[027] An Wilhelmine v. Zenge, 13. November 1800
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[1]
[BKA IV/1 364]
[DKV IV 149]
[SE:1993 II 584]
[Heimböckel:1999 (Reclam) 155]
[MA II 660]
Berlin,
d.]den
13t
]13.
Novmbr,
]November
1800.
]1800
Liebe
Wilhelmine,
o
Dein
Brief
hat
mir
eine
ganz
außer⸗
ordentliche
Freude
gewährt.
Dich
so
anzuschmiegen
an
meine
Wünsche, so
innig
einzugreifen
in
mein
Interesse — o
es
soll
Dir
gewiß
einst
belohnt
werden!
Grade
auf
diesem
Lebens⸗5
wege, wo
Du
Alles]alles
fahren
läßt, was
doch
sonst
die
Weiber
reizt,
Ehre, Reichthum,]Reichtum,
Wohlleben, grade
auf
diesem
Wege
wirst
Du
um
so
gewisser
etwas
Anderes]anderes
finden, [DKV IV 150]
das
doch
mehr
werth]wert
ist
als
das
Alles]alles
—
Liebe.
Denn
wo
es
noch
andere
Genüsse
giebt,]gibt,
da
theilt]teilt
sich
das
Herz, aber
wo
es
nichts
giebt]gibt
als
Liebe, da
öffnet
10
sich
ihr
das
ganze
Wesen, da
umfaßt
es
ihr
ganzes
Glück, da
werden
alle
ihre
unendlichen
Genüsse
erschöpft — ja,
gewiß,
Wilhelmine,
Du
sollst
einst
glücklich
sein.
Aber
laß
uns
nicht
bloß
frohen
Träumereien
folgen —
Es
ist
wahr, wenn
ich
mir
das
freundliche
Thal]Tal
denke, das
einst
unsre
15
Hütte
umgrenzen
wird, u.]und
mich
in
dieser
Hütte
[Heimböckel:1999 (Reclam) 156]
u.]und
Dich
u.]und
die
Wissenschaften,
u.]und
weiter
nichts — o
dann
sind
mir
alle
Ehren⸗
stellen
u.]und
alle
Reichthümer]Reichtümer
verächtlich, dann
ist
es
mir, als
könnte
mich
nichts
glücklich
machen, als
die
Erfüllung
dieses
Wunsches, u.]und
als
müßte
ich
unverzüglich
an
seine
Erreichung
[MA II 661]
schreiten — —
Aber
die
20
Vernunft
muß
doch
auch
mitsprechen, u.]und
wir
wollen
einmal
hören, was
sie
sagt.
Wir
wollen
einmal
recht
vernünftig
diesen
ganzen
Schrit]Schritt
prüfen.
Ich
will
kein
Amt
nehmen.
Warum
will
ich
es
nicht? —
O
wie
viele
Antworten
liegen
mir
auf
der
Seele!
Ich
kann
nicht
ein⸗25
greifen
in
ein
Interesse, das
ich
mit
meiner
Vernunft
nicht
prüfen
darf.
Ich
soll
thun]tun
was
der
Staat
von
mir
verlangt, u.]und
doch
soll
ich
nicht
untersuchen, ob
das, was
er
von
mir
verlangt, gut
ist.
Zu
seinen
unbekann⸗
ten
Zwecken
soll
ich
ein
bloßes
Werkzeug
sein — ich
kann
es
nicht.
Ein
eigner
Zweck
steht
mir
vor
Augen, [SE:1993 II 585]
nach
ihm
würde
ich
handeln
müssen,
30
u.]und
wenn
der
Staat
es
anders
will, dem
Staate
nicht
gehorchen
dürfen.
Meinen
Stolz
würde
ich
darin
suchen, die
Aussprüche
meiner
Vernunft
geltend
zu
machen
gegen
den
Willen
meiner
Obern — nein,
Wilhelmine,
es
geht
nicht, ich
passe
mich
für
kein
Amt.
Ich
bin
auch
wirklich
zu
ungeschickt, um
es
zu
führen.
Ordnung, Genauigkeit,
Geduld, Un⸗35
verdrossenheit, das
sind
Eigenschaften
die
bei
einem
Amte
unent⸗
behrlich
sind, u.]und
die
mir
doch
ganz
fehlen.
Ich
arbeite
nur
für
meine
Bildung
gern
u.]und
da
bin
ich
unüberwindlich
geduldig
u.]und
unverdrossen.
[2]
[BKA IV/1 367]
Aber
für
die
Amtsbesoldung
Listen
zu
schreiben
u.]und
Rechnungen
zu
füh⸗
ren — ach, ich
würde
eilen, eilen, daß
sie
nur
fertig
würden]würden,
u.]und
zu
40
mei[DKV IV 151] nen
geliebten
Wissenschaften
zurückkehren.
Ich
würde
die
Zeit
meinem
Amte
stehlen, um
sie
meiner
Bildung
zu
widmen — nein,
Wilhelmine,
es
geht
nicht, es
geht
nicht.
Ja
ich
bin
selbst
zu
ungeschickt
mir
ein
Amt
zu
erwerben.
Denn
zufrieden
mir
wirklich
Kenntnisse
zu
erwerben, bekümmert
es
mich
wenig, ob
Andere]andere
sie
in
mir
wahr⸗45
nehmen.
Sie
zur
Schau
aufstellen, oder
zum
Kauf
ausbieten, wäre
mir
ganz
unmöglich — und
[Heimböckel:1999 (Reclam) 157]
würde
man
denjenigen
wohl
begünstigen,
der
den
Stolz
hat, jede
Gunst
zu
entbehren, u.]und
der
durch
keine
andere
Fürsprache
steigen
will, als
durch
die
Fürsprache
seiner
eignen
Verdienste? —
Aber
das
Entscheidendste
ist
dieses, daß
selbst
ein
50
Amt, u.]und
wäre
es
eine
Ministerstelle, mich
nicht
glücklich
machen
kann.
Mich
nicht,
Wilhelmine
— denn
Eines]eines
ist
gewiß, ich
bin
ein⸗
mal
in
meinem
Hause
glücklich, oder
niemals, nicht
auf
Bällen,
nicht
im
Opernhause, nicht
in
Gesellschaften, u.]und
wären
es
die
Gesellschaften
der
Fürsten, ja
wäre
es
auch
die
Gesellschaft
unsres
eignen
Königs — 55
— u.]und
wollte
ich
darum
Mi[MA II 662] nister
werden, um
häußliches]häusliches
Glück
zu
genießen?
Wollte
ich
darum
mich
in
eine
Hauptstadt
begraben
u.]und
mich
in
ein
Chaos
von
verwickelten
Verhältnissen
stürzen, um
still
u.]und
ruhig
bei
meiner
Frau
zu
leben?
Wollte
ich
mir
darum
Ehrenstellen
erwerben
u.]und
mich
darum
mit
Ordensbändern
behängen,60
um
Staat
zu
machen
damit
vor
meinem
Weibe
u.]und
meinen
Kindern?
Ich
will
von
der
Freiheit
nicht
reden, weil
Du
mir
schon
einmal
Einwürfe
dagegen
gemacht
hast, ob
Du
zwar
wohl
gleich, wie
alle
Weiber, das
nicht
recht
verstehen
magst; aber
Liebe
u.]und
Bildung
sind
zwei
unerlaßliche
Bedingungen
meines
künftigen
Glückes — 65
— u.]und
was
[SE:1993 II 586]
könnte
mir
in
einem
Amte
davon
zu]
Theil]zuteil
werden, als
höchstens
ein
karger, sparsamer
Theil]Teil
von
beiden?
Wollte
ich
an
die
Wissenschaften
gehen, so
brächte
mir
der
Secretair]Sekretär
einen
Stoß
voll
Akten, u.]und
wollte
ich
einen
großen
Gedanken
verfolgen, so
mel⸗
dete
mir
der
Kammerdiener, daß
das
Vorzimmer
voll
Fremden
stehe.
70
Wollte
ich
den
Abend
bei
meinem
Weibe
zubringen, so
ließe
mich
der
König
zu
sich
rufen]rufen,
u.]und
um
mir
auch
die
Nächte
zu
rauben, müßte
ich
in
die
Provinzen
[DKV IV 152]
reisen
u.]und
die
Fabriken
zählen.
O
wie
würde
ich
den
Orden
u.]und
die
Reichthümer]Reichtümer
u.]und
den
ganzen
Bettel
der
großen
Welt
verwün⸗
schen, wie
würde
ich
bitterlich
weinen, meine
Bestimmung
so
75
unwiderbringlich]unwiederbringlich
verfehlt
zu
haben, wie
würde
ich
mir
mit
heißer
Sehnsucht
trocknes
Brod]Brot
wünschen
u.]und
mit
ihm
Liebe, Bildung
u.]und
Freiheit —
Nein,
Wil[Heimböckel:1999 (Reclam) 158] helmine,
ich
darf
kein
Amt
wählen, weil
ich
das
ganze
Glück, das
es
gewähren
kann, verachte.
Aber
darf
ich
mich
auch
jedem
Amte
entziehen? —
Ach,
Wilhelmine,
80
diese
spitzfündige
Frage
haben
mir
schon
so
viele
Menschen
aufge⸗
worfen.
Man
müsse
seinen
Mitbürgern
nützlich
sein, sagen
sie,
u.]und
darin
haben
sie
Recht]recht
— und
darum
müsse
man
ein
Amt
nehmen,
setzen
sie
hinzu, aber
darin
haben
sie
Unrecht.]unrecht.
Kann
man
denn
nicht
Gutes
wirken, wenn
man
auch
nicht
eben
dafür
besoldet
wird?
85
O
ich
darf
nur
an
Brokes
denken —!
Wie
vieles
Gute, Vortreffliche,
thut
täglich
dieser
herrliche
Mensch. —
Und
dann, wenn
ich
einmal
auf
Kosten
der
Bescheidenheit
die
Wahrheit
reden
will — habe
ich
nicht
auch
während
meiner
Anwesenheit
in
Frankfurt
unter
unsern
Familien
manches
Gute
gestiftet —?
Durch
untadelhaften
Lebens⸗90
wandel
den
Glauben
an
die
Tugend
bei
Andern]andern
stärken, [MA II 663]
durch
weise
Freu⸗
den
sie
zur
Nachahmung
reizen, immer
dem
Nächsten, der
es
bedarf,
helfen
mit
Wohlwollen
u.]und
Güte — ist
das
nicht
auch
Gutes
wirken?
Dich,
mein
geliebtes
Mädchen,
ausbilden,
ist
das
nicht
etwas
Vortreffliches?
Und
dann,
mich
selbst
auf
eine
Stufe
näher
der
Gottheit
zu
95
stellen — — o
laß
laß, [Graph uneindeutig]
mich, laß
mich!
Das
Ziel
ist
gewiß
hoch
genug
u.]und
erhaben, da
giebt]gibt
es
gewiß
Stoff
genug
zum
Handeln —
— und
wenn
ich
auch
auf
dieser
Erde
nirgends
meinen
Platz
finden
sollte, so
finde
ich
vielleicht
auf
einem
andern
Sterne
einen
um
so
bessern.
100
Aber
kann
ich
jedes
Amt
ausschlagen? das
heißt,
ist
es
möglich?
—
Ach,
Wilhelmine,
wie
gehe
ich
mit
klopfendem
Herzen
an
die
[SE:1993 II 587]
Beantwortung
dieser
Frage!
Weißt
Du
wohl
noch
am
letzten
Abend
den
Erfolg
unsrer
Berechnung — ?
Berechnungen?
]Berechnungen?
—
Aber
ich
glaube
doch
immer
noch — ich
habe
doch
noch
nicht
alle
Hoffnung
verloren — —
Sieh,
Mädchen,
ich
will
[DKV IV 153]
Dir
sagen, wie
105
ich
zuerst
auf
den
Gedanken
kam, daß
es
wohl
möglich
sein
müsse.
Ich
dachte, Du
lebst
in
Frankfurt,
ich
in
Berlin,
warum
könnten
wir
denn
nicht, ohne
mehr
zu
verlangen, zusammen
leben?
Aber
das
Herkommen
will, daß
[Heimböckel:1999 (Reclam) 159]
wir
ein
Haus
bilden
sollen]sollen,
u.]und
unsere
Geburt, daß
wir
mit
Anstand
leben
sollen — o
über
die
unglückseeligen]unglückseligen
Vorurtheile!]Vorurteile!
Wie
viele
110
Menschen
genießen
mit
Wenigem,]wenigem,
vielleicht
mit
einem
Paar]paar
Hundert]hundert
Thalern]Talern
das
Glück
der
Liebe — u.]und
wir
sollten
es
entbehren, weil
wir
von
Adel
sind?
Da
dachte
ich, weg
mit
allen
Vorurtheilen,]Vorurteilen,
weg
mit
dem
Adel, weg
mit
dem
Stande —
gute
Menschen
wollen
wir
sein
u.]und
uns
mit
der
Freude
begnügen, die
die
Natur
uns
schenkt.
Lieben
wollen
wir
115
uns, u.]und
bilden]bilden,
u.]und
dazu
gehört
nicht
viel
Geld — aber
doch
etwas,
doch
etwas
— u.]und
ist
das, was
wir
haben, wohl
hinreichend?
Ja, das
ist
eben
die
große
Frage.
O
wenn
ich
warten
wollte, bis
ich
mir
etwas
erwerben
kann, oder
will, o
dann
bedürften
wir
weiter
nichts
als
[4]
[BKA IV/1 371]
Geduld, denn
das
ist
mir
in
der
Folge
gewiß. —
Laß
mich
ganz
120
aufrichtig
sein,
liebes
Mädchen.
Ich
will
von
mir
mit
Dir
reden, als
spräche
ich
mit
mir
selbst.
Gesetzt
Du
fändest
die
Rede
eitel, was
schadet
es?
Du
bist
nichts
anders
als
ich, u.]und
vor
Dir
will
ich
nicht
besser
erscheinen, als
vor
mir
selbst, auch
Schwächen
will
ich
vor
Dir
nicht
verstecken.
Also
aufrichtig
u.]und
ohne
allen
Rückhalt.
125
Ich
bilde
mir
ein, daß
ich
Fähigkeiten
habe, seltnere
Fähigkeiten,
meine
ich —
Ich
glaube
es, weil
mir
keine
Wissenschaft
[MA II 664]
zu
schwer
wird; weil
ich
rasch
darin
vorrücke, weil
ich
manches
schon
aus
eigener
Erfindung
hinzugethan]hinzugetan
habe — u.]und
am
Ende
glaube
ich
es
auch
darum,
weil
alle
Leute
es
mir
sagen.
Also
kurz, ich
glaube
es.
Da
stünde
130
mir
nun
für
die
Zukunft
das
ganze
schriftstellerische
Fach
offen.
Darin
fühle
ich, daß
ich
sehr
gern
arbeiten
würde. —
O
da
ist
die
Aussicht
auf
Erwerb
äußerst
vielseitig.
Ich
könnte
nach
Paris
gehen
u.]und
die
neueste
Philosophie
in
dieses
neugierige
Land
verpflanzen
— doch
das
siehst
Du
Alles]alles
so
vollständig
nicht
ein, als
ich.
Da
müß⸗135
test
Du
schon
meiner
bloßen
Versicherung
glauben]glauben,
u.]und
ich
versichere
Dir
hiermit, [SE:1993 II 588]
daß
[DKV IV 154]
wenn
Du
mir
nur
ein
Paar]paar
Jahre, höchstens
sechs, Spielraum
giebst,]gibst,
ich
dann
gewiß
Gelegenheit
finden
werde, mir
Geld
zu
erwerben.
Aber
so
lange
sollen
wir
noch
getrennt
sein —?
Liebe
Wilhelmine,
140
ich
will
auch
hierin
ganz
aufrichtig
sein.
Ich
fühle, daß
es
mir
noth⸗
wendig]notwendig
ist,
bald
ein
Weib
zu
haben.
Dir
selbst
wird
meine
Ungeduld
nicht
entgangen
sein — ich
muß
diese
unruhigen
Wünsche, die
mich
un⸗
aufhörlich
wie
Schuldner
mahnen, zu
befriedigen
suchen.
Sie
stören
mich
in
meinen
Beschäfftigungen]Beschäftigungen
— auch
damit
ich
moralisch
gut
bleibe,145
ist
es
nöthig]nötig
—
Sei
aber
ganz
ruhig, ich
bleibe
es
gewiß.
Nur
kämpfen
möchte
ich
nicht
gern.
Man
muß
sich
die
Tugend
so
leicht
machen
als
möglich.
Wenn
ich
nur
erst
ein
Weib
habe, so
werde
ich
meinem
Ziele
ganz
ruhig
u.]und
ganz
sicher
entgegen
gehen — aber
bis
dahin —
— o
werde
bald,
bald,
mein
Weib.
150
Also
ich
wünsche
es
mit
meiner
ganzen
Seele
u.]und
entsage
dem
ganzen
prächtigen
Bettel
von
Adel
u.]und
Stand
u.]und
Ehre
u.]und
Reichthum,]Reichtum,
wenn
ich
nur
Liebe
bei
Dir
finde.
Wenn
es
nur
möglich
ist, daß
wir
so
ohne
Mangel
beieinander
leben
können
etwa
sechs
Jahre
lang, nämlich
bis
so
lange, wo
ich
mir
etwas
zu
erwerben
hoffe,155
o
dann
bin
ich
glücklich.
Aber
ist
dies
möglich —?
O
du
gutes, treffliches
Mädchen!
Ist
es
mög⸗
lich, so
ist
es
nur
durch
Dich
möglich.
Hätte
mich
mein
Schicksaal]Schicksal
zu
einem
andern
Mädchen
geführt, das
nicht
so
anspruchslos
u.]und
genügsam
wäre,
wie
Du, ja
dann
müßte
ich
diesen
innigsten
Wunsch
unfehlbar
unter⸗160
[gestr.]
[gestr.]
[5]
[BKA IV/1 372]
unterdrücken.
Aber
auch
Du
willst
nichts, als
Liebe
u.]und
Bildung — o
beides
sollst
Du
von
mir
erhalten, von
dem
ersten
mehr
selbst
als
Du
fordern
wirst, von
dem
andern
so
viel
ich
geben
kann, aber
beides
mit
Freuden.
[MA II 665]
Ich
erwarte
mit
Sehnsucht
Deine
Berechnung.
Du
kannst
das
Alles]alles
besser
prüfen
als
ich.
Aber
laß
Dich
nicht
verführen
von
Deiner
Liebe.
165
Sei
karg
gegen
mich, aber
nicht
gegen
Dich.
Nein, ich
schwöre
Dir, ich
will
Dich
mit
dieser
scheinbaren
Selbstverleugnung
nicht
an
Edelmuth]Edelmut
übertreffen.
Setze
also
nicht
vergeblich
Edelmuth]Edelmut
an
Edelmuth,]Edelmut,
das
würde
unser
[DKV IV 155]
beiderseitiges
Interesse
verwirren.
Laß
uns
wahr
sein, ohne
geschraubte
Tugend.
Wenn
ich
weniger
verlange, als
Du, so
ist
das
170
keine
[Heimböckel:1999 (Reclam) 161]
Selbstverleugnung, die
mir
ein
Opfer
kostet.
Ich
fühle, daß
ich
wirklich
wenig
bedarf, [SE:1993 II 589]
u.]und
mit
wahrer
Freude
würde
ich
selbst
manches
entbehren, um
Dich
damit
froher
zu
machen.
Das
ist
mein
Ernst,
Wilhel⸗
mine,
also
laß
mir
diese
Freude.
Überfluß
wirst
Du
nicht
verlangen, aber
an
dem
Nothwendigen,]Notwendigen,
darf
es
Dir
niemals
fehlen, o
niemals, denn
175
das
würde
mich
selbst
unglücklich
machen.
Also
sei
nicht
karg
gegen
Dich
in
der
Berechnung.
Fordere
lieber
mehr
als
Du
brauchst, als
weniger.
Es
steht
ja
doch
immer
in
der
Folge
bei
Dir, mir
zufließen
zu
lassen,
was
Du
übrig
hast, u.]und
dann
werde
ich
es
gewiß
immer
gern
von
Dir
annehmen.
Ist
es
unter
diesen
Bedingungen
nicht
möglich, daß
180
wir
uns
bald
vereinigen —
nicht
möglich,
nun
denn, so
müssen
wir
auf
günstigere
Zeiten
hoffen — aber
dann
ist
die
Aussicht
dunkel, o
sehr
dunkel — u.]und
das
Schrecklichste
wäre
mir, Dich
betro⸗
gen
zu
haben, Dich, die
mich
so
innig
liebte — o
weg
mit
dem
ab⸗
scheulichen
Gedanken.
185
Indessen
ich
weiß
doch
noch
ein
Mittel, selbst
wenn
unser
Ver⸗
mögen
Deiner
Berechnung
nicht
entspräche.
Es
ist
dieses, mir
durch
Unterricht
wenigstens
jährlich
ein
Paar]paar
Hundert]hundert
Thaler]Taler
zu
erwerben.
Lächle
nicht
u.]und
bemühe
Dich
nur
ja, alle
Vorurtheile]Vorurteile
zu
bekämpfen.
Ich
bin
sehr
fest
entschlossen, den
ganzen
Adel
von
mir
abzuwerfen.
190
Viele
Männer
haben
geringfügig
angefangen
u.]und
königlich
ihre
Laufbahn
beschlossen.
Shakespeare
war
ein
Pferdejunge
u.]und
jetzt
ist
er
die
Bewunderung
der
Nachwelt.
Wenn
Dir
auch
die
eine
Art
von
Ehre
entgeht, so
wird
Dir
doch
vielleicht
einst
eine
andere
zu]
Theil]zuteil
werden, die
höher
ist —
Wilhelmine,
warte
zehen
zehn
]zehn
195
Jahre
u.]und
Du
wirst
mich
nicht
ohne
Stolz
umarmen.
Mein
Plan
in
diesem
Falle
wäre
dieser.
Wir
hielten
uns
irgend⸗
wo
in
Frankreich
auf, etwa
in
dem
südlichen
Theile,]Teile,
in
[MA II 666]
der
französi⸗
schen
Schweiz,
in
dem
schönsten
Erdstriche
von
Europa — und
zwar
aus
diesem
Grunde, um
Unterricht
dort
in
der
deutschen
Sprache
200
[6]
[BKA IV/1 375]
zu
geben.
Du
weißt, wie
[DKV IV 156]
überhäuft
mit
Stunden
hier
bei
uns
die
Emigrirten]Emigrierten
sind; das
möchte
in
[Heimböckel:1999 (Reclam) 162]
Frankreich
noch
mehr
der
Fall
sein,
weil
es
da
weniger
Deutsche
giebt,]gibt,
u.]und
doch
von
der
Academie]Akademie
u.]und
von
allen
französischen
Gelehrten
unaufhörlich
die
Erlernung
der
deutschen
Sprache
anempfohlen
wird, weil
man
wohl
einsieht, daß
205
jetzt
von
keinem
Volke
der
Erde
mehr
zu
lernen
ist, als
von
den
Deut⸗
schen.
Dieser
Aufenthalt
in
Frankreich
wäre
mir
aus
3
Gründen
lieb.
Erstlich, weil
es
mir
in
[SE:1993 II 590]
dieser
Entfernung
leicht
werden
würde, ganz
nach
meiner
Neigung
zu
leben, ohne
die
Rathschläge]Ratschläge
guter
Freunde
zu
hören, die
mich
u.]und
was
ich
eigentlich
begehre, ganz
u.]und
gar
nicht
210
verstehen; zweitens,
weil
ich
so
ein
Paar]paar
Jahre
lang
ganz
unbe⸗
kannt
leben
könnte
u.]und
ganz
vergessen
werden
würde, welches
ich
recht
eigentlich
wünsche; u.]und
drittens, welches
der
Hauptgrund
ist, weil
ich
mir
da
recht
die
französische
Sprache
aneignen
könnte, welches
zu
der
entworfnen
Verpflanzung
der
neuesten
Philosophie
in
dieses
215
Land, wo
man
von
ihr
noch
gar
nichts
weiß, nothwendig]notwendig
ist. —
Schrei⸗
be
mir
unverhohlen
Deine
Meinung
über
dieses. —
Aber
daß
ja
niemand
etwas
von
diesem
Plane
erfährt.
Wenn
Du
nicht
mein
künftiges
Weib
wärest, so
hätte
ihn
vor
der
Ausführung
kein
Mensch
von
mir
erfahren. —
Lerne
nur
auf
jeden
Fall
recht
220
fleißig
die
französische
Sprache. —
Wie
Vater
zur
Einwilligung
zu
bringen
ist, davon
ein
andermal. —
Ist
das
Alles]alles
nicht
ausführ⸗
bar, so
bleibt
uns, bis
zum
Tode, Eins]eins
gewiß, nämlich
meine
Liebe
Dir,
u.]und
Deine
Liebe
mir.
Ich
wenigstens
gebe
nie
einem
andern
Mädchen
meine
Hand, als
Dir.
225
Und
nun
muß
ich
schließen.
Ich
kann
jetzt
nicht
mehr
so
lange
Briefe
schreiben, als
auf
der
Reise, denn
jetzt
muß
ich
für
Dich
u.]und
mich
arbeiten.
Und
doch
habe
ich
Dir
noch
so
vieles
zu
sagen, z.
B.
über
Deine
Bildung.
O
wenn
ich
bei
Dir
wäre, so
wäre
das
Alles]alles
weit
kürzer
abgemacht.
Ich
wollte
Dir
bei
meiner
Anwesenheit
in
Frankfurt
vorschlagen,230
ob
Du
Dir
nicht
ein
Tagebuch
halten
wolltest, nämlich
ob
du
nicht
alle
Abend
aufschreiben
wolltest, was
Du
am
Tage
sahst, dachtest, fühltest
&]etc.
Denke
einmal
darüber
[DKV IV 157]
nach, [Heimböckel:1999 (Reclam) 163]
ob
das
nicht
gut
wäre.
[MA II 667]
Wir
werden
uns
in
diesem
unruhigen
Leben
so
selten
unsrer
bewußt — die
Gedanken
u.]und
die
Empfindungen
verhallen
wie
ein
Flötenton
im
Orkane — so
manche
235
Erfahrung
geht
ungenutzt
verloren — das
Alles]alles
kann
ein
Tagebuch
verhüten.
Auch
lernen
wir
dadurch
Freude
aus
uns
selbst
entwickeln,
u.]und
das
möchte
wohl
gut
sein
für
Dich, da
Du
von
außen, außer
von
mir,
wenige
Freude
empfangen
wirst.
Das
könntest
Du
mir
dann
von
Zeit
zu
Zeit
mit⸗
theilen]mitteilen
— aber
Du
müßtest
Dich
darum
nicht
weniger
strenge
prüfen — ich
werde
nicht
240
hart
sein — denke
an
Deine
Verzeihung
meines
Fehltritts. —
Ich
werde
Dir
auch
in
meinen
Briefen
alles
mittheilen,]mitteilen,
was
mir
begegnet. —
Adieu.
Ich
küsse
Dein
Bild.
H.
K.