann und Eginhardt. Herrmann. Haſt Du mir den geheimen Boten / 700 An Marbod, Fürſt von Suevien, beſorgt? / Eginhardt. Er ſteht im Vorgemach. Herrmann. Wer iſt es? / Eginhardt. Mein Fürſt und Herr, es iſt mein eigner Sohn! / Ich konnte keinen Schlechteren / Für dieſe wicht’ge Botſchaft Dir beſtellen. / Herrmann. Ruf’ ihn herein! Eginhardt. Luitogar, erſcheine! / 143Zehnter Auftritt.
Luitgar (tritt auf) — Die Vorigen. Herrmann. Du biſt entſchloſſen, hör’ ich, Luitgar, / An Marbod heimlich eine Botſchaft zu beſorgen? / Luitgar. Ich bin’s, mein hoher Herr. Herrmann. Kann ich gewiß ſein, / Daß das, was ich Dir anvertraue, / 710 Vor morgen Nacht in ſeinen Händen iſt? / Luitgar. Mein Fürſt, ſo ſicher, als ich morgen lebe, / So ſicher auch iſt es ihm überbracht. / Herrmann. Gut. — Meine beide blonden Jungen wirſt Du, / Den Rinold und den Adelhart, / Empfangen, einen Dolch, und dieſes Schreiben hier, / Dem Marbod, Herrn des Suevenreiches, / Von mir zu überliefern. — Die drei Dinge / Erklären ſich, genau erwogen, ſelbſt, / Und einer mündlichen Beſtellung braucht es nicht; / 720 Doch, um Dich in den Stand zu ſetzen, / Sogleich jedwedem Irrthum zu begegnen, / Der etwa nicht von mir berechnet wäre, / Will ich umſtändlich, von dem Schritt, / Zu dem ich mich entſchloß, Dir Kenntniß geben. / Luitgar. Geruhe Deinen Knecht zu unterrichten. / Herrmann. Die Knaben ſchick’ ich ihm zuvörderſt und den Dolch, / Damit dem Brief’ er Glauben ſchenke. / 144 Wenn irgend in dem Brief ein Arges iſt enthalten, / Soll er den Dolch ſofort ergreifen, / 730 Und in der Knaben weiße Brüſte drücken. / Luitgar. Wohl, mein erlauchter Herr. Herrmann. Auguſtus hat / Das Angebot der drei Legionen, / Die Varus führt, zum Schutze wider Marbod, / Zum Drittenmal mir heute wiederholt. / Gründe von zwingender Gewalt beſtimmten mich, / Die Truppen länger nicht mehr abzulehnen. / Sie rücken morgen in Cheruska ein, / Und werden, in drei Tagen ſchon, / Am Weſerſtrom, in’s Angeſicht ihm ſehn. / 740 Varus will ſchon am Idus des Auguſts / (Alſo am Tag’ nach unſerem / Hochheil’gen Nornentag, das merk’ Dir wohl), / Mit ſeinem Römerheer die Weſer überſchiffen, / Und Herrmann wird, auf Einen Marſch, / Mit dem Cheruskerheer, zu gleichem Zweck, ihm folgen. / An dem Alraunentag, Luitgar, / (Alſo am Tag vor unſerm Nornentag) / Brech’ ich von Teutoburg mit meinen Schaaren auf. / Jenſeits der Weſer wollen wir / 750 Vereint auf Marbods Haufen plötzlich fallen; / Und wenn wir ihn erdrückt, (wie kaum zu zweifeln ſteht), / Soll mir, nach dem Verſprechen Auguſts, / Die Oberherrſchaft in Germanien werden. / Luitgar. Ich faſſ’, o Herr, Dich und bewundre / Schon im Voraus, was noch erfolgen wird. / Herrmann. Ich weiß inzwiſchen, daß Auguſtus ſonſt / 145 Ihm mit der Herrſchaft von Germanien geſchmeichelt. / Mir iſt von guter Hand bekannt, / Daß Varus heimlich ihn mit Geld, / 760 Und Waffen ſelbſt verſehn, mich aus dem Feld zu ſchlagen. / Das Schickſal Deutſchlands lehrt nur allzudeutlich mich, / Daß Auguſts letzte Abſicht ſei, / Uns beide, mich wie ihn, zu Grund zu richten, / Und wenn er, Marbod, wird vernichtet ſein, / Der Suevenfürſt, ſo fühl’ ich lebhaft, / Wird an Arminius die Reihe kommen. / Luitgar. Du kennſt, ich ſeh’, die Zeit, wie Wenige. / Herrmann. Da ich nun — ſoll ich einen Oberherrn erkennen, / Weit lieber einem Deutſchen mich, / 770 Als einem Römer unterwerfen will: / Von allen Fürſten Deutſchlands aber ihm, / Marbod, um ſeiner Macht, und ſeines Edelmuths, / Der Thron am unzweideutigſten gebührt: / So unterwerf’ ich mich hiermit demſelben, / Als meinem Herrn und hohen König, / Und zahl’ ihm den Tribut, Luitogar, den er / Durch einen Herold, jüngſt mir abgefordert. / Luitgar (betreten). Wie mein erlauchter Herr! Hört’ ich auch recht? / Du unterwirfſt —? Ich bitte Dich, mein Vater! / 780 (Eginhardt winkt ihm, ehrfurchtsvoll zu ſchweigen.) Herrmann. Dagegen, hoff’ ich, übernimmt nun Er, / Als Deutſchlands Oberherrſcher, die Verpflichtung, / Das Vaterland von dem Tyrannenvolk zu ſäubern. / Er wird den Römeradler länger nicht / Um einen Tag, ſteht es in ſeiner Macht / Auf Herrmanns, ſeines Knechts, Gefilden dulden. / 146 Und da der Augenblick ſich eben günſtig zeigt, / Den Varus, eh’ der Mond noch wechſelte, / Das Grab in dem Cheruskerland zu graben, / So wag’ ich es, ſogleich dazu / 790 In Ehrfurcht Ihm den Kriegsplan vorzulegen. / Eginhardt. Jetzt merk’ wohl auf, Luitogar, / Und laß kein Wort Arminius Dir entſchlüpfen. / Luitgar. Mein Vater! Meine Bruſt iſt Erz / Und ein Demantengriffel ſeine Rede! / Herrmann. Der Plan iſt einfach und begreift ſich leicht. — / Varus kommt, in der Nacht der düſteren Alraunen, / Im Teutoburger Walde an, / Der zwiſchen mir liegt und der Weſer Strom. / Er denkt am folgenden, dem Tag der letzten Nornen, / 800 Des Stroms Geſtade völlig zu erreichen, / Um, an dem Idus des Auguſt’s, / Mit ſeinem Heer darüber hin zu gehn. / Nun aber überſchifft, am Tag ſchon der Alraunen, / Marbod der Weſer Strom und rückt / Ihm bis zum Wald von Teutoburg entgegen. / Am gleichen Tag brech’ ich, dem Heer des Varus folgend, / Aus meinem Lager auf, und rücke / Von hinten ihm zu dieſem Walde nach. / Wenn nun der Tag der Nornen purpurn / 810 Des Varus Zelt beſcheint, ſo ſiehſt Du, Freund Luitgar, / Iſt ihm der Lebensfaden ſchon durchſchnitten. / Denn nun fällt Marbod ihn von vorn, / Von hinten ich ihn grimmig an, / Erdrückt wird er von unſrer Doppelmacht: / Und keine andre Sorge bleibt uns, / Als die nur, eine Hand voll Römer zu verſchonen; / 147 Die, von dem Fall der Uebrigen, / Die Todespoſt an den Auguſtus bringen. / — Ich denk’ der Plan iſt gut. Was meinſt Du, Luitgar? / 820 Luitgar. O Herrmann! Wodan hat ihn ſelbſt Dir zugeflüſtert! / Sieh, wenn Du den Cheruskern ihn wirſt nennen, / Sie werden, was ſie nimmer thun, / Sieg! vor dem erſten Keulenſchlag ſchon rufen! / Herrmann. Wohlan! In dem Vertraun itzt, das ich hege, / Er, Marbod, auch, werd’ dieſen Plan, / Nach ſeiner höh’ren Weisheit billigen, / Nimmt er für mich die Kraft nun des Geſetzes an. / An dem Alraunentag rück’ ich nunmehr ſo fehllos, / Als wär’ es ſein Gebot, aus meinem Lager aus, / 830 Und ſteh’, am Nornentag, vor’m Teutoburger Wald. / Ihm aber — überlaſſ’ ich es in Ehrfurcht, / Nach dem Entwurf, das Seinige zu thun. / — Haſt Du verſtanden? Luitgar. Wohl, mein erlauchter Herr. / Herrmann. Sobald wir über Varus Leiche uns / Begegnet — beug’ ich ein Knie vor ihm, / Und harre ſeines weiteren Befehls. / — Weißt Du noch ſonſt was, Eginhardt? / Eginhardt. Nichts, mein Gebieter. Herrmann. Oder Du, Luitgar? / Luitgar (zögernd). Nichts mindeſtens, das von Bedeutung wäre. — / 840 Laß Deiner Weisheit ganz mich unterwerfen. / 148 Herrmann. — Nun? Sag’s nur dreiſt heraus, Du ſiehſt ſo ſtarr / Auf dieſe kleine Rolle nieder, / Als hätt’ſt Du nicht das Herz, ſie zu ergreifen. / Luitgar. Mein Fürſt, die Wahrheit Dir zu ſagen, / Die Möglichkeit, daß mich ein Unfall träf’, erſchreckt mich. / Laß uns, in keinem Stück, der Gunſt des Glücks vertraun. / Vergönne mir, ich bitte Dich, / Zwei Freund’ in’s Lager Marbods mitzunehmen, / Damit, wenn mir Verhindrung käme, / 850 Ein Andrer, und ein Dritter noch, / Das Blatt in ſeine Hände bringen kann. / Herrmann. Nichts, nichts, Luitgar! Welch’ ein Wort entfiel Dir? / Wer wollte die gewalt’gen Götter / Alſo verſuchen?! Meinſt Du, es ließe / Das große Werk ſich ohne ſie vollziehn? / Als ob ihr Blitz drei Boten minder, / Als einen einzelnen, zerſchmettern könnte! / Du gehſt allein; und triffſt Du mit der Botſchaft / Zu ſpät bei Marbod, oder gar nicht, ein: / 860 Sei’s! mein Geſchick’ iſt’s, das ich tragen werde. / Luitgar. Gieb mir die Botſchaft! Nur der Tod verhindert, / Daß er ſie morgen in den Händen hält. / Herrmann. Komm. So gebraucht’ ich Dich. Hier iſt die Rolle, / Und Dolch und Kinder händ’g’ ich gleich Dir ein. / (Alle ab.)Dritter Akt.
Scene: Platz vor einem Hügel, auf welchem das Zelt Herrmanns ſteht. Zur Seite eine Eiche, unter welcher ein großes Polſter liegt, mit prächtigen Tigerfellen überdeckt. Im Hintergrunde ſieht man die Wohnungen der Horde.Erſter Auftritt.
Herrmann, Eginhardt, zwei Aelteſten derHorde und Andere (ſtehen vor dem Zelt und ſchauen in
die Ferne). Herrmann. Das iſt Thuiskon, was jetzt Feuer griff? / Erſter Aelteſter. Vergieb mir, Herthakon. Herrmann. Ja, dort zur Linken. / Der Ort, der brannte längſt. Zur Rechten, mein’ ich. / Erſter Aelteſter. Zur Rechten, meinſt Du. Das iſt Helakon. / Thuiskon kann man hier vom Platz nicht ſehn. / 870 Herrmann. Was! Helakon! Das liegt in Aſche ſchon. / Ich meine, was jetzt eben Feuer griff? / 150 Erſter Aelteſter. Ganz recht! Das iſt Thuiskon, mein Gebieter! / Die Flamme ſchlägt jetzt übern Wald empor. — / (Pauſe.) Herrmann. Auf dieſem Weg’ rückt, dünkt mich, Varus an? / Erſter Aelteſter. Varus? Vergieb. Von Deinem Jagdhaus Orla. / Das iſt der Ort, wo heut’ er übernachtet. / Herrmann. Ja, Varus in Perſon. Doch die drei Haufen, / Die er ins Land mir führt —? Zweiter Aelteſter (vortretend.) Die ziehn, mein König, / Durch Thuiskon, Helakon und Herthakon. / 880 (Pauſe.) Herrmann (indem er vom Hügel herabſchreitet). Man ſoll auf’s beſte, will ich, ſie empfangen. / An Nahrung weder, reichlicher, / Wie der Italier ſie gewohnt, ſoll man’s / Noch auch an Meth, an Fellen für die Nacht, / Noch irgend ſonſt, wie ſie auch heiße, / An einer Höflichkeit gebrechen laßen. / Denn meine guten Freunde ſind’s, / Von Auguſt mir geſandt, Cheruska zu beſchirmen, / Und das Geſetz der Dankbarkeit erfodert, / Nichts, was ſie mir verbinden kann, zu ſparen. / 890 Erſter Aelteſter. Was Dein getreuer Lagerplatz beſitzt, / Das zweifle nicht, wird er den Römern geben. / Zweiter Aelteſter. Warum auch ſoll er warten, bis man’s nimmt? /
Zweiter Auftritt.
Drei Hauptleute (treten eilig nach einander auf). — DieVorigen. Der erſte Hauptmann (indem er auftritt). Mein Fürſt, die ungeheueren / Unordnungen, die ſich dies Römerheer erlaubt, / Beim Himmel! überſteigen allen Glauben. / Drei Deiner blühndſten Plätze ſind geplündert, / Entflohn die Horden, alle Hütten und Gezelte — / Die unerhörte That! — den Flammen preisgegeben! / Herrmann (heimlich und freudig). Geh, geh, Siegreſt! Spreng’ aus, es wären ſieben! / 900 Der erſte Hauptmann. Was? — Was gebeut mein König? Eginhardt. Herrmann ſagt —/ (er nimmt ihn bei Seite.) Der erſte Aelteſte. Dort kommt ein neuer Unglücksbote ſchon! / Der zweite Hauptmann (tritt auf). Mein Fürſt, man ſchickt von Herthakon mich her, / Dir eine gräßliche Begebenheit zu melden! / Ein Römer iſt, in dieſem armen Ort, / Mit einer Wöchnerin in Streit gerathen, / Und hat, da ſie den Vater rufen wollte, / Das Kind, das ſie am Buſen trug, ergriffen, / Des Kindes Schädel, die Hyäne, raſend / An ſeiner Mutter Schädel eingeſchlagen. / 910 Die Feldherrn, denen man die Gräuelthat gemeldet, / Die Achſeln haben ſie gezuckt, die Leichen / In eine Grube heimlich werfen laſſen. / Herrmann (eben ſo). Geh! Fleuch! Verbreit’ es in dem Platz, Govin! / 152 Verſichere von mir, den Vater hätten ſie / Lebendig, weil er zürnte, nachgeworfen! / Der zweite Hauptmann. Wie? Mein erlauchter Herr! Eginhardt (nimmt ihn beim Arm). Ich will Dir ſagen — / (er ſpricht heimlich mit ihm.) Erſter Aelteſter. Beim Himmel! Da erſcheint der Dritte ſchon! / Der dritte Hauptmann (tritt auf). Mein Fürſt, Du mußt, wenn Du die Gnade haben willſt, / Verzuglos Dich nach Helakon verfügen. / 920 Die Römer fällten dort, man ſagt mir, aus Verſehen, / Der tauſendjähr’gen Eichen Eine, / Dem Wodan, in dem Hain der Zukunft, heilig. / Ganz Helakon hierauf, Thuiskon, Herthakon, / Und Alles, was den Kreis bewohnt, / Mit Spieß und Schwerdt ſtand auf, die Götter zu vertheid’gen. / Den Aufruhr raſch zu dämpfen, ſteckten / Die Römer plötzlich alle Läger an: / Das Volk, ſo ſchwer beſtraft, zerſtreute jammernd ſich, / Und heult jetzt um die Aſche ſeiner Hütten. — / 930 Komm, bitt’ ich Dich, und ſteure der Verwirrung. / Herrmann. Gleich, gleich! — Man hat mir hier geſagt, / Die Römer hätten die Gefangenen gezwungen, / Zevs, ihrem Gräulgott, in den Staub zu knien? / Der dritte Hauptmann. Nein, mein Gebieter, davon weiß ich nichts. / Herrmann. Nicht? Nicht? — Ich hab’ es von Dir ſelbſt gehört! / Der dritte Hauptmann. Wie? Was? 153 Herrmann (in den Bart). Wie! Was! Die deutſchen Uhren! / — Bedeut’ ihm, was die Liſt ſei, Eginhardt. / Eginhardt. Verſteh’, Freund Ottokar! Der König meint — / (er nimmt ihn beim Arm und ſpricht heimlich mit ihm.) Erſter Aelteſter. Nun ſolche Zügelloſigkeit, beim hohen Himmel, / 940 In Freundes Land noch obenein, / Ward doch, ſeitdem die Welt ſteht, nicht erlebt! / Zweiter Aelteſter. Schickt Männer aus, zu löſchen! Herrmann (der wieder in die Ferne geſehn). Hör’, Eginhardt! / Was ich Dir ſagen wollte — Eginhardt. Mein Gebieter! / Herrmann (heimlich). Haſt Du ein Häuflein wackrer Leute wohl, / Die man zu einer Liſt gebrauchen könnte? / Eginhardt. Mein Fürſt, die Waar’ iſt ſelten, wie Du weißt. / — Was wünſcheſt Du, ſag’ an? Herrmann. Was? Haſt Du ſie? / Nun hör’, ſchick ſie dem Varus, Freund, / Wenn er zur Weſer morgen weiter rückt, / 950 Schick’ ſie in Römerkleidern doch vermummt ihm nach. / Laß ſie, ich bitte Dich, auf allen Straßen, / Die ſie durchwandern, ſengen, brennen, plündern: / Wenn ſie’s geſchickt vollziehn, will ich ſie lohnen! / Eginhardt. Du ſollſt die Leute haben. Laß mich machen. / (er miſcht ſich unter die Hauptleute.)
Dritter Auftritt.
Thusnelda (tritt aus dem Zelt). — Die Vorigen. Herrmann (heiter). Ei, Thuschen! Sieh! Mein Stern! Was bringſt Du mir? / (er ſieht wieder, mit vorgeſchützter Hand, in die Ferne hinaus.) Thusnelda. Ei nun! Die Römer, ſagt man, ziehen ein; / Die muß Arminius Frau doch auch begrüßen. / Herrmann. Gewiß, gewiß! So will’s die Artigkeit. / Doch weit ſind ſie im Felde noch; / 960 Komm her und laß den Zug heran uns plaudern! / (er winkt ihr, ſich unter der Eiche niederzulaſſen.) Thusnelda (den Sitz betrachtend). Der Sybarit! Sieh da! Mit ſeinen Polſtern! / Schämſt Du Dich nicht? — Wer traf die Anſtalt hier? / (ſie ſetzt ſich nieder.) Herrmann. Ja, Kind! Die Zeiten, weißt Du ſind entartet. — / Holla, ſchafft Wein mir her, ihr Knaben, / Damit der Perſerſchach vollkommen ſei! / (er läßt ſich an Thusneldens Seite nieder und umarmt ſie.) Nun, Herzchen, ſprich, wie geht’s Dir, mein Planet? / Was macht Ventidius, Dein Mond? Du ſahſt ihn? / (es kommen Knaben und bedienen ihn mit Wein.) Thusnelda. Ventidius? Der grüßt Dich. Herrmann. So! Du ſahſt ihn? / Thusnelda. Aus meinem Zimmer eben ging er fort. / 970 — Sieh mich ’mal an! Herrmann. Nun? 155 Thusnelda. Siehſt Du nichts? Herrmann. Nein, Thuschen. / Thusnelda. Nichts? Gar nichts? Nicht das Mindeſte? / Herrmann. Nein, in der That! Was ſoll ich ſehn? Thusnelda. Nun wahrlich,/ Wenn Varus auch ſo blind, wie Du, / Der Feldherr Roms, den wir erwarten, / So war die ganze Mühe doch verſchwendet. / Herrmann. (indem er dem Knaben, der ihn bedient, den Becher zurückgiebt.) Ja, ſo! Du haſt, auf meinen Wunſch, den Anzug / Heut mehr gewählt, als ſonſt — Thusnelda. So! Mehr gewählt! / Geſchmückt bin ich, beim hohen Himmel, / Daß ich die Straßen Roms durchſchreiten könnte! / 980 Herrmann. Potz! Bei der großen Hertha! Schau! — Hör’, Du! / Wenn Ihr den Adler ſeht, ſo ruft Ihr mich. / (der Knabe, der ihn bedient, nickt mit dem Kopf.) Thusnelda. Was? Herrmann. Und Ventidius war bei Dir? / Thusnelda. Ja, allerdings. Und zeigte mir am Putztiſch, / Wie man, in Rom, das Haar ſich ordnet, / Den Gürtel legt, das Kleid in Falten wirft. / Herrmann. Schau, wie er göttlich Dir den Kopf beſorgt! / 156 Der Kopf, beim Styx, von einer Juno! / Bis auf das Diadem ſogar, / Das Dir vom Scheitel blitzend niederſtrahlt! / 990 Thusnelda. Das iſt das ſchöne Prachtgeſchenk, / Das Du aus Rom mir jüngſthin mitgebracht. / Herrmann. So? Der geſchnitt’ne Stein, gefaßt in Perlen? / Ein Pferd war, dünkt mich, drauf? Thusnelda. Ein wildes, ja, / Das ſeinen Reiter abwirft. — (er betrachtet das Diadem.) Herrmann. Aber, Thuschen! Thuschen! / Wie wirſt Du ausſehn, liebſte Frau, / Wenn Du mit einem kahlen Kopf wirſt gehn? / Thusnelda. Wer? Ich? Herrmann. Du, ja! — Wenn Marbod erſt geſchlagen iſt, / So läuft kein Mond ins Land, beim Himmel! / Sie ſcheeren Dich ſo kahl wie eine Ratze. / 1000 Thusnelda. Ich glaub’, Du träumſt, Du ſchwärmſt! Wer wird den Kopf mir —? / Herrmann. Wer? Ei, Quintilius Varus und die Römer, / Mit denen ich alsdann verbunden bin. / Thusnelda. Die Römer! Was! Herrmann. Ja, was zum Henker, denkſt Du? / 157 — Die röm’ſchen Damen müſſen doch, / Wenn ſie ſich ſchmücken, hübſche Haare haben? / Thusnelda. Nun haben denn die röm’ſchen Damen keine? / Herrmann. Nein, ſag’ ich! Schwarze! Schwarz und fett, wie Hexen! / Nicht hübſche, trockne, goldne, ſo wie Du! / Thusnelda. Wohlan! So mögen ſie! Der trifft’ge Grund! / 1010 Wenn ſie mit hübſchen nicht begabt, / So mögen ſie mit ſchmutz’gen ſich behelfen. / Herrmann. So! In der That! Da ſollen die Cohorten / Umſonſt wohl übern Rhein gekommen ſein? / Thusnelda. Wer? Die Cohorten? Herrmann. Ja, die Varus führt. / Thusnelda (lacht). Das muß ich ſagen! Der wird doch / Um meiner Haare nicht gekommen ſein? / Herrmann. Was? Allerdings! Bei unſrer großen Hertha! / Hat Dir Ventidius das noch nicht geſagt? / Thusnelda. Ach, geh! Du biſt ein Affe. Herrmann. Nun, ich ſchwör’s Dir. — / 1020 Wer war es ſchon, der jüngſt beim Mahl erzählte, / Was einer Frau in Ubien begegnet? / Thusnelda. Wem? Einer Ubierin? Herrmann. Das weißt Du nicht mehr? / 158 Thusnelda. Nein, Lieber! — Daß drei Römer ſie, meinſt Du, / In Staub gelegt urplötzlich und gebunden —? / Herrmann. Nun ja! Und ihr nicht bloß, vom Haupt hinweg, / Das Haar, das goldene, die Zähne auch, / Die elfenbeinernen, mit einem Werkzeug, / Auf offner Straße, aus dem Mund genommen? / Thusnelda. Ach, geh! Laß mich zufrieden. Herrmann. Das glaubſt Du nicht? / 1030 Thusnelda. Ach, was! Ventidius hat mir geſagt, / Das wär’ ein Mährchen. Herrmann. Ein Mährchen! So! / Ventidius hat ganz recht, wahrhaftig, / Sein Schäfchen, für die Schurzeit, ſich zu kirren. / Thusnelda. Nun, der wird doch den Kopf mir ſelber nicht —? / Herrmann. Ventidius? Hm! Ich ſteh’ für nichts, mein Kind. / Thusnelda (lacht). Was? Er? Er, mir? Nun, das muß ich geſtehn —! / Herrmann. Du lachſt. Es ſei. Die Folge wird es lehren. / (Pause.) Thusnelda (ernſthaft). Was denn, in aller Welt, was machen ſie / In Rom, mit dieſen Haaren, dieſen Zähnen? / 1040 Herrmann. Was Du für Fragen thuſt, ſo wahr ich lebe! / 159 Thusnelda. Nun ja! Wie nutzen ſie, bei allen Nornen! / Auf welche Art gebrauchen ſie die Dinge? / Sie können doch die fremden Locken nicht / An ihre eignen knüpfen, nicht die Zähne / Aus ihrem eignen Schädel wachſen machen? / Herrmann. Aus ihrem eignen Schädel wachſen machen! / Thusnelda. Nun alſo! Wie verfahren ſie? So ſprich! / Herrmann (mit Laune). Die ſchmutz’gen Haare ſchneiden ſie ſich ab, / Und hängen unſre trocknen um die Platte! / 1050 Die Zähne reißen ſie, die ſchwarzen, aus, / Und ſtecken unſre weißen in die Lücken! / Thusnelda. Was! Herrmann. In der That! Ein Schelm, wenn ich Dir lüge. — / Thusnelda (glühend). Bei allen Rachegöttern! Allen Furien! / Bei allem, was die Hölle finſter macht! / Mit welchem Recht, wenn dem ſo iſt, / Vom Kopf uns aber nehmen ſie ſie weg? / Herrmann. Ich weiß nicht, Thuschen, wie Du heut Dich ſtellſt. / Steht Auguſt nicht, mit den Cohorten, / In allen Ländern ſiegreich aufgepflanzt? / 1060 Für wen erſchaffen ward die Welt, als Rom? / Nimmt Auguſt nicht dem Elephanten / Das Elfenbein, das Oel der Biſamkatze, / Dem Pantherthier das Fell, dem Wurm die Seide? / Was ſoll der Deutſche hier zum voraus haben? / 160 Thusnelda (ſieht ihn an). Was wir zum voraus ſollen —? Herrmann. Allerdings. / Thusnelda. Daß Du verderben müßteſt, mit Vernünfteln! / Das ſind ja Thiere, Queerkopf, der Du biſt, / Und keine Menſchen! Herrmann. Menſchen! Ja, mein Thuschen, / Was iſt der Deutſche in der Römer Augen? / 1070 Thusnelda. Nun, doch kein Thier, hoff’ ich —? Herrmann. Was? — Eine Beſtie, / Die auf vier Füßen in den Wäldern läuft! / Ein Thier, das, wo der Jäger es erſchaut, / Juſt einen Pfeilſchuß werth, mehr nicht, / Und ausgeweidet und gepelzt dann wird! / Thusnelda. Ei, die verwünſchte Menſchenjägerei! / Ei, der Dämonenſtolz! Der Hohn der Hölle! / Herrmann (lacht). Nun wird ihr bang’, um ihre Zähn’ und Haare. / Thusnelda. Ei, daß wir, wie die grimm’gen Eber, doch / Uns über dieſe Schützen werfen könnten! / 1080 Herrmann (ebenſo). Wie ſie nur ausſehn wird! Wie’n Todtenkopf! / Thusnelda. Und dieſe Römer nimmſt Du bei Dir auf? / Herrmann. Ja, Thuschen! Liebſte Frau, was ſoll ich machen? / 161 Soll ich, um Deiner gelben Haare, / Mit Land und Leut’ in Kriegsgefahr mich ſtürzen? / Thusnelda. Um meiner Haare! Was? Gilt es ſonſt nichts? / Meinſt Du, wenn Varus ſo geſtimmt, er werde / Das Fell Dir um die nackten Schultern laſſen? / Herrmann. Sehr wahr, beim Himmel! Das bedacht’ ich nicht. / Es ſei! Ich will die Sach’ mir überlegen. / 1090 Thusnelda. Dir überlegen! — Er rücket ja ſchon ein! / Herrmann. Je nun, mein Kind. Man ſchlägt ihn wieder ’naus. / (ſie ſieht ihn an.) Thusnelda. Ach, geh! Ein Geck biſt Du, ich ſeh’s und äffſt mich! / Nicht, nicht? Geſteh’s mir nur: Du ſcherzteſt bloß? / Herrmann (küßt ſie). Ja. — Mit der Wahrheit, wie ein Abderit. / — Warum ſoll ſich, von ſeiner Noth, / Der Menſch, auf muntre Art, nicht unterhalten? — / Die Sach’ iſt zehnmal ſchlimmer, als ichs machte, / Und doch auch, wieder ſo betrachtet, / Bei weitem nicht ſo ſchlimm. — Beruh’ge Dich. / 1100 (Pauſe.) Thusnelda. Nun, meine goldnen Locken kriegt er nicht! / Die Hand, die in den Mund mir käme, / Wie jener Frau, um meiner Zähne: / Ich weiß nicht, Herrmann, was ich mit ihr machte. / Herrmann (lacht). Ja, liebſte Frau, da haſt Du recht! Beiß zu! / Danach wird weder Hund noch Katze krähen. — / Thusnelda. Doch ſieh! Wer fleucht ſo eilig dort heran? /Vierter Auftritt.
Ein Cherusker (tritt auf). Die Vorigen. Der Cherusker. Varus kömmt! Herrmann (erhebt ſich). Was! Der Feldherr Roms! Unmöglich! / Wer war’s, der mir von ſeinem Einzug / In Teutoburg die Nachricht geben wollte? / 1110Fünfter Auftritt.
Varus (tritt auf. Ihm folgen) Ventidius, der Legat; Craſſus und Septimius, zwei römiſche Haupt⸗leute; und die deutſchen Fürſten Fuſt, Gueltar und Ariſtan. — Die Vorigen. Herrmann (indem er ihm entgegengeht). Vergieb, Quintilius Varus, mir, / Daß Deine Hoheit mich hier ſuchen muß! / Mein Wille war, Dich ehrfurchtsvoll / In meines Lagers Thore einzuführen, / Oktav Auguſt in Dir, den großen Kaiſer Roms, / Und meinen hochverehrten Freund, zu grüßen. / Varus. Mein Fürſt, Du biſt ſehr gütig, in der That. / Ich hab’ von außerordentlichen / Unordnungen gehört, die die Cohorten ſich / In Helakon und Herthakon erlaubt; / 1120 Von einer Wodanseiche unvorſichtiger / Verletzung — Feuer, Raub und Mord, / Die dieſer That unſeel’ge Folgen waren, / 163 Von einer Aufführung, mit einem Wort, / Nicht eben, leider! ſehr geſchickt, / Den Römer in Cheruska zu empfehlen. / Sei überzeugt, ich ſelbſt befand mich in Perſon / Bei keinem der drei Heereshaufen, / Die von der Lippe her ins Land Dir rücken. / Die Eiche, ſagt man zwar, ward nicht aus Hohn verletzt, / 1130 Der Unverſtand nur achtlos warf ſie um; / Gleichwohl iſt ein Gericht bereits beſtellt, / Die Thäter aufzufahn, und morgen wirſt Du ſie, / Zur Sühne Deinem Volk, enthaupten ſehn. / Herrmann. Quintilius! Dein erhabnes Wort beſchämt mich! / Ich muß Dich für die allzuraſchen / Cherusker dringend um Verzeihung bitten, / Die eine That ſogleich, aus Unbedacht geſchehn, / Mit Rebellion fanatiſch ſtrafen wollten. / Mißgriffe, wie die vorgefallnen, ſind / 1140 Auf einem Heereszuge unvermeidlich. / Laß dieſen Irrthum, ich beſchwöre Dich, / Das Feſt nicht ſtören, das mein Volk, / Zur Feier Deines Einzugs, vorbereitet. / Gönn’ mir ein Wort zu Gunſten der Bedrängten, / Die Deine Rache treffen ſoll: / Und weil ſie bloß aus Unverſtand gefehlt, / So ſchenk’ das Leben ihnen, laß ſie frei! / Varus (reicht ihm die Hand). Nun, Freund Armin; beim Jupiter, es gilt! / Nimm dieſe Hand, die ich Dir reiche, / 1150 Auf immer haſt Du Dir mein Herz gewonnen! — / Die Frevler, bis auf Einen, ſprech’ ich frei! / Man wird den Namen ihres Retters ihnen nennen, / Und hier im Staube ſollen ſie, / Das Leben Dir, das mir verwirkt war, danken. — / 164 Den Einen nur behalt’ ich mir bevor, / Der, dem ausdrücklichen Ermahnungswort zuwider, / Den erſten Schlag der Eiche zugefügt; / Der Herold hat es mehr denn zehnmal ausgerufen, / Daß dieſe Eichen heilig ſind, / 1160 Und das Geſetz verurtheilt ihn des Kriegs, / Das kein Geſuch entwaffnen kann, nicht ich. / Herrmann. — Wann Du auf immer jeden Anlaß willſt, / Der eine Zwiſtigkeit entflammen könnte, / Aus des Cheruskers treuer Bruſt entfernen, / So bitt’ ich, würd’ge dieſe Eichen, / Quintilius, würd’ge ein’ger Sorgfalt ſie. / Von ihnen her rinnt einzig faſt die Quelle / Des Uebels, das uns zu entzweien droht. / Laß irgend, was es ſei, ein Zeichenbild zur Warnung, / 1170 Wenn Du Dein Lager wählſt, bei dieſen Stämmen pflanzen: / So haſt Du, glaub’ es mir, für immer / Den wackern Eingebornen Dir verbunden. / Varus. Wohlan! — Woran erkennt man dieſe Eichen? / Herrmann. An ihrem Alter und dem Schmuck der Waffen, / In ihres Wipfels Wölbung aufgehängt. / Varus. Septimius Nerva! Septimius (tritt vor). Was gebeut mein Feldherr? / Varus. Laß eine Schaar von Römern gleich / Sich in den Wald zerſtreun, der dieſe Niederlaſſung, / Cheruskas Hauptplatz Teutoburg umgiebt. / 1180 Bei jeder Eiche grauen Alters, / In deren Wipfel Waffen aufgehängt, / 165 Soll eine Wache von zwei Kriegern halten, / Und jeden, der vorübergeht, belehren, / Daß Wodan in der Nähe ſei. / Denn Wodan iſt, daß Ihr’s nur wißt, Ihr Römer, / Der Zevs der Deutſchen, Herr des Blitzes / Diesſeits der Alpen, ſo wie jenſeits der; / Er iſt der Gott, dem ſich mein Knie ſogleich, / Beim erſten Eintritt in dies Land, gebeugt; / 1190 Und kurz, Quintilius, Euer Feldherr, will / Mit Ehrfurcht und mit Scheu, im Tempel dieſer Wälder, / Wie den Olympier ſelbſt, geehrt ihn wiſſen. / Septimius. Man wird Dein Wort, o Herr, genau vollziehn. / Varus (zu Herrmann). Biſt Du zufrieden, Freund? Herrmann. Du überfleugſt, / Quintilius, die Wünſche Deines Knechts. / Varus. (nimmt ein Kiſſen, auf welchem Geſchenke liegen, aus der Hand eines Skla⸗ven, und bringt ſie der Thusnelda.) Hier, meine Fürſtin, überreich’ ich Dir, / Von Auguſt, meinem hohen Herrn, / Was er für Dich mir jüngſthin zugeſandt, / Es ſind Geſteine, Perlen, Federn, Oele — / 1200 Ein kleines Rüſtzeug, ſchreibt er, Cupido’s. / Auguſt, erlauchte Frau, bewaffnet Deine Schönheit, / Damit Du Herrmanns großes Herz, / Stets in der Freundſchaft Banden ihm erhalteſt. / Thusnelda (empfängt das Kiſſen und betrachtet die Geſchenke). Quintilius! Dein Kaiſer macht mich ſtolz. / Thusnelda nimmt die Waffen an, / Mit dem Verſprechen, Tag und Nacht, / Damit geſchirrt, für ihn zu Feld’ zu ziehn. / (ſie übergiebt das Kiſſen ihren Frauen.) 166 Varus (zu Herrmann). Hier ſtell’ ich Gueltar, Fuſt Dir und Ariſtan, / Die tapfern Fürſten Deutſchlands vor, / 1210 Die meinem Heereszug ſich angeſchloſſen. / (er tritt zurück und ſpricht mit Ventidius.) Herrmann (indem er ſich dem Fürſten der Cimbern nähert). Wir kennen uns, wenn ich nicht irre, Fuſt, / Aus Gallien, von der Schlacht des Arioviſt. / Fuſt. Mein Prinz, ich kämpfte dort an Deiner Seite. / Herrmann (lebhaft). Ein ſchöner Tag, beim hohen Himmel, / An den Dein Helmbuſch lebhaft mich erinnert! / — Der Tag, an dem Germanien zwar / Dem Cäſar ſank, doch der zuerſt / Den Cäſar die Germanier ſchätzen lehrte. / Fuſt (niedergeſchlagen). Mir kam er theuer, wie Du weißt, zu ſtehn. / 1220 Der Cimbern Thron, nicht mehr, nicht minder, / Den ich nur Auguſts Gnade jetzt verdanke. — / Herrmann (indem er ſich zu dem Fürſten der Nervier wendet). Dich, Gueltar, auch ſah ich an dieſem Tag? / Gueltar. Auf einen Augenblick. Ich kam ſehr ſpät. / Mich koſtet’ er, wie Dir bekannt ſeyn wird, / Den Thron von Nervien; doch Auguſt hat / Mich durch den Thron von Aeduen entſchädigt. / Herrmann (indem er ſich zu dem Fürſten der Ubier wendet). Wo war Ariſtan an dem Tag der Schlacht? / Ariſtan (kalt und ſcharf). Ariſtan war in Ubien, / Diesſeits des Rheines, wo er hingehörte. / 1230 Ariſtan hat das Schwerdt niemals / Den Cäſarn Roms gezückt, und er darf kühnlich ſagen: / 167 Er war ihr Freund, ſobald ſie ſich / Nur an der Schwelle von Germania zeigten. / Herrmann (mit einer Verbeugung). Arminius bewundert ſeine Weisheit. / — Ihr Herrn, wir werden uns noch weiter ſprechen. / (ein Marſch in der Ferne).Sechſter Auftritt.
Ein Herold (tritt auf. Bald darauf) das Römerheer. — Die Vorigen. Der Herold (zum Volk das zuſammengelaufen). Platz hier, beliebt’s Euch, Ihr Cherusker! / Varus, des Feldherrn Roms, Lictoren / Nahn feſtlich an des Heeres Spitze ſich! / Thusnelda. Was giebt’s? Septimius (nähert ſich ihr). Es iſt das Römerheer, / 1240 Das ſeinen Einzug hält in Teutoburg! / Herrmann (zerſtreut). Das Römerheer? (er beobachtet Varus und Ventidius, welche heimlich mit einander ſprechen.) Thusnelda. Wer ſind die erſten dort? / Craſſus. Varus Liktoren, königliche Frau, / Die des Geſetzes heil’ges Richtbeil tragen. / Thusnelda. Das Beil? Wem! Uns? Septimius. Vergieb! Dem Heere, / Dem ſie ins Lager feierlich voranziehn. / (das Römerheer zieht in voller Pracht vorüber.) 168 Varus (zu Ventidius). Was alſo, ſag’ mir an, was hab’ ich / Von jenem Herrmann dort mir zu verſehn? / Ventidius. Quintilius! Das faſſ’ ich in zwei Worten! / Er iſt ein Deutſcher. / 1250 In einem Hämmling iſt, der an der Tiber graſet, / Mehr Lug’ und Trug, muß ich Dir ſagen, / Als in dem ganzen Volk, dem er gehört. — / Varus. So kann ich, meinſt Du, dreiſt der Sueven Fürſten / Entgegenrücken? Habe nichts von dieſem, / Bleibt er in meinem Rücken, zu befürchten? / Ventidius. So wenig, wiederhol’ ich Dir, / Als hier vor BKA emendiert in ›von‹. dieſem Dolch in meinem Gurt. — / Varus. Ich werde doch den Platz, in dem Cheruskerland, / Beſchaun, nach des Auguſts Gebot, / 1260 Auf welchem ein Kaſtell erbaut ſoll werden. / — Marbod iſt mächtig, und nicht weiß ich, / Wie ſich am Weſerſtrom das Glück entſcheiden wird. / (er ſieht ihn fragend an.) Ventidius. Das lob’ ich ſehr. Solch’ eine Anſtalt / Wird ſtets, auch wenn Du ſiegſt, zu brauchen ſein. / Varus. Wie ſo? Meinſt Du vielleicht, die Abſicht ſei, Cheruska / Als ein erobertes Gebiet —? Ventidius. Quintilius, / Die Abſicht, dünkt mich, läßt ſich faſt errathen. / Varus. — Ward Dir etwa beſtimmte Kund’ hierüber? / 169 Ventidius. Nicht, nicht! Mißhör’ mich nicht! Ich theile bloß, / 1270 Was ſich in dieſer Bruſt prophetiſch regt, Dir mit / Und Freunde mir aus Rom beſtätigen. / Varus. Sei’s! Was bekümmert’s mich? Es iſt nicht meines Amtes / Den Willen meines Kaiſers zu erſpähn. / Er ſagt ihn, wenn er ihn vollführt will wiſſen. — / Wahr iſt’s, Rom wird auf ſeinen ſieben Hügeln, / Vor dieſen Horden nimmer ſicher ſein, / Bis ihrer kecken Fürſtenhand / Auf immerdar der Scepterſtab entwunden. / Ventidius. So denkt Auguſt, ſo denket der Senat. / 1280 Varus. Laß uns in ihre Mitte wieder treten. / (ſie treten wieder zu Herrmann und Thusnelda, welche, von Feldherrn und Fürſten umringt, dem Zuge des Heers zuſehen.) Thusnelda. Septimius! Was bedeutet dieſer Adler? / Septimius. Das iſt ein Kriegspanier, erhabne Frau! / Jedweder der drei Legionen / Fleucht ſolch’ metallnes Adlerbild voran. / Thusnelda. So, ſo! Ein Kriegspanier! Sein Anblick hält / Die Schaaren in der Nacht des Kampfs zuſammen? / Septimius. Du trafſt’s. Er führet ſie den Pfad des Siegs. — / Thusnelda. Wie jedes Land doch ſeine Sitte hat! / — Bei uns thut es der Chorgeſang der Barden. / 1290 (Pauſe. Der Zug ſchließt, die Muſik ſchweigt.) Herrmann (indem er ſich zu dem Feldherrn Roms wendet). Willſt Du Dich in das Zelt verfügen, Varus? / 170 Ein Mahl iſt, nach Cheruskerſitte, / Für Dich und Dein Gefolge drin bereitet. / Varus. Ich werde kurz jedoch mich faſſen müſſen. / (er nimmt ihn vertraulich bei der Hand.) Ventidius hat Dir geſagt, / Wie ich den Plan für dieſen Krieg entworfen? / Herrmann. Ich weiß um jeden ſeiner weiſen Puncte. / Varus. Ich breche morgen mit dem Römerheer / Aus dieſem Lager auf, und übermorgen / Rückſt Du mit dem Cheruskervolk mir nach. / 1300 Jenſeits der Weſer, in des Feindes Antlitz, / Hörſt Du das Weitre. — Wünſcheſt Du vielleicht, / Daß ein geſchickter Römerfeldherr, / Für dieſen Feldzug, ſich in Dein Gefolge miſche? / Sag’s dreiſt mir an. Du haſt nur zu befehlen. / Herrmann. Quintilius, in der That, Du wirſt / Durch eine ſolche Wahl mich glücklich machen. / Varus. Wohlan, Septimius, ſchick’ Dich an, / Dem Kriegsbefehl des Königs zu gehorchen. — / (er wendet ſich zu Craſſus) Und daß die Teutoburg geſichert ſei, / 1310 Indeſſen wir entfernt ſind, laſſ’ ich, Craſſus, / Mit drei Cohorten, Dich darin zurück. / — Weißt Du noch ſonſt was anzumerken, Freund? / Herrmann. Nichts, Feldherr Roms! Dir übergab ich Alles, / So ſei die Sorge auch, es zu beſchützen, Dein. / 171 Varus (zu Thusnelda). Nun, ſchöne Frau, ſo bitt’ ich — Eure Hand! / (er führt die Fürſtin ins Zelt.) Herrmann. Holla, die Hörner! Dieſer Tag / Soll für Cheruska ſtets ein Feſttag ſein! / (Hörnermuſik. Alle ab.)Vierter Akt.
Scene: Marbods Zelt, im Lager der Sueven, auf dem rechten Ufer der Weſer.Erſter Auftritt.
Marbod (den Brief Herrmanns, mit dem Dolch, in der Hand haltend.Neben ihm) Attarin (ſein Rath. Im Hintergrunde) zwei
Hauptleute. — (Auf der andern Seite des Zeltes) Luit⸗
gar (mit Herrmanns Kindern) Rinold und Adelhart. Marbod. Was ſoll’ ich davon denken, Attarin? / — Arminius, der Cheruskerfürſt, / 1320 Läßt mir durch jenen wackern Freund dort melden: / Varus ſei ihm, auf Schutz und Trutz, verbunden, / Und werd’, in dreien Tagen ſchon, / Mich am Geſtad’ der Weſer überfallen! — / Der Bund, ſchreibt Herrmann doch, ſei ihm nur aufgedrungen, / Und ſtets im Herzen, nach wie vor, / Sei er der Römer unverſöhnter Feind. / — Er ruft mich auf, verknüpft mit ihm, / Sogleich dem Mordverrath zuvor zu kommen, / Die Weſer, Angeſichts des Blatts, zu überſchiffen, / 1330 Und, im Moraſt des Teutoburger Walds, / 173 Die ganze gift’ge Brut der Hölle zu vertilgen. — / Zum Preis mir, wenn der Sieg erfochten, / Will er zu Deutſchlands Oberherrn mich krönen. / — Da, lies den Brief, den er mir zugefertigt! / War’s nicht ſo, Luitgar? Luitgar. Allerdings! So ſagt’ ich. / Attarin (nachdem er den Brief genommen und geleſen). Mein Fürſt, trau dieſem Fuchs, ich bitte Dich, / Dem Herrmann, nicht! Der Himmel weiß, / Was er mit dieſer ſchnöden Liſt bezweckt. / Send’ ihm, Roms Cäſar ſo, wie er verdient, zu ehren, / 1340 Das Schreiben ohne Antwort heim, / Und melde Varus gleich den ganzen Inhalt! / Es iſt ein tückiſcher, verräthriſcher Verſuch / Das Bündniß, das Euch einigt, zu zerreißen. / (er giebt ihn den Brief zurück.) Marbod. Was! Liſt! Verrätherei! — Da ſchicket er / Den Rinold und den Adelhart, / Die beiden Knaben mir, die ihm ſein Weib gebahr, / Und dieſen Dolch hier, ſie zu tödten, / Wenn ſich ein Trug in ſeinen Worten findet. / Attarin (wendet ſich). Wo? Marbod. Dort! Attarin. Das wären des Arminius Kinder? / 1350 Marbod. Arminius, allerdings! Ich glaub’ Du zweifelſt? / In Teutoburg, vor ſieben Monden, / Als ich den Staatenbund verhandeln wollte, / Hab’ ich die Jungen, die dort ſtehn, / Wie oft an dieſe alte Bruſt gedrückt! / 174 Attarin. Vergieb, o Herr, das ſind die Knaben nicht! / Das ſind zwei unterſchobene, behaupt’ ich, / An Wuchs den ächten Prinzen ähnlich bloß. / Laß die Verrätherbrut gleich in Verwahrſam bringen, / Und ihn, der ſie gebracht Dir hat, dazu! / 1360 (Pauſe.) Marbod (nachdem er die Knaben aufmerkſam betrachtet). Rinold! (er ſetzt ſich nieder). Rinold (tritt dicht vor ihn). Marbod. Nun, was auch willſt Du mir? Wer rief Dich? / Rinold (ſieht ihn an). Je, nun! Marbod. Je, nun! — Den andern meint’ ich, Rinold! / (er winkt den Adelhart.) Adelhart (tritt gleichfalls vor ihn). Marbod (nimmt ihn bei der Hand). Nicht? Nicht? Du biſt der Rinold? Allerdings! / Adelhart. Ich bin der Adelhart. Marbod. — So. Biſt Du das. / (er ſtellt die beiden Knaben neben einander und ſcheint ſie zu prüfen.) Nun, Jungen, ſagt mir; Rinold! Adelhart! / Wie ſteht’s in Teutoburg daheim, / Seit ich, vergangnen Herbſt her, Euch nicht ſah? / — Ihr kennt mich doch? Rinold. O ja. Marbod. — Ich bin der Holtar, / Der alte Kämmrer, im Gefolge Marbods, / 175 Der Euch, kurz vor der Mittagsſtunde, / 1370 Stets in des Fürſten Zelt herüber brachte. / Rinold. Wer biſt Du? Marbod. Was! Das wißt Ihr nicht mehr? Holtar, / Der Euch mit glänz’gem Perlenmutter, / Corallen und mit Bernſtein noch beſchenkte. / Rinold (nach einer Pauſe). Du trägſt ja Marbods eiſern’ Ring am Arm. / Marbod. Wo? Rinold. Hier! Marbod. Trug Marbod dieſen Ring damals? / Rinold. Marbod? Marbod. Ja, Marbod, frag’ ich, mein Gebieter. / Rinold. Ach, Marbod! Was! Freilich trugſt Du den Ring! / Du ſagteſt, weiß ich noch, auf Vater Herrmanns Frage, / Du hätteſt ein Gelübd’ gethan, / 1380 Und müßteſt an dem Arm den Ring von Eiſen tragen, / So lang’ ein römiſcher Mann in Deutſchland ſei. / Marbod. Das hätt’ ich — wem? Euch? Nein, das hab’ ich nicht —! / Rinold. Nicht uns! Dem Herrmann! Marbod. Wann? 176 Rinold. Am erſten Mittag, / Als Holtar beid’ in Dein Gezelt uns brachte. / (Marbod ſieht den Attarin an.) Attarin (der die Knaben aufmerkſam beobachtet). Das iſt ja ſonderbar, ſo wahr ich lebe! / (er nimmt Herrmanns Brief noch einmal und überlieſ’t ihn. Pauſe.) Marbod (indem er gedankenvoll in den Haaren der Knaben ſpielt). Iſt denn, den Weſerſtrom zu überſchiffen, / Vorläufig eine Anſtalt ſchon gemacht? / Einer der beiden Hauptleute (vortretend). Mein Fürſt, die Kähne liegen, in der That, / Zuſammt am rechten Ufer aufgeſtellt. / 1390 Marbod. Mithin könnt’ ich — wenn ich den Entſchluß faßte, / Gleich, in der That, wie Herrmann wünſcht, / Des Stromes andern Uferrand gewinnen. / Der Hauptmann. Warum nicht? In drei Stunden, wenn Du willſt. / Der Mond erhellt die Nacht; Du hätteſt nichts, / Als den Entſchluß nur ſchleunig zu erklären. — / Attarin (unruhig). Mein Herr und Herrſcher, ich beſchwöre Dich, / Laß zu nichts Uebereiltem Dich verführen! / Armin iſt ſelbſt hier der Betrogene! / Nach dem, wie ſich Roms Cäſar zeigte, / 1400 Wär’s eine Raſerei, zu glauben, / Er werde den Cheruskern ſich verbinden. / Hat er mit Waffen Dich, Dich nicht mit Geld verſehn, / In Ihre Staaten feindlich einzufallen? / Stählt man die Bruſt, die man durchbohren will? / Dein Lager iſt von Römern voll, / Der herrlichſten Patrizier Söhnen, / Die hergeſandt, Dein Heer die Bahn des Siegs zu führen; / 177 Die dienen Dir, für Auguſts Wort, / Als Geißel, Herr, und würden ja / 1410 Zuſammt ein Opfer Deiner Rache fallen, / Wenn ein ſo ſchändlicher Verrath Dich träfe. / — Beſchließe nichts, ich bitte Dich, / Bis Dir durch Fulvius, den Legaten Roms, / Von Varus Plänen näh’re Kunde ward. / (Pauſe.) Marbod. Ich will den Fulvius mindeſtens / Gleich über dieſe Sache doch vernehmen. / (er ſteht auf und klingelt.)
Zweiter Auftritt.
Komar (tritt auf). Die Vorigen. Marbod. Den Fulvius Lepidus, Legaten Roms, / Erſuch’ ich, einen Augenblick, / In dieſem Zelt, ſein Antlitz mir zu ſchenken. / 1420 Komar. Den Fulvius? Vergieb! Der wird nicht kommen; / Er hat ſo eben, auf fünf Kähnen, / Sich mit der ganzen Schaar von Römern eingeſchifft, / Die Dein Gefolg’ bis heut vergrößerten. — / Hier iſt ein Brief, den er zurückgelaſſen. / Marbod. Was ſagſt Du mir? Attarin. Er hat, mit allen Römern —? / Marbod. Wohin mit dieſem Troß, jetzt, da die Nacht kömmt? / 178 Komar. In das Cheruskerland, dem Anſchein nach. / Er iſt am andern Weſerufer ſchon, / Wo Pferde ſtehen, die ihn weiter bringen. / 1430 Attarin. — Gift, Tod und Rache! Was bedeutet dies? / Marbod (lieſ’t). „Du haſt für Rom Dich nicht entſcheiden können, / „Aus voller Bruſt, wie Du geſollt: / „Rom, der Bewerbung müde, giebt Dich auf. / „Verſuche jetzt (es war Dein Wunſch) ob Du / „Allein den Herrſchthron Dir in Deutſchland kannſt errichten. / „Auguſt jedoch, daß Du es wiſſeſt, / „Hat den Armin auf ſeinem Sitz erhöht, / „Und Dir — die Stufen jetzo weiſ’t er an!" / (er läßt den Brief fallen.) Attarin. Verrätherei! Verrätherei! / 1440 Auf! Zu den Kähnen an der Weſer! / Setzt dem Verfluchten nach und bringt ihn her! / Marbod. Laß, laß’ ihn, Freund! Er läuft der Nemeſis, / Der er entfliehen will, entgegen! / Das Rachſchwerdt iſt ſchon über ihn gezückt! / Er glaubte, mir die Grube zu eröffnen, / Und ſelbſt, mit ſeiner ganzen Rotte, / Zur neunten Hölle ſchmetternd ſtürzt er nieder! / — Luitgar! Luitgar. Mein erlauchter Herr! Marbod. Tritt näher! — / Wo iſt, ſag’ an, wollt’ ich die Freiheitsſchlacht verſuchen, / 1450 179 Nach des Arminius Kriegsentwurf, / Der Ort, an dem die Würfel fallen ſollen? / Luitgar. Das iſt der Teutoburger Wald, mein König. / Marbod. Und welchen Tag unfehlbar und beſtimmt, / Hat er zum Fall der Würfel feſtgeſetzt? / Luitgar. Den Nornentag, mein königlicher Herr. — / Marbod (indem er ihm die Kinder giebt und den Dolch zerbricht). Wohlan, Dein Amt iſt aus, hier nimm die Kinder, / Und auch, in Stücken, Deinen Dolch zurück! / Den Brief auch — (indem er ihn durchſieht.) kann ich nur zur Hälfte brauchen; / (er zerreißt ihn.) Den Theil, der mir von ſeiner Huld’gung ſpricht, / 1460 Als einem Oberherrn, den löſ’ ich ab. — / Triffſt Du ihn ehr, als ich, ſo ſagſt Du ihm, / Zu Worten hätt’ ich keine Zeit gehabt: / Mit Thaten würd’ ich ihm die Antwort ſchreiben! / Luitgar (indem er den Dolch und die Stücke des Briefes übernimmt). Wenn ich Dich recht verſtehe, mein Gebieter —? / Marbod (zu den Feldherren). Auf, Komar! Brunold! Meine Feldherrn! / Laßt uns den Strom ſogleich der Weſer überſchiffen! / Die Nornen werden ein Gericht, / Des Schickſals fürchterliche Göttinnen, / Im Teutoburger Wald, dem Heer des Varus halten: / 1470 Auf, mit der ganzen Macht, Ihr Freunde, / Daß wir das Amt der Schergen übernehmen! / (Alle ab.)Dritter Auftritt.
Herrmann und Eginhardt (treten auf). Herrmann. Tod und Verderben, ſag’ ich, Eginhardt! / Woher die Ruh’, woher die Stille, / In dieſem Standplatz röm’ſcher Kriegerhaufen? / Eginhardt. Mein beſter Fürſt, Du weißt, Quintilius Varus zog / Heut mit des Heeres Maſſe ab. / Er ließ, zum Schutz in dieſem Platz, / Nicht mehr, als drei Cohorten nur, zurück. / Die hält man ehr in Zaum, als ſo viel Legionen, / 1480 Zumal, wenn ſie ſo wohlgewählt, wie die. / Herrmann. Ich aber rechnete, bei allen Rachegöttern, / Auf Feuer, Raub, Gewalt und Mord, / Und alle Gräul des feſſelloſen Krieges! / Was brauch’ ich Latier, die mir Gutes thun? / Kann ich den Römerhaß, eh’ ich den Platz verlaſſe, / In der Cherusker Herzen nicht / Daß er durch ganz Germanien ſchlägt, entflammen: / So ſcheitert meine ganze Unternehmung! / Eginhardt. Du hätteſt Wolf, dünkt mich, und Thuskar und den Andern, / 1490 Doch Dein Geheimniß wohl entdecken ſollen. / Sie haben, als die Römer kamen, / Mit Flüchen, gleich die Teutoburg verlaſſen. / Wie gut, wenn Deine Sache ſiegt, / Hättſt Du in Deutſchland ſie gebrauchen können. / 181 Herrmann. Die Schwätzer, die! Ich bitte Dich; / Laß ſie zu Hauſe gehn. — / Die ſchreiben, Deutſchland zu befreien, / Mit Chiffern, ſchicken, mit Gefahr des Lebens, / Einander Boten, die die Römer hängen, / 1500 Verſammeln ſich um Zwielicht — eſſen, trinken, / Und ſchlafen, kommt die Nacht, bei ihren Frauen. — / Wolf iſt der Einz’ge, der es redlich meint. / Eginhardt. So wirſt Du doch den Flambert mindeſtens, / Den Torſt und Alarich und Singar, / Die Fürſten an des Maines Ufer, / Von Deinem Wagſtück ſtaatsklug unterrichten? / Herrmann. Nichts, Liebſter! Nenne mir die Namen nicht! / Meinſt Du, die ließen ſich bewegen, / Auf meinem Flug’ mir munter nachzuſchwingen? / 1510 Eh’ das von meinem Maulthier würd’ ich hoffen. / Die Hoffnung: morgen ſtirbt Auguſtus! / Lockt ſie, bedeckt mit Schmach und Schande, / Von einer Woche in die andere. — / Es braucht der That, nicht der Verſchwörungen. / Den Widder laß ſich zeigen, mit der Glocke, / So folgen, glaub’ mir alle Anderen. / Eginhardt. So mög’ der Himmel Dein Beginnen krönen! / Herrmann. Horch! Still! Eginhardt. Was giebt’s? Herrmann. Rief man nicht dort Gewalt? / 182 Eginhardt. Nein, mein erlauchter Herr! Ich hörte nichts, / 1520 Es war die Wache, die die Stunden rief. / Herrmann. Verflucht ſei dieſe Zucht mir der Cohorten! / Ich ſtecke, wenn ſich niemand rührt, / Die ganze Teutoburg an allen Ecken an! / Eginhardt. Nun, nun! Es wird ſich wohl ein Frevel finden. / Herrmann. Komm’, laſſ’ uns heimlich durch die Gaſſen ſchleichen, / Und ſehn ob uns der Zufall etwas beut. / (beide ab.)Vierter Auftritt.
Ein Auflauf. — (Zuerſt) ein Greis und Andere, (bald darauf) zwei Cherusker, (welche) eine Perſon (aufführen, die ohnmächtig iſt). Fackeln. Volk jedenAlters und Geſchlechts. Der Greis (mit aufgehobenen Händen). Wodan, den Blitz regierſt Du, in den Wolken: / Und einen Gräul, entſetzensvoll, / Wie den, läßt Du auf Erden ſich verüben! / 1530 Ein junges Mädchen. Mutter, was giebt’s? Ein Anderes. Was läuft das Volk zuſammen? / Die Mutter (mit einem Kinde an der Bruſt). Nichts, meine Töchter, nichts! Was fragt Ihr doch? / Ein Menſch, der auf der offnen Straß’ erkrankte, / Wird von den Freunden hier vorbeigeführt. / 183 Ein Mann (indem er auftritt). Habt Ihr geſehn? Den jungen Römerhauptmann, / Der plötzlich, mit dem Federbuſch, erſchien? / Ein Anderer. Nein, Freund! Von wo? Ein Dritter. Was that er? Der Mann. Was er that? / Drei’n dieſer geilen appeninſchen Hunden, / Als man die That ihm meldete, / Hat er das Herz gleich mit dem Schwerdt durchbohrt! / 1540 Der Greis. Vergieb mir, Gott! ich kann es ihm nicht danken! / Ein Weib (aus dem Haufen). Da kommt die Unglückſeel’ge ſchon heran! / (die Perſon, von zwei Cheruskern geführt, erſcheint.) Der Greis. Hinweg die Fackeln! Das Volk. Seht, o ſeht! Der Greis. Hinweg! / — Seht Ihr nicht, daß die Sonne ſich verbirgt? / Das Volk. O des elenden, ſchmachbedeckten Weſens! / Der fußzertretnen, kothgewälzten, / An Bruſt und Haupt, zertrümmerten Geſtalt. / Einige Stimmen. Wer iſt’s? Ein Mann? Ein Weib? Der Cherusker (der die Perſon führt). Fragt nicht, Ihr Leute, / Werft einen Schleier über die Perſon! / (er wirft ein großes Tuch über ſie.) 184 Der zweite Cherusker (der ſie führt). Wo iſt der Vater? Eine Stimme (aus dem Volke). Der Vater iſt der Teuthold! / 1550 Der zweite Cherusker. Der Teuthold, Helgars Sohn, der Schmidt der Waffen? / Mehrere Stimmen. Teuthold, der Schmidt, er, ja! Der zweite Cherusker. Ruft ihn herbei! / Das Volk. Da tritt er ſchon, mit ſeinen Vettern, auf! /
Fünfter Auftritt.
Teuthold und zwei andre Männer (treten auf). Der zweite Cherusker. Teuthold, heran! Teuthold. Was giebt’s? Der zweite Cherusker. Heran hier, ſag’ ich! — / Platz, Freunde, bitt’ ich! Laßt den Vater vor! / Teuthold. Was iſt geſchehn? Der zweite Cherusker. Gleich, gleich! — Hier ſtell’ Dich her! / Die Fackeln! He, Ihr Leute! Leuchtet ihm! / Teuthold. Was habt Ihr vor? 185 Der zweite Cherusker. Hör’ an und faſſ’ Dich kurz. — / Kennſt Du hier die Perſon? Teuthold. Wen, meine Freunde? / Der zweite Cherusker. Hier, frag’ ich, die verſchleierte Perſon? / 1560 Teuthold. Nein! Wie vermögt’ ich das? Welch’ ein Geheimniß! / Der Greis. Du kennſt ſie nicht? Der Erſte der beiden Vettern. Darf man den Schleier lüften? / Der erſte Cherusker. Halt, ſag’ ich Dir! Den Schleier rühr’ nicht an! / Der zweite Vetter. Wer die Perſon iſt, fragt ihr? (er nimmt eine Fackel und beleuchtet ihre Füße.) Teuthold. Gott im Himmel! / Hally, mein Einziges, was widerfuhr Dir? / (der Greis führt ihn auf die Seite und ſagt ihm etwas ins Ohr. Teuthold ſteht, wie vom Donner gerührt. Die Vettern, die ihm gefolgt waren, erſtarren gleichfalls. Pauſe.) Der zweite Cherusker. Genug! Die Fackeln weg! Führt ſie ins Haus! / Ihr aber eilt den Herrmann herzurufen! / Teuthold (indem er ſich plötzlich wendet). Halt dort! Der erſte Cherusker. Was giebt’s? Teuthold. Halt, ſag’ ich, ihr Cherusker! / Ich will ſie führen, wo ſie hingehört. (er zieht den Dolch.) / — Kommt, meine Vettern, folgt mir! 186 Der zweite Cherusker. Mann, was denkſt Du? / 1570 Teuthold (zu den Vettern). Rudolf, Du nimmſt die Rechte, Ralf, die Linke! / — Seid Ihr bereit, ſagt an? Die Vettern (indem ſie die Dolche ziehn). Wir ſind’s! Brich’ auf! / Teuthold (bohrt ſie nieder). Stirb! Werde Staub! Und über Deiner Gruft / Schlag’ ewige Vergeſſenheit zuſammen! / (ſie fällt, mit einem kurzen Laut, übern Haufen.) Das Volk. Ihr Götter! Der erſte Cherusker (fällt ihm in den Arm). Ungeheuer! Was beginnſt Du? / Eine Stimme (aus dem Hintergrunde). Was iſt geſchehn? Eine andere. Sprecht! Eine dritte. Was erſchrickt das Volk? / Das Volk (durcheinander). Weh! Weh! Der eigne Vater hat, mit Dolchen, / Die eignen Vettern, ſie in Staub geworfen! / Teuthold (indem er ſich über die Leiche wirft). Hally! Mein Einz’ges! Hab’ ich’s recht gemacht? /Sechſter Auftritt.
Herrmann und Eginhardt (treten auf). Die Vo⸗rigen. Der zweite Cherusker. Komm her, mein Fürſt, ſchau dieſe Gräuel an! / 1580 Herrmann. Was giebt’s? Der erſte Cherusker. Was! Fragſt Du noch? Du weißt von nichts? / Herrmann. Nichts, meine Freund’! ich komm’ aus meinem Zelte. / Eginhardt. Sagt, was erſchreckt Euch? Der zweite Cherusker (halblaut). Eine ganze Meute / Von geilen Römern, die den Platz durchſchweifte, / Hat bei der Dämmrung ſchaamlos eben jetzt — / Herrmann (indem er ihn vorführt). Still, Selmar, ſtill! Die Luft, Du weißt, hat Ohren. / — Ein Römerhaufen? Eginhardt. Ha! Was wird das werden? / (ſie ſprechen heimlich zuſammen. Pauſe.) Herrmann (mit Wehmuth, halblaut). Hally? Was ſagſt Du mir! Die junge Hally? / Der zweite Cherusker. Hally, Teutholds, des Schmidts der Waffen, Tochter! / — Da liegt ſie jetzt, ſchau her, mein Fürſt, / 1590 Von ihrem eignen Vater hingeopfert! / Eginhardt (vor der Leiche). Ihr großen, heiligen und ew’gen Götter! / Der erſte Cherusker. Was wirſt Du nun, o Herr, darauf beſchließen? / 188 Herrmann (zum Volke). Kommt, Ihr Cherusker! Kommt, Ihr Wodankinder! / Kommt, ſammelt Euch um mich und hört mich an! / (das Volk umringt ihn; er tritt vor Teuthold.) Teuthold, ſteh’ auf! Teuthold (am Boden). Laß mich! Herrmann. Steh’ auf, ſag’ ich! / Teuthold. Hinweg! Des Todes iſt, wer ſich mir naht. / Herrmann. — Hebt ihn empor, und ſagt Ihm, wer ich ſei. / Der zweite Cherusker. Steh’ auf, unſeel’ger Alter! Der erſte Cherusker. Faſſe Dich! / Der zweite Cherusker. Herrmann, Dein Rächer iſt’s, der vor Dir ſteht. / 1600 (ſie heben ihn empor.) Teuthold. Herrmann, mein Rächer, ſagt Ihr? — Kann er Rom, / Das Drachenneſt, vom Erdenrund vertilgen? / Herrmann. Ich kann’s und will’s! Hör’ an, was ich Dir ſage. / Teuthold (ſieht ihn an). Was für ein Laut des Himmels traf mein Ohr? / Die beiden Vettern. Du kannſt’s und willſt’s? Teuthold. Gebeut! Sprich! Red’, o Herr! / Was muß geſchehn? Wo muß die Keule fallen? / Herrmann. Das hör’ jetzt, und erwiedre nichts. — / 189 Brich’, Rabenvater, auf, und trage, mit den Vettern, / Die Jungfrau, die geſchändete, / In einen Winkel Deines Hauſes hin! / 1610 Wir zählen funfzehn Stämme der Germaner; / In funfzehn Stücke, mit des Schwerdtes Schärfe, / Theil’ ihren Leib, und ſchick’ mit funfzehn Boten, / Ich will Dir funfzehn Pferde dazu geben, / Den funfzehn Stämmen ihn Germaniens zu. / Der wird in Deutſchland, Dir zur Rache, / Bis auf die todten Elemente werben: / Der Sturmwind wird, die Waldungen durchſauſend, / Empörung! rufen, und die See, / Des Landes Ribben ſchlagend, Freiheit! brüllen. / 1620 Das Volk. Empörung! Rache! Freiheit! Teuthold. Auf! Greift an! / Bringt ſie ins Haus, zerlegt in Stücken ſie! / (ſie tragen die Leiche fort.) Herrmann. Komm, Eginhardt! Jetzt hab’ ich nichts mehr / An dieſem Ort zu thun! Germanien lodert: / Laß uns den Varus jetzt, den Stifter dieſer Gräuel, / Im Teutoburger Walde ſuchen! / (Alle ab.)
Siebenter Auftritt.
Herrmann (tritt auf, mit Schild und Spieß. Hinter ihm) Sep⸗timius. — Gefolge. Herrmann. Haſt Du die neuſte Einrichtung getroffen? / Mir das Cheruskerheer, das vor den Thoren liegt, / 190 Nach Römerart, wie Du verſprachſt, / In kleinere Manipeln abgetheilt? / 1630 Septimius. Mein Fürſt, wie konnt’ ich? Deine deutſchen Feldherrn / Verſicherten, Du wollteſt ſelbſt, / Bei dieſer Neuerung zugegen ſein. / Ich harrte, vor dem Thor, bis in die Nacht auf Dich; / Doch Du — warum? nicht weiß ich es — bliebſt aus. / Herrmann. Was! So iſt Alles noch im Heer, wie ſonſt? / Septimius. Auf jeden Punkt; wie könnt’ es anders? / Es ließ ſich, ohne Dich, Du weißt, nichts thun. / Herrmann. Das thut mir leid, Septimius, in der That! / Mich hielt ein dringendes Geſchäft / 1640 Im Ort zurück; Du würdeſt, glaubt’ ich, / Auch ohne mich hierin verfügen können. / Nun — wird es wohl beim Alten bleiben müſſen. / Der Tag bricht an; haſt Du das Heer, / Dem Plan gemäß, zum Marſch nach Arkon, / Dem Teutoburger Waldplatz angeſchickt? / Septimius. Es harrt nur Deines Worts, um anzutreten. / Herrmann (indem er einen Vorhang lüftet). — Ich denk’, es wird ein ſchöner Tag heut werden? / Septimius. Die Nacht war heiß, ich fürchte ein Gewitter. / (Pauſe.) Herrmann. Nun, ſei ſo gut, verfüg’ Dich nur voran! / 1650 Von meinem Weib’ nur will ich Abſchied nehmen, / Und folg’, in einem Augenblick, Dir nach! / (Septimius ab.) 191 (Zu dem Gefolge.) Auf, folgt ihm, und verlaßt ihn nicht! / Und jegliche Gemeinſchaft iſt, / Des Heers mit Teutoburg, von jetzt ſtreng aufgehoben. / (das Gefolge ab.)
Achter Auftritt.
Herrmann (nachdem er Schild und Spieß weggelegt). Nun wär’ ich fertig, wie ein Reiſender. / Cheruska, wie es ſteht und liegt, / Kommt mir, wie eingepackt in eine Kiſte, vor: / Um einen Wechſel könnt’ ich es verkaufen. / Denn käm’s heraus, daß ich auch nur / 1660 Davon geträumt, Germanien zu befrein: / Roms Feldherr ſteckte gleich mir alle Plätze an, / Erſchlüge, was die Waffen trägt, / Und führte Weib und Kind gefeſſelt übern Rhein. — / Auguſt ſtraft den Verſuch, ſo wie die That! / (er zieht eine Klingel; ein Trabant tritt auf.) Ruf’ mir die Fürſtin! Der Trabant. Hier erſcheint ſie ſchon! /Neunter Auftritt.
Herrmann und Thusnelda. Herrmann (nimmt einen Brief aus dem Buſen). Nun, Thuschen, komm; ich hab’ Dir was zu ſagen. / Thusnelda (ängſtlich). Sag’, liebſter Freund, ums Himmelswillen, / Welch’ ein Gerücht läuft durch den Lagerplatz? / 192 Ganz Teutoburg iſt voll, es würd’, in wenig Stunden, / 1670 Dem Craſſus, der Cohorten Führer, / Ein fürchterliches Blutgericht ergehn! / Dem Tode, wär’ die ganze Schaar geweiht, / Die als Beſatzung hier zurückgeblieben. / Herrmann. Ja! Kind, die Sach’ hat ihre Richtigkeit. / Ich warte nur auf Aſtolf noch, / Deshalb gemeſſ’ne Ordre ihm zu geben. / Sobald ich Varus Heer, beim Strahl des nächſten Tages, / Im Teutoburger Wald’ erreicht, / Bricht Aſtolf hier im Ort dem Craſſus los; / 1680 Die ganze Brut, die in den Leib Germaniens / Sich eingefilzt, wie ein Inſectenſchwarm, / Muß durch das Schwerdt der Rache jetzo ſterben. / Thusnelda. Entſetzlich! — Was für Gründe, ſag’ mir, / Hat Dein Gemüth, ſo grimmig zu verfahren? / Herrmann. Das muß ich Dir ein Andermal erzählen. / Thusnelda. Craſſus, mein liebſter Freund, mit allen Römern —? / Herrmann. Mit Allen, Kind; nicht Einer bleibt am Leben! / Vom Kampf, mein Thuschen, übrigens, / Der hier im Ort gekämpft wird werden, / 1690 Haſt Du auch nicht das Mindeſte zu fürchten; / Denn Aſtolf iſt dreimal ſo ſtark, als Craſſus; / Und überdies noch bleibt ein eigner Kriegerhaufen, / Zum Schutze Dir, bei dieſem Zelt zurück. / Thusnelda. Craſſus? Nein, ſag’ mir an! Mit allen Römern —? / Die Guten mit den Schlechten, rückſichtslos? / 193 Herrmann. Die Guten mit den Schlechten. — Was! Die Guten! / Das ſind die Schlechteſten! Der Rache Keil / Soll ſie zuerſt, vor allen Andern, treffen! / Thusnelda. Zuerſt! Unmenſchlicher! Wie Mancher iſt, / 1700 Dem wirklich Dankbarkeit Du ſchuldig biſt —? / Herrmann. — Daß ich nicht wüßte! Wem? Thusnelda. Das fragſt Du noch! / Herrmann. Nein, in der That, Du hörſt; ich weiß von nichts. / Nenn’ einen Namen mir? Thusnelda. Dir einen Namen! / So mancher Einzelne, der, in den Plätzen, / Auf Ordnung hielt, das Eigenthum beſchützt — / Herrmann. Beſchützt! Du biſt nicht klug! Das thaten ſie, / Es um ſo beſſer unter ſich zu theilen. / Thusnelda (mit ſteigender Angſt). Du Unbarmherz’ger! Ungeheuerſter! / — So hätt’ auch der Centurio / 1710 Der, bei dem Brande in Thuiskon jüngſt / Die Heldenthat gethan, Dir kein Gefühl entlockt? / Herrmann. Nein — Was für ein Centurio? Thusnelda. Nicht? Nicht? / Der junge Held, der, mit Gefahr des Lebens, / Das Kind, auf ſeiner Mutter Ruf, / Dem Tod’ der Flammen muthig jüngſt entriſſen? — / Er hätte kein Gefühl der Liebe Dir entlockt? / 194 Herrmann (glühend). Er ſei verflucht, wenn er mir das gethan! / Er hat, auf einen Augenblick, / Mein Herz veruntreut, zum Verräther / 1720 An Deutſchlands großer Sache mich gemacht! / Warum ſetzt’ er Thuiskon mir in Brand? / Ich will die höhniſche Dämonenbrut nicht lieben! / So lang’ ſie in Germanien trotzt, / Iſt Haß mein Amt und meine Tugend Rache! / Thusnelda (weinend). Mein liebſter, beſter Herzens⸗Herrmann, / Ich bitte Dich um des Ventidius Leben! / Das eine Haupt nimmſt Du von Deiner Rache aus! / Laß’, ich beſchwöre Dich, laß mich ihm heimlich melden, / Was über Varus Du verhängt: / 1730 Mag er in’s Land der Väter raſch ſich retten! / Herrmann. Ventidius? Nun gut. — Ventidius Carbo? / Nun denn, es ſei! — Weil es mein Thuschen iſt, / Die für ihn bittet, mag er fliehn: / Sein Haupt ſoll meinem Schwerdt, ſo wahr ich lebe, / Um dieſer ſchönen Regung heilig ſein! / Thusnelda (ſie küßt ſeine Hand). O Herrmann! Iſt es wirklich wahr? O Herrmann! / Du ſchenkſt ſein Leben mir? Herrmann. Du hörſt. Ich ſchenk’s ihm. / Sobald der Morgen angebrochen, / Steckſt Du zwei Wort’ ihm heimlich zu, / 1740 Er möchte gleich ſich übern Rheinſtrom retten; / Du kannſt ihm Pferd’ aus meinen Ställen ſchicken, / Daß er den Tagesſtrahl nicht mehr erſchaut. / Thusnelda. O Liebſter mein! Wie rührſt Du mich! O Liebſter! / 195 Herrmann. Doch eher nicht, hörſt Du, das bitt’ ich ſehr, / Als bis der Morgen angebrochen! / Eh’ auch mit Mienen nicht verräthſt Du Dich! / Denn alle Andern müſſen unerbittlich, / Die ſchändlichen Tyrannenknechte, ſterben: / Der Anſchlag darf nicht etwa durch ihn ſcheitern! / 1750 Thusnelda (indem ſie ſich die Thränen trocknet). Nein, nein; ich ſchwör’s Dir zu! Kurz vor der Sonn’ erſt! / Kurz vor der Sonn’ erſt ſoll er es erfahren! / Herrmann. So, wenn der Mond entweicht. Nicht eh’, nicht ſpäter. / Thusnelda. Und daß der Jüngling auch nicht etwa, / Der thörigte, um dieſes Briefs, / Mit einem falſchen Wahn ſich ſchmeichele, / Will ich den Brief in Deinem Namen ſchreiben; / Ich will, mit einem höhnſchen Wort ihm ſagen: / Beſtimmt wär’ er, die Poſt vom Untergang des Varus / Nach Rom, an ſeinen Kaiſerhof, zu bringen! / 1760 Herrmann (heiter). Das thu. Das iſt ſehr klug. — Sieh da, mein ſchönes Thuschen! / Ich muß Dich küſſen. — / Doch, was ich ſagen wollte — — / Hier iſt die Locke wieder, ſchau, / Die Er Dir jüngſt vom Scheitel abgelöſ’t, / Sie war, als eine Probe Deiner Haare, / Schon auf dem Weg nach Rom; jedoch ein Schütze bringt, / Der in den Sand den Boten ſtreckte, / Sie wieder in die Hände mir zurück. / (er giebt ihr den Brief, worin die Locke eingeſchlagen.) Thusnelda (indem ſie den Brief entfaltet). Die Lock’? O was! Um die ich Ihn verklagt? / 1770 196 Herrmann. Dieſelbe, ja! Thusnelda. Sieh da! Wo kommt ſie her? / Du haſt ſie dem Arkadier abgefordert? / Herrmann. Ich? O behüte! Thusnelda. Nicht? — Ward ſie gefunden? / Herrmann. Gefunden, ja, in einem Brief, Du ſiehſt, / Den Er nach Rom hin, geſtern früh, / An Livia, ſeine Kaiſ’rin, abgefertigt. / Thusnelda. In einem Brief? An Kaiſerin Livia? / Herrmann. Ja, lies die Aufſchrift nur. Du hältſt den Brief. / (indem er mit dem Finger zeigt.) „An Livia, Roms große Kaiſerin.“ / Thusnelda. Nun? Und? Herrmann. Nun? Und? Thusnelda. — Freund, ich verſteh’ kein Wort! / 1780 — Wie kamſt Du zu dem Brief? Wer gab ihn Dir? / Herrmann. Ein Zufall, Thuschen, hab’ ich ſchon geſagt! / Der Brief, mit vielen andern noch, / Ward einem Boten abgejagt, / Der nach Italien ihn bringen ſollte. / Den Boten warf ein guter Pfeilſchuß nieder, / Und ſein Packet, worin die Locke, / Hat mir der Schütze eben überbracht. / 197 Thusnelda. Das iſt ja ſeltſam, das, ſo wahr ich lebe! — / Was ſagt Ventidius denn darin? Herrmann. Er ſagt —: / 1790 Laß ſehn! Ich überflog ihn nur. Was ſagt er? / (er guckt mit hinein.) Thusnelda (lieſ’t). „Varus, o Herrſcherin, ſteht, mit den Legionen, / „Nun in Cheruska ſiegreich da; / „Cheruska, faſſ’ mich wohl, der Heimath jener Locken, / „Wie Gold ſo hell und weich wie Seide, / „Die Dir der heitre Markt von Rom verkauft. / „Nun bin ich jenes Wortes eingedenk, / „Das Deinem ſchönen Mund’, Du weißt, / „Als ich zuletzt Dich ſah, im Scherz entfiel. / „Hier ſchick’ ich von dem Haar, das ich Dir zugedacht, / 1800 „Und das ſogleich, wenn Herrmann ſinkt, / „Die Scheere für Dich erndten wird, / „Dir eine Probe zu, mir klug verſchafft; / „Beim Styx! ſo legt’s am Capitol, / „Phaon, der Krämer, Dir nicht vor: / „Es iſt vom Haupt der erſten Frau des Reichs, / „Vom Haupt der Fürſtin ſelber der Cherusker!“ / — Ei der Verfluchte! (ſie ſieht Herrmann an, und wieder in den Brief hinein.) Nein, ich las wohl falſch? / Herrmann. Was? Thusnelda. Was! Herrmann. — Steht’s anders in dem Briefe da? / Er ſagt —: 198 Thusnelda. „Hier ſchick’ ich von dem Haar,“ ſagt er, / 1810 „Das ich Dir zugedacht, und das ſogleich, / „Wenn Herrmann ſinkt — die Scheere für Dich erndten „wird —“ / (die Sprache geht ihr aus.) Herrmann. Nun ja; er will —! Verſtehſt Du’s nicht? Thusnelda (ſie wirft ſich auf einen Seſſel nieder). O Hertha! / Nun mag ich dieſe Sonne nicht mehr ſehn./ (ſie verbirgt ihr Haupt). Herrmann (leiſe, flüſternd). Thuschen! Thuschen! Er iſt ja noch nicht fort. / (er folgt ihr und ergreift ihre Hand.) Thusnelda. Geh, laß mich ſein. Herrmann (beugt ſich ganz über ſie). Heut, wenn die Nacht ſinkt, Thuschen, / Schlägt Dir der Rache ſüße Stunde ja! / Thusnelda. Geh, geh, ich bitte Dich! Verhaßt iſt Alles, / Die Welt mir, Du mir, ich: laß mich allein! / Herrmann (er fällt vor ihr nieder). Thuschen! Mein ſchönes Weib! Wie rührſt Du mich! / 1820 (Kriegsmuſik draußen.)Zehnter Auftritt.
Eginhardt und Aſtolf (treten auf). Die Vorigen. Eginhardt. Mein Fürſt, die Hörner rufen Dich! Brich auf! / Du darfſt, willſt Du das Schlachtfeld noch erreichen, / Nicht, wahrlich! einen Augenblick mehr ſäumen. / 199 Herrmann (ſteht auf). Gertrud! Eginhardt. Was fehlt der Königin? Herrmann. Nichts, nichts! / (die Frauen der Thusnelda treten auf.) Hier! Sorgt für Eure Frau! Ihr ſeht, ſie weint. / (er nimmt Schild und Spieß.) Aſtolf iſt von dem Kriegsplan unterrichtet? / Eginhardt. Er weiß von Allem. Herrmann (zu Aſtolf). Sechshundert Krieger bleiben Dir / In Teutoburg zurück, und ein Gezelt mit Waffen, / Cheruska’s ganzes Volk damit zu rüſten. / Teuthold bewaffneſt, und die Seinen, Du, / 1830 Um Mitternacht, wenn Alles ſchläft, zuerſt. / Sobald der Morgen dämmert brichſt Du los. / Craſſus und alle Führer der Cohorten, / Suchſt Du in ihren Zelten auf; / Den Reſt des Haufens fäll’ſt Du, gleichviel, wo? / Auch den Ventidius empfehl’ ich Dir. / Wenn hier in Teutoburg der Schlag gefallen, / Folgſt Du, mit Deinem ganzen Troß, / Mir nach dem Teutoburger Walde nach; / Dort wirſt Du weiteren Befehl erhalten. — / 1840 Haſt Du verſtanden? Aſtolf. Wohl, mein erlauchter Herr. / Eginhardt (beſorgt). Mein beſter Fürſt! Willſt Du nicht lieber ihn / Nach Norden, an den Lippſtrom, ſchicken, / Cheruska vor dem Päſtus zu beſchirmen, / 200 Der dort, Du weißt, mit Holm, dem Herrn der Frieſen, kämpft. / Cheruska iſt ganz offen dort, / Und Päſtus, wenn er hört, daß Rom von Dir verrathen, / Beim Styx! er ſendet, zweifle nicht, / Gleich einen Haufen ab, in Deinem Rücken, / Von Grund’ aus, alle Plätze zu verwüſten. / 1850 Herrmann. Nichts, nichts, mein alter Freund! Was fällt Dir ein? / Kämpf’ ich auch für den Sand, auf den ich trete, / Kämpf’ ich für meine Bruſt? / Cheruska ſchirmen! Was! Wo Herrmann ſteht, da ſiegt er, / Und mithin iſt Cheruska da. / Du folgſt mir, Aſtolf, ins Gefild’ der Schlacht; / Wenn Varus, an der Weſer, ſank, / Werd’ ich, am Lippſtrom, auch den Päſtus treffen! / Aſtolf. Es iſt genug, o Herr! Es wird geſchehn. / Herrmann (wendet ſich zu Thusnelda). Leb’ wohl, Thusnelda, mein geliebtes Weib! / 1860 Aſtolf hat Deine Rache übernommen. / Thusnelda (ſteht auf). An den Ventidius? (ſie drückt einen heißen Kuß auf ſeine Lippen.) Ueberlaſſ’ ihn mir! / Ich habe mich gefaßt, ich will mich rächen! / Herrmann. Dir? Thusnelda. Mir! Du ſollſt mit mir zufrieden ſein. / Herrmann. Nun denn, ſo iſt der erſte Sieg erfochten! / Auf jetzt, daß ich den Varus treffe: / Roms ganze Kriegsmacht, wahrlich, ſcheu’ ich nicht! / (Alle ab.)Fünfter Akt.
Scene: Teutoburger Wald. Nacht, Donner und Blitz.Erſter Auftritt.
Varus und mehrere Feldherrn, an der Spitze des römiſchen Heeres, mit Fackeln (treten auf). Varus. Ruft: Halt! Ihr Feldherrn, den Cohorten zu! / Die Feldherrn (in der Ferne). Halt! — Halt! Varus. Licinius Valva! Ein Hauptmann (vortretend). Hier! Wer ruft? / Varus. Schaff’ mir die Boten her, die drei Cherusker, / 1870 Die an der Spitze gehn! Der Hauptmann. Du hörſt, mein Feldherr! / Du wirſt die Männer ſchuldlos finden; / Arminius hat ſie alſo unterrichtet. / Varus. Schaff’ ſie mir her, ſag’ ich, ich will ſie ſprechen! — / 202 Ward, ſeit die Welt in Kreiſen rollt, / Solch’ ein Verrath erlebt? Cherusker führen mich, / Die man, als Kundige des Landes, mir / Mit breitem Munde rühmt, am hellen Mittag irr’! / Rück’ ich nicht, um zwei Meilen zu gewinnen, / Bereits durch ſechzehn volle Stunden fort? / 1880 Wars ein Verſehn, daß man nach Pfiffi mich, / Statt Iphikon geführt: wohlan, ich will es mindſtens, / Bevor ich weiter rücke, unterſuchen. / Erſter Feldherr (in den Bart). Daß durch den Mantel doch, den ſturmzerrißnen, / Der Nacht, der um die Köpf’ uns hängt, / Ein Einz’ges Sternbild ſchimmernd niederblinkte! / Wenn auf je hundert Schritte nicht, / Ein Blitzſtrahl ziſchend vor uns niederkeilte, / Wir würden, wie die Eul’ am Tage, / Haupt und Gebein uns im Gebüſch zerſchellen! / 1890 Zweiter Feldherr. Wir können keinen Schritt fortan, / In dieſem feuchten Mordgrund, weiter rücken! / Er iſt ſo zäh, wie Vogelleim geworden. / Das Heer ſchleppt halb Cheruska an den Beinen, / Und wird noch, wie ein bunter Specht, / Zuletzt, mit Haut und Haar, dran kleben bleiben. / Dritter Feldherr. Pfiffikon! Iphikon! — Was das, beim Jupiter! / Für eine Sprache iſt! Als ſchlüg’ ein Stecken / An einen alten, roſtzerfreſſ’nen Helm! / Ein Gräulſyſtem von Worten, nicht geſchickt, / 1900 Zwei ſolche Ding’, wie Tag und Nacht, / Durch einen eignen Laut zu unterſcheiden. / Ich glaub’, ein Tauber war’s, der das Geheul erfunden, / Und an den Mäulern ſehen ſie ſich’s ab. / 203 Ein Römer. Dort kommen die Cherusker! Varus. Bringt ſie her! /Zweiter Auftritt.
Der Hauptmann (mit den) drei cheruskiſchenBoten. — Die Vorigen. Varus. Nach welchem Ort, ſag’ an, von mir benannt, / Haſt Du mich heut von Arkon führen ſollen? / Der erſte Cherusker. Nach Pfiffikon, mein hochverehrter Herr. / Varus. Was, Pfiffikon! hab’ ich nicht Iphi Dir / Beſtimmt, und wieder Iphikon genannt? / 1910 Der erſte Cherusker. Vergieb, o Herr, Du nannteſt Pfiffikon. / Zwar ſprachſt Du, nach der Römermundart, / Das läugn’ ich nicht: „führt mich nach Iphikon;“ / Doch Herrmann hat beſtimmt uns geſtern, / Als er uns unterrichtete, geſagt: / „Des Varus Wille iſt nach Pfiffikon zu kommen; / „Drum thut nach mir, wie er auch ausſpricht, / „Und führt ſein Heer auf Pfiffikon hinaus.“ / Varus. Was! Der erſte Cherusker. Ja, mein erlauchter Herr, ſo iſt’s. / Varus. Woher kennt auch Dein Herrmann meine Mundart? / 1920 204 Den Namen hatt’ ich: Iphikon, / Ja ſchriftlich ihm, mit dieſer Hand gegeben?! / Der erſte Cherusker. Darüber wirſt Du ihn zur Rede ſtellen; / Doch wir ſind ſchuldlos, mein verehrter Herr. / Varus. O wart’! — — Wo ſind wir jetzt? Der erſte Cherusker. Das weiß ich nicht. / Varus. Das weißt Du nicht, verwünſchter Galgenſtrick, / Und biſt ein Bote? Der erſte Cherusker. Nein! Wie vermögt’ ich das? / Der Weg, den Dein Gebot mich zwang, / Südweſt queer durch den Wald hin einzuſchlagen, / Hat in der Richtung mich verwirrt: / 1930 Mir war die große Straße nur, / Von Teutoburg nach Pfiffikon, bekannt. / Varus. Und Du? Du weißt es auch nicht. Der zweite Cherusker. Nein, mein Feldherr. / Varus. Und Du? Der dritte Cherusker. Ich auch bin, ſeit es dunkelt, irre. — / Nach Allem doch, was ich ringsum erkenne, / Biſt Du nicht weit von unſerm Waldplatz Arkon. / Varus. Von Arkon? Was! Wo ich heut ausgerückt? / Der dritte Cherusker. Von eben dort; Du biſt ganz heimgegangen. / 205 Varus. Daß Euch der Erde finſtrer Schooß verſchlänge! — / Legt ſie in Stricken! — Und wenn ſie jedes ihrer Worte / 1940 Herrmann ins Antlitz nicht beweiſen können, / So hängt der Schufte Einen auf, / Und gerbt den beiden Anderen die Rücken! / (die Boten werden abgeführt.)
Dritter Auftritt.
Die Vorigen (ohne die Boten). Varus. Was iſt zu machen? — — Sieh da! Ein Licht im Walde! / Erſter Feldherr. He, dort! Wer ſchleicht dort? Zweiter Feldherr. Nun, beim Jupiter! / Seit wir den Teutoburger Wald durchziehn, / Der erſte Menſch, der unſerm Blick begegnet! / Der Hauptmann. Es iſt ein altes Weib, das Kräuter ſucht. /Vierter Auftritt.
Eine Alraune (tritt auf, mit Krücke und Laterne). Die Vo⸗rigen. Varus. Auf dieſem Weg’, den ich im Irrthum griff, / Stammmütterchen Cheruska’s, ſag’ mir an, / 1950 Wo komm’ ich her? Wo bin ich? Wohin wandr’ ich? / 206 Die Alraune. Varus, o Feldherr Roms, das ſind drei Fragen! / Auf mehr nicht kann mein Mund Dir Rede ſtehn! / Varus. Sind Deine Worte ſo geprägt, / Daß Du, wie Stücken Goldes, ſie berechneſt? / Wohlan, es ſei, ich bin damit zufrieden! / Wo komm’ ich her? Die Alraune. Aus nichts, Quintilius Varus! / Varus. Aus Nichts? — Ich komm’ aus Arkon heut. / — Die Römiſche Sybille, ſeh’ ich wohl, / Und jene Wunderfrau von Endor biſt Du nicht. / 1960 — Laß ſehn, wie Du die andern Punct’ erledigſt! / Wenn Du nicht weißt, woher des Wegs ich wandre: / Wenn ich ſüdweſtwärts, ſprich, ſtets ihn verfolge, / Wo geh’ ich hin? Die Alraune. In’s Nichts, Quintilius Varus! / Varus. In’s Nichts? — Du ſingſt ja, wie ein Rabe! / Von wannen kommt Dir dieſe Wiſſenſchaft? / Eh’ ich in Charons düſtern Nachen ſteige, / Denk’ ich, als Sieger, zweimal noch / Rom, mit der heiteren Quadriga, zu durchſchreiten! / Das hat ein Prieſter Jovis mir vertraut. / 1970 — Triff, bitt’ ich Dich, der dritten Frage, / Die Du vergönnt mir, beſſer auf die Stirn! / Du ſiehſt, die Nacht hat mich Verirrten überfallen: / Wo geh’ ich her? Wo geh’ ich hin? / Und wenn Du das nicht weißt, wohlan: / Wo bin ich? ſag’ mir an, das wirſt Du wiſſen; / In welcher Gegend hier befind’ ich mich? / 207 Die Alraune. Zwei Schritt vom Grab’, Quintilius Varus, / Hart zwiſchen Nichts und Nichts! Gehab’ Dich wohl! / Das ſind genau der Fragen drei; / 1980 Der Fragen mehr, auf dieſer Haide, / Giebt die cheruskiſche Alraune nicht! / (ſie verſchwindet.)
Fünfter Auftritt.
Die Vorigen (ohne die Alraune). Varus. Sieh da! Erſter Feldherr. Beim Jupiter, dem Gott der Welt! / Zweiter Feldherr. Was war das? Varus. Wo? Zweiter Feldherr. Hier, wo der Pfad ſich kreuzet! / Varus. Saht ihr es auch, das ſinnverrückte Weib? / Erſter Feldherr. Das Weib? Zweiter Feldherr. Ob wir’s geſehn? Varus. Nicht? — Was war’s ſonſt? / Der Schein des Monds, der durch die Stämme fällt? / Erſter Feldherr. Beim Orkus! Eine Hexe! halt’ ſie feſt! / Da ſchimmert die Laterne noch! 208 Varus (niedergeſchlagen). Laßt, laßt! / Sie hat des Lebens Fittig mir / 1990 Mit ihrer Zunge ſcharfem Stahl gelähmt! /Sechſter Auftritt.
Ein Römer (tritt auf). Die Vorigen. Der Römer. Wo iſt der Feldherr Roms? Wer führt mich zu ihm? / Der Hauptmann. Was giebt’s? Hier ſteht er! Varus. Nun? Was bringſt Du mir? / Der Römer. Quintilius, zu den Waffen, ſag’ ich Dir! / Marbod hat übern Weſerſtrom geſetzt! / Auf weniger, denn tauſend Schritte, / Steht er mit ſeinem ganzen Suevenheere da! / Varus. Marbod! Was ſagſt Du mir? Erſter Feldherr. Biſt Du bei Sinnen? / Varus. — Von wem kommt Dir die aberwitz’ge Kunde? / Der Römer. Die Kunde? Was! Beim Zevs, hier von mir ſelbſt! / 2000 Dein Vortrab ſtieß ſo eben auf den ſeinen, / Bei welchem ich, im Schein der Fackeln, / So eben durch die Büſche, ihn geſehn! / Varus. Unmöglich iſt’s! 209 Zweiter. Das iſt ein Irrthum, Freund! / Varus. Fulvius Lepidus, der Legate Roms, / Der eben jetzt, aus Marbods Lager, / Hier angelangt, hat ihn vorgeſtern / Ja noch jenſeits des Weſerſtroms verlaßen?! / Der Römer. Mein Feldherr, frage mich nach nichts! / Schick’ Deine Späher aus und überzeuge Dich! / 2010 Marbod, hab’ ich geſagt, ſteht, mit dem Heer der Sueven, / Auf Deinem Weg zur Weſer aufgepflanzt; / Hier dieſe Augen haben ihn geſehn! / Varus. — Was ſoll dies alte Herz fortan nicht glauben? / Kommt her und ſprecht: Marbod und Herrmann / Verſtänden heimlich ſich, in dieſer Fehde, / Und ſo wie der im Antlitz mir, / So ſtände der mir ſchon im Rücken, / Mich hier mit Dolchen in den Staub zu werfen: / Beim Styx! ich glaubt’ es noch; ich hab’s, ſchon vor drei Tagen, / 2020 Als ich den Lippſtrom überſchifft, geahnt! / Erſter Feldherr. Pfui doch, Quintilius, des unrömerhaften Worts! / Marbod und Herrmann! In den Staub Dich werfen! / Wer weiß, ob Einer noch von beiden / In Deiner Nähe iſt! — Gieb mir ein Häuflein Römer, / Den Wald, der Dich umdämmert, zu durchſpähn: / Die Schaar, auf die Dein Vordertrapp geſtoßen, / Iſt eine Horde noch zuletzt, / Die hier den Uhren oder Bären jagt. / Varus (ſammelt ſich). Auf! — Drei Centurien geb’ ich Dir! / 2030 210 — Bring’ Kunde mir, wenn Du’s vermagſt, / Von ſeiner Zahl; verſtehſt Du mich? / Und ſeine Stellung auch im Wald’ erforſche; / Jedoch vermeide ſorgſam ein Gefecht. / (der erſte Feldherr ab.)Siebenter Auftritt.
Varus. — (Im Hintergrunde) das Römerheer. Varus. O Prieſter Zevs, haſt Du den Raben auch, / Der Sieg mir zu verkünd’gen ſchien, verſtanden? / Hier war ein Rabe, der mir prophezeiht, / Und ſeine heiſre Stimme ſprach: das Grab! /Achter Auftritt.
Ein zweiter Römer (tritt auf). Die Vorigen. Der Römer. Man ſchickt mich her, mein Feldherr, Dir zu melden, / Daß Herrmann, der Cheruskerfürſt, / 2040 Im Teutoburger Wald ſo eben eingetroffen; / Der Vortrab ſeines Heers, Dir hülfreich zugeführt, / Berührt den Nachtrab ſchon des Deinigen! / Varus. Was ſagſt Du? Zweiter Feldherr. Herrmann? — Hier in dieſem Wald? / Varus (wild). Bei allen Furien der flammenvollen Hölle! / Wer hat ihm Fug und Recht gegeben, / Heut weiter, als bis Arkon, vorzurücken? / 211 Der Römer. Darauf bleib’ ich die Antwort ſchuldig Dir. — / Servil, der mich Dir ſandte, ſchien zu glauben / Er werde Dir, mit dem Cheruskerheer, / 2050 In Deiner Lage ſehr willkommen ſein. / Varus. Willkommen mir? Daß ihn die Erd’ entraffte! / Fleuch gleich zu ſeinen Schaaren hin, / Und ruf mir den Septimius, hörſt Du, / Den Feldherrn her, den ich ihm zugeordnet! / Dahinter fürcht’ ich ſehr, ſteckt eine Meuterei, / Die ich ſogleich an’s Tageslicht will ziehn! /Neunter Auftritt.
Ariſtan, Fürſt der Ubier (tritt eilig auf). Die Vorigen. Ariſtan. Verrätherei! Verrätherei! / Marbod und Herrmann ſtehn im Bund’, Quintilius! / Den Teutoburger Wald umringen ſie, / 2060 Mit Deinem ganzen Heere Dich / In der Moräſte Tiefen zu erſticken! / Varus. Daß Du zur Eule werden müßteſt, / Mit Deinem mitternächtlichen Geſchrei! / — Woher kommt Dir die Nachricht? Ariſtan. Mir die Nachricht? — / Hier lies den Brief, bei allen Römergöttern, / Den er mit Pfeilen eben jetzt / 212 Ließ in die Feu’r der Deutſchen ſchießen, / Die Deinem Heereszug hierher gefolgt! / (er giebt ihm einen Zettel.) Er ſpricht von Freiheit, Vaterland und Rache, / 2070 Ruft uns — ich bitte Dich! der gift’ge Meuter, auf, / Uns muthig ſeinen Schaaren anzuſchließen, / Die Stunde hätte Deinem Heer geſchlagen, / Und droht, jedwedes Haupt, das er in Waffen / Erſchauen wird, die Sache Roms verfechtend, / Mit einem Beil, vom Rumpf herab, zum Kuß / Auf der Germania heil’gen Grund zu nöth’gen! / Varus (nachdem er geleſen). Was ſagten die german’ſchen Herrn dazu? / Ariſtan. Was ſie dazu geſagt? Die gleißneriſchen Gauner! / Sie fallen Alle von Dir ab! / 2080 Fuſt rief zuerſt, der Cimbern Fürſt, / Die Andern gleich, auf dieſes Blatt, zuſammen; / Und, unter einer Fichte eng / Die Häupter aneinander drückend, / Stand, einer Glucke gleich, die Rotte der Rebellen, / Und brütete, die Waffen pluſternd, / Gott weiß, welch’ eine Unthat aus, / Mordvolle Blick’ auf mich zur Seite werfend, / Der aus der Ferne ſie in Aufſicht nahm! / Varus (ſcharf). Und Du, Verräther, folgſt dem Aufruf nicht? / 2090 Ariſtan. Wer? Ich? Dem Ruf Armins? — Zevs Donnerkeil / Soll mich hier gleich zur Erde ſchmettern, / Wenn der Gedank’ auch nur mein Herz beſchlich! / Varus. Gewiß? Gewiß? — Daß mir der Schlecht’ſte juſt, / Von allen deutſchen Fürſten, bleiben muß! — / 213 Doch, kann es anders ſein? — — O Herrmann! Herrmann! / So kann man blondes Haar und blaue Augen haben, / Und doch ſo falſch ſein, wie ein Punier? / Auf! Noch iſt Alles nicht verloren. — / Publius Sextus! Zweiter Feldherr. Was gebeut mein Feldherr? / 2100 Varus. Nimm die Cohorten, die den Schweif mir bilden, / Und wirf die deutſche Hülfsſchaar gleich, / Die meinen Zug’ hierher gefolgt, zuſammen! / Zur Hölle, mitleidlos, eh’ ſie ſich noch entſchloſſen, / Die ganze Meuterbrut herab; / Es fehlt mir hier an Stricken, ſie zu binden! / (er nimmt Schild und Spieß aus der Hand eines Römers.) Ihr aber — folgt mir zu den Legionen! / Arminius, der Verräther, wähnt, / Mich durch den Anblick der Gefahr zu ſchrecken; / Laß ſehn, wie er ſich faſſen wird, / 2110 Wenn ich, die Waffen in der Hand, / Gleich einem Eber, jetzt hinein mich ſtürze! (Alle ab.) /Zehnter Auftritt.
Egbert (mit mehreren) Feldherrn und Hauptleuten (ſtehen verſammelt). Fackeln. (Im Hintergrunde) das Che⸗ruskerheer. Egbert. Hier, meine Freunde! Sammelt Euch um mich! / Ich will das Wort Euch muthig führen! / 214 Denkt, daß die Sueven Deutſche ſind, wie ihr: / Und wie ſich ſeine Red’ auch wendet, / Verharrt bei Eurem Entſchluß nicht zu fechten! / Erſter Feldherr. Hier kommt er ſchon. Ein Hauptmann. Doch rath’ ich Vorſicht an! /
Eilfter Auftritt.
Herrmann und Winfried (treten auf). Die Vorigen. Herrmann (in die Ferne ſchauend). Siehſt Du die Feuer dort? Winfried. Das iſt der Marbod! — / Er giebt das Zeichen Dir zum Angriff ſchon. / 2120 Herrmann. Raſch! — Daß ich keinen Augenblick verliere. / (er tritt in die Verſammlung.) Kommt her, ihr Feldherrn der Cherusker! / Ich hab’ Euch etwas Wicht’ges zu entdecken. / Egbert (indem er vortritt). Mein Fürſt und Herr, eh’ Du das Wort ergreifſt, / Vergönnſt, auf einen Augenblick, / In Deiner Gnade, Du die Rede mir! / Herrmann. Dir? — Rede! Egbert. Wir folgten Deinem Ruf / Ins Feld des Tods, Du weißt, vor wenig Wochen, / Im Wahn, den Du geſchickt erregt, / Es gelte Rom und die Tyrannenmacht, / 2130 215 Die unſer heil’ges Vaterland zertritt. / Des Tages neueſte, unſelige Geſchichte / Belehrt uns doch, daß wir uns ſchwer geirrt: / Dem Auguſt haſt Du Dich, dem Feind’ des Reichs, verbunden, / Und rückſt, um eines nicht’gen Streits, / Marbod, dem deutſchen Völkerherrn entgegen. / Cherusker, hätt’ſt Du wiſſen können, / Leihn, wie die Ubier ſich, und Aeduer, nicht, / Die Sclavenkette, die der Römer bringt, / Den deutſchen Brüdern um den Hals zu legen. / 2140 Und kurz, daß ich’s, o Herr mit Einem Wort Dir melde: / Dein Heer verweigert muthig Dir den Dienſt; / Es folgt zum Sturm nach Rom Dir wenn Du willſt, / Doch in des wackern Marbod Lager nicht. / Herrmann (ſieht ihn an). Was! hört’ ich recht? Winfried. Ihr Götter des Olymps! / Herrmann. Ihr weigert, ihr Verräther, mir den Dienſt? / Winfried (ironiſch). Sie weigern Dir den Dienſt, Du hörſt! Sie wollen / Nur gegen Varus Legionen fechten! / Herrmann (indem er ſich den Helm in die Augen drückt). Nun denn, bei Wodans erz’nem Donnerwagen, / So ſoll ein grimmig Beiſpiel doch / 2150 Solch’ eine ſchlechte Regung in Dir ſtrafen! / — Gieb Deine Hand mir her! (er ſtreckt ihm die Hand hin.) Egbert. Wie, mein Gebieter. / Herrmann. Mir Deine Hand, ſag’ ich! Du ſollſt, Du Römerfeind, / Noch heut, auf ihrer Adler Einen, / 216 Im dichteſten Gedräng’ des Kampfs mir treffen! / Noch eh’ die Sonn’ entwich, das merk’ Dir wohl, / Legſt Du ihn hier zu Füßen mir darnieder! / Egbert. Auf wen, mein Fürſt? Vergieb, daß ich erſtaune! / Iſt’s Marbod nicht, dem Deine Rüſtung —? Herrmann. Marbod? / Meinſt Du, daß Herrmann minder deutſch geſinnt, / 2160 Als Du? — Der iſt hier dieſem Schwerdt verfallen, / Der ſeinem greiſen Haupt ein Haar nur krümmt! — / Auf meinen Ruf, Ihr Brüder, müßt Ihr wiſſen, / Steht er auf jenen Höhn, durch eine Botſchaft / Mir, vor vier Tagen, heimlich ſchon verbunden! / Und kurz, daß ich mich gleichfalls rund erkläre: / Auf, Ihr Cherusker zu den Waffen! / Doch ihn nicht, Marbod, meinem Freunde, / Germaniens Henkersknecht, Quintilius Varus gilt’s! / Winfried. Das war’s, was Herrmann Euch zu ſagen hatte. / 2170 Egbert (freudig). Ihr Götter! Die Feldherrn und Hauptleute (durcheinander). Tag des Jubels und der Freude! / Das Cheruskerheer (jauchzend). Heil, Herrmann, Heil Dir! Heil, Sohn Siegmars, dir! / Daß Wodan Dir den Sieg verleihen mög’! /Zwölfter Auftritt.
Ein Cherusker (tritt auf). Die Vorigen. Der Cherusker. Septimius Nerva kommt, den Du gerufen! / Herrmann. Still, Freunde, ſtill! Das iſt der Halsring von der Kette, / Die der Cheruska angethan; / Jetzt muß das Werk der Freiheit gleich beginnen. / Winfried. Wo war er? Herrmann. Bei dem Brand’ in Arkon, nicht? / Beſchäftiget zu retten und zu helfen? / Der Cherusker. In Arkon, ja, mein Fürſt; bei einer Hütte, / 2180 Die durch den Römerzug, in Feuer aufgegangen. / Er ſchüttete gerührt dem Eigner / Zwei volle Säckel Geldes aus! / Bei Gott! der iſt zum reichen Mann geworden, / Und wünſcht noch oft ein gleiches Unheil ſich. / Herrmann. Das gute Herz! Winfried. Wo ſtahl er doch die Säckel? / Herrmann. Dem Nachbar auf der Rechten oder Linken? / Winfried. Er preßt mir Thränen aus. Herrmann. Doch ſtill! Da kömmt er. /Dreizehnter Auftritt.
Septimius (tritt auf). Die Vorigen. Herrmann (kalt). Dein Schwerdt, Septimius Nerva, Du mußt ſterben. / Septimius. — Mit wem ſprech’ ich? Herrmann. Mit Herrmann, dem Cherusker, / 2190 Germaniens Retter und Befreier / Von Roms Tyrannenjoch! Septimius. Mit dem Armin? — / Seit wann führt der ſo ſtolze Titel? / Herrmann. Seit Auguſt ſich ſo niedre zugelegt. / Septimius. So iſt es wahr? Arminius ſpielte falſch? / Verrieth die Freunde, die ihn ſchützen wollten? / Herrmann. Verrieth Euch, ja; was ſoll ich mit Dir ſtreiten? / Wir ſind verknüpft, Marbod und ich, / Und werden, wenn der Morgen tagt, / Den Varus, hier im Walde, überfallen. / 2200 Septimius. Die Götter werden ihre Söhne ſchützen! / — Hier iſt mein Schwerdt! Herrmann (indem er das Schwerdt wieder weggiebt). Führt ihn hinweg, / Und laßt ſein Blut, das erſte, gleich / Des Vaterlandes dürren Boden trinken! / (Zwei Cherusker ergreifen ihn.) 219 Septimius. Wie, Du Barbar! Mein Blut? Das wirſt Du nicht —! / Herrmann. Warum nicht? Septimius (mit Würde). — Weil ich Dein Gefangner bin! / An Deine Siegerpflicht erinnr’ ich Dich! / Herrmann (auf ſein Schwerdt geſtützt). An Pflicht und Recht! Sieh da, ſo wahr ich lebe! / Er hat das Buch vom Cicero geleſen. / Was müßt’ ich thun, ſag’ an, nach dieſem Werk? / 2210 Septimius. Nach dieſem Werk? Armſeel’ger Spötter, Du! / Mein Haupt, das wehrlos vor Dir ſteht, / Soll Deiner Rache heilig ſein; / Alſo gebeut Dir das Gefühl des Rechts, / In Deines Buſens Blättern aufgeſchrieben! / Herrmann (indem er auf ihn einſchreitet). Du weißt was Recht iſt, Du verfluchter Bube, / Und kamſt nach Deutſchland, unbeleidigt, / Um uns zu unterdrücken? / Nehmt eine Keule doppelten Gewichts, / Und ſchlagt ihn todt! / 2220 Septimius. Führt mich hinweg! — hier unterlieg’ ich, / Weil ich mit Helden würdig nicht zu thun! / Der das Geſchlecht der königlichen Menſchen / Beſiegt, in Oſt und Weſt, der ward / Von Hunden in Germanien zerriſſen: / Das wird die Inſchrift meines Grabmals ſein! / (er geht ab; Wache folgt ihn. ) Das Heer (in der Ferne). Hurrah! Hurrah! Der Nornentag bricht an! /Vierzehnter Auftritt.
Die Vorigen (ohne den Septimius). Herrmann. Steckt das Fanal in Brand, Ihr Freunde, / Zum Zeichen Marbod und den Sueven, / Daß wir nunmehr zum Schlagen fertig ſind! / 2230 (ein Fanal wird angeſteckt.) Die Barden! He! Wo ſind die ſüßen Alten / Mit ihrem herzerhebendem Geſang? / Winfried. Ihr Sänger, he! Wo ſteckt Ihr? Egbert. Ha, ſchau her! / Dort, auf dem Hügel, wo die Fackeln ſchimmern! / Winfried. Horch! Sie beginnen Dir das Schlachtlied ſchon! / (Muſik.) Chor der Barden (aus der Ferne). Wir litten menſchlich ſeit dem Tage, / Da jener Fremdling eingerückt; / Wir rächten nicht die erſte Plage, / Mit Hohn auf uns herabgeſchickt; / Wir übten, nach der Götter Lehre, / 2240 Uns durch viel Jahre im Verzeihn: / Doch endlich drückt des Joches Schwere, / Und abgeſchüttelt will es ſein! / (Herrmann hat ſich, mit vorgeſtützter Hand, an den Stamm einer Eiche gelehnt. — Feierliche Pauſe. — Die Feldherren ſprechen heimlich mit einander.) Winfried (nähert ſich ihm). Mein Fürſt, vergieb! Die Stunde drängt, / Du wollteſt uns den Plan der Schlacht — 221 Herrmann (wendet ſich). Gleich, gleich! — / — Du, Bruder, ſprich für mich, ich bitte Dich. / (er ſinkt, heftig bewegt, wieder an die Eiche zurück.) Ein Hauptmann. Was ſagt er? Ein Anderer. Was? Winfried. Laßt ihn. — Er wird ſich faſſen. / Kommt her, daß ich den Schlachtplan Euch entdecke! / (er verſammelt die Anführer um ſich.) Wir ſtürzen uns, das Heer zum Keil geordnet, / Herrmann und ich, vorn an der Spitze, / 2250 Grad auf den Feldherrn des Auguſtus ein! / Sobald ein Riß das Römerheer geſprengt, / Nimmſt Du die erſte Legion, / Die zweite Du, die dritte Du! / In Splittern völlig fällt es auseinander. / Das Endziel iſt, den Marbod zu erreichen; / Wenn wir zu dieſem, mit dem Schwerdt, / Uns kämpfend einen Weg gebahnt, / Wird der uns weitere Befehle geben. / Chor der Barden (fällt wieder ein). Du wirſt nicht wanken und nicht weichen, / 2260 Vom Amt, das Du Dir kühn erhöht, / Die Regung wird Dich nicht beſchleichen, / Die Dein getreues Volk verräth; / Du biſt ſo mild, o Sohn der Götter, / Der Frühling kann nicht milder ſein: / Sei ſchrecklich heut, ein Schloſſenwetter, / Und Blitze laß Dein Antlitz ſpein! / (die Muſik ſchweigt. — Kurze Pauſe. — Ein Hörnertuſch in der Ferne.) Egbert. Ha! Was war das? 222 Herrmann (in ihre Mitte tretend). Antwortet! Das war Marbod! / (ein Hörnertuſch in der Nähe.) Auf! — Mana und die Helden von Walhalla! / (er bricht auf.) Egbert (tritt ihn an). Ein Wort, mein Herr und Herrſcher! Winfried! Hört mich! / 2270 Wer nimmt die Deutſchen, das vergaßt Ihr, / Die ſich dem Zug’ der Römer angeſchloſſen? / Herrmann. Niemand, mein Freund! Es ſoll kein deutſches Blut, / An dieſen Tag, von deutſchen Händen fließen! / Egbert. Was! Niemand! hört’ ich recht? Es wär Dein Wille —? / Herrmann. Niemand! So wahr mir Wodan helfen mög’! / Sie ſind mir heilig; ich berief ſie, / Sich muthig unſern Schaaren anzuſchließen! / Egbert. Was! Die Verräther, Herr, willſt Du verſchonen, / Die grimm’ger, als die Römer ſelbſt, / 2280 In der Cheruska Herzen wütheten? / Herrmann. Vergebt! Vergeßt! Verſöhnt, umarmt und liebt Euch! / Das ſind die Wackerſten und Beßten, / Wenn es nunmehr die Römerrache gilt! — / Hinweg! — Verwirre das Gefühl mir nicht! / Varus und die Cohorten, ſag’ ich Dir; / Das iſt der Feind, dem dieſer Buſen ſchwillt! / (Alle ab.)Funfzehnter Auftritt.
Thusnelda und Gertrud (treten auf). Thusnelda. Was war’s, ſag’ an, was Dir Ventidius geſtern, / Auguſt’s Legat geſagt, als Du ihm früh / Im Eingang des Gezelts begegneteſt? / 2290 Gertrud. Er nahm, mit ſchüchterner Gebehrde, meine Königin, / Mich bei der Hand, und einen Ring / An meinen Finger flüchtig ſteckend, / Bat und beſchwor er mich, bei allen Kindern Zevs, / Ihm in Geheim zu Nacht Gehör zu ſchaffen, / Bei der, die ſeine Seele innig liebt. / Er ſchlug, auf meine Frage: wo? / Hier dieſen Park mir vor, wo zwiſchen Felſenwänden, / Das Volk ſich oft vergnügt, den Uhr zu hetzen; / Hier, meint’ er, ſei es ſtill, wie an dem Lethe, / 2300 Und keines läſt’gen Zeugen Blick zu fürchten, / Als nur der Mond, der ihm zur Seite buhlt. / Thusnelda. Du haſt ihm meine Antwort überbracht? / Gertrud. Ich ſagt’ ihm: wenn er heut, beim Untergang des Mondes, / Eh noch der Hahn den Tag bekräht, / Den Eichwald, den er meint, beſuchen wollte, / Würd’ ihn daſelbſt die Landesfürſtin, / Sie, deren Seele heiß ihn liebt, / Am Eingang gleich, zur Seite rechts, empfangen. / 224 Thusnelda. Und nun haſt Du, der Bärin wegen, / 2310 Die Herrmann jüngſt im Walde griff, / Mit Childrich, ihrem Wärter, Dich beſprochen? / Gertrud. Es iſt geſchehn, wie mir Dein Mund geboten; / Childerich, der Wärter, führt ſie ſchon heran! — / Doch, meine große Herrſcherin, / Hier werf’ ich mich zu Füßen Dir: / Die Rache der Barbaren ſei Dir fern! / Es iſt Ventidius nicht, der mich mit Sorg’ erfüllt; / Du ſelbſt, wenn nun die That gethan, / Von Reu’ und Schmerz wirſt Du zuſammenfallen! / 2320 Thusnelda. Hinweg! — Er hat zur Bärin mich gemacht! / Arminius will ich wieder würdig werden! /Sechzehnter Auftritt.
Childerich (tritt auf, eine Bärin an einer Kette führend). DieVorigen. Childerich. Heda! Seid ihr’s, Frau Gertrud? Gertrud (ſteht auf). Gott im Himmel! / Da naht der Allzupünktliche ſich ſchon! / Childerich. Hier iſt die Bärin! Gertrud. Wo? Childerich. Seht ihr ſie nicht? / 225 Gertrud. Du haſt ſie an der Kette, will ich hoffen? / Childerich. An Kett’ und Koppel. — Ach, ſo habt’ Euch doch! / Wenn ich dabei bin, müßt Ihr wiſſen, / Iſt ſie ſo zahm, wie eine junge Katze. / Gertrud. Gott möge ewig mich vor ihr bewahren! — / 2330 S’iſt gut, bleib’ mir nur fern, hier iſt der Schlüſſel, / Thu ſie hinein und ſchleich’ Dich wieder weg. / Childerich. Dort in den Park? Gertrud. Ja, wie ich Dir geſagt. / Childerich. Mein Seel’ ich hoff’, ſo lang’ die Bärin drinn, / Wird niemand anders ſich der Pforte nahn? / Gertrud. Kein Menſch, verlaſſ’ Dich drauf! Es iſt ein Scherz nur, / Den meine Frau ſich eben machen will. / Childerich. Ein Scherz? Gertrud. Ja, was weiß ich? Childerich. Was für ein Scherz? / Gertrud. Ei, ſo frag’ Du —! Fort! In den Park hinein! / Ich kann das Thier nicht mehr vor Augen ſehn! / 2340 Childerich. Nun, bei den Elfen, hört; nehmt Euch in Acht! / Die Petze hat, wie Ihr befahlt, / Nun ſeit zwölf Stunden nichts gefreſſen; / 226 Sie würde Witz, von grimmiger Art, Euch machen, / Wenn’s Euch gelüſten ſollte, ſie zu necken. / (er läßt die Bärin in den Park und ſchließt ab.) Gertrud. Feſt! Childerich. Es iſt Alles gut. Gertrud. Ich ſage, feſt! / Den Riegel auch noch vor, den eiſernen! / Childerich. Ach, was! Sie wird doch keine Klinke drücken? / — Hier iſt der Schlüſſel! Gertrud. Gut, gieb her! — / Und nun entfernſt Du Dich, in das Gebüſch, / 2350 Doch ſo, daß wir ſogleich Dich rufen können. — / (Childerich geht ab.) Schirmt, all’ Ihr guten Götter, mich! / Da ſchleicht der Unglückſel’ge ſchon heran! /
Siebzehnter Auftritt.
Ventidius (tritt auf.) — Thusnelda und Gertrud. Ventidius. Dies iſt der ſtille Park, von Bergen eingeſchloſſen, / Der, auf die Liſpelfrage: wo? / Mir geſtern in die trunknen Sinne fiel! / Wie mild der Mondſchein durch die Stämme fällt! / Und wie der Waldbach fern, mit üppigem Geplätſcher, / Vom Rand des hohen Felſens niederrinnt! — / Thusnelda! Komm und löſche dieſe Glut, / 2360 Soll’ ich, gleich einem jungen Hirſch, / 227 Das Haupt voran, mich in die Flut nicht ſtürzen! — / Gertrud! — — So hieß ja, dünkt mich, wohl die Zofe, / Die mir verſprach, mich in den Park zu führen? / (Gertrud ſteht und kämpft mit ſich ſelbſt.) Thusnelda (mit gedämpfter Stimme). Fort! Gleich! Hinweg! Du hörſt! Gieb ihm die Hand, / Und führ’ ihn in den Park hinein! / Gertrud. Geliebte Königin?! Thusnelda. Bei meiner Rache! / Fort, augenblicks, ſag’ ich! Gieb ihm die Hand, / Und führ’ ihn in den Park hinein! / Gertrud (fällt ihr zu Füßen). Vergebung, meine Herrſcherin, Vergebung! / 2370 Thusnelda (ihr ausweichend). Die Närrin, die verwünſchte, die! Sie auch / Iſt in das Affenangeſicht verliebt! / (ſie reißt ihr den Schlüſſel aus der Hand und geht zu Ventidius.) Ventidius. Gertrud, biſt Du’s? Thusnelda. Ich bin’s. Ventidius. O ſei willkommen, / Du meiner Juno ſüße Iris, / Die mir Eliſium eröffnen ſoll! — / Komm, gieb mir Deine Hand, und leite mich! / — Mit wem ſprachſt Du? Thusnelda. Thusnelden, meiner Fürſtin. / Ventidius. Thusnelden! Wie Du mich entzückſt! / Mir wär’ die Göttliche ſo nah? / 228 Thusnelda. Im Park, dem Wunſch gemäß, den Du geäußert, / 2380 Und heißer Brunſt voll harrt ſie ſchon auf Dich! / Ventidius. O ſo eröffne ſchnell die Thore mir! / Komm her! Der Saturniden Wonne / Erſetzt mir ſolche Augenblicke nicht! / (Thusnelda läßt ihn ein. Wenn er die Thür hinter ſich hat, wirft ſie dieſelbe mit Heftigkeit zu, und zieht den Schlüſſel ab.)Achtzehnter Auftritt.
Ventidius (innerhalb des Gitters). — Thusnelda und Gertrud. — (Nachher) Childerich, der Zwin⸗gerwärter. Ventidius (mit Entſetzen). Zevs, Du, der Götter und der Menſchen Vater! / Was für ein Höllen⸗Ungethüm erblick’ ich? / Thusnelda (durch das Gitter). Was giebt’s, Ventidius? Was erſchreckt Dich ſo? / Ventidius. Die zottelſchwarze Bärin von Cheruska, / Steht, mit gezückten Tatzen, neben mir! / Gertrud (in die Scene eilend). Du Furie, gräßlicher, als Worte ſagen —! / 2390 — He, Childerich! Herbei! Der Zwingerwärter! / Thusnelda. Die Bärin von Cheruska? Gertrud. Childrich! Childrich! / Thusnelda. Thusnelda, biſt Du klug, die Fürſtin iſt’s, / Von deren Haupt, der Livia zur Probe, / 229 Du jüngſt die ſeidne Locke abgelöſ’t! / Laß den Moment, Dir günſtig, nicht entſchlüpfen, / Und ganz die Stirn jetzt ſchmeichelnd ſcheer’ Ihr ab! / Ventidius. Zevs, Du, der Götter und der Menſchen Vater, / Sie bäumt ſich auf, es iſt um mich geſchehn! / Childerich (tritt auf). Ihr Raſenden! Was giebt’s? Was machtet Ihr? / 2400 Wen ließt Ihr in den Zwinger ein, ſagt an? / Gertrud. Ventidius, Childrich, Roms Legat, iſt es! / Errett’ ihn, beßter aller Menſchenkinder, / Eröffn’ den Pfortenring und mach’ ihn frei! / Childerich. Ventidius, der Legat? Ihr heil’gen Götter! / (er bemüht ſich das Gitter zu öffnen.) Thusnelda (durch das Gitter). Ach, wie die Borſten, Liebſter, ſchwarz und ſtarr, / Der Livia, Deiner Kaiſerin, werden ſtehn, / Wenn ſie um ihren Nacken niederfallen! / Statthalter von Cheruska, grüß’ ich Dich! / Das iſt der mindſte Lohn, Du treuer Knecht, / 2410 Der Dich für die Gefälligkeit erwartet! / Ventidius. Zevs, Du, der Götter und der Menſchen Vater, / Sie ſchlägt die Klaun in meine weiche Bruſt! / Thusnelda. Thusneld’? O was! Childerich. Wo iſt der Schlüſſel, Gertrud? / Gertrud. Der Schlüſſel, Gott des Himmels, ſteckt er nicht? / Childerich. Der Schlüſſel, nein! 230 Gertrud. Er wird am Boden liegen. / — Das Ungeheu’r! Sie hält ihn in der Hand. / (auf Thusnelda deutend.) Ventidius (ſchmerzvoll). Weh mir! Weh mir! Gertrud (zu Childerich). Reiß ihr das Werkzeug weg! / Thusnelda. Sie ſträubt ſich Dir? Childerich (da Thusnelda den Schlüſſel verbirgt). Wie, meine Königin? / Gertrud. Reiß ihr das Werkzeug, Childerich, hinweg! / 2420 (ſie bemühen ſich, ihr den Schlüſſel zu entwinden.) Ventidius. Ach! O des Jammers! Weh mir! O Thusnelda! / Thusnelda. Sag’ ihr, daß Du ſie liebſt, Ventidius, / So hält ſie ſtill und ſchenkt die Locken Dir! / (ſie wirft den Schlüſſel weg und fällt in Ohnmacht.) Gertrud. Die Gräßliche! — Ihr ew’gen Himmelsmächte! / Da fällt ſie ſinnberaubt mir in den Arm! / (ſie läßt die Fürſtin auf einen Sitz nieder.)
Neunzehnter Auftritt.
Aſtolf und ein Haufen cheruskiſcher Krieger (treten auf). — Die Vorigen. Aſtolf. Was giebt’s, Ihr Fraun? Was für ein Jammerruf, / Als ob der Mord entfeſſelt wäre, / Schallt aus dem Dunkel jener Eichen dort? / 231 Childerich. Fragt nicht und kommt und helft das Gitter mir zerſprengen! / (die Cherusker ſtürzen in den Park. Pauſe. — Bald darauf die Leiche des Ventidius, von den Cheruskern getragen, und Chil⸗derich mit der Bärin.) Aſtolf (läßt die Leiche vor ſich niederlegen). Ventidius, der Legate Roms! — / 2430 Nun, bei den Göttern von Walhalla, / So hab’ ich einen Spieß an ihm geſpart! / Gertrud (aus dem Hintergrund). Helft mir, Ihr Leut’, ins Zelt die Fürſtin führen! / Aſtolf. Helft Ihr! Ein Cherusker. Bei allen Göttern, welch’ ein Vorfall? / Aſtolf. Gleichviel! Gleichviel! Auf! Folgt zum Craſſus mir, / Ihn, eh’ er noch die That erfuhr, / Ventidius, dem Legaten, nachzuſchicken! (Alle ab.) /
Zwanzigſter Auftritt.
Marbod (von) Feldherren (umringt, ſteht auf einem Hügel undſchaut in die Ferne). — Komar (tritt auf). Komar. Sieg! König Marbod! Sieg! Und wieder, Sieg! / Von allen zwei und dreißig Seiten, / Durch die der Wind in Deutſchlands Felder bläſ’t! / 2440 Marbod (von dem Hügel herabſteigend). Wie ſteht die Schlacht, ſag’ an? 232 Ein Feldherr. Laß hören, Komar, / Und ſpar’ die luſterfüllten Worte nicht! / Komar. Wir rückten, wie Du weißt, beim erſten Strahl der Sonne, / Arminius Plan gemäß, auf die Legionen los; / Doch hier, im Schatten ihrer Adler, / Hier wüthete die Zwietracht ſchon: / Die deutſchen Völker hatten ſich empört, / Und riſſen heulend ihre Kette los. / Dem Varus eben doch, — der ſchnell, mit allen Waffen, / Dem pfeilverletzten Eber gleich, / 2450 Auf ihren Haufen fiel, erliegen wollten ſie: / Als Brunold hülfreich ſchon, mit Deinem Heer erſchien, / Und ehe Herrmann noch den Punkt der Schlacht erreicht, / Die Schlacht der Freiheit völlig ſchon entſchied. / Zerſchellt ward nun das ganze Römerheer, / Gleich einem Schiff, gewiegt in Klippen, / Und nur die Scheitern hülflos irren / Noch auf dem Ocean des Siegs umher! / Marbod. So traf mein Heer der Sueven wirklich / Auf Varus früher ein, als die Cherusker? / 2460 Komar. Sie trafen früher ihn! Arminius ſelbſt, / Er wird geſtehn, daß Du die Schlacht gewannſt! / Marbod. Auf jetzt, daß ich den Trefflichen begrüße! / (Alle ab.)
Einundzwanzigſter Auftritt.
Varus (tritt verwundet auf). Da ſinkt die große Weltherrſchaft von Rom / Vor eines Wilden Witz zuſammen, / Und kommt, die Wahrheit zu geſtehn, / Mir wie ein dummer Streich der Knaben vor! / Rom, wenn, gebläht von Glück, Du mit drei Würfeln doch, / Nicht neunzehn Augen werfen wollteſt! / Die Zeit noch kehrt ſich, wie ein Handſchuh um, / 2470 Und über uns ſeh’ ich die Welt regieren, / Jedwede Horde, die der Kitzel treibt. — / Da naht der Derwiſch mir, Armin, der Fürſt der Uhren, / Der dieſe Sprüche mich gelehrt. — / Der Rhein, wollt’ ich, wär’ zwiſchen mir und ihm! / Ich warf, von Schaam erfüllt, dort in dem Schilf des Moors, / Mich in des eignen Schwerdtes Spitze ſchon; / Doch meine Ribbe, ihm verbunden, / Beſchirmte mich; mein Schwerdt zerbrach, / Und nun bin ich dem Seinen aufgeſpart. — / 2480 Fänd’ ich ein Pferd nur, das mich rettete. /Zweiundzwanzigſter Auftritt.
Herrmann (mit bloßem Schwerdt, von der einen Seite) Fuſt, Fürſt der Cimbern, und Gueltar, Fürſt der Ner⸗vier (von der andern, treten hitzig auf). — Varus. Herrmann. Steh’, Du Tyrannenknecht, Dein Reich iſt aus! / Fuſt. Steh, Höllenhund! 234 Gueltar. Steh’, Wolf vom Tiberſtrande, / Hier ſind die Jäger, die Dich fällen wollen! / (Fuſt und Gueltar ſtellen ſich auf Herrmanns Seite) Varus (nimmt ein Schwerdt auf). Nun will ich thun, als führt’ ich zehn Legionen! — / Komm her, Du dort im Fell des zott’gen Löwen, / Und laß mich ſehn, ob Du Herakles biſt! / (Herrmann und Varus bereiten ſich zum Kampf.) Fuſt (ſich zwiſchen ſie werfend). Halt dort, Armin! Du haſt des Ruhms genug. / Gueltar (eben ſo). Halt, ſag’ auch ich! Fuſt. Quintilius Varus / Iſt mir, und wenn ich ſinke, dem verfallen! / 2490 Herrmann. Wem! Dir? Euch? — Ha! Sieh da! Mit welchem Recht? / Fuſt. Das Recht, bei Mana, wenn Du es verlangſt, / Mit Blut ſchreib’ ich’s auf Deine ſchöne Stirn! / Er hat in Schmach und Schande mich geſtürzt, / An Deutſchland, meinem Vaterlande, / Der Mordknecht, zum Verräther mich gemacht: / Den Schandfleck waſch’ ich ab in ſeinem Blute, / Das hab’ ich heut, das mußt Du wiſſen, / Geſtreckt am Boden heulend, mir, / Als mir Dein Brief kam, Göttlicher, gelobt! / 2500 Herrmann. Geſtreckt am Boden heulend! Sei verwünſcht, / Gefallner Sohn des Teut, mit Deiner Reue! / Soll ich von Schmach Dich rein zu waſchen, / Den Ruhm, beim Jupiter, entbehren, / Nach dem ich durch zwölf Jahre treu geſtrebt? / 235 Komm her, fall’ aus und triff — und verflucht ſei, / Wer jenen Römer eh berührt, / Als dieſer Streit ſich zwiſchen uns gelöſ’t! / (ſie fechten.) Varus (für ſich). Ward ſolche Schmach im Weltkreis ſchon erlebt? / Als wär’ ich ein gefleckter Hirſch, / 2510 Der, mit zwölf Enden durch die Forſten bricht! — / Herrmann (hält inne). Gueltar. Sieg, Fuſt, halt ein! Das Glück hat Dir entſchieden. / Fuſt. Wem? Mir? — Nein, ſprich! Gueltar. Beim Styx! Er kann’s nicht läugnen. / Blut röthet ihm den Arm! Fuſt. Was! Traf ich Dich? / Herrmann (indem er ſich den Arm verbindet). Ich wills zufrieden ſein. Dein Schwerdt fällt gut. / Da nimm ihn hin. Man kann ihn Dir vertraun. / (er geht, mit einem tödtenden Blick auf Varus, auf die Seite.) Varus (wüthend). Zevs, dieſen Uebermuth hilfſt Du mir ſtrafen! / Du ſchnöder, pfauenſtolzer Schelm, / Der Du geſiegt, heran zu mir, / Es ſoll der Tod ſein, den Du Dir errungen! / 2520 Fuſt. Der Tod? Nimm Dich in Acht! Auch noch im Tode / Zapf’ ich das Blut Dir ab, das rein mich wäſcht. / (ſie fechten; Varus fällt.) Varus. Rom, wenn Du fällſt, wie ich: was willſt Du mehr? / (er ſtirbt.) 236 Das Gefolge. Triumph! Triumph! Germaniens Todfeind ſtürzt! / Heil, Fuſt, Dir! Heil Dir, Fürſt der Cimbern! / Der Du das Vaterland von ihm befreit! (Pauſe.) / Fuſt. Herrmann! Mein Bruderherz! Was hab’ ich Dir gethan? / (er fällt ihm um den Hals.) Herrmann. Nun, es iſt Alles gut. Gueltar (umhalſ’t ihn gleichfalls). Du biſt verwundet —! / Fuſt. Das Blut des beſten Deutſchen fällt in Staub. / Herrmann. Ja, allerdings. Fuſt. Daß mir die Hand verdorrte! / 2530 Gueltar. Komm her, ſoll ich das Blut Dir ſaugen? / Fuſt. Mir laß — mir, mir! Herrmann. Ich bitt’ Euch, meine Freunde —! / Fuſt. Herrmann, Du biſt mir bös, mein Bruderherz, / Weil ich den Siegskranz ſchelmiſch Dir geraubt?! / Herrmann. Du biſt nicht klug! Vielmehr, es macht mich lachen! / Laß einen Herold gleich nur kommen, / Der Deinen Namen auspoſaune: / Und mir ſchaff einen Arzt, der mich verbindet. / (er lacht und geht ab.) Das Gefolge. Kommt! hebt die Leiche auf und tragt ſie fort! / (Alle ab).Dreiundzwanzigſter Auftritt.
Thusnelda (mit ihren) Frauen. — (Ihr zur Seite) Egin⸗hardt und Aſtolf. — (Im Hintergrunde) Wolf, Thuis⸗
komar, Dagobert, Selgar. — Herrmann (tritt auf. Ihm folgen) Fuſt, Gueltar, Winfried, Eg⸗
bert und Andere. Wolf u.ſ.w. Heil, Herrmann! Heil Dir, Sieger der Cohorten! / 2540 Germaniens Retter, Schirmer und Befreier! / Herrmann. Willkommen, meine Freunde! Thusnelda (an ſeinem Buſen). Mein Geliebter! / Herrmann (empfängt ſie). Mein ſchönes Thuschen! Heldin, grüß’ ich Dich! / Wie groß und prächtig haſt Du Wort gehalten? / Thusnelda. Das iſt geſchehn. Laß ſein. Herrmann. Doch ſcheinſt Du blaß? / (er betrachtet ſie mit Innigkeit. — Pauſe.) Wie ſteht’s, Ihr deutſchen Herrn! Was bringt Ihr mir? / Wolf. Uns ſelbſt, mit Allem jetzt, was wir beſitzen! / Hally, die Jungfrau, die geſchändete, / Die Du, des Vaterlandes Sinnbild, / Zerſtückt in alle Stämme haſt geſchickt, / 2550 Hat unſrer Völker Langmuth aufgezehrt. / 238 In Waffen ſiehſt Du ganz Germanien lodern, / Den Gräul zu ſtrafen, der ſich ihr verübt: / Wir aber kamen her, Dich zu befragen, / Wie Du das Heer, das wir ins Feld geſtellt, / Im Krieg nun gegen Rom gebrauchen willſt? / Herrmann. Harrt einen Augenblick, bis Marbod kömmt, / Der wird beſtimmteren Befehl Euch geben! — / Aſtolf. Hier leg’ ich Craſſus Schwerdt zu Füßen Dir! / Herrmann (nimmt es auf). Dank, Freund, für jetzt! Die Zeit auch kömmt, das weißt Du, / 2560 Wo ich Dich zu belohnen wiſſen werde! / (er giebt es weg.) Eginhardt. Doch hier, o Herr, ſchau her! Das ſind die Folgen / Des Kampfs, den Aſtolf mit den Römern kämpfte: / Ganz Teutoburg ſiehſt Du in Schutt und Aſche! / Herrmann. Mag ſein! Wir bauen uns ein ſchön’res auf. / Ein Cherusker (tritt auf). Marbod, der Fürſt der Sueven, naht ſich Dir! / Du haſt geboten, Herr, es Dir zu melden. / Herrmann. Auf, Freunde! Laßt uns ihm entgegen eilen! /
Letzter Auftritt.
Marbod mit Gefolge (tritt auf. Hinter ihm, von einer Wachegeführt) Ariſtan, Fürſt der Ubier (in Feſſeln). — Die
Vorigen. Herrmann (beugt ein Knie vor ihm). Heil, Marbod, meinem edelmüth’gen Freund! / Und wenn Germanien meine Stimme hört: / 2570 Heil ſeinem großen Oberherrn und König! / Marbod. Steh’ auf, Arminius, wenn ich reden ſoll! / Herrmann. Nicht eh’r, o Herr, als bis Du mir gelobt, / Nun den Tribut, der uns entzweite, / Von meinem Kämmrer huldreich anzunehmen! / Marbod. Steh auf, ich wiederhol’s! Wenn ich Dein König, / So iſt mein erſt Gebot an Dich: ſteh’ auf! / (Herrmann ſteht auf.) Marbod (beugt ein Knie vor ihm). Heil, ruf’ ich, Herrmann, Dir, dem Retter von Germanien! / Und wenn es meine Stimme hört: / Heil ſeinem würd’gen Oberherrn und König! / 2580 Das Vaterland muß einen Herrſcher haben, / Und weil die Krone ſonſt, zur Zeit der grauen Väter, / Bei Deinem Stamme rühmlich war: / Auf Deine Scheitel falle ſie zurück! / Die ſueviſchen Feldherrn. Heil, Herrmann! Heil Dir, König von Germanien! / So ruft der Suev’, auf König Marbods Wort! / Fuſt (vortretend). Heil, ruf’ auch ich, beim Jupiter! 240 Gueltar. Und ich! / Wolf und Thuiskomar. Heil, König Herrmann, alle Deutſchen Dir! / (Marbod ſteht auf.) Herrmann (umarmt ihn). Laß dieſe Sach’, beim nächſten Mondlicht, uns, / Wenn die Druiden Wodan opfern, / 2590 In der geſammten Fürſten Rath, entſcheiden! / Marbod. Es ſei! Man ſoll im Rath die Stimmen ſammeln. / Doch bis dahin, das weigre nicht, / Gebeutſt Du als Regent und führſt das Heer! / Dagobert und Selgar. So ſei’s! — Beim Opfer ſoll die Wahl entſcheiden. / Marbod (indem er einige Schritte zurückweicht). Hier übergeb’ ich, Oberſter der Deutſchen, / (er winkt der Wache.) Den ich in Waffen aufgefangen, / Ariſtan, Fürſten Dir der Ubier! / Herrmann (wendet ſich ab). Weh mir! Womit muß ich mein Amt beginnen? / Marbod. Du wirſt nach Deiner Weisheit hier verfahren. / 2600 Herrmann (zu Ariſtan). — Du hatteſt, Du Unſeeliger, vielleicht / Den Ruf, den ich den deutſchen Völkern, / Am Tag der Schlacht erlaſſen, nicht geleſen? / Ariſtan (keck). Ich las, mich dünkt, ein Blatt von Deiner Hand, / Das für Germanien in den Kampf mich rief! / Jedoch was galt Germanien mir? / Der Fürſt bin ich der Ubier, / 241 Beherrſcher eines freien Staats, / In Fug und Recht, mich jedem, wer es ſei, / Und alſo auch dem Varus zu verbinden! / 2610 Herrmann. Ich weiß, Ariſtan. Dieſe Denkart kenn’ ich. / Du biſt im Stand’ und treibſt mich in die Enge, / Fragſt, wo und wann Germanien geweſen? / Ob in dem Mond? Und zu der Rieſen Zeiten? / Und was der Witz ſonſt an die Hand Dir giebt; / Doch jetzo, ich verſichre Dich, jetzt wirſt Du / Mich ſchnell begreifen, wie ich es gemeint: / Führt ihn hinweg und werft das Haupt ihm nieder! / Ariſtan (erblaßt). Wie, Du Tyrann! Du ſcheuteſt Dich ſo wenig —? / Marbod (halblaut, zu Wolf). Die Lektion iſt gut. Wolf. Das ſag’ ich auch. / 2620 Fuſt. Was gilts, er weiß jetzt, wo Germanien liegt? / Ariſtan. Hört mich, Ihr Brüder —! Herrmann. Führt ihn hinweg! / Was kann er ſagen, das ich nicht ſchon weiß? / (Ariſtan wird abgeführt.) Ihr aber kommt, ihr wackern Söhne Teuts, / Und laßt, im Hain der ſtillen Eichen, / Wodan für das Geſchenk des Siegs uns danken! — / Uns bleibt der Rhein noch ſchleunig zu ereilen, / Damit vorerſt der Römer keiner / Von der Germania heil’gem Grund entſchlüpfe: / 242 Und dann — nach Rom ſelbſt muthig aufzubrechen! / 2630 Wir oder unſre Enkel, meine Brüder! / Denn eh’ doch, ſeh’ ich ein, erſchwingt der Kreis der Welt / Vor dieſer Mordbrut keine Ruhe, / Als bis das Raubneſt ganz zerſtört, / Und nichts, als eine ſchwarze Fahne, / Von ſeinem öden Trümmerhaufen weht! /