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Berliner Abendblätter.
40tes Blatt. Den 15ten November 1810.
Die heilige Cäcilie oder die Gewalt der Musik.Eine Legende.
(Zum Taufangebinde für Cäcilie M....)
Um das Ende des sechszehnten Jahrhunderts, als die Bilderstürmerei in den Niederlanden wüthete, trafen drei Brüder, junge, in Wittenberg studierende Leute, mit einem Vierten, der in Antwerpen als Prädicant angestellt war, in der Stadt Achen zusammen. Sie wollten daselbst eine Erbschaft erheben, die ihnen von Seiten eines alten, ihnen allen unbekannten, Oheims zugefallen war, und kehrten, weil sie hofften, daß das Geschäft bald abgemacht sein würde, in einem Gasthof ein. Nach Verlauf einiger Tage, die sie damit zugebracht hatten, den Prädikanten über die merkwürdigsten Auftritte, die in den Niederlanden vorgefallen waren, anzuhören, traf es sich, daß von den Nonnen im Kloster der heiligen Cäcilie, das damals vor den Thoren dieser Stadt lag, der Frohnleichnamstag festlich begangen werden sollte; dergestalt, daß die vier Brüder, von Schwärmerei, Jugend und dem Beispiel der Niederländer erhitzt, beschlossen, auch der Stadt Achen das Schauspiel einer Bilderstürmerei zu geben. Der Prädikant, der dergleichen Unternehmungen mehr als einmal schon geleitet hatte, versammelte, am Abend zuvor, eine Anzahl junger, der neuen Lehre ergebener, Kaufmannssöhne und Studenten, welche, in dem Gasthof, bei Wein und Speisen, unter Verwünschungen des Pabstthums, die Nacht zubrachten; und der Tag über die Zinnen der Stadt aufgegangen, versahen sie sich mit Zerstörungswerkzeugen aller Art, um ihr ausgelassenes Geschäft zu beginnen. Sie verabredeten jubelnd ein Zeichen, auf welches sie damit anfangen wollten, die Fensterscheiben, mit biblischen Geschichten bemahlt, einzuwerfen; und eines großen Anhangs, den sie unter dem Volk finden würden, gewiß, verfügten sie sich, entschlossen keinen Stein auf dem anderen zu lassen, als die Glocken läuteten, in den Dom. Die Aebtissinn, die schon, in der Stunde der Mitternacht, durch 156 einen Freund, von der Gefahr, die über dem Kloster schwebte, benachrichtigt worden war, schickte vergebens zu dem Kaiserl. Officier, der in der Stadt kommandirte, und bat ihn, zum Schutz des Klosters, um eine Wache; der Officier, der selbst ein Feind des Pabstthums, und der neuen Lehre, unter der Hand, zugethan war, wußte ihr, unter dem Vorwand, daß sie Geister sähe, und für ihr Kloster, nicht der Schatten einer Gefahr vorhanden sei, die Wache zu verweigern. Inzwischen brach die Stunde an, da die Feierlichkeiten beginnen sollten, und die Nonnen schickten sich, unter Angst und Beten, und jammervoller Erwartung der Dinge, die da kommen sollten, zur Messe an. Niemand beschützte sie, als ein alter siebzigjähriger Klostervoigt, der sich, mit einigen bewaffneten Troßknechten, am Eingang der Kirche aufstellte. In den Nonnenklöstern führen, auf das Spiel jeder Art der Instrumente geübt, die Nonnen, wie bekannt, ihre Musiken selber auf: oft mit einer Präcision, einem Verstande Verstände und einer Empfindung, die man in männlichen Orchestern (vielleicht wegen der weiblichen Geschlechtsart dieser geheimnißvollen Kunst) vermißt. Nun fügte es sich zur Verdoppelung der Bedrängniß daß die Kapellmeisterinn, Schwester Antonia, welche die Musik auf dem Orchester zu dirigiren pflegte, wenige Tage zuvor, an einem Nervenfieber, heftig erkrankte; dergestalt, daß abgesehen von den vier gotteslästerlichen Brüdern, die man bereits, in Mänteln gehüllt, unter den Pfeilern der Kirche erblickte, das Kloster auch, wegen Aufführung eines schicklichen Musikwerks, in der lebhaftesten Verlegenheit war. Die Aebtissin, die am Abend des vorhergehenden Tages befohlen hatte, daß eine uralte, von einem unbekannten Meister herrührende, italiänische Messe aufgeführt werden sollte, mit welcher die Capelle oftmals schon, einer besonderen Heiligkeit und Innigkeit wegen, mit welcher sie gedichtet war, die größesten Wirkungen hervorgebracht hatte, schickte, mehr als jemals auf ihren Willen beharrend, noch einmal zur Schwester Antonia herab, um zu hören, wie sich dieselbe befinde: die Nonne aber, die dies Geschäft übernahm, kam mit der Nachricht zurück, daß die Schwester in gänzlich bewußtlosem Zustande darniederliege, und an ihre Direktionsführung, bei der vorhabenden Musik, auf keine Weise zu denken sei. Inzwischen waren in dem Dom, in welchen sich, nach und nach, mehr denn hundert, mit Beilen und Brechstangen versehene, Frevler, von allen Ständen und Altern, eingefunden hatten, bereits die bedenklichsten Auftritte vorgefallen; man hatte einige Troßknech157te, die an den Portälen standen, auf die unanständigste Weise geneckt, und sich die frechsten und unverschämtesten Aeußerungen gegen die Nonnen erlaubt, die sich hin und wieder, in frommen Geschäften, einzeln in den Hallen blicken ließen: dergestalt, daß der Klostervoigt sich in die Sakristei verfügte, und die Aebtissinn auf Knieen beschwor, das Fest einzustellen, und sich in die Stadt, unter den Schutz des Commendanten, zu begeben. Die Aebtissinn bestand unerschütterlich darauf, daß das zur Ehre Gottes angeordnete Fest begangen werden müsse; sie erinnerte den Klostervoigt an seine Pflicht, die Messe und den feierlichen Umgang, der in dem Dom gehalten werden würde, mit Leib und Leben zu beschirmen; und befahl den Nonnen, die sie zitternd umringten, ein Oratorium, das häufig in der Kirche vorgetragen wurde, obschon es von minderem Werth war, zu nehmen, und mit dessen Aufführung sofort den Anfang zu machen.
(Die Fortsetzung folgt.)
Fragmente.
1.
Privilegien und Rechte einzelner Menschen werden mit höchster Gewissenhaftigkeit geschont, während man die Rechte ganzer Stände und Corporationen mit Flüchtigkeit bei Seite wirft; die Satzungen der Privaten werden gerade so heilig gehalten, als die Satzungen und Institutionen des Staats geringgeachtet: und Ihr wundert Euch noch, daß die Spezialhypotheken beim Publikum mehr Credit haben, als die Generalhypotheken. — Das Hauptproblem für den Finanzier unsrer Zeit ist, die Generalhypotheken wieder zu Ehren zu bringen; mit andern Worten: es dahin zu bringen, daß der Staat und der einzelne Stand wie es die Natur der Sache will mehr Credit habe, als der Privatmann.
2.
Wenn doch diese aufklärende Freiheitsapostel aus der Schule Adam Smiths, diese Philosophen vom reinen Ertrage merken möchten, wie sie, ihr eignes Werk zerstören: mit der einen Hand steigern sie die idealischen Bedürfnisse der Nationen durch die Aufklärung ins Unendliche, mit der andern bauen sie eine Staatswirthschaft, welche nur rohe, reale, zählbare und handgreifliche Bedürfnisse statuirt. — Die Cosmopolitischen und Freiheits-Ansichten Adam Smiths, haben 158 nur im Augenblick des tiefsten Verfalls aller Nationalität, in Europa Glück machen können.
A. M.
Aufforderung.
Die Expedition der Vossischen Zeitung (s. 135tes Stück derselben) hat die, in französischen und deutschen [›deutschen‹ ergänzt ohne Hinweis im Kommentar] [ergänzt ›süddeutschen‹] [ergänzt ›süddeutschen‹] Blättern, verbreitete Beschuldigung, daß die Theaterkritiker, die in ihren Blättern auftreten, von der Direktion des Königl. Nationaltheaters, mit Geld und Freibillets, bestochen wären, widerlegt und erklärt; sie habe für die Hrn. Recensenten niemals etwas von der Direction empfangen. Diese Erklärung ist von dem Publikum mit großem Vergnügen gelesen worden; und um ein Gerücht so häßlicher Art gänzlich niederzuschlagen, bleibt nichts übrig, als daß die Hrn. Rezensenten, von welchen diese Kritiken herrühren, eine ähnliche Erklärung von sich geben. Da sich die Sache ohne Zweifel so, wie jedermann, zur Ehre der Nation, wünscht, verhält, und das Theater, mancher Schwächen ungeachtet, Seiten genug, die zu ehren und zu schätzen sind, darbietet: so sieht das Publicum, zur gänzlichen Vernichtung dieser skandalösen Anekdote, mit welcher ganz Europa unterhalten worden ist, mit Ungeduld einer Erklärung dieser Art, von Seiten der Hrn. Rezensenten selbst, entgegen.
zr.
Miscellen.
Paris den 20 Oktober.
Moden. Vom Winter bekommt man noch keine Moden zu Gesicht, als dunkelgrüne oder schwarze Spencer. Die letzteren gemeinhin von Sammet, bilden vorn eine Brustbinde, und werfen hinten auf dem Rücken so große Falten, daß die Oeffnung nicht bemerkbar ist. Die grünen Spencer sind gewöhnlich am untern Rande am Halse und am Ende der Aermel mit einer seidenen Franze garnirt.
Was die Douilletten anbelangt, so ist kein Plüsch mehr darauf, sondern Festons und am Rande des Feston eine runde Schnur; am Halse eine Fraise statt des aufrechtstehenden Kragens.
Das Gelbe, das man jetzt am häufigsten braucht, ist nicht das Dunkele sondern Jonquillen Gelbe. Das Amaranthenfarbige wird häufig mit weiß gefüttert und weiße Stickereien daran angebracht.
Schwarze Strohhüthe, mit einem Diadem von schwarzen Federn, einem bunten Futter und einem vorschießenden Rande, sind sehr zahlreich. (Moden Zeit.)
Magdeburg den 13ten Nov.
Vergangenen Freitag, am 9ten d. ist das 108te und gestern das 111te Kaiserl. Franz. Infant. Regiment hier eingerückt; wogegen das 12te Regiment vergangenen Sonnabend und heute früh das 21te Regiment von hier abmarschirt sind. (Magd. Zeit.)