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Berliner Abendblätter.
39tes Blatt. Den 14ten November 1810.
Uebersicht der Kunstausstellung.
(Beschluß.)
Den Uebergang zu den Fabrikarbeiten bildeten die Stickereien, in denen diese Ausstellung eigenthümlich reich ist. Mslle. Friesner hat mit schönem Talente die erste gestickte Landschaft nach Ruisdael geliefert, die uns Vergnügen gewährte; Frau Bassoni eine Maria mit dem schlafenden Kinde, die auch unter Gemälden angenehm anzusehen; auch die Magdalena von F. Sandrart verdient Lob. Ein gewirktes seidnes Zeug von Trille, ein Rosenteppich von der Handarbeit einer Ungenannten zeichneten sich aus, die Fabrike von Hotho und Welper, macht den kühnen Versuch Gold zu Fußteppichen zu brauchen in einer Zeit, wo Niemand Gold in der Tasche hat; Stobwasser und Comp. und Höhler behaupteten ihren alten Ruf. Der Versuch von Frick in Glas Farben einzubrennen verdient Lob. In England werden schon jetzt große Bilder der Art ausgeführt, nur darf man nicht hoffen, auf diesem Wege allein die Farbenpracht alter Glasfenster herauszubringen, die nicht bloß durch Einbrennen, sondern hauptsächlich durch Zusammensetzung und Unterlegung der kostbarsten Glasstücke diese Wirkung erreichen. Der Vorrath an Porzellanen der Königl. Fabrik war sehr ausgewählt; die Nachbildungen der Mosaik beider Gattungen auf einer Tischplatte kann für das Vollendetste gehalten werden, was geliefert worden; auch unter den übrigen Malereien war manches sehr brav.Schätzbar ist das Bemühen Straube’s, Violinen und Violoncello ganz in den Maaßen der berühmtesten Fabrikanten zu machen. Markwordts neue Tusche scheinen sehr brauchbar; das Fortkommen der Plattirfabriken, der Bronzearbeiten so wie der Eisengießerei ist erfreulich; doch scheint uns die Benutzung dieser letzteren für das Fabrikwesen und Gewerbe viel bedeutender, als zur Verfertigung von allerlei Zierrathen, insbesondre sollten jene Arbeiten niemals wegen dieser verschoben wer 152den. An Fabrik- und Manufakturwaaren neuer Erfindung, eben so an neuen Instrumenten war ein gänzlicher Mangel, es scheint, daß die Einsendung derselben bey uns nicht mit dem Eifer geschieht, wie in Frankreich, wohin von uns zuerst die Idee einer Ausstellung solcher Produkte gekommen ist. Wir erwarteten in Beziehung auf die Zeit Proben der verschiedenen Spinnmaschinen, neue leinene Zeuge zu finden, welche die Baumwolle verdrängen; neue Arten Waffen, typographische Prachtwerke, u. dgl.; eben so verwunderten wir uns, nur von der Berliner und Breslauer Zeichenschule einige Arbeiten zu finden; es gehörte durchaus von allen Zeichenschulen des Königreichs eine anschauliche Uebersicht in diese Centralausstellung. Die Zeichnungen, unter denen viel Verdienstliches, von Rheinhardt ein Erlkönig, der aber zum Liede nicht recht paßt; von Schick eine sehr artige Bauerfamilie; von Thorwaldsen einen Dante; von Heerd einige sehr ähnliche Porträts, erinnern am nächsten an ihre Vervielfältiger, an die Kupferstecher. Luthers Verbrennen der päbstlichen Bullen, von Buchhorn nach Katel mit dem Grabstichel sehr geschickt gearbeitet, war wohl unstreitig der beste ausgestellte Kupferstich, zwei Landschaften von Darnstedt und drei Blätter von Freidhof erhalten den bekannten Namen der Künstler, das Pflanzenwerk des Grafen Hofmannsegge zeichnet sich vor allen in der Welt aus; es kränkte uns vor diesem, mit deutschen Fleiße unternommenen, Werke einen französischen Titel zu sehen. Die Versuche mit Steindruck, so wie eine neue Manier von Wittich geben Hoffnungen. Zahlreich waren die ausgestellten Kupferstiche nicht, eben so wenig die Bildwerke; keine größere Arbeit von dem Direktor Schadow, bloß zwei reichhaltige Basreliefe in Gips; freilich leidet diese kostbarste aller schönen Künste am nächsten durch die Folgen eines unglücklichen Krieges. Sehr gute Erwartungen geben einige Büsten von der Arbeit seines Sohnes des Bildhauer Schadow, so wie die von ihm ausgestellten Gruppen. Weißer lieferte eine Büste von Göthe, die nach einem Abgusse auf dem Gesichte verfertigt, also alle die Nachtheile und Vorzüge dieser Art Bilderarbeit trägt, Richtigkeit aller festen Theile, Unrichtigkeit aller Beweglichen. Die beiden merkwürdigsten Bildwerke waren unleugbar die kolossalen Marmorbüsten der F. v. Reck und Tiedges von Thorwaldsen. Der große Sinn des Auffassens im 153Ganzen und Einzelnen ist über alles Lob erhaben; sonderbar ist’s, was in dieser Kunst herrlich wird, scheint Antike. Auch die den Bildnern verwandte Steinschneidekunst ist nicht leer ausgegangen. Medaillen und Münzen fehlten gänzlich; mehrere Arbeiten von Döll und von Jachtmann bewiesen uns die Bewahrung dieser schönen Kunst. Wohl mag es aber in dieser wie in der kommenden Zeit das edelste und höchste Geschäft der Künstler sein, nicht sowohl selbst immer das Herrlichste im einzelnen Kunstwerke hervorzubringen, als vielmehr die Kunst überhaupt glücklichern ruhigern Zeiten zu erhalten, und in ganzer mechanischen Fertigkeit zu überliefern. In dieser Ansicht wird jedes edle Gemüth Trost finden, das bei redlichem Bemühen doch nicht zur Meisterschaft in einer schönen Kunst gelangen konnte, seine Arbeit ist darum der Welt nicht verloren; ein mittelmäßiger Meister hat oft einen großen Schüler erweckt, und in seinen ersten Versuchen geleitet: manches Kunsttalent wird aber auch später sich selbst erst deutlich und von andern erkannt, und damit möchten wir alle die vertrösten, die einen eigenthümlichen Werth ihrer Arbeiten fühlen, ihn aber von uns nicht erwähnt finden, gern hätten wir jedem Talente und jedem guten Bemühen etwas Aufmunterndes gesagt.
aa.
Anekdote.
In einem Werke, betitelt: Reise mit der Armee im Jahr [liest ›Jahre‹] 1809. Rudolstadt, Hofbuchhdl. 1810. erzählt ein Franzose folgende Anekdote vom Kaiser Napoleon, die von seiner Fähigkeit lebhafte Regungen des Mitleids zu empfinden, ein merkwürdiges Beispiel giebt. Es ist bekannt, daß derselbe, in der Schlacht bei Aspern, den verwundeten Marschall Lannes lange mit großer Bewegung in den Armen hielt. Am Abend eben dieser Schlacht beobachtete er, mitten im Kartätschenfeuer, den Angriff seiner Cavallerie; eine Menge Blessirter lagen um ihn herum — schweigend, wie der Augenzeuge dieses Vorfalls sagt, um dem Kaiser, mit ihren Klagen, nicht zur Last zu fallen. Drauf setzt ein ganzes fr. Kuirassierregiment, der feindlichen Uebermacht ausweichend, über die Un154glücklichen hinweg; es erhebt sich ein lautes Geschrei des Jammers, mit dem untermischten Ausruf (gleichsam um es zu übertäuben): Vive l’Empereur! Vive l’Empereur! Der Kaiser wendet sich; indem er die Hand vors Gesicht hält, stürzen ihm die Thränen aus den Augen, und nur mit Mühe behält er seine Fassung. (Misc. d. n. Weltk.)
Auf einen glücklichen Vater.
Den 7. Novemb. 1810.
Eines verlieh ich Dir gern, der Orden ersten und höchsten, Hängt Dir die Tochter am Hals, trägst du den schönsten gewiß.
A. v. A.
Miscellen.
Sr. Maj. der Kaiser von Oesterreich haben den Fürsten von Metternich zum Staats- und Conferenzminister zu ernennen geruht. (W. Z.)
Der Staatsminister Freiherr von Humboldt, hat am 3ten Nov. sein Beglaubigungsschreiben als außerordentlicher Königl. Preussischer Gesandter und Bevollmächtigter Minister am Wienerhofe überreicht. (W. Z.)
Das Journal de la Cote d’or enthält Details über den Selbstmord jener beiden jungen Liebenden, die sich, wegen verweigerter Einwilligung ihrer Eltern, einander zu heirathen, im Gehölz zu Gilly, erschossen haben. Es [liest ›Er‹] ergiebt sich daraus, daß der Gedanke dazu zuerst in dem Hirn des jungen Mädchens entsprang, und der junge Mann, ihr Liebhaber, lange Zeit diesen Entschluß in ihr zu bekämpfen suchte. Auch hat die gerichtliche Untersuchung, die über diesen sonderbaren Vorfall angestellt worden ist, mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit erwiesen, daß das junge Mädchen die Erste gewesen ist, die sich die Kugel durch das Hirn gejagt. (Jour. d. Dam.)