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Uebersicht der Kunstausstellung.
(Beschluß.)
Den Uebergang zu den Fabrikarbeiten bildeten die
Stickereien, in denen diese Ausstellung eigenthümlich
reich ist. Mslle. Friesner hat mit schönem Talente 5
die erste gestickte Landschaft nach Ruisdael geliefert,
die uns Vergnügen gewährte; Frau Bassoni
eine
Maria mit dem schlafenden Kinde, die auch unter Ge¬
mälden angenehm anzusehen; auch die
Magdalena von
F. Sandrart verdient Lob. Ein gewirktes seidnes 10
Zeug von
Trille, ein
Rosenteppich von der Hand¬
arbeit einer Ungenannten zeichneten
sich aus, die
Fabrike von
Hotho und Welper, macht den küh¬
nen Versuch Gold zu Fußteppichen zu brauchen
in ei¬
ner Zeit, wo Niemand Gold
in der Tasche hat; und Comp. und Höhler behaupteten ihren
alten Ruf. Der Versuch von Frick in Glas Farben
einzubrennen verdient Lob.
In England werden schon
jetzt große Bilder der Art ausgeführt, nur darf man
nicht
hoffen, auf diesem Wege allein die Farbenpracht 20
alter Glasfenster
herauszubringen, die nicht bloß durch
Einbrennen, sondern hauptsächlich durch
Zusammen¬
setzung und Unterlegung der kostbarsten Glasstücke
diese Wirkung erreichen. Der Vorrath an Porzellanen
der Königl. Fabrik war sehr
ausgewählt; die Nach¬25
bildungen der Mosaik beider Gattungen auf einer
Tischplatte kann für das Vollendetste gehalten werden,
was geliefert
worden; auch unter den übrigen Male¬
reien war manches sehr brav.Schätzbar ist das Bemü¬
hen
Straube’s,
Violinen und Violoncello ganz in 30
den Maaßen der berühmtesten Fabrikanten zu
machen.
neue Tusche scheinen sehr brauchbar; das
Fortkommen der Plattirfabriken, der Bronze¬
arbeiten so wie der Eisengießerei ist erfreulich;
doch
scheint uns die Benutzung dieser letzteren für das 35
Fabrikwesen und Gewerbe
viel bedeutender, als zur
Verfertigung von allerlei Zierrathen, insbesondre
soll¬
ten jene Arbeiten
niemals wegen dieser verschoben wer
[ 39
]
152den. An Fabrik- und Manufakturwaaren
neuer Erfindung, eben so an neuen Instrumenten
40
war ein gänzlicher Mangel, es scheint, daß die Ein¬
sendung derselben bey uns nicht mit dem
Eifer ge¬
schieht, wie in
Frankreich, wohin von uns zuerst die
Idee einer Ausstellung solcher Produkte gekommen ist.
Wir erwarteten in Beziehung auf die Zeit Proben der 45
verschiedenen Spinnmaschinen, neue leinene Zeuge zu
finden, welche die
Baumwolle verdrängen; neue Arten
Waffen, typographische Prachtwerke, u. dgl.;
eben so
verwunderten wir uns, nur von der Berliner und
Breslauer
Zeichenschule einige Arbeiten zu fin¬50
den; es gehörte durchaus von allen Zeichenschulen des
Königreichs eine anschauliche Uebersicht in diese
Cen¬
tralausstellung. Die Zeichnungen, unter denen
viel
Verdienstliches, von Rheinhardt ein Erlkönig, der
aber zum Liede nicht recht paßt; von Schick eine 55
sehr artige
Bauerfamilie; von Thorwaldsen
eine
einen
Dante; von Heerd
einige sehr ähnliche Porträts, er¬
innern am nächsten an ihre Vervielfältiger, an die
Kupferstecher. Luthers
Verbrennen der päbstlichen
Bullen, von Buchhorn nach Katel mit dem Grab¬60
stichel sehr
geschickt gearbeitet, war wohl unstreitig
der beste ausgestellte Kupferstich,
zwei Landschaften von
Darnstedt und drei Blätter von Freidhof erhalten
den bekannten Namen der Künstler, das
Pflanzenwerk
des Grafen Hofmannsegge zeichnet sich vor
allen 65
in der Welt aus; es kränkte uns vor diesem, mit deut¬
schen Fleiße unternommenen,
Werke einen französi¬
schen Titel zu sehen. Die Versuche mit Steindruck,
so wie eine neue Manier von Wittich geben Hoff¬
nungen. Zahlreich waren
die ausgestellten Kupfer¬70
stiche nicht, eben so wenig die Bildwerke; keine größe¬
re Arbeit von dem Direktor
Schadow, bloß zwei
reichhaltige Basreliefe in Gips; freilich leidet diese kost¬
barste aller schönen
Künste am nächsten durch die
Fol¬
grn
Fol¬
gen
eines unglücklichen Krieges. Sehr gute Erwar¬75
tungen geben einige Büsten von der Arbeit seines Soh¬
nes des Bildhauer Schadow, so wie die von ihm
ausgestellten Gruppen. Weißer
lieferte eine Büste
von Göthe, die nach einem Abgusse auf dem Gesichte
verfertigt, also alle die Nachtheile und Vorzüge die¬80
ser Art Bilderarbeit trägt, Richtigkeit
aller festen
Theile, Unrichtigkeit aller Beweglichen. Die beiden
merkwürdigsten Bildwerke waren unleugbar die
kolos¬
salen
Marmorbüsten der F. v.
Reck und Tiedges von
Thorwaldsen.
Der große Sinn des Auffassens im 85
153Ganzen und Einzelnen ist über alles Lob erhaben; son¬
derbar ist’s, was in dieser
Kunst herrlich wird, scheint An¬
tike. Auch die den Bildnern verwandte Steinschnei¬
dekunst ist nicht leer ausgegangen. Medaillen
und
Münzen fehlten gänzlich; mehrere Arbeiten von Döll
90
und von Jachtmann bewiesen uns die Bewahrung
dieser schönen Kunst. Wohl mag es aber in dieser
wie in
der kommenden Zeit das edelste und höchste Geschäft
der Künstler sein, nicht sowohl selbst immer das Herr¬
lichste im einzelnen Kunstwerke
hervorzubringen, als 95
vielmehr die Kunst überhaupt glücklichern ruhigern
Zei¬
ten zu erhalten, und
in ganzer mechanischen Fertigkeit
zu überliefern. In dieser Ansicht wird jedes edle Ge¬
müth Trost finden, das bei redlichem Bemühen doch
nicht
zur Meisterschaft in einer schönen Kunst gelan¬100
gen konnte, seine Arbeit ist darum der Welt nicht ver¬
loren; ein mittelmäßiger
Meister hat oft einen großen
Schüler erweckt, und in seinen ersten Versuchen
gelei¬
tet: manches
Kunsttalent wird aber auch später sich
selbst erst deutlich und von andern
erkannt, und da¬105
mit möchten wir
alle die vertrösten, die einen eigen¬
thümlichen Werth ihrer Arbeiten fühlen, ihn aber
von
uns nicht erwähnt finden, gern hätten wir jedem
Talente und jedem guten
Bemühen etwas Aufmun¬
terndes gesagt.110
aa.
Anekdote.
In einem Werke,
betitelt: Reise mit der
Ar¬
mee im
Jahr
[liest ›Jahre‹]
1809. Rudolstadt, Hofbuchhdl. 1810.
erzählt ein Franzose folgende Anekdote vom Kaiser 115
Napoleon, die von seiner Fähigkeit lebhafte Regun¬
gen des Mitleids zu empfinden, ein merkwürdiges
Beispiel giebt. Es ist
bekannt, daß derselbe, in der
Schlacht
bei Aspern, den verwundeten
Marschall lange mit großer Bewegung in den Armen
hielt. 120
Am Abend eben dieser Schlacht
beobachtete er, mit¬
ten
im Kartätschenfeuer, den Angriff seiner Cavalle¬
rie; eine Menge Blessirter lagen um ihn herum —
schweigend, wie der
Augenzeuge dieses Vorfalls sagt,
um dem Kaiser, mit ihren Klagen,
nicht zur Last zu 125
fallen. Drauf setzt ein
ganzes fr. Kuirassierregiment,
der feindlichen Uebermacht ausweichend,
über die Un¬
154glücklichen hinweg; es erhebt sich ein lautes
Geschrei
des Jammers, mit dem untermischten Ausruf (gleich¬
sam um es zu übertäuben): Vive
l’Empereur! Vive 130
l’Empereur! Der Kaiser wendet sich; indem er die
Hand vors Gesicht hält, stürzen ihm die Thränen aus
den Augen, und nur mit Mühe behält er seine Fas¬
sung. (Misc.
d. n. Weltk.)
Auf einen glücklichen Vater.135
Den 7. Novemb. 1810.
Eines verlieh ich Dir gern, der Orden ersten und
höchsten,
Hängt Dir die Tochter am Hals, trägst du den schön¬
sten
gewiß.140
A. v.
A.
Miscellen.
Sr. Maj. der Kaiser von
Oestrreich
Oesterreich
haben den Fürsten von
Metternich zum Staats- und Conferenzminister zu ernennen ge¬145
ruht.
(W. Z.)
Der Staatsminister Freiherr von
Humboldt, hat am 3ten
Nov.
sein Beglaubigungsschreiben als außerordentlicher Königl.
Preussischer
Gesandter und Bevollmächtigter Minister am Wiener¬
hofe überreicht. (W. Z.)150
Das Journal de la Cote d’or enthält Details über den Selbst¬
mord jener beiden jungen Liebenden, die
sich, wegen verweigerter
Einwilligung ihrer Eltern, einander zu heirathen,
im Gehölz zu
Gilly, erschossen haben.
Es
[liest ›Er‹]
ergiebt sich daraus, daß der Gedanke
dazu zuerst in dem Hirn des
jungen Mädchens entsprang, und der 155
junge Mann, ihr Liebhaber, lange Zeit
diesen Entschluß in ihr zu
bekämpfen suchte. Auch
hat die gerichtliche Untersuchung, die über
diesen sonderbaren Vorfall
angestellt worden ist, mit ziemlicher
Wahrscheinlichkeit erwiesen, daß das
junge Mädchen die Erste gewe¬
sen ist, die sich die Kugel durch das Hirn gejagt. (Jour. d. Dam.)160