Das Käthchen von Heilbronn
Alle Textversionen sind inhaltlich identisch und folgen dem angegebenen Textzeugen.
Die
Fassung Erstdruck/Textzeuge zeigt die zeichengenaue Wiedergabe des Textzeugen. Nur offensichtliche Fehler sind emendiert. Alle Emendationen sind im Apparat verzeichnet. Der originale Zeilenfall ist beibehalten. Die Fassung wird auf Smartphones wegen der Zeilenlänge nicht angezeigt.
In der Textversion ohne originalen Zeilenfall wird der Zeilenfall mit einem Schrägstrich / angezeigt, die Zeile wird aber nicht umbrochen. Ansonsten folgt sie der angegebenen Textquelle.
In der Textversion ohne ſ, aͤ, oͤ, uͤ sind zusätzlich das lange ſ und historische Umlautformen der heutigen Orthographie angepasst.
[Leerseite]
3Perſonen: Personen.
Erſter Act.
Scene: Eine unterirdiſche Hoͤhle, mit den Inſignien des Vehmgerichts, von einer Lampe erleuchtet.Erſter Auftritt.
Graf Otto von der Fluͤhe (als Vorſitzer), Wenzel von Nachtheim, Hans von Baͤrenklau (als Beyſaſſen), mehrere Grafen, Ritter und Herren (ſaͤmmtlich vermummt), Haͤſcher mit Fackeln u. s. w. — Theobald Friedeborn, Buͤrger aus Heilbronn (als Klaͤger), Graf Wetter vom Strahle (als Beklagter, ſtehen vor den Schranken). [liest ›Schranken‹] [liest ›Schranken‹] Graf Otto (ſteht auf).Wir, Richter des hohen, heimlichen Gerichts, die wir, die irdiſchen Schergen Gottes, Vorlaͤufer der gefluͤgelten Heere, die er in ſeinen Wolken muſtert, den Frevel aufſuchen, da, wo er, in der Hoͤhle der Bruſt, gleich einem Molche verkrochen, vom Arm weltlicher Gerechtigkeit nicht aufgefunden werden kann: 6 wir rufen dich, Theobald Friedeborn, ehrſamer und vielbekannter Waffenſchmidt aus Heilbronn auf, deine Klage anzubringen gegen Friedrich, Graf Wetter vom Strahle; denn dort, auf den erſten Ruf der heiligen Vehme, von des Vehmherolds Hand dreimal mit dem Griff des Gerichtsſchwerdts, an die Thore ſeiner Burg, deinem Geſuch gemaͤß, iſt er erſchienen, und fragt, was du willſt?
(er ſetzt ſich). Theobald Friedeborn.Ihr hohen, heiligen und geheimnißvollen Herren! Haͤtte er, auf den ich klage, ſich bei mir ausruͤſten laſſen — ſetzet in Silber, von Kopf bis zu Fuß, oder in ſchwarzen Stahl, Schienen, Schnallen und Ringe von Gold; und haͤtte nachher, wenn ich geſprochen: Herr, bezahlt mich! geantwortet: Theobald! Was willſt du? Ich bin dir nichts ſchuldig; oder waͤre er vor die Schranken meiner Obrigkeit getreten, und haͤtte meine Ehre, mit der Zunge der Schlangen — oder waͤre er aus dem Dunkel mitternaͤchtlicher Waͤlder herausgebrochen und haͤtte mein Leben mit Schwerdt und Dolch, angegriffen: ſo wahr mir Gott helfe! ich glaube, ich haͤtte nicht vor euch geklagt. Ich erlitt, in drei und funfzig Jahren, da ich lebe, ſo viel Unrecht, daß meiner Seele Gefuͤhl nun gegen ſeinen Stachel wie gepanzert iſt; und waͤhrend ich Waffen 7 ſchmiede, fuͤr Andere, die die Muͤcken ſtechen, ſag ich ſelbſt zum Skorpion: fort mit dir! und laß ihn fahren. Friedrich, Graf Wetter vom Strahl, hat mir mein Kind verfuͤhrt, meine Katharine. Nehmt ihn, ihr irdiſchen Schergen Gottes, und uͤberliefert ihn allen geharniſchten Schaaren, die an den Pforten der Hoͤlle ſtehen und ihre glutrothen Spieße ſchwenken: ich klage ihn ſchaͤndlicher Zauberei, aller Kuͤnſte der ſchwarzen Nacht und der Verbruͤderung mit dem Satan an!
Graf Otto.Meiſter Theobald von Heilbronn! Erwaͤge wohl, was du ſagſt. Du bringſt vor, der Graf vom Strahl, uns vielfaͤltig und von guter Hand bekannt, habe dir dein Kind verfuͤhrt. Du klagſt ihn, hoff ich, der Zauberei nicht an, weil er deines Kindes Herz von dir abwendig gemacht? Weil er ein Maͤdchen, voll raſcher Einbildungen, mit einer Frage, wer ſie ſey? oder wohl gar mit dem bloßen Schein ſeiner rothen Wangen, unter dem Helmſturz hervorgluͤhend, oder mit irgend einer andern Kunſt des hellen Mittags ausgeuͤbt auf jedem Jahrmarkt, fuͤr ſich gewonnen hat?
Theobald.Es iſt wahr, ihr Herren, ich ſah ihn nicht zur Nachtzeit, an Mooren und ſchilfreichen Geſtaden, 8 oder wo ſonſt des Menſchen Fuß ſelten erſcheint, umherwandeln und mit den Irrlichtern Verkehr treiben. Ich fand ihn nicht auf den Spitzen der Gebirge, den Zauberſtab in der Hand, das unſichtbare Reich der Luft abmeſſen, oder in unterirdiſchen Hoͤhlen, die kein Strahl erhellt, Beſchwoͤrungsformeln aus dem Staub heraufmurmeln. Ich ſah den Satan und die Schaaren, deren Verbruͤderten ich ihn nannte, mit Hoͤrnern, Schwaͤnzen und Klauen, wie ſie zu Heilbronn, uͤber dem Altar abgebildet ſind, an ſeiner Seite nicht. Wenn ihr mich gleichwohl reden laſſen wollt, ſo denke ich es durch eine ſchlichte Erzaͤhlung deſſen, was ſich zugetragen, dahin zu bringen, daß ihr aufbrecht, und ruft: unſrer ſind dreizehn und der vierzehnte iſt der Teufel! zu den Thuͤren rennt und den Wald, der dieſe Hoͤhle umgiebt, auf dreihundert Schritte im Umkreis, mit euren Taftmaͤnteln und Federhuͤthen beſaͤet.
Graf Otto.Nun, du alter, wilder Klaͤger! ſo rede!
Theobald.Zuvoͤrderſt muͤßt ihr wiſſen, ihr Herren, daß mein Kaͤthchen Oſtern, die nun verfloſſen, funfzehn Jahre alt war; geſund an Leib und Seele, wie die erſten Menſchen, die gebohren worden ſein moͤgen; ein Kind recht nach der Luſt Gottes, das heraufging aus 9der Wuͤſten, am ſtillen Feierabend meines Lebens, wie ein gerader Rauch von Myrrhen und Wachholdern! Ein Weſen von zarterer, frommerer und lieberer Art muͤßt ihr euch nicht denken, und kaͤmt ihr, auf Fluͤgeln der Einbildung, zu den lieben, kleinen Engeln, die, mit hellen Augen, aus den Wolken, unter Gottes Haͤnden und Fuͤßen hervorgucken. Ging ſie in ihrem buͤrgerlichen Schmuck uͤber die Straße, den Strohhut auf, von gelbem Lack erglaͤnzend, das ſchwarzſammtene Leibchen, das ihre Bruſt umſchloß, mit feinen Silberkettlein behaͤngt: ſo lief es fluͤſternd von allen Fenſtern herab: das iſt das Kaͤthchen von Heilbronn; das Kaͤthchen von Heilbronn, ihr Herren, als ob der Himmel von Schwaben ſie erzeugt, und von ſeinem Kuß geſchwaͤngert, die Stadt, die unter ihm liegt, ſie gebohren haͤtte. Vettern und Baſen, mit welchen die Verwandtſchaft, ſeit drey Menſchengeſchlechtern vergeſſen worden war, nannten ſie, auf Kindtaufen und Hochzeiten, ihr liebes Muͤhmchen, ihr liebes Baͤſchen; der ganze Markt, auf dem wir wohnten, erſchien an ihrem Namenstage, und bedraͤngte ſich und wetteiferte, ſie zu beſchenken; wer ſie nur einmal, geſehen und einen Gruß im Voruͤbergehen von ihr empfangen hatte, ſchloß ſie acht folgende Tage lang, als ob ſie ihn gebeſſert haͤtte, in ſein Gebet ein. Eigenthuͤmerin eines Landguts, das ihr der Großvater, mit 10Ausſchluß meiner, als einem Goldkinde, dem er ſich liebreich bezeigen wollte, vermacht hatte, war ſie ſchon unabhaͤngig von mir, eine der wohlhabendſten Buͤrgerinnen der Stadt. Fuͤnf Soͤhne wackerer Buͤrger, bis in den Tod von ihrem Werthe geruͤhrt, hatten nun ſchon um ſie angehalten; die Ritter, die durch die Stadt zogen, weinten, daß ſie kein Fraͤulein war; ach, und waͤre ſie Eines geweſen, das Morgenland waͤre aufgebrochen, und haͤtte Perlen und Edelgeſteine, von Mohren getragen, zu ihren Fuͤßen gelegt. Aber ſowohl ihre, als meine Seele, bewahrte der Himmel vor Stolz; und weil Gottfried Friedeborn, der junge Landmann, deſſen Guͤter das ihrige umgraͤnzen, ſie zum Weibe begehrte, und ſie auf meine Frage: Katharine, willt du ihn? antwortete: Vater! Dein Wille ſei meiner; ſo ſagte ich: der Herr ſegne euch! und weinte und jauchzte, und beſchloß, Oſtern, die kommen, ſie nun zur Kirche zu bringen. — So war ſie, ihr Herren, bevor ſie mir dieſer entfuͤhrte.
Graf Otto.Nun? Und wodurch entfuͤhrte er ſie dir? Durch welche Mittel hat er ſie dir und dem Pfade, auf welchen du ſie gefuͤhrt hatteſt, wieder entriſſen?
Theobald.Durch welche Mittel? — Ihr Herren, wenn ich das ſagen koͤnnte, ſo begriffen es dieſe fuͤnf Sinne, 11und ſo ſtaͤnd ich nicht vor euch und klagte auf alle, mir unbegreiflichen, Graͤuel der Hoͤlle. Was ſoll ich vorbringen, wenn ihr mich fragt, durch welche Mittel? Hat er ſie am Brunnen getroffen, wenn ſie Waſſer ſchoͤpfte, und geſagt: Lieb Maͤdel, wer biſt du? hat er ſich an den Pfeiler geſtellt, wenn ſie aus der Mette kam, und gefragt: Lieb Maͤdel, wo wohnſt du? hat er ſich, bei naͤchtlicher Weile, an ihr Fenſter geſchlichen, und, indem er ihr einen Halsſchmuck umgehaͤngt, geſagt: Lieb Maͤdel, wo ruhſt du? Ihr hochheiligen Herren, damit war ſie nicht zu gewinnen! Den Judaskuß errieth unſer Heiland nicht raſcher, als ſie ſolche Kuͤnſte. Nicht mit Augen, ſeit ſie gebohren ward, hat ſie ihn geſehen; ihren Ruͤcken, und das Maal darauf, das ſie von ihrer ſeeligen Mutter erbte, kannte ſie beſſer, als ihn. (er weint.)
Graf Otto (nach einer Pauſe.)Und gleichwohl, wenn er ſie verfuͤhrt hat, du wunderlicher Alter, ſo muß es wann und irgendwo geſchehen ſein?
Theobald.Heiligen Abend vor Pfingſten, da er auf fuͤnf Minuten in meine Werkſtatt kam, um ſich, wie er ſagte, eine Eiſenſchiene, die ihm zwiſchen Schulter und Bruſt losgegangen war, wieder zuſammenheften zu laſſen.
12 Wenzel.Was!
Hans.Am hellen Mittag?
Wenzel.Da er auf fuͤnf Minuten in deine Werkſtatt kam, um ſich eine Bruſtſchiene anheften zu laſſen?
(Pauſe.) Graf Otto.Faſſe dich, Alter, und erzaͤhle den Hergang.
Theobald (indem er ſich die Augen trocknet.)Es mogte ohngefaͤhr eilf Uhr Morgens ſein, als er, mit einem Troß Reiſiger, vor mein Haus ſprengte, raſſelnd, der Erzgepanzerte, vom Pferd ſtieg, und in meine Werkſtatt trat: das Haupt tief herab neigt’ er, um mit den Reiherbuͤſchen, die ihm vom Helm niederwankten, durch die Thuͤr zu kommen. Meiſter, ſchau her, ſpricht er: dem Pfalzgrafen, der eure Waͤlle niederreißen will, zieh ich entgegen; die Luſt, ihn zu treffen, ſprengt mir die Schienen; nimm Eiſen und Drath, ohne daß ich mich zu entkleiden brauche, und heft’ ſie mir wieder zuſammen. Herr! ſag ich: wenn euch die Bruſt ſo die Ruͤſtung zerſchmeißt, ſo laͤßt der Pfalzgraf unſere Waͤlle ganz; noͤthig’ ihn auf einen Seſſel, in des Zimmers Mitte nieder, und: Wein! ruf ich in die Thuͤre, und vom friſchgeraͤu13cherten Schinken, zum Imbiß! und ſetz’, einen Schemel, mit Werkzeugen verſehn, vor ihn, um ihm die Schiene wieder herzuſtellen. Und waͤhrend draußen noch der Streithengſt wiehert, und, mit den Pferden der Knechte, den Grund zerſtampft, daß der Staub, als waͤr’ ein Cherub vom Himmel niedergefahren, emporquoll: oͤffnet langſam, ein großes, flaches Silbergeſchirr auf dem Kopf tragend, auf welchem Flaſchen, Glaͤſer und der Imbiß geſtellt waren, das Maͤdchen die Thuͤre und tritt ein. Nun ſeht, wenn mir Gott der Herr aus Wolken erſchiene, ſo wuͤrd ich mich ohngefaͤhr ſo faſſen, wie ſie. Geſchirr und Becher und Imbiß, da ſie den Ritter erblickt, laͤßt ſie fallen; und leichenbleich, mit Haͤnden, wie zur Anbetung verſchraͤnkt, den Boden mit Bruſt und Scheiteln kuͤſſend, ſtuͤrzt ſie vor ihm nieder, als ob ſie ein Blitz nieder geſchmettert haͤtte! Und da ich ſage: Herr meines Lebens! Was fehlt dem Kind? und ſie aufhebe: ſchlingt ſie, wie ein Taſchenmeſſer zuſammenfallend, den Arm um mich, das Antlitz flammend auf ihn gerichtet, als ob ſie eine Erſcheinung haͤtte. Der Graf vom Strahl, indem er ihre Hand nimmt, fragt: weß iſt das Kind? Geſellen und Maͤgde ſtroͤmen herbey und jammern: hilf Himmel! Was iſt dem Juͤngferlein widerfahren; doch da ſie ſich, mit einigen ſchuͤchternen Blicken auf ſein 14Antlitz, erholt, ſo denk ich, der Anfall iſt wohl auch voruͤber und gehe, mit Pfriemen und Nadeln, an mein Geſchaͤft. Drauf ſag ich: Wohlauf, Herr Ritter! Nun moͤgt ihr den Pfalzgrafen treffen; die Schiene iſt eingerenkt, das Herz wird ſie euch nicht mehr zerſprengen. Der Graf ſteht auf; er ſchaut das Maͤdchen, das ihm bis an die Bruſthoͤhle ragt, vom Wirbel zur Sohle, gedankenvoll an, und beugt ſich, und kuͤßt ihr die Stirn und ſpricht: der Herr ſeegne dich, und behuͤte dich, und ſchenke dir ſeinen Frieden, Amen! Und da wir an das Fenſter treten: ſchmeißt ſich das Maͤdchen, in dem Augenblick, da er den Streithengſt beſteigt, dreißig Fuß hoch, mit aufgehobenen Haͤnden, auf das Pflaſter der Straße nieder: gleich einer Verlohrenen, die ihrer fuͤnf Sinne beraubt iſt! Und bricht ſich beide Lenden, ihr heiligen Herren, beide zarten Lendchen, dicht uͤber des Knierunds elfenbeinernem Bau; und ich, alter, bejammernswuͤrdiger Narr, der mein verſinkendes Leben auf ſie ſtuͤtzen wollte, muß ſie, auf meinen Schultern, wie zu Grabe tragen; indeſſen er dort, den Gott verdamme! zu Pferd, unter dem Volk, das herbeiſtroͤmt, heruͤberruft von hinten, was vorgefallen ſei! — Hier liegt ſie nun, auf dem Todbett, in der Glut des hitzigen Fiebers, ſechs endloſe Wochen, ohne ſich zu regen. Keinen Laut bringt ſie hervor; auch nicht 15der Wahnſinn, dieſer Dietrich aller Herzen, eroͤffnet das ihrige; kein Menſch vermag das Geheimniß, das in ihr waltet, ihr zu entlocken. Und pruͤft, da ſie ſich ein wenig erholt hat, den Schritt, und ſchnuͤrt ihr Buͤndel, und tritt, beim Strahl der Morgenſonne, in die Thuͤr: wohin? fragt ſie die Magd; zum Grafen Wetter vom Strahl antwortet ſie, und verſchwindet.
Wenzel.Es iſt nicht moͤglich!
Hans.Verſchwindet?
Wenzel.Und laͤßt Alles hinter ſich zuruͤck?
Hans.Eigenthum, Heimath und den Braͤutigam, dem ſie verlobt war?
Wenzel.Und begehrt auch deines Seegens nicht einmal?
Theobald.Verſchwindet, ihr Herren — Verlaͤßt mich und Alles, woran Pflicht, Gewohnheit und Natur ſie knuͤpften — Kuͤßt mir die Augen, die ſchlummernden, und verſchwindet; ich wollte, ſie haͤtte ſie mir zugedruͤckt.
Wenzel.Beim Himmel! Ein ſeltſamer Vorfall. —
16 Theobald.Seit jenem Tage folgt ſie ihm nun, gleich einer Metze, in blinder Ergebung, von Ort zu Ort; gefuͤhrt am Strahl ſeines Angeſichts, fuͤnfdraͤthig, wie einen Tau, um ihre Seele gelegt; auf nackten, jedem Kieſel ausgeſetzten, Fuͤßen, das kurze Roͤckchen, das ihre Huͤfte deckt, im Winde flatternd, nichts als den Strohhut auf, ſie gegen der Sonne Stich, oder den Grimm empoͤrter Witterung zu ſchuͤtzen. Wohin ſein Fuß, im Lauf ſeiner Abentheuer, ſich wendet: durch den Dampf der Kluͤfte, durch die Wuͤſte, die der Mittag verſengt, durch die Nacht verwachſener Waͤlder: wie ein Hund, der von ſeines Herren Schweiß gekoſtet, ſchreitet ſie hinter ihm her; und die gewohnt war, auf weichen Kiſſen zu ruhen, und das Knoͤtlein ſpuͤrte, in des Bettuchs Faden, das ihre Hand unachtſam darin eingeſponnen hatte: die liegt jetzt, einer Magd gleich, in ſeinen Staͤllen, und ſinkt, wenn die Nacht koͤmmt, ermuͤdet auf die Streu nieder, die ſeinen ſtolzen Roſſen untergeworfen wird.
Graf Otto.Graf Wetter vom Strahl! Iſt dies gegruͤndet?
Der Graf vom Strahl.Wahr iſts, ihr Herren; ſie geht auf der Spur, die hinter mir zuruͤckbleibt. Wenn ich mich umſehe, erblick’ ich zwei Dinge: meinen Schatten und ſie.
17 Graf Otto.Und wie erklaͤrt ihr euch dieſen ſonderbaren Umſtand?
Der Graf vom Strahl.Ihr unbekannten Herren der Vehme! Wenn der Teufel ſein Spiel mit ihr treibt, ſo braucht er mich dabei, wie der Affe die Pfoten der Katze; ein Schelm will ich ſein, holt er den Nußkern fuͤr mich. Wollt ihr meinem Wort ſchlechthin, wies die heilige Schrift vorſchreibt, glauben: ja, ja, nein, nein; gut! Wo nicht, ſo will ich nach Worms, und den Kaiſer bitten, daß er den Theobald ordinire. Hier werf’ ich ihm vorlaͤufig meinen Handſchuh hin!
Graf Otto.Ihr ſollt hier Rede ſtehn, auf unſre Frage! Womit rechtfertigt ihr, daß ſie unter eurem Dache ſchlaͤft? Sie, die in das Haus hingehoͤrt, wo ſie gebohren und erzogen ward?
Der Graf vom Strahl.Ich war, es moͤgen ohngefaͤhr zwoͤlf Wochen ſein, auf einer Reiſe, die mich nach Straßburg fuͤhrte, ermuͤdet, in der Mittagshitze, an einer Felswand, eingeſchlafen — nicht im Traum gedacht ich des Maͤdchens mehr, das in Heilbronn aus dem Fenſter geſtuͤrzt war — da liegt ſie mir, wie ich erwache, gleich einer Roſe, entſchlummert zu Fuͤßen; als ob ſie vom 18Himmel herabgeſchneit waͤre! Und da ich zu den Knechten, die im Graſe herumliegen, ſage: Ei, was der Teufel! Das iſt ja das Kaͤthchen von Heilbronn! ſchlaͤgt ſie die Augen auf, und bindet ſich das Huͤtlein zuſammen, das ihr ſchlafend vom Haupt herabgerutſcht war. Katharine! ruf ich: Maͤdel! Wo koͤmmſt auch her? Auf funfzehn Meilen von Heilbronn, fernab am Geſtade des Rheins? „Hab’ ein Geſchaͤft, geſtrenger Herr,“ antwortet ſie, „das mich gen Straßburg fuͤhrt; ſchauert mich im Wald ſo einſam zu wandern, und ſchlug mich zu euch.“ Drauf laß ich ihr zur Erfriſchung reichen, was mir Gottſchalk, der Knecht, mit ſich fuͤhrt, und erkundige mich: wie der Sturz abgelaufen? auch, was der Vater macht? Und was ſie in Straßburg zu erſchaffen denke? Doch da ſie nicht freiherzig mit der Sprache herausruͤckt: was auch gehts dich an, denk’ ich; ding’ ihr einen Boten, der ſie durch den Wald fuͤhre, ſchwing mich auf den Rappen, und reite ab. Abends, in der Herberg, an der Straßburger Straß, will ich mich eben zur Ruh niederlegen: da kommt Gottſchalk, der Knecht, und ſpricht: das Maͤdchen ſei unten und begehre in meinen Staͤllen zu uͤbernachten. Bei den Pferden? frag’ ich. Ich ſage: wenn’s ihr weich genug iſt, mich wird’s nicht druͤcken. Und fuͤge noch, indem ich mich im Bett wende, hinzu: magſt ihr wohl eine Streu 19unterlegen, Gottſchalk, und ſorgen, daß ihr Nichts widerfahre. Drauf, wandert ſie, kommenden Tages fruͤher aufgebrochen, als ich, wieder auf der Heerſtraße, und lagert ſich wieder in meinen Staͤllen, und lagert ſich Nacht fuͤr Nacht, ſo wie mir der Streifzug fortſchreitet, darin, als ob ſie zu meinem Troß gehoͤrte. Nun litt ich das, ihr Herren, um jenes grauen, unwirrſchen Alten willen, der mich jetzt darum ſtraft; denn der Gottſchalk, in ſeiner Wunderlichkeit, hatte das Maͤdchen lieb gewonnen, und pflegte ihrer, in der That, als ſeiner Tochter; fuͤhrt dich die Reiſe einſt, dacht’ ich, durch Heilbronn, ſo wird der Alte dirs danken. Doch da ſie ſich auch in Straßburg, in der erzbiſchoͤflichen Burg, wieder bei mir einfindet, und ich gleichwohl ſpuͤre, daß ſie nichts im Orte erſchafft: denn mir hatte ſie ſich ganz und gar geweiht, und wuſch und flickte, als ob es ſonſt am Rhein nicht zu haben waͤre: ſo trete ich eines Tages, da ich ſie auf der Stallſchwelle finde, zu ihr und frage: was fuͤr ein Geſchaͤft ſie in Straßburg betreibe? Ei, ſpricht ſie geſtrenger Herr, und eine Roͤthe, daß ich denke, ihre Schuͤrze wird angehen, flammt uͤber ihr Antlitz empor: „was fragt ihr doch? ihr wißts ja!“ — Holla! denk ich, ſteht es ſo mit dir? und ſende einen Boten flugs nach Heilbronn, dem Vater zu, mit folgender Meldung: das Kaͤthchen ſei bei mir; 20ich huͤtete ſeiner; in kurzem koͤnne er es, vom Schloſſe zu Strahl, wohin ich es zuruͤckbringen wuͤrde, abholen.
Graf Otto.Nun? Und hierauf?
Wenzel.Der Alte holte die Jungfrau nicht ab?
Der Graf vom Strahl.Drauf, da er am zwanzigſten Tage, um ſie abzuholen, bei mir erſcheint, und ich ihn in meiner Vaͤter Saal fuͤhre: erſchau ich mit Befremden, daß er, beim Eintritt in die Thuͤr, die Hand in den Weihkeſſel ſteckt, und mich mit dem Waſſer, das darin befindlich iſt, beſprengt. Ich arglos, wie ich von Natur bin, noͤth’ge ihn auf einen Stuhl nieder; erzaͤhle ihm, mit Offenherzigkeit, Alles, was vorgefallen; eroͤffne ihm auch, in meiner Theilnahme, die Mittel, wie er die Sache, ſeinen Wuͤnſchen gemaͤß, wieder in’s Geleis ruͤcken koͤnne; und troͤſte ihn und fuͤhr ihn, um ihm das Maͤdchen zu uͤbergeben, in den Stall hinunter, wo ſie ſteht, und mir eine Waffe von Roſt ſaͤubert. So wie er in die Thuͤr tritt, und die Arme mit thraͤnenvollen Augen oͤffnet, ſie zu empfangen, ſtuͤrzt mir das Maͤdchen leichenbleich zu Fuͤßen, alle Heiligen anrufend, daß ich ſie vor ihm ſchuͤtze. Gleich einer Salzſaͤule ſteht er, bei dieſem Anblick, 21da; und ehe ich mich noch gefaßt habe, ſpricht er ſchon, das entſetzensvolle Antlitz auf mich gerichtet: das iſt der leibhaftige Satan! und ſchmeißt mir den Hut, den er in der Hand haͤlt, in’s Geſicht, als wollt’ er ein Graͤuelbild verſchwinden machen, und laͤuft, als ſetzte die ganze Hoͤlle ihm nach, nach Heilbronn zuruͤck.
Graf Otto.Du wunderlicher Alter! Was haſt du fuͤr Einbildungen?
Wenzel.Was war in dem Verfahren des Ritters, das Tadel verdient? Kann er dafuͤr, wenn ſich das Herz deines thoͤrichten Maͤdchens ihm zuwendet?
Hans.Was iſt in dieſem ganzen Vorfall, das ihn anklagt?
Theobald.Was ihn anklagt? O du — Menſch, entſetzlicher, als Worte faſſen, und der Gedanke ermißt: ſtehſt du nicht rein da, als haͤtten die Cherubim ſich entkleidet, und ihren Glanz dir, funkelnd wie Mailicht, um die Seele gelegt! — Mußt’ ich vor dem Menſchen nicht erbeben, der die Natur, in dem reinſten Herzen, das je geſchaffen ward, dergeſtalt umgekehrt hat, daß ſie vor dem Vater, zu ihr gekommen, ſeiner Liebe Bruſt 22ihren Lippen zu reichen, kreideweißen Antlitzes entweicht, wie vor dem Wolfe, der ſie zerreißen will? Nun denn, ſo walte, Hekate, Fuͤrſtinn des Zaubers, moorduftige Koͤniginn der Nacht! Sproßt, ihr daͤmoniſchen Kraͤfte, die die menſchliche Satzung ſonſt auszujaͤten bemuͤht war, bluͤht auf, unter dem Athem der Hexen, und ſchoßt zu Waͤldern empor, daß die Wipfel ſich zerſchlagen, und die Pflanze des Himmels, die am Boden keimt, verweſe; rinnt, ihr Saͤfte der Hoͤlle, troͤpfelnd aus Staͤmmen und Stielen gezogen, fallt, wie ein Katarakt, ins Land, daß der erſtickende Peſtqualm zu den Wolken empordampft; fließt und ergießt euch durch alle Roͤhren des Lebens, und ſchwemmt, in allgemeiner Suͤndfluth, Unſchuld und Tugend hinweg!
Graf Otto.Hat er ihr Gift eingefloͤßt?
Wenzel.Meinſt du, daß er ihr verzauberte Traͤnke gereicht?
Hans.Opiate, die des Menſchen Herz, der ſie genießt, mit geheimnißvoller Gewalt umſtricken?
Theobald.Gift? Opiate? Ihr hohen Herren, was fragt ihr mich? Ich habe die Flaſchen nicht gepfropft, von welchen er ihr, an der Wand des Felſens, zur Erfri23ſchung reichte; ich ſtand nicht dabei, als ſie in der Herberge, Nacht fuͤr Nacht, in ſeinen Staͤllen ſchlief. Wie ſoll ich wiſſen, ob er ihr Gift eingefloͤßt? habt neun Monate Geduld; alsdann ſollt ihr ſehen, wies ihrem jungen Leibe bekommen iſt.
Der Graf vom Strahl.Der alte Eſel, der! Dem entgegn’ ich nichts, als meinen Namen! Ruft ſie herein; und wenn ſie ein Wort ſagt, auch nur von fern duftend, wie dieſe Gedanken, ſo nennt mich den Grafen von der ſtinkenden Pfuͤtze, oder wie es ſonſt eurem gerechten Unwillen beliebt.
Zweiter Auftritt.
Kaͤthchen (mit verbundenen Augen, gefuͤhrt von) zwei Haͤſchern — Die Haͤſcher (nehmen ihr das Tuch ab, und gehen wieder fort). — Die Vorigen. Kaͤthchen (ſieht ſich in der Verſammlung um, und beugt, da ſie den Grafen erblickt, ein Knie vor ihm). Mein hoher Herr! Der Graf vom Strahl. Was willſt du?/ Kaͤthchen. Vor meinen Richter hat man mich gerufen./ 24 Der Graf vom Strahl. Dein Richter bin nicht ich. Steh auf, dort ſitzt er;/ Hier ſteh ich, ein Verklagter, ſo wie du./ Kaͤthchen. Mein hoher Herr! Du ſpotteſt. Der Graf vom Strahl. Nein! Du hoͤrſt!/ Was neigſt du mir dein Angeſicht in Staub?/ Ein Zaubrer bin ich, und geſtand es ſchon,/ Und laß, aus jedem Band, das ich dir wirkte,/ Jetzt deine junge Seele los./ (er erhebt ſie). Graf Otto. Hier Jungfrau, wenn’s beliebt; hier iſt die Schranke!/ Hans. Hier ſitzen deine Richter! Kaͤthchen (ſieht ſich um). Ihr verſucht mich./ Wenzel. Hier tritt heran! Hier ſollſt du Rede ſtehn./ Kaͤthchen (ſtellt ſich neben den Grafen vom Strahl, und ſieht die Richter an). / Graf Otto. Nun? Wenzel. Wirds? 25 Hans. Wirſt du gefaͤllig dich bemuͤhn?/ Graf Otto. Wirſt dem Gebot dich deiner Richter fuͤgen?/ Kaͤthchen (fuͤr ſich). Sie rufen mich. Wenzel. Nun, ja! Hans. Was ſagte ſie?/ Graf Otto (befremdet). Ihr Herrn, was fehlt dem ſonderbaren Weſen?/ (ſie ſehen ſich an) Kaͤthchen (fuͤr ſich). Vermummt von Kopf zu Fuͤßen ſitzen ſie,/ Wie das Gericht, am juͤngſten Tage, da!/ Der Graf vom Strahl (ſie aufweckend). Du wunderliche Maid! Was traͤumſt, was treibſt du?/ Du ſtehſt hier vor dem heimlichen Gericht!/ Auf jene boͤſe Kunſt bin ich verklagt,/ Mit der ich mir, du weißt, dein Herz gewann,/ Geh hin, und melde jetzo, was geſchehn!/ Kaͤthchen (ſieht ihn an und legt ihre Haͤnde auf die Bruſt). — Du quaͤlſt mich grauſam, daß ich weinen moͤgte!/ 26 Belehre deine Magd, mein edler Herr,/ Wie ſoll ich mich in dieſem Falle faſſen?/ Graf Otto (ungeduldig). Belehren — was! Hans. Bei Gott! Iſt es erhoͤrt?/ Der Graf vom Strahl (mit noch milder Strenge). Du ſollſt ſogleich vor jene Schranke treten,/ Und Rede ſtehn, auf was man fragen wird!/ Kaͤthchen. Nein, ſprich! Du biſt verklagt? Der Graf vom Strahl. Du hoͤrſt./ Kaͤthchen. Und jene Maͤnner dort ſind deine Richter? Der Graf vom Strahl. So iſt’s./ Kaͤthchen (zur Schranke tretend). Ihr wuͤrd’gen Herrn, wer ihr auch ſein moͤgt dort,/ Steht gleich vom Richtſtuhl auf und raͤumt ihn dieſem!/ Denn, beim lebend’gen Gott, ich ſag’ es euch,/ Rein, wie ſein Harniſch iſt ſein Herz, und eures/ Verglichen ihm, und meins, wie eure Maͤntel./ Wenn hier geſuͤndigt ward, iſt er der Richter,/ Und ihr ſollt zitternd vor der Schranke ſtehn!/ 27 Graf Otto. Du, Naͤrrinn, juͤngſt der Nabelſchnur entlaufen,/ Woher kommt die prophet’ſche Kunde dir?/ Welch ein Apoſtel hat dir das vertraut?/ Theobald. Seht die Unſeelige! Kaͤthchen (da ſie den Vater erblickt, auf ihn zugehend). Mein theurer Vater!/ (ſie will ſeine Hand ergreifen). Theobald (ſtreng). Dort iſt der Ort jetzt, wo du hingehoͤrſt!/ Kaͤthchen. Weis’ mich nicht von dir. (ſie faßt ſeine Hand und kuͤßt ſie). Theobald. — Kennſt du das Haar noch wieder,/ Das deine Flucht mir juͤngſthin grau gefaͤrbt?/ Kaͤthchen. Kein Tag verging, daß ich nicht einmal dachte,/ Wie ſeine Locken fallen. Sei geduldig,/ Und gieb dich nicht unmaͤß’gem Grame Preis:/ Wenn Freude Locken wieder dunkeln kann,/ So ſollſt du wieder wie ein Juͤngling bluͤhn./ Graf Otto. Ihr Haͤſcher dort! ergreift ſie! bringt ſie her!/ 28 Theobald. Geh’ hin, wo man dich ruft. Kaͤthchen (zu den Richtern, da ſich ihr die Haͤſcher naͤhern). Was wollt ihr mir?/ Wenzel. Saht ihr ein Kind, ſo ſtoͤrrig je, als dies?/ Graf Otto (da ſie vor der Schranke ſteht). Du ſollſt hier Antwort geben, kurz und buͤndig,/ Auf unſre Fragen! Denn wir, von unſerem / Gewiſſen eingeſetzt, ſind deine Richter,/ Und an der Strafe, wenn du frevelteſt,/ Wird’s deine uͤbermuͤth’ge Seele fuͤhlen./ Kaͤthchen. Sprecht ihr verehrten Herrn; was wollt ihr wiſſen?/ Graf Otto. Warum, als Friedrich Graf vom Strahl erſchien,/ In deines Vaters Haus, biſt du zu Fuͤßen,/ Wie man vor Gott thut, nieder ihm geſtuͤrzt?/ Warum warfſt du, als er von dannen ritt,/ Dich aus dem Fenſter ſinnlos auf die Straße,/ Und folgteſt ihm, da kaum dein Bein vernarbt,/ Von Ort zu Ort, durch Nacht und Graus und Nebel,/ Wohin ſein Roß den Fußtritt wendete?/ Kaͤthchen (hochroth zum Grafen). Das ſoll ich hier vor dieſen Maͤnnern ſagen?/ 29 Der Graf vom Strahl. Die Naͤrrin, die verwuͤnſchte, ſinnverwirrte,/ Was fragt ſie mich? Iſts nicht an jener Maͤnner/ Gebot, die Sache darzuthun, genug?/ Kaͤthchen (in Staub niederfallend). Nimm mir, o Herr, das Leben, wenn ich fehlte!/ Was in des Buſens ſtillem Reich geſchehn,/ Und Gott nicht ſtraft, das braucht kein Menſch zu wiſſen;/ Den nenn’ ich grauſam, der mich darum fragt!/ Wenn du es wiſſen willſt, wohlan, ſo rede,/ Denn dir liegt meine Seele offen da!/ Hans. Ward, ſeit die Welt ſteht, ſo etwas erlebt?/ Wenzel. Im Staub liegt ſie vor ihm — Hans. Geſtuͤrzt auf Knieen —/ Wenzel. Wie wir vor dem Erloͤſer hingeſtreckt!/ Der Graf vom Strahl (zu den Richtern). Ihr wuͤrd’gen Herrn, ihr rechnet hoff ich, mir/ Nicht dieſes Maͤdchens Thorheit an! Daß ſie/ Ein Wahn bethoͤrt, iſt klar, wenn euer Sinn/ Auch gleich, wie meiner, noch nicht einſieht, welcher?/ Erlaubt ihr mir, ſo frag ich ſie darum:/ 30 Ihr moͤgt, aus meinen Wendungen entnehmen,/ Ob meine Seele ſchuldig iſt, ob nicht?/ Graf Otto (ihn forſchend anſehend). Es ſei! Verſuchts einmal, Herr Graf, und fragt ſie./ Der Graf vom Strahl (wendet ſich zu Kaͤthchen, die noch immer auf Knieen liegt). Willt den geheimſten der Gedanken mir,/ Kathrina, der dir irgend, faſs mich wohl,/ Im Winkel wo des Herzens ſchlummert, geben?/ Kaͤthchen. Das ganze Herz, o Herr, dir, willt du es,/ So biſt du ſicher deß, was darin wohnt./ Der Graf vom Strahl. Was iſts, mit einem Wort, mir rund geſagt,/ Das dich aus deines Vaters Hauſe trieb?/ Was feſſelt dich an meine Schritte an?/ Kaͤthchen. Mein hoher Herr! Da fragſt du mich zuviel./ Und laͤg’ ich ſo, wie ich vor dir jetzt liege,/ Vor meinem eigenen Bewuſtſein da:/ Auf einem goldnen Richtſtuhl laß es thronen,/ Und alle Schrecken des Gewiſſens ihm,/ In Flammenruͤſtungen, zur Seite ſtehn;/ So ſpraͤche jeglicher Gedanke noch,/ Auf das, was du gefragt: ich weiß es nicht./ 31 Der Graf vom Strahl. Du luͤgſt mir, Jungfrau? Willſt mein Wiſſen taͤuſchen?/ Mir, der doch das Gefuͤhl dir ganz umſtrickt;/ Mir, deſſen Blick du da liegſt, wie die Roſe,/ Die ihren jungen Kelch dem Licht erſchloß? —/ Was hab ich dir einmal, du weißt, gethan?/ Was iſt an Leib und Seel’ dir widerfahren?/ Kaͤthchen. Wo? Der Graf vom Strahl. Da oder dort. Kaͤthchen. Wann? Der Graf vom Strahl. Juͤngſt oder fruͤherhin./ Kaͤthchen. Hilf mir, mein hoher Herr. Der Graf vom Strahl. Ja, ich dir helfen,/ Du wunderliches Ding. — (er haͤlt inne). Beſinnſt du dich auf nichts?/ Kaͤthchen (ſieht vor ſich nieder). / Der Graf vom Strahl. Was fuͤr ein Ort, wo du mich je geſehen,/ Iſt dir im Geiſt, vor Andern, gegenwaͤrtig./ 32 Kaͤthchen. Der Rhein iſt mir vor allen gegenwaͤrtig./ Der Graf vom Strahl. Ganz recht. Da eben wars. Das wollt ich wiſſen./ Der Felſen am Geſtad’ des Rheins, wo wir/ Zuſammen ruhten, in der Mittagshitze./ — Und du gedenkſt nicht, was dir da geſchehn?/ Kaͤthchen. Nein, mein verehrter Herr. Der Graf vom Strahl. Nicht? Nicht?/ — Was reicht’ ich deiner Lippe zur Erfriſchung?/ Kaͤthchen. Du ſandteſt, weil ich deines Weins verſchmaͤhte,/ Den Gottſchalk, deinen treuen Knecht, und ließeſt/ Ihn einen Trunk mir, aus der Grotte ſchoͤpfen./ Der Graf vom Strahl. Ich aber nahm dich bei der Hand, und reichte/ Sonſt deiner Lippe — nicht? Was ſtockſt du da?/ Kaͤthchen. Wann? Der Graf vom Strahl. Eben damals. Kaͤthchen. Nein, mein hoher Herr./ 33 Der Graf vom Strahl. Jedoch nachher. Kaͤthchen. In Straßburg? Der Graf vom Strahl. Oder fruͤher./ Kaͤthchen. Du haſt mich niemals bei der Hand genommen./ Der Graf vom Strahl. Kathrina! Kaͤthchen (erroͤthend). Ach vergieb mir; in Heilbronn!/ Der Graf vom Strahl. Wann? Kaͤthchen. Als der Vater dir am Harniſch wirkte./ Der Graf vom Strahl. Und ſonſt nicht? Kaͤthchen. Nein, mein hoher Herr. Der Graf vom Strahl. Kathrina!/ Kaͤthchen. Mich bei der Hand? Der Graf vom Strahl. Ja, oder ſonſt, was weiß ich./ 34 Kaͤthchen (beſinnt ſich). In Straßburg einſt, erinnr’ ich mich, beim Kinn./ Der Graf vom Strahl. Wann? Kaͤthchen. Als ich auf der Schwelle ſaß und weinte,/ Und dir auf was du ſprachſt, nicht Rede ſtand./ Der Graf vom Strahl. Warum nicht ſtandſt du Red’? Kaͤthchen. Ich ſchaͤmte mich./ Der Graf vom Strahl. Du ſchaͤmteſt dich? Ganz recht. Auf meinen Antrag./ Du wardſt gluthroth bis an den Hals hinab./ Welch einen Antrag macht’ ich dir? Kaͤthchen. Der Vater,/ Der wuͤrd’, ſprachſt du, daheim im Schwabenland’,/ Um mich ſich haͤrmen, und befragteſt mich,/ Ob ich mit Pferden, die du ſenden wollteſt,/ Nicht nach Heilbronn zu ihm zuruͤck begehrte?/ Der Graf vom Strahl (kalt). Davon iſt nicht die Rede! — Nun, wo auch,/ Wo hab’ ich ſonſt im Leben dich getroffen?/ — Ich hab’ im Stall zuweilen dich beſucht./ 35 Kaͤthchen. Nein, mein verehrter Herr. Der Graf vom Strahl. Nicht? Katharina!/ Kaͤthchen. Du haſt mich niemals in dem Stall beſucht,/ Und noch viel wen’ger ruͤhrteſt du mich an./ Der Graf vom Strahl. Was! Niemals? Kaͤthchen. Nein, mein hoher Herr. Der Graf vom Strahl. Kathrina!/ Kaͤthchen (mit Affect). Niemals, mein hochverehrter Herr, niemals./ Der Graf vom Strahl. Nun ſeht, bei meiner Treu, die Luͤgnerinn!/ Kaͤthchen. Ich will nicht ſeelig ſeyn, ich will verderben,/ Wenn du mich je —! Der Graf vom Strahl (mit dem Schein der Heftigkeit). Da ſchwoͤrt ſie und verflucht/ Sich, die leichtfert’ge Dirne, noch und meint,/ Gott werd’ es ihrem jungen Blut vergeben!/ — Was iſt geſchehn, fuͤnf Tag’, emendiert in ›Tag’‹ emendiert in ›Tag’‹ von hier, am Abend,/ 36 In meinem Stall, als es ſchon dunkelte,/ Und ich den Gottſchalk hieß, ſich zu entfernen?/ Kaͤthchen. O! Jeſus! Ich bedacht’ es nicht! —/ Im Stall zu Strahl, da haſt du mich beſucht./ Der Graf vom Strahl. Nun denn! Da iſt’s heraus! Da hat ſie nun/ Der Seelen Seeligkeit ſich weggeſchworen!/ Im Stall zu Strahl, da hab’ ich ſie beſucht!/ Kaͤthchen (weint). / (Pauſe). Graf Otto. Ihr quaͤlt das Kind zu ſehr. Theobald (naͤhert ſich ihr geruͤhrt). Komm, meine Tochter./ (Er will ſie an ſeine Bruſt heben). Kaͤthchen. Laß, laß! Wenzel. Das nenn’ ich menſchlich nicht verfahren./ Graf Otto. Zuletzt iſt nichts im Stall zu Strahl geſchehen./ Der Graf vom Strahl (ſieht ſie an). Bei Gott, ihr Herrn, wenn ihr des Glaubens ſeid:/ Ich bin’s! Befehlt, ſo gehn wir aus einander./ 37 Graf Otto. Ihr ſollt das Kind befragen, iſt die Meinung,/ Nicht mit barbariſchem Triumph verhoͤhnen./ Sei’s, daß Natur euch ſolche Macht verliehen:/ Geuͤbt wie ihr’s thut, iſt ſie haſſenswuͤrd’ger,/ Als ſelbſt die Hoͤllenkunſt, der man euch zeiht./ Der Graf vom Strahl (erhebt das Kaͤthchen vom Boden). Ihr Herrn, was ich gethan, das that ich nur,/ Sie mit Triumph hier vor euch zu erheben!/ Statt meiner — (auf den Boden hinzeigend). ſteht mein Handſchuh vor Gericht!/ Glaubt ihr von Schuld ſie rein, wie ſie es iſt,/ Wohl, ſo erlaubt denn, daß ſie ſich entferne./ Wenzel. Es ſcheint ihr habt viel Gruͤnde, das zu wuͤnſchen?/ Der Graf vom Strahl. Ich? Gruͤnd’? Entſcheidende! Ihr wollt ſie, hoff’ ich,/ Nicht mit barbarſchem Uebermuth verhoͤhnen?/ Wenzel (mit Bedeutung). Wir wuͤnſchen doch, erlaubt ihrs, noch zu hoͤren,/ Was in dem Stall damals zu Strahl geſchehn./ Der Graf vom Strahl. Das wollt ihr Herrn noch —? 38 Wenzel. Allerdings! Der Graf vom Strahl (glutroth, indem er ſich zum Kaͤthchen wendet). Knie’ nieder!/ Kaͤthchen (laͤßt ſich auf Knieen vor ihm nieder). / Graf Otto. Ihr ſeid ſehr dreiſt, Herr Friedrich Graf vom Strahl!/ Der Graf vom Strahl (zum Kaͤthchen). So! Recht! Mir giebſt du Antwort und ſonſt keinem./ Hans. Erlaubt! Wir werden ſie — Der Graf vom Strahl (eben ſo). Du ruͤhrſt dich nicht!/ Hier ſoll dich keiner richten, als nur der,/ Dem deine Seele frei ſich unterwirft./ Wenzel. Herr Graf, man wird hier Mittel — Der Graf vom Strahl (mit unterdruͤckter Heftigkeit). Ich ſage, nein!/ Der Teufel ſoll mich holen, zwingt ihr ſie! —/ Was wollt ihr wiſſen, ihr verehrten Herrn?/ Hans (auffahrend). Beim Himmel! 39 Wenzel. Solch ein Trotz ſoll —! Hans. He! Die Haͤſcher!/ Graf Otto (halblaut). Laßt, Freunde, laßt! Vergeßt nicht, wer er iſt./ Erſter Richter. Er hat nicht eben, druͤckt Verſchuldung ihn,/ Mit Liſt ſie uͤberhoͤrt. Zweiter Richter. Das ſag’ ich auch!/ Man kann ihm das Geſchaͤft wohl uͤberlaſſen./ Graf Otto (zum Grafen vom Strahl). Befragt ſie, was geſchehn, fuͤnf Tag’ von hier,/ Im Stall zu Strahl, als es ſchon dunkelte,/ Und ihr den Gottſchalk hießt, ſich zu entfernen?/ Der Graf vom Strahl (zum Kaͤthchen). Was iſt geſchehn, fuͤnf Tage von hier, am Abend,/ Im Stall zu Strahl, als es ſchon dunkelte,/ Und ich den Gottſchalk hieß, ſich zu entfernen?/ Kaͤthchen. Mein hoher Herr! Vergieb mir, wenn ich fehlte;/ Jetzt leg’ ich Alles, Punkt fuͤr Punkt, dir dar./ Der Graf vom Strahl. Gut. — — Da beruͤhrt’ ich dich und zwar — nicht? Freilich!/ Das ſchon geſtand’ſt du? 40 Kaͤthchen. Ja, mein verehrter Herr./ Der Graf vom Strahl. Nun? Kaͤthchen. Mein verehrter Herr? Der Graf vom Strahl. Was will ich wiſſen?/ Kaͤthchen. Was du willſt wiſſen? Der Graf vom Strahl. Heraus damit! Was ſtockſt du?/ Ich nahm, und herzte dich, und kuͤßte dich,/ Und ſchlug den Arm dir —? Kaͤthchen. Nein, mein hoher Herr./ Der Graf vom Strahl. Was ſonſt? Kaͤthchen. Du ſtießeſt mich mit Fuͤßen von dir./ Der Graf vom Strahl. Mit Fuͤßen? Nein! Das thu’ ich keinem Hund./ Warum? Weshalb? Was hatt’ſt du mir gethan?/ Kaͤthchen. Weil ich dem Vater, der voll Huld und Guͤte,/ Gekommen war, mit Pferden, mich zu holen,/ 41 Den Ruͤcken, voller Schrecken, wendete,/ Und mit der Bitte, mich vor ihm zu ſchuͤtzen/ Im Staub vor dir bewuſtlos nieder ſank./ Der Graf vom Strahl. Da haͤtt’ ich dich mit Fuͤßen weggeſtoßen?/ Kaͤthchen. Ja, mein verehrter Herr. Der Graf vom Strahl. Ei, Poſſen, was!/ Das war nur Schelmerei, des Vaters wegen./ Du bliebſt doch nach wie vor im Schloß zu Strahl./ Kaͤthchen. Nein, mein verehrter Herr. Der Graf vom Strahl. Nicht? Wo auch ſonſt?/ Kaͤthchen. Als du die Peitſche, flammenden Geſichts,/ Herab vom Riegel nahmſt, ging ich hinaus,/ Vor das bemoos’te Thor, und lagerte/ Mich draußen, am zerfallnen Mauernring/ Wo in ſuͤßduftenden Hollunderbuͤſchen/ Ein Zeiſig zwitſchernd ſich das Neſt gebaut./ Der Graf vom Strahl. Hier aber jagt’ ich dich mit Hunden weg?/ Kaͤthchen. Nein, mein verehrter Herr. 42 Der Graf vom Strahl. Und als du wichſt,/ Verfolgt vom Hundgeklaff, von meiner Grenze,/ Rief ich den Nachbar auf, dich zu verfolgen?/ Kaͤthchen. Nein, mein verehrter Herr! Was ſprichſt du da?/ Der Graf vom Strahl. Nicht? Nicht? — Das werden dieſe Herren tadeln./ Kaͤthchen. Du kuͤmmerſt dich um dieſe Herren nicht./ Du ſandteſt Gottſchalk mir am dritten Tage,/ Daß er mir ſag’: dein liebes Kaͤthchen waͤr’ ich;/ Vernuͤnftig aber moͤgt’ ich ſein, und gehn./ Der Graf vom Strahl. Und was entgegneteſt du dem? Kaͤthchen. Ich ſagte,/ Den Zeiſig litteſt du, den zwitſchernden,/ In den ſuͤßduftenden Hollunderbuͤſchen:/ Moͤgt’ſt denn das Kaͤthchen von Heilbronn auch leiden./ Der Graf vom Strahl (erhebt das Kaͤthchen). Nun dann, ſo nehmt ſie hin, ihr Herrn der Vehme,/ Und macht mit ihr und mir jetzt, was ihr wollt./ (Pauſe). 43 Graf Otto (unwillig). Der aberwitz’ge Traͤumer, unbekannt/ Mit dem gemeinen Zauber der Natur! —/ Wenn euer Urtheil reif, wie meins, ihr Herrn,/ Geh’ ich zum Schluß, und laß die Stimmen ſammeln./ Wenzel. Zum Schluß! Hans. Die Stimmen! Alle. Sammelt ſie! Ein Richter. Der Narr, der!/ Der Fall iſt klar. Es iſt hier nichts zu richten./ Graf Otto. Vehm-Herold nimm den Helm und ſammle ſie./ Vehm-Herold (ſammelt die Kugeln und bringt den Helm, worin ſie liegen, dem Grafen). / Graf Otto (ſteht auf) Herr Friedrich Wetter Graf vom Strahl, du biſt/ Einſtimmig von der Vehme losgeſprochen,/ Und dir dort, Theobald, dir geb’ ich auf,/ Nicht fuͤrder mit der Klage zu erſcheinen,/ Bis du kannſt beſſere Beweiſe bringen./ (zu den Richtern) Steht auf, ihr Herrn! die Sitzung iſt geſchloſſen./ 44 Die Richter (erheben ſich). / Theobald. Ihr hochverehrten Herrn, ihr ſprecht ihn ſchuldlos?/ Gott ſagt ihr, hat die Welt aus nichts gemacht;/ Und er, der ſie durch nichts und wieder nichts/ Vernichtet, in das erſte Chaos ſtuͤrzt,/ Der ſollte nicht der leid’ge Satan ſein?/ Graf Otto. Schweig, alter, grauer Thor! Wir ſind nicht da,/ Dir die verruͤckten Sinnen einzurenken./ Vehm-Haͤſcher, an dein Amt! Blend’ ihm die Augen,/ Und fuͤhr’ ihn wieder auf das Feld hinaus./ Theobald. Was! Auf das Feld? Mich hilflos greiſen Alten?/ Und dies mein einzig liebes Kind, — ? Graf Otto. Herr Graf,/ Das uͤberlaͤßt die Vehme euch! Ihr zeigtet/ Von der Gewalt, die ihr hier uͤbt, ſo manche/ Beſondre Probe uns; laßt uns noch eine,/ Die groͤßeſte, bevor wir ſcheiden, ſehn,/ Und gebt ſie ihrem alten Vater wieder./ Der Graf vom Strahl. Ihr Herrn, was ich thun kann, ſoll geſchehn. —/ Jungfrau! 45 Kaͤthchen. Mein hoher Herr! Der Graf vom Strahl. Du liebſt mich? Kaͤthchen. Herzlich!/ Der Graf vom Strahl. So thu mir was zu Lieb’. Kaͤthchen. Was willſt du? Sprich./ Der Graf vom Strahl. Verfolg’ mich nicht. Geh nach Heilbronn zuruͤck./ — Willſt du das thun? Kaͤthchen. Ich hab es dir verſprochen./ (ſie faͤllt in Ohnmacht). Theobald (empfaͤngt ſie). Mein Kind! Mein Einziges! Hilf, Gott im Himmel!/ Der Graf vom Strahl (wendet ſich). Dein Tuch her, Haͤſcher! (er verbindet ſich die Augen). Theobald. O verflucht ſei, / Mordſchaunder Baſiliſkengeiſt! Mußt’ ich/ Auch dieſe Probe deiner Kunſt noch ſehn?/ 46 Graf Otto (vom Richtſtuhl herabſteigend). Was iſt geſchehn, ihr Herrn? Wenzel. Sie ſank zu Boden./ (Sie betrachten ſie). Graf vom Strahl (zu den Haͤſchern). Fuͤhrt mich hinweg! Theobald. Der Hoͤlle zu, du Satan!/ Laß ihre ſchlangenhaar’gen Pfoͤrtner dich/ An ihrem Eingang, Zauberer, ergreifen,/ Und dich zehntauſend Klafter tiefer noch,/ Als ihre wild’ſten [nicht emendiert] [nicht emendiert] Flammen lodern, ſchleudern!/ Graf Otto. Schweig Alter, ſchweig! Theobald. (weint). Mein Kind! Mein Kaͤthchen! Kaͤthchen. Ach!/ Wenzel Wenzel. (freudig). Sie ſchlaͤgt die Augen auf! Hans. Sie wird ſich faſſen./ Graf Otto. Bringt in des Pfoͤrtners Wohnung ſie! Hinweg!/ (Alle ab).Zweiter Act.
Scene. Wald vor der Hoͤhle des heimlichen Gerichts.Erſter Auftritt.
Der Graf vom Strahl (tritt auf, mit verbundenen Augen, gefuͤhrt von zwei Haͤſchern, die ihm die Augen aufbinden, und alsdann in die Hoͤhle zuruͤckkehren — Er wirft ſich auf den Boden nieder und weint).Nun will ich hier, wie ein Schaͤfer liegen und klagen. Die Sonne ſcheint noch roͤthlich durch die Staͤmme, auf welchen die Wipfel des Waldes ruhn; und wenn ich, nach einer kurzen Viertelſtunde, ſo bald ſie hinter den Huͤgel geſunken iſt, aufſitze, und mich im Blachfelde, wo der Weg eben iſt, ein wenig daran halte, ſo komme ich noch nach Schloß Wetterſtrahl, ehe die Lichter darin erloſchen ſind. Ich will mir einbilden, meine Pferde dort unten, wo die Quelle rieſelt, waͤren Schaafe und Ziegen, die an dem Felſen kletterten, und an Graͤſern und bittern Geſtraͤuchen riſſen; ein leichtes weißes linnenes Zeug bedeckte mich, mit rothen Baͤndern zuſammengebunden, und um 48mich her flatterte eine Schaar muntrer Winde, um die Seufzer, die meiner, von Gram ſehr gepreßten, Bruſt entquillen, gradaus zu der guten Goͤtter Ohr empor zu tragen. Wirklich und wahrhaftig! Ich will meine Mutterſprache durchblaͤttern, und das ganze, reiche Kapitel, das dieſe Ueberſchrift fuͤhrt: Empfindung, dergeſtalt pluͤndern, daß kein Reimſchmidt mehr, auf eine neue Art, ſoll ſagen koͤnnen: ich bin betruͤbt. Alles, was die Wehmuth Ruͤhrendes hat, will ich aufbieten, Luſt und in den Tod gehende Betruͤbniß ſollen ſich abwechſeln, und meine Stimme, wie einen ſchoͤnen Taͤnzer, durch alle Beugungen hindurch fuͤhren, die die Seele bezaubern; und wenn die Baͤume nicht in der That bewegt werden, und ihren milden Thau, als ob es geregnet haͤtte, herabtraͤufeln laſſen, ſo ſind ſie von Holz, und Alles, was uns die Dichter von ihnen ſagen, ein bloßes liebliches Maͤhrchen. O du — — — wie nenn ich dich? Kaͤthchen! Warum kann ich dich nicht mein nennen? Kaͤthchen, Maͤdchen, Kaͤthchen! Warum kann ich dich nicht mein nennen? Warum kann ich dich nicht aufheben, und in das duftende Himmelbett tragen, das mir die Mutter, daheim im Prunkgemach, aufgerichtet hat? Kaͤthchen, Kaͤthchen, Kaͤthchen! Du, deren junge Seele, als ſie heut nackt vor mir ſtand, von wolluͤſtiger Schoͤnheit gaͤnzlich triefte, wie die mit Oelen geſalbte Braut eines Per49ſerkoͤnigs, wenn ſie, auf alle Teppiche niederregnend, in ſein Gemach gefuͤhrt wird! Kaͤthchen, Maͤdchen, Kaͤthchen! Warum kann ich es nicht? Du Schoͤnere, als ich ſingen kann, ich will eine eigene Kunſt erfinden, und dich weinen. Alle Phiolen der Empfindung, himmliſche und irdiſche, will ich eroͤffnen, und eine ſolche Miſchung von Thraͤnen, einen Erguß ſo eigenthuͤmlicher Art, ſo heilig zugleich und uͤppig, zuſammenſchuͤtten, daß jeder Menſch gleich, an deſſen Hals ich ſie weine, ſagen ſoll: ſie fließen dem Kaͤthchen von Heilbronn! — — — Ihr grauen, baͤrtigen Alten, was wollt ihr? Warum verlaßt ihr eure goldnen Rahmen, ihr Bilder meiner geharniſchten Vaͤter, die meinen Ruͤſtſaal bevoͤlkern, und tretet, in unruhiger Verſammlung, hier um mich herum, eure ehrwuͤrdigen Locken ſchuͤttelnd? Nein, nein, nein! Zum Weibe, wenn ich ſie gleich liebe, begehr’ ich ſie nicht; eurem ſtolzen Reigen will ich mich anſchließen: das war beſchloſſne Sache, noch ehe ihr kamt. Dich aber, Winfried, der ihn fuͤhrt, du Erſter meines Namens, Goͤttlicher mit der Scheitel des Zevs, dich frag’ ich, ob die Mutter meines Geſchlechts war, wie dieſe: von jeder frommen Jugend ſtrahlender, makelloſer an Leib und Seele, mit jedem Liebreiz geſchmuͤckter, als ſie? O Winfried! Grauer Alter! Ich kuͤſſe dir die Hand, und danke dir, daß ich bin; doch haͤtteſt du ſie an 50die ſtaͤhlerne Bruſt gedruͤckt, du haͤtteſt ein Geſchlecht von Koͤnigen erzeugt, und Wetter vom Strahl hieße jedes Gebot auf Erden! Ich weiß, daß ich mich faſſen und dieſe Wunde vernarben werde: denn welche Wunde vernarbte nicht der Menſch? Doch wenn ich jemals ein Weib finde, Kaͤthchen, dir gleich: ſo will ich die Laͤnder durchreiſen, und die Sprachen der Welt lernen, und Gott preiſen in jeder Zunge, die geredet wird. — Gottſchalk!
Zweiter Auftritt.
Gottſchalk. Der Graf vom Strahl. Gottſchalk (draußen).Heda! Herr Graf vom Strahl!
Graf vom Strahl.Was giebts?
Gottſchalk.Was zum Henker! — — Ein Bote iſt angekommen von eurer Mutter.
Der Graf vom Strahl.Ein Bote?
Gottſchalk.Geſtreckten Laufs, keuchend, mit verhaͤngtem Zuͤgel; mein Seel, wenn euer Schloß ein eiſerner Bo51gen und er ein Pfeil geweſen waͤre, er haͤtte nicht raſcher herangeſchoſſen werden koͤnnen.
Der Graf vom Strahl.Was hat er mir zu ſagen?
Gottſchalk.He! Ritter Franz!
Dritter Auftritt.
Ritter Flammberg (tritt auf). Die Vorigen. Der Graf vom Strahl.Flammberg! — Was fuͤhrt dich ſo eilig zu mir her?
Flammberg.Gnaͤdigſter Herr! eurer Mutter, der Graͤfin, Gebot; ſie befahl mir den beſten Renner zu nehmen, und euch entgegen zu reiten!
Der Graf vom Strahl.Nun? Und was bringſt du mir?
Flammberg.Krieg, bei meinem Eid, Krieg! Ein Aufgebot zu neuer Fehde, warm, wie ſie es eben von des Herolds Lippen empfangen hat.
Graf vom Strahl (betreten).Weſſen? — Doch nicht des Burggrafen, mit dem ich eben den Frieden abſchloß?
(er ſetzt ſich den Helm auf). 52 Flammberg.Des Rheingrafen, des Junkers vom Stein, der unten am weinumbluͤhten Neckar ſeinen Sitz hat.
Der Graf vom Strahl.Des Rheingrafen! — Was hab ich mit dem Rheingrafen zu ſchaffen, Flammberg?
Flammberg.Mein Seel! Was hattet ihr mit dem Burggrafen zu ſchaffen? Und was wollte ſo mancher Andere von euch, ehe ihr mit dem Burggrafen zu ſchaffen kriegtet? Wenn ihr den kleinen griechiſchen Feuerfunken nicht austretet, der dieſe Kriege veranlaßt, ſo ſollt ihr noch das ganze Schwabengebirge wider euch auflodern ſehen, und die Alpen und den Hundsruͤck obenein.
Der Graf vom Strahl.Es iſt nicht moͤglich! Fraͤulein Kunigunde —
Flammberg.Der Rheingraf fordert, im Namen Fraͤulein Kunigundens von Thurneck, den Wiederkauf eurer Herrſchaft Stauffen; jener drei Staͤdtlein und ſiebzehn Doͤrfer und Vorwerker, eurem Vorfahren Otto, von Peter, dem ihrigen, unter der beſagten Clauſel, kaͤuflich abgetreten; grade ſo, wie dies der Burggraf von Freiburg, und, in fruͤheren Zeiten ſchon ihre Vettern, in ihrem Namen gethan haben.
Der Graf vom Strahl (ſteht auf).Die raſende Megaͤre! Iſt das nicht der dritte 53Reichsritter, den ſie mir, einem Hund’ gleich, auf den Hals hetzt, um mir dieſe Landſchaft abzujagen! Ich glaube, das ganze Reich frißt ihr aus der Hand. Kleopatra fand Einen, und als der ſich den Kopf zerſchellt hatte, ſchauten die Anderen; doch ihr dient Alles, was eine Ribbe weniger hat, als ſie, und fuͤr jeden Einzelnen, den ich ihr zerzauſ’t zuruͤckſende, ſtehen zehn Andere wider mich auf — Was fuͤhrt’ er fuͤr Gruͤnde an?
Flammberg.Wer? Der Herold?
Graf vom Strahl.Was fuͤhrt’ er fuͤr Gruͤnde an?
Flammberg.Ei, geſtrenger Herr, da haͤtt’ er ja roth werden muͤſſen.
Der Graf vom Strahl.Er ſprach von Peter von Thurneck — nicht? Und von der Landſchaft unguͤltigem Verkauf?
Flammberg.Allerdings. Und von den ſchwaͤbiſchen Geſetzen; miſchte Pflicht und Gewiſſen bei jedem dritten Wort, in die Rede, und rief Gott zum Zeugen an, daß nichts als die reinſten Abſichten ſeinen Herrn, den Rheingrafen, vermoͤgten, des Fraͤuleins Sache zu ergreifen.
54 Der Graf vom Strahl.Aber die rothen Wangen der Dame behielt er fuͤr ſich?
Flammberg.Davon hat er kein Wort geſagt.
Der Graf vom Strahl.Daß ſie die Pocken kriegte! Ich wollte, ich koͤnnte den Nachtthau in Eimern auffaſſen, und uͤber ihren weißen Hals ausgießen! Ihr kleines verwuͤnſchtes Geſicht iſt der letzte Grund aller dieſer Kriege wider mich; und ſo lange ich den Maͤrzſchnee nicht vergiften kann, mit welchem ſie ſich waͤſcht, hab’ ich auch vor den Rittern des Landes keine Ruhe. Aber Geduld nur! — Wo haͤlt ſie ſich jetzt auf?
Flammberg.Auf der Burg zum Stein, wo ihr ſchon ſeit drei Tagen Prunkgelage gefeiert werden, daß die Feſte des Himmels erkracht, und Sonne, Mond und Sterne nicht mehr angeſehen werden. Der Burggraf, den ſie verabſchiedet hat, ſoll Rache kochen, und wenn ihr einen Boten an ihn abſendet, ſo zweifl’ ich nicht, er zieht mit euch gegen den Rheingrafen zu Felde.
Graf vom Strahl.Wohlan! Fuͤhrt mir die Pferde vor, ich will reiten. — Ich habe dieſer jungen Aufwieglerin verſprochen, wenn ſie die Waffen ihres kleinen ſchelmiſchen 55Angeſichts nicht ruhen ließe wider mich, ſo wuͤrd’ ich ihr einen Poſſen zu ſpielen wiſſen, daß ſie es ewig in einer Scheide tragen ſollte; und ſo wahr ich dieſe Rechte aufhebe, ich halte Wort! — Folgt mir, meine Freunde!
(Alle ab).Scene. Koͤhlerhuͤtte im Gebirg. Nacht, Donner und Blitz.
Vierter Auftritt.
Burggraf von Freiburg und Georg von Waldſtaͤdten [emendiert in ›Waldstätten‹] [emendiert in ›Waldstätten‹] (treten auf). Freiburg (in die Scene rufend).Hebt ſie vom Pferd’ herunter! — (Blitz und Donnerſchlag). — Ei, ſo ſchlag’ ein wo du willſt; nur nicht auf die Scheitel, belegt mit Kreide, meiner lieben Braut, der Kunigunde von Thurneck!
Eine Stimme (außerhalb)He! Wo ſeid ihr?
Freiburg.Hier!
Georg.Habt ihr jemals eine ſolche Nacht erlebt?
Freiburg.Das gießt vom Himmel herab, Wipfel und Berg56ſpitzen erſaͤufend, als ob eine zweite Suͤndfluth heranbraͤche. — Hebt ſie vom Pferd’ herunter!
Eine Stimme (außerhalb).Sie ruͤhrt ſich nicht.
Eine Andere.Sie liegt, wie todt, zu des Pferdes Fuͤßen da.
Freiburg.Ei, Poſſen! Das thut ſie bloß, um ihre falſchen Zaͤhne nicht zu verlieren. Sagt ihr, ich waͤre der Burggraf von Freiburg und die aͤchten, die ſie im Mund’ haͤtte, haͤtte ich gezaͤhlt. — So! bringt ſie her.
Ritter Schauermann (erſcheint) das Fraͤulein von Thurneck (auf der Schulter tragend). Georg.Dort iſt eine Koͤhlerhuͤtte.
Fuͤnfter Auftritt.
Ritter Schauermann mit dem Fraͤulein, Ritter Wetzlaf und die Reiſigen des Burggrafen. Zwei Koͤhler. Die Vorigen. Freiburg (an die Koͤhlerhuͤtte klopfend).Heda!
Der erſte Koͤhler (drinnen).Wer klopfet?
57 Freiburg.Frag’ nicht, du Schlingel, und mach’ auf.
Der zweite Koͤhler (eben ſo).Holla! Nicht eher bis ich den Schluͤſſel umgekehrt habe. Wird doch der Kaiſer nicht vor der Thuͤr ſein?
Freiburg.Hallunke! Wenn nicht der, doch Einer, der hier regiert, und den Scepter gleich vom Aſt brechen wird, um’s dir zu zeigen.
Der erſte Koͤhler (auftretend, eine Laterne in der Hand).Wer ſeid ihr? Was wollt ihr?
Freiburg.Ein Rittersmann bin ich; und dieſe Dame, die hier todtkrank herangetragen wird, das iſt —
Schauermann (von hinten).Das Licht weg!
Wetzlaf.Schmeißt ihm die Laterne aus der Hand!
Freiburg (indem er ihm die Laterne wegnimmt).Spitzbube! Du willſt hier leuchten?
Der erſte Koͤhler.Ihr Herren, ich will hoffen, der Groͤßeſte unter euch bin ich! Warum nehmt ihr mir die Laterne weg?
Der zweite Koͤhler.Wer ſeid ihr? Und was wollt ihr?
58 Freiburg.Rittersleute, du Flegel, hab ich dir ſchon geſagt!
Georg.Wir ſind reiſende Ritter, ihr guten Leute, die das Unwetter uͤberraſcht hat.
Freiburg. (unterbricht ihn).Kriegsmaͤnner, die von Jeruſalem kommen, und in ihre Heimath ziehen; und jene Dame dort, die herangetragen wird, von Kopf zu Fuß in einem Mantel eingewickelt, das iſt —
(Ein Gewitterſchlag). Der erſte Koͤhler.Ei, ſo plaͤrr’ du, daß die Wolken reißen! — Von Jeruſalem, ſagt ihr?
Der zweite Koͤhler.Man kann vor dem breitmaͤuligen Donner kein Wort verſtehen.
Freiburg.Von Jeruſalem, ja.
Der zweite Koͤhler.Und das Weibſen, das herangetragen wird — ?
Georg (auf den Burggrafen zeigend).Das iſt des Herren kranke Schweſter, ihr ehrlichen Leute, und begehrt —
Freiburg (unterbricht ihn).Das iſt jenes Schweſter, du Schuft, und meine 59Gemahlin; todtkrank, wie du ſiehſt, von Schloſſen und Hagel halb erſchlagen, ſo daß ſie kein Wort vorbringen kann: die begehrt eines Platzes in deiner Huͤtte, bis das Ungewitter voruͤber und der Tag angebrochen iſt.
Der erſte Koͤhler.Die begehrt einen Platz in meiner Huͤtte?
Georg.Ja, ihr guten Koͤhler; bis das Gewitter voruͤber iſt, und wir unſre Reiſe fortſetzen koͤnnen.
Der zweite Koͤhler.Mein Seel, da habt ihr Worte geſagt, die waren den Lungenodem nicht werth, womit ihr ſie ausgeſtoßen.
Der erſte Koͤhler.Iſaak!
Freiburg.Du willſt das thun?
Der zweite Koͤhler.Des Kaiſers Hunden, ihr Herrn, wenn ſie vor meiner Thuͤr darum heulten. — Iſaak! Schlingel! hoͤrſt nicht?
Junge (in der Huͤtte).He! ſag’ ich. Was giebts?
Der zweite Koͤhler.Das Stroh ſchuͤttle auf, Schlingel, und die De60cken druͤberhin; ein krank Weibſen wird kommen und Platz nehmen, in der Huͤtten! Hoͤrst du?
Freiburg.Wer ſpricht drin?
Der erſte Koͤhler.Ei, ein Flachskopf von zehn Jahren, der uns an die Hand geht.
Freiburg.Gut. — Tritt heran, Schauermann! hier iſt ein Knebel losgegangen.
Schauermann.Wo?
Freiburg.Gleichviel! — In den Winkel mit ihr hin, dort! — — Wenn der Tag anbricht, werd ich dich rufen.
(Schauermann traͤgt das Fraͤulein in die Huͤtte).Sechſter Auftritt.
Die Vorigen (ohne Schauermann und das Fraͤulein.) Freiburg.Nun, Georg, alle Saiten des Jubels ſchlag ich an: wir haben ſie; wir haben dieſe Kunigunde von Thurneck! So wahr ich nach meinem Vater getauft 61bin, nicht um den ganzen Himmel, um den meine Jugend gebetet hat, geb’ ich die Luſt weg, die mir beſcheert iſt, wenn der morgende Tag anbricht! —. Warum kamſt du nicht fruͤher von Waldſtaͤdten emendiert in ›Waldstätten‹ emendiert in ›Waldstätten‹ herab?
Georg.Weil du mich nicht fruͤher rufen ließeſt.
Freiburg.O, Georg! Du haͤtteſt ſie ſehen ſollen, wie ſie daher geritten kam, einer Fabel gleich, von den Rittern des Landes umringt, gleich einer Sonne, unter ihren Planeten! Wars nicht, als ob ſie zu den Kieſeln ſagte, die unter ihr Funken ſpruͤhten: ihr muͤßt mir ſchmelzen, wenn ihr mich ſeht? Thaleſtris, die Koͤnigin der Amazonen, als ſie herabzog vom Kaukaſus, Alexander den Großen zu bitten, daß er ſie kuͤſſe: ſie war nicht reizender und goͤttlicher, als ſie.
Georg.Wo fingſt du ſie?
Freiburg.Fuͤnf Stunden, Georg, fuͤnf Stunden von der Steinburg, wo ihr der Rheingraf, durch drei Tage, ſchallende Jubelfeſte gefeiert hatte. Die Ritter, die ſie begleiteten, hatten ſie kaum verlaſſen, da werf’ ich ihren Vetter Iſidor, der bey ihr geblieben war, in den Sand, und auf den Rappen mit ihr, und auf und davon.
62 Georg.Aber, Max! Max! Was haſt du —?
Freiburg.Ich will dir ſagen, Freund —
Georg.Was bereiteſt du dir, mit allen dieſen ungeheuren Anſtalten, vor?
Freiburg.Lieber! Guter! Wunderlicher! Honig von Hybla, fuͤr dieſe vom Durſt der Rache zu Holz vertrocknete Bruſt. Warum ſoll dies weſenloſe Bild laͤnger, einer olympiſchen Goͤttin gleich, auf dem Fußgeſtell prangen, die Hallen der chriſtlichen Kirchen von uns und unſers Gleichen entvoͤlkernd? Lieber angefaßt, und auf den Schutt hinaus, das Oberſte zu Unterſt, damit mit Augen erſchaut wird, daß kein Gott in ihm wohnt.
Georg.Aber in aller Welt, ſag’ mir, was iſt’s, das dich mit ſo raſendem Haß gegen ſie erfuͤllt?
Freiburg.O Georg! Der Menſch wirft Alles, was er ſein nennt, in eine Pfuͤtze, aber kein Gefuͤhl. Georg, ich liebte ſie, und ſie war deſſen nicht werth. Ich liebte ſie und ward verſchmaͤht, Georg; und ſie war meiner Liebe nicht werth. Ich will dir was ſagen — Aber es macht mich blaß, wenn ich daran denke. Ge63org! Georg! Wenn die Teufel um eine Erfindung verlegen ſind; ſo muͤſſen ſie einen Hahn fragen der ſich vergebens um eine Henne gedreht hat, und hinterher ſieht, daß ſie, vom Ausſatz zerfreſſen, zu ſeinem Spaße nicht taugt.
Georg.Du wirſt keine unritterliche Rache an ihr ausuͤben?
Freiburg.Nein; Gott behuͤt’ mich! Keinem Knecht muth’ ich zu, ſie an ihr zu vollziehn. — Ich bringe ſie nach der Steinburg zum Rheingrafen zuruͤck, wo ich nichts thun will, als ihr das Halstuch abnehmen: das ſoll meine ganze Rache ſein!
Georg.Was! Das Halstuch abnehmen?
Freiburg.Ja Georg; und das Volk zuſammen rufen.
Georg.Nun, und wenn das geſchehn iſt, da willſt du —?
Freiburg.Ei, da will ich uͤber ſie philoſophiren. Da will ich euch einen metaphyſiſchen Satz uͤber ſie geben, wie Platon, und meinen Satz nachher erlaͤutern, wie der luſtige Diogenes gethan. Der Menſch iſt — — Aber ſtill: (er horcht).
64 Georg.Nun! Der Menſch iſt? —
Freiburg.Der Menſch iſt, nach Platon, ein zweibeinigtes, ungefiedertes Thier; du weißt, wie Diogenes dies bewieſen; einen Hahn, glaub’ ich, rupft er, und warf ihn unter das Volk. — Und dieſe Kunigunde, Freund, dieſe Kunigunde von Thurneck, die iſt nach mir — — — Aber ſtill! So wahr ich ein Mann bin: dort ſteigt jemand vom Pferd!
Siebenter Auftritt.
Der Graf vom Strahl und Ritter Flammberg (treten auf. Nachher) Gottſchalk. — Die Vorigen. Der Graf vom Strahl (an die Huͤtte klopfend).Heda! Ihr wackern Koͤhlersleute!
Flammberg.Das iſt eine Nacht, die Woͤlfe in den Kluͤften um ein Unterkommen anzuſprechen.
Graf vom Strahl.Iſts erlaubt, einzutreten?
Freiburg (ihm in den Weg).Erlaubt, ihr Herrn! Wer ihr auch ſein moͤgt dort —
Georg.Ihr koͤnnt hier nicht einkehren.
65 Graf vom Strahl.Nicht? Warum nicht?
Freiburg.Weil kein Raum drin iſt, weder fuͤr euch noch fuͤr uns. Meine Frau liegt darin todtkrank, den einzigen Winkel der leer iſt mit ihrer Bedienung erfuͤllend: ihr werdet ſie nicht daraus vertreiben wollen.
Graf vom Strahl.Nein, bei meinem Eid! Vielmehr wuͤnſche ich, daß ſie ſich bald darin erholen moͤge. — Gottſchalk!
Flammberg.So muͤſſen wir beim Gaſtwirth zum blauen Himmel uͤbernachten.
Graf vom Strahl.Gottſchalk ſag’ ich!
Gottſchalk (draußen).Hier!
Graf vom Strahl.Schaff die Decken her! Wir wollen uns hier ein Lager bereiten, unter den Zweigen.
Gottſchalk und der Koͤhlerjunge (treten auf). Gottſchalk (indem er ihnen die Decken bringt).Das weiß der Teufel, was das hier fuͤr eine Wirthſchaft iſt. Der Junge ſagt, drinnen waͤre ein geharniſchter Mann, der ein Fraͤulein bewachte: das laͤge 66geknebelt und mit verſtopftem Munde da, wie ein Kalb, das man zur Schlachtbank bringen will.
Graf vom Strahl.Was ſagſt du? Ein Fraͤulein? Geknebelt und mit verſtopftem Munde? — Wer hat dir das geſagt?
Flammberg.Jung’! Woher weißt du das?
Koͤhlerjunge (erſchrocken).St! — Um aller Heiligen willen! Ihr Herren, was macht ihr?
Graf vom Strahl.Komm her.
Koͤhlerjunge.Ich ſage: St!
Flammberg.Jung’! Wer hat dir das geſagt? So ſprich.
Koͤhlerjunge (heimlich nachdem er ſich umgeſehen).Hab’s geſchaut, ihr Herren. Lag auf dem Stroh, als ſie ſie hineintrugen, und ſprachen, ſie ſei krank. Kehrt’ ihr die Lampe zu und erſchaut; daß ſie geſund war, und Wangen hatt’ als wie unſre Lore. Und wimmert’ und druckt mir die Haͤnd’ und blinzelte, und sprach ſo vernehmlich, wie ein kluger Hund: mach mich los, lieb Buͤbel, mach’ mich los! daß ich’s mit Augen hoͤrt’ und mit den Fingern verſtand.
Graf vom Strahl.Jung’, du flachskoͤpfiger; ſo thu’s!
67 Flammberg.Was ſaͤumſt du? Was machſt du?
Graf vom Strahl.Bind’ ſie los und ſchick ſie her!
Koͤhlerjunge (ſchuͤchtern).St! ſag’ ich. — Ich wollt, daß ihr zu Fiſchen wuͤrdet! — Da erheben ſich ihrer drei ſchon und kommen her, und ſehen, was es giebt?
(er blaͤſ’t ſeine Laterne aus). Graf vom Strahl.Nichts, du wackrer Junge, nichts.
Flammberg.Sie haben nichts davon gehoͤrt.
Graf vom Strahl.Sie wechſeln bloß um des Regens willen ihre Plaͤtze.
Koͤhlerjunge (ſieht ſich um).Wollt ihr mich ſchuͤtzen?
Graf vom Strahl.Ja, ſo wahr ich ein Ritter bin; das will ich.
Flammberg.Darauf kannſt du dich verlaſſen.
Koͤhlerjunge.Wohlan! Ich will’s dem Vater ſagen. — Schaut was ich thue, und ob ich in die Huͤtte gehe, oder nicht?
(er ſpricht mit den Alten, die hinten am Feuer ſtehen, und verliert ſich nachher in die Huͤtte). 68 Flammberg.Sind das ſolche Kauze? Beelzebubs-Ritter, deren Ordensmantel die Nacht iſt? Eheleute, auf der Landſtraße mit Stricken und Banden an einander getraut?
Graf vom Strahl.Krank, ſagten ſie!
Flammberg.Todtkrank, und dankten fuͤr alle Huͤlfe!
Gottſchalk.Nun wart’! Wir wollen ſie ſcheiden.
(Pauſe). [liest ›Panse.)‹] Schauermann (in der Huͤtte).He! holla! Die Beſtie!
Graf vom Strahl.Auf, Flammberg; erhebe dich!
(ſie ſtehen auf). Freiburg.Was giebt’s?
(Die Parthei des Burggrafen erhebt ſich). Schauermann.Ich bin angebunden! Ich bin angebunden!
(Das Fraͤulein erſcheint.) Freiburg.Ihr Goͤtter! Was erblick’ ich?
Achter Auftritt.
Fraͤulein Kunigunde von Thurneck (im Reiſekleide, mit entfeſſelten Haaren). — Die Vorigen. Kunigunde (wirft ſich vor dem Grafen vom Strahl nieder) Mein Retter! Wer ihr immer ſeid! Nehmt einer/ Vielfach geſchmaͤhten und geſchaͤndeten/ Jungfrau euch an! Wenn euer ritterlicher Eid/ Den Schutz der Unſchuld euch empfiehlt; hier liegt ſie/ In Staub geſtreckt, die jetzt ihn von euch fordert!/ Freiburg. Reißt ſie hinweg, ihr Maͤnner! Georg (ihn zuruͤckhaltend) Max! hoͤr mich an./ Freiburg. Reißt ſie hinweg, ſag’ ich; laßt ſie nicht reden!/ Graf vom Strahl. Halt dort ihr Herrn! Was wollt ihr! Freiburg. Was wir wollen?/ Mein Weib will ich, zum Henker! — Auf! ergreift ſie!/ Kunigunde. Dein Weib? Du Luͤgnerherz! 70 Graf vom Strahl (ſtreng). Beruͤhr’ ſie nicht!/ Wenn du von dieſer Dame was verlangſt,/ So ſagſt du’s mir! Denn mir gehoͤrt ſie jetzt,/ Weil ſie ſich meinem Schutze anvertraut./ (er erhebt ſie). Freiburg. Wer biſt du, Uebermuͤthiger, daß du/ Dich zwiſchen zwey Vermaͤhlte draͤngſt? Wer giebt/ Das Recht dir, mir die Gattin zu verweigern?/ Kunigunde. Die Gattin? Boͤſewicht! Das bin ich nicht!/ Graf vom Strahl. Und wer biſt du, Nichtswuͤrdiger, daß du/ Sie deine Gattin ſagſt, verfluchter Bube,/ Daß du ſie dein nennſt, geiler Maͤdchenraͤuber,/ Die Jungfrau, dir vom Teufel in der Hoͤlle,/ Mit Knebeln und mit Banden angetraut?/ Freiburg. Wie? Was? Wer? Georg. Max, ich bitte dich. Graf vom Strahl. Wer biſt du?/ Freiburg. Ihr Herrn, ihr irrt euch ſehr — 71 Graf vom Strahl. Wer biſt du, frag’ ich?/ Freiburg. Ihr Herren, wenn ihr glaubt, daß ich — Graf vom Strahl. Schafft Licht her!/ Freiburg. Dies Weib hier, das ich mitgebracht, das iſt —/ Graf vom Strahl. Ich ſage Licht herbeigeſchafft! Gottſchalk und die Koͤhler (kommen mit Fakeln und Feuerhacken). Freiburg. Ich bin —/ Georg (heimlich). Ein Raſender biſt du! Fort! Gleich hinweg!/ Willſt du auf ewig nicht dein Wappen ſchaͤnden./ Graf vom Strahl. So, meine wackern Koͤhler; leuchtet mir!/ Freiburg. (ſchließt ſein Viſir). Graf vom Strahl. Wer biſt du jetzt, frag’ ich? Oeffn’ das Viſir./ Freiburg. Ihr Herrn, ich bin — Graf vom Strahl. Oeffn’ das Viſir. 72 Freiburg. Ihr hoͤrt./ Graf vom Strahl. Meinſt du, leichtfert’ger Bube, ungeſtraft/ Die Antwort mir zu weigern, wie ich dir?/ (er reißt ihm den Helm vom Haupt, der Burggraf taumelt). Schauermann. Schmeißt den Verwegenen doch gleich zu Boden!/ Wetzlaf. Auf! Zieht! Freiburg. Du Raſender, welch eine That!/ (er erhebt ſich, zieht und haut nach dem Grafen, der weicht aus). Graf vom Strahl. Du wehrſt dich mir, du Afterbraͤutigam?/ (er haut ihn nieder). So fahr’ zur Hoͤlle hin, woher du kamſt,/ Und feire deine Flitterwochen drin!/ Wetzlaf. Entſetzen! Schaut! Er ſtuͤrzt, er wankt, er faͤllt!/ Flammberg (dringt vor). Auf jetzt, ihr Freunde! Schauermann. Fort! Entflieht! 73 Flammberg. Schlagt drein!/ Jagt das Geſindel voͤllig in die Flucht!/ (Die Burggraͤflichen entweichen; niemand bleibt als Georg, der uͤber den Burggrafen beſchaͤftigt iſt). Graf vom Strahl (zum Burggrafen). Freiburg! Was ſeh ich? Ihr allmaͤcht’gen Goͤtter!/ Du biſt’s? Kunigunde (unterdruͤckt). Der undankbare Hoͤllenfuchs!/ Graf vom Strahl. Was galt dir dieſe Jungfrau, du Unſel’ger?/ Was wollteſt du mit ihr? Georg. — Er kann nicht reden./ Blut fuͤllt, vom Scheitel quellend, ihm den Mund./ Kunigunde. Laßt ihn erſticken drin! Graf vom Strahl. Ein Traum erſcheint mir’s!/ Ein Menſch wie der, ſo wacker ſonſt, und gut./ — Kommt ihm zu Huͤlf’, ihr Leute! Flammberg. Auf! Greift an!/ Und tragt ihn dort in jener Huͤtte Raum./ Kunigunde. Ins Grab! Die Schaufeln her! Er ſei geweſen!/ 74 Graf vom Strahl. Beruhigt euch! — Wie er darnieder liegt,/ Wird er auch unbeerdigt euch nicht ſchaden./ Kunigunde. Ich bitt’ um Waſſer! Graf vom Strahl. Fuͤhlt ihr euch nicht wohl?/ Kunigunde. Nichts, nichts — Es iſt — Wer hilft? — Iſt hier kein Sitz?/ — Weh mir! (ſie wankt). Graf vom Strahl. Ihr Himmliſchen! He! Gottſchalk! hilf!/ Gottſchalk. Die Fakeln her! Kunigunde. Laßt, Laßt! Graf vom Strahl (hat ſie auf einen Sitz gefuͤhrt). Es geht voruͤber?/ Kunigunde. Das Licht kehrt meinen truͤben Augen wieder. —/ Graf vom Strahl. Was war’s, das ſo urploͤtzlich euch ergriff?/ Kunigunde. Ach, mein großmuͤth’ger Retter und Befreier,/ Wie nenn’ ich das? Welch ein entſetzensvoller,/ 75 Unmenſchlicher Frevel war mir zugedacht?/ Denk’ ich, was ohne euch, vielleicht ſchon jetzt,/ Mir widerfuhr, hebt ſich mein Haar empor,/ Und meiner Glieder jegliches erſtarrt./ Graf vom Strahl. Wer ſeid ihr? Sprecht! Was iſt euch widerfahren?/ Kunigunde. O Seligkeit, euch dies jetzt zu entdecken!/ Die That, die euer Arm vollbracht, iſt keiner/ Unwuͤrdigen geſchehen; Kunigunde,/ Freifrau von Thurneck, bin ich, daß ihr’s wißt;/ Das ſuͤße Leben, das ihr mir erhieltet,/ Wird, außer mir, in Thurneck, dankbar noch/ Ein ganz Geſchlecht euch von Verwandten lohnen./ Graf vom Strahl. Ihr ſeid? — Es iſt nicht moͤglich? Kunigunde/ Von Thurneck? — Kunigunde. Ja, ſo ſagt’ ich! Was erſtaunt ihr?/ Graf vom Strahl (ſteht auf). Nun denn, bei meinem Eid, es thut mir Leid,/ So kamt ihr aus dem Regen in die Traufe:/ Denn ich bin Friedrich Wetter Graf vom Strahl!/ Kunigunde. Was! Euer Name? — Der Name meines Retters? —/ 76 Graf vom Strahl. Iſt Friedrich Strahl, ihr hoͤrt’s. Es thut mir Leid,/ Daß ich euch keinen beſſern nennen kann./ Kunigunde (ſteht auf). Ihr Himmliſchen! Wie pruͤft ihr dieſes Herz?/ Gottſchalk (heimlich). Die Thurneck? hoͤrt’ ich recht? Flammberg (erſtaunt). Bei Gott! Sie iſt’s!/ (Pauſe). Kunigunde. Es ſei. Es ſoll mir das Gefuͤhl, das hier/ In dieſem Buſen ſich entflammt, nicht ſtoͤren./ Ich will nichts denken, fuͤhlen will ich nichts,/ Als Unſchuld, Ehre, Leben, Rettung — Schutz/ Vor dieſem Wolf, der hier am Boden liegt. —/ Komm her, du lieber, goldner Knabe, du,/ Der mich befreit, nimm dieſen Ring von mir,/ Es iſt jetzt Alles, was ich geben kann:/ Einſt lohn’ ich wuͤrdiger, du junger Held,/ Die That dir, die mein Band geloͤſ’t, die muthige,/ Die mich vor Schmach bewahrt, die mich errettet,/ Die That, die mich zur Seeligen gemacht!/ (ſie wendet ſich zum Grafen). Euch, mein Gebieter — Euer nenn’ ich Alles,/ 77 Was mein iſt! Sprecht! Was habt ihr uͤber mich beſchloſſen?/ In eurer Macht bin ich; was muß geſchehn?/ Muß ich nach eurem Ritterſitz euch folgen?/ Graf vom Strahl (nicht ohne Verlegenheit). Mein Fraͤulein — es iſt nicht eben allzuweit./ Wenn ihr ein Pferd beſteigt, ſo koͤnnt ihr bei/ Der Graͤfin, meiner Mutter, uͤbernachten./ Kunigunde. Fuͤhrt mir das Pferd vor! Graf vom Strahl (nach einer Pauſe). Ihr vergebt mir,/ Wenn die Verhaͤltniſſe, in welchen wir —/ Kunigunde. Nichts, Nichts! Ich bitt euch ſehr! Beſchaͤmt mich nicht!/ In eure Kerker klaglos wuͤrd’ ich wandern./ Graf vom Strahl. In meinen Kerker! Was! Ihr uͤberzeugt euch —/ Kunigunde (unterbricht ihn). Druͤckt mich mit eurer Großmuth nicht zu Boden! —/ Ich bitt’ um eure Hand! Der Graf vom Strahl. He! Fackeln! Leuchtet!/ (ab).Scene. Schloß Wetterſtrahl. Ein Gemach in der Burg.
Neunter Auftritt.
Kunigunde (in einem halb vollendeten, romantiſchen Anzuge, tritt auf, und ſetzt ſich vor einer Toilette nieder. Hinter ihr) Roſalie und die alte Brigitte. Roſalie (zu Brigitten).Hier, Muͤtterchen, ſetz dich! Der Graf vom Strahl hat ſich bei meinem Fraͤulein anmelden laſſen; ſie laͤßt ſich nur noch die Haare von mir zurecht legen, und mag gern dein Geſchwaͤtz hoͤren.
Brigitte (die ſich geſetzt).Alſo ihr ſeid Fraͤulein Kunigunde von Thurneck?
Kunigunde.Ja Muͤtterchen; das bin ich.
Brigitte.Und nennt euch eine Tochter des Kaiſers?
Kunigunde.Des Kaiſers? Nein; wer ſagt dir das? Der jetzt lebende Kaiſer iſt mir fremd; die Urenkelin eines der vorigen Kaiſer bin ich, die in verfloſſenen Jahrhunderten, auf dem deutſchen Thron ſaßen.
Brigitte. O Herr! Es iſt nicht moͤglich? Die Urenkeltochter —/ Kunigunde. Nun ja!/ 79 Roſalie.Hab ich es dir nicht geſagt?
Brigitte.Nun, bei meiner Treu, ſo kann ich mich ins Grab legen: der Traum des Grafen vom Strahl iſt aus!
Kunigunde.Welch ein Traum?
Roſalie.Hoͤrt nur, hoͤrt! Es iſt die wunderlichſte Geſchichte von der Welt! — — Aber ſei buͤndig, Muͤtterchen, und ſpare den Eingang; denn die Zeit, wie ich dir ſchon geſagt, iſt kurz.
Brigitte.Der Graf war gegen das Ende des vorletzten Jahres, nach einer ſeltſamen Schwermuth, von welcher kein Menſch die Urſache ergruͤnden konnte, erkrankt; matt lag er da, mit glutrothem Antlitz und phantaſirte; die Aerzte, die ihre Mittel erſchoͤpft hatten, ſprachen, er ſei nicht zu retten. Alles, was in ſeinem Herzen verſchloſſen war, lag nun, im Wahnſin des Fiebers, auf ſeiner Zunge: er ſcheide gern, ſprach er, von hinnen; das Maͤdchen, das faͤhig waͤre, ihn zu lieben, ſei nicht vorhanden; Leben aber ohne Liebe ſei Tod; die Welt nannt’ er ein Grab, und das Grab eine Wiege, und meinte, er wuͤrde nun erſt gebohren wer80den. — Drei hintereinander folgende Naͤchte, waͤhrend welcher ſeine Mutter nicht von ſeinem Bette wich, erzaͤhlte er ihr, ihm ſei ein Engel erſchienen und habe ihm zugerufen: Vertraue, vertraue, vertraue! Auf der Graͤfin Frage: ob ſein Herz ſich, durch dieſen Zuruf des Himmliſchen, nicht geſtaͤrkt fuͤhle? antwortete er: Geſtaͤrkt? Nein! — und mit einem Seufzer ſetzte er hinzu: „doch! doch, Mutter! Wenn ich ſie werde geſehen haben!“ — Die Graͤfin fragt: und wirſt du ſie ſehen? „Gewiß!“ antwortet er. Wann? fragt ſie. Wo? — In der Sylveſternacht, wenn das neue Jahr eintritt; da wird er mich zu ihr fuͤhren. Wer? fragt ſie, Lieber; zu wem? Der Engel, ſpricht er, zu meinem Maͤdchen — wendet ſich und ſchlaͤft ein.
Kunigunde.Geſchwaͤtz!
Roſalie.Hoͤrt ſie nur weiter. — Nun?
Brigitte.Drauf in der Sylveſternacht, in dem Augenblick, da eben das Jahr wechſelt, hebt er ſich halb vom Lager empor, ſtarrt, als ob er eine Erſcheinung haͤtte, ins Zimmer hinein, und, indem er mit der Hand zeigt: „Mutter! Mutter! Mutter!“ ſpricht er. Was giebt’s? fragt ſie. „Dort! Dort!“ Wo? „Geſchwind!“ 81ſpricht er — Was? — „Den Helm! Den Harniſch! Das Schwerdt!“ — Wo willſt du hin? fragt die Mutter. „Zu ihr,“ ſpricht er; „zu ihr! So! ſo! ſo!“ und ſinkt zuruͤck; „Ade, Mutter Ade!“ ſtreckt alle Glieder von ſich, und liegt wie todt.
Kunigunde.Todt?
Roſalie.Todt, ja!
Kunigunde.Sie meint, einem Todten gleich.
Roſalie.Sie ſagt, todt! Stoͤrt ſie nicht. — Nun?
Brigitte.Wir horchten an ſeiner Bruſt: es war ſo ſtill darin, wie in einer leeren Kammer. Eine Feder ward ihm vorgehalten, ſeinen Athem zu pruͤfen: ſie ruͤhrte ſich nicht. Der Arzt meinte in der That, ſein Geiſt habe ihn verlaſſen; rief ihm aͤngſtlich ſeinen Namen ins Ohr; reizt’ ihn, um ihn zu erwecken, mit Geruͤchen; reizt’ ihn mit Stiften und Nadeln, riß ihm ein Haar aus, daß ſich das Blut zeigte; vergebens: er bewegte kein Glied und lag, wie todt.
Kunigunde.Nun? Darauf?
82 Brigitte.Darauf, nachdem er einen Zeitraum ſo gelegen, faͤhrt er auf, kehrt ſich, mit dem Ausdruck der Betruͤbniß, der Wand zu, und ſpricht : „Ach! Nun bringen ſie die Lichter! Nun iſt ſie mir wieder verſchwunden!“ — gleichſam, als ob er durch den Glanz derſelben verſcheucht wuͤrde. — Und da die Graͤfin ſich uͤber ihn neigt und ihn an ihre Bruſt hebt und ſpricht: Mein Friedrich! Wo warſt du? „Bei ihr,“ verſetzt er, mit freudiger Stimme; „bei ihr, die mich liebt! bei der Braut, die mir der Himmel beſtimmt hat! Geh, Mutter geh, und laß nun in allen Kirchen fuͤr mich beten: denn nun wuͤnſch’ ich zu leben.“
Kunigunde.Und beſſert ſich wirklich?
Roſalie.Das eben iſt das Wunder.
Brigitte.Beſſert ſich, mein Fraͤulein, beſſert ſich, in der That; erholt ſich, von Stund’ an, gewinnt, wie durch himmliſchen Balſam geheilt, ſeine Kraͤfte wieder, und ehe der Mond ſich erneut, iſt er ſo geſund wie zuvor.
Kunigunde.Und erzaͤhlte? — Was erzaͤhlte er nun?
83 Brigitte.Ach, und erzaͤhlte, und fand kein Ende zu erzaͤhlen: wie der Engel ihn, bei der Hand, durch die Nacht geleitet; wie er ſanft des Maͤdchens Schlafkaͤmmerlein eroͤffnet, und alle Waͤnde mit ſeinem Glanz erleuchtend, zu ihr eingetreten ſei; wie es dagelegen, das holde Kind, mit nichts, als dem Hemdchen angethan, und die Augen bei ſeinem Anblick groß aufgemacht, und gerufen habe, mit einer Stimme, die das Erſtaunen beklemmt: „ Mariane!“ welches jemand geweſen ſein muͤſſe, der in der Nebenkammer geſchlafen; wie ſie darauf, vom Purpur der Freude uͤber und uͤber ſchimmernd, aus dem Bette geſtiegen, und ſich auf Knieen vor ihm niedergelaſſen, das Haupt geſenkt, und: mein hoher Herr! geliſpelt; wie der Engel ihm darauf, daß es eine Kaiſertochter ſei, geſagt, und ihm ein Maal gezeigt, das dem Kindlein roͤthlich auf dem Nacken verzeichnet war, — wie er, von unendlichem Entzuͤcken durchbebt, ſie eben beim Kinn gefaßt, um ihr ins Antlitz zu ſchauen: und wie die unſelige Magd nun, die Mariane, mit Licht gekommen, und die ganze Erſcheinung bei ihrem Eintritt wieder verſchwunden ſei.
Kunigunde.Und nun meinſt du, dieſe Kaiſertochter ſei ich?
Brigitte.Wer ſonſt?
84 Roſalie.Das ſag’ ich auch.
Brigitte.Die ganze Strahlburg, bei eurem Einzug, als ſie erfuhr, wer ihr ſeid, ſchlug die Haͤnde uͤber den Kopf zuſammen und rief: ſie iſt’s!
Roſalie.Es fehlte nichts, als daß die Glocken ihre Zungen geloͤſ’t, und gerufen haͤtten: ja, ja, ja!
Kunigunde (ſteht auf).Ich danke dir, Muͤtterchen, fuͤr deine Erzaͤhlung. Inzwiſchen nimm dieſe Ohrringe zum Andenken, und entferne dich.
(Brigitte ab).Zehnter Auftritt.
Kunigunde und Roſalie. Kunigunde (nachdem ſie ſich im Spiegel betrachtet, geht gedankenlos ans Fenſter und oͤffnet es. — Pauſe). Haſt du mir alles dort zurecht gelegt,/ Was ich dem Grafen zugedacht, Roſalie?/ Urkunden, Briefe, Zeugniſſe? Roſalie (am Tiſch zuruͤck geblieben). Hier ſind ſie./ In dieſem Einſchlag liegen ſie beiſammen. / 85 Kunigunde. Gieb mir doch — (ſie nimmt eine Leimruthe, die draußen befeſtigt iſt, herein). Roſalie. Was, mein Fraͤulein? Kunigunde. (lebhaft). Schau, o Maͤdchen!/ Iſt dies die Spur von einem Fittig nicht?/ Roſalie (indem ſie zu ihr geht). Was habt ihr da? Kunigunde. Leimruthen, die, ich weiß/ Nicht wer? an dieſem Fenſter aufgeſtellt!/ — Sieh, hat hier nicht ein Fittig ſchon geſtreift?/ Roſalie. Gewiß! Da iſt die Spur. Was war’s? Ein Zeiſig?/ Kunigunde. Ein Finkenhaͤhnchen war’s, das ich vergebens/ Den ganzen Morgen ſchon herangelockt./ Roſalie. Seht nur dies Federchen. Das ließ er ſtecken!/ Kunigunde (gedankenvoll). Gieb mir doch — Roſalie. Was, mein Fraͤulein? Die Papiere?/ 86 Kunigunde (lacht und ſchlaͤgt ſie). Schelmin! — Die Hirſe will ich, die dort ſteht./ Roſalie (lacht und geht und holt die Hirſe).Eilfter Auftritt.
Ein Bedienter (tritt auf). Die Vorigen. Der Bediente.Graf Wetter vom Strahl, und die Graͤfin ſeine Mutter!
Kunigunde (wirft Alles aus der Hand).Raſch! Mit den Sachen weg.
Roſalie.Gleich, gleich!
(ſie macht die Toilette zu und geht ab). Kunigunde.Sie werden mir willkommen ſein.
Zwoͤlfter Auftritt.
Graͤfin Helena, der Graf vom Strahl (treten auf). Fraͤulein Kunigunde. Kunigunde (ihnen entgegen). Verehrungswuͤrd’ge! Meines Retters Mutter,/ Wem dank’ ich, welchem Umſtand, das Vergnuͤgen,/ 87 Daß ihr mir euer Antlitz ſchenkt, daß ihr/ Vergoͤnnt, die theuren Haͤnde euch zu kuͤſſen?/ Graͤfin. Mein Fraͤulein, ihr demuͤthigt mich. Ich kam,/ Um eure Stirn zu kuͤſſen, und zu fragen,/ Wie ihr in meinem Hauſe euch befindet?/ Kunigunde. Sehr wohl. Ich fand hier Alles, was ich brauchte./ Ich hatte nichts von eurer Huld verdient,/ Und ihr beſorgtet mich, gleich einer Tochter./ Wenn irgend etwas mir die Ruhe ſtoͤrte/ So war es dies beſchaͤmende Gefuͤhl;/ Doch ich bedurfte nur den Augenblick,/ Um dieſen Streit in meiner Bruſt zu loͤſen./ (Sie wendet ſich zum Grafen). Wie ſteht’s mit eurer linken Hand, Graf Friedrich?/ Der Graf vom Strahl. Mit meiner Hand? mein Fraͤulein! Dieſe Frage,/ Iſt mir empfindlicher als ihre Wunde!/ Der Sattel wars, ſonſt nichts, an dem ich mich/ Unachtſam ſtieß, euch hier vom Pferde hebend./ Graͤfin. Ward ſie verwundet? — Davon weiß ich nichts./ Kunigunde. Es fand ſich, als wir dieſes Schloß erreichten,/ Daß ihr, in hellen Tropfen, Blut entfloß./ 88 Graf vom Strahl. Die Hand ſelbſt, ſeht ihr, hat es ſchon vergeſſen./ Wenn’s Freiburg war, dem ich im Kampf um euch,/ Dies Blut gezahlt, ſo kann ich wirklich ſagen:/ Schlecht war der Preis, um den er euch verkauft./ Kunigunde. Ihr denkt von ſeinem Werthe ſo — nicht ich./ (indem ſie ſich zur Mutter wendet). — Doch wie? Wollt ihr euch, Gnaͤdigſte, nicht ſetzen?/ (ſie holt einen Stuhl, der Graf bringt die andern. Sie laſſen ſich ſaͤmmtlich nieder). Graͤfin. Wie denkt ihr, uͤber eure Zukunft, Fraͤulein?/ Habt ihr die Lag’, in die das Schickſal euch / Verſetzt, bereits erwogen? Wißt ihr ſchon, / Wie euer Herz darin ſich faſſen wird?/ Kunigunde (bewegt). Verehrungswuͤrdige und gnaͤd’ge Graͤfin,/ Die Tage, die mir zugemeſſen, denk ich/ In Preis und Dank, in immer gluͤhender/ Erinnerung deſſ, was juͤngſt fuͤr mich geſchehn,/ In unausloͤſchlicher Verehrung eurer,/ Und eures Hauſes, bis auf den letzten Odem,/ Der meine Bruſt bewegt, wenn’s mir vergoͤnnt iſt,/ In Thurneck bei den Meinen hinzubringen./ (ſie weint). 89 Graͤfin. Wann denkt ihr zu den Euren aufzubrechen?/ Kunigunde. Ich wuͤnſche — weil die Tanten mich erwarten,/ — Wenn’s ſein kann, morgen, — oder mindeſtens —/ In dieſen Tagen, abgefuͤhrt zu werden./ Graͤfin. Bedenkt ihr auch, was dem entgegen ſteht?/ Kunigunde. Nichts mehr, erlauchte Frau, wenn ihr mir nur/ Vergoͤnnt, mich offen vor euch zu erklaͤren./ (ſie kuͤßt ihr die Hand; ſteht auf und holt die Papiere). Nehmt dies von meiner Hand, Herr Graf vom Strahl./ Der Graf vom Strahl (ſteht auf). Mein Fraͤulein! Kann ich wiſſen, was es iſt?/ Kunigunde. Die Documente ſind’s, den Streit betreffend,/ Um eure Herrſchafft Herrschaft Herrschaft Stauffen, die Papiere/ Auf die ich meinen Anſpruch gruͤndete./ Graf vom Strahl. Mein Fraͤulein, ihr beſchaͤmt mich, in der That!/ Wenn dieſes Heft, wie ihr zu glauben ſcheint, / Ein Recht begruͤndet: weichen will ich euch, / Und wenn es meine letzte Huͤtte gaͤlte!/ 90 Kunigunde. Nehmt, nehmt, Herr Graf vom Strahl! Die Briefe ſind/ Zweideutig, ſeh’ ich ein, der Wiederkauf,/ Zu dem ſie mich berechtigen, verjaͤhrt;/ Doch waͤr’ mein Recht ſo klar auch, wie die Sonne,/ Nicht gegen euch mehr kann ich’s geltend machen./ Graf vom Strahl. Niemals, mein Fraͤulein, niemals, in der That!/ Mit Freuden nehm ich, wollt ihr mir ihn ſchenken,/ Von euch den Frieden an; doch, wenn auch nur/ Der Zweifel eines Rechts auf Staufen [emendiert in ›Stauffen‹] [emendiert in ›Stauffen‹] euer,/ Das Document nicht, das ihn euch belegt!/ Bringt eure Sache vor, bei Kaiſer und bei Reich,/ Und das Geſetz entſcheide, wer ſich irrte./ Kunigunde (zur Graͤfin). Befreit denn ihr, verehrungswuͤrd’ge Graͤfin,/ Von dieſen leid’gen Documenten mich,/ Die mir in Haͤnden brennen, widerwaͤrtig/ Zu dem Gefuͤhl, das mir erregt iſt, ſtimmen,/ Und mir auf Gottes weiter Welt zu nichts mehr,/ Lebt’ ich auch neunzig Jahre, helfen koͤnnen./ Graͤfin (ſteht gleichfalls auf). Mein theures Fraͤulein! Eure Dankbarkeit/ Fuͤhrt euch zu weit. Ihr koͤnnt, was eurer ganzen/ Familie angehoͤrt, in einer fluͤchtigen/ 91 Bewegung nicht, die euch ergriff, veraͤußern./ Nehmt meines Sohnes Vorſchlag an und laßt/ In Wetzlar die Papiere unterſuchen;/ Verſichert euch, ihr werdet werth uns bleiben,/ Man mag auch dort entſcheiden, wie man wolle./ Kunigunde (mit Affect). Nun denn, der Anſpruch war mein Eigenthum!/ Ich brauche keinen Vetter zu befragen,/ Und meinem Sohn vererb’ ich einſt mein Herz!/ Die Herrn in Wetzlar mag ich nicht bemuͤhn:/ Hier dieſe raſche Bruſt entſcheidet ſo!/ (ſie zerreißt die Papiere und laͤßt ſie fallen). Graͤfin. Mein liebes, junges, unbeſonnes Kind,/ Was habt ihr da gethan? — — Kommt her,/ Weil’s doch geſchehen iſt, daß ich euch kuͤſſe./ (ſie umarmt ſie). Kunigunde. Ich will daß dem Gefuͤhl, das mir entflammt,/ Im Buſen iſt, nichts fuͤrder widerſpreche!/ Ich will, die Scheidewand ſoll niederſinken,/ Die zwiſchen mir und meinem Retter ſteht!/ Ich will mein ganzes Leben ungeſtoͤrt,/ Durchathmen, ihn zu preiſen, ihn zu lieben./ Graͤfin (geruͤhrt). Gut, gut, mein Toͤchterchen. Es iſt ſchon gut,/ Ihr ſeid zu ſehr erſchuͤttert. 92 Der Graf vom Strahl. — Ich will wuͤnſchen,/ Daß dieſe That euch nie gereuen moͤge./ (Pauſe). Kunigunde (trocknet ſich die Augen). Wann darf ich nun nach Thurneck wiederkehren? / Graͤfin. Gleich! Wann ihr wollt! Mein Sohn ſelbſt wird euch fuͤhren!/ Kunigunde. So ſei’s — auf morgen denn! Graͤfin. Gut! Ihr begehrt es./ Obſchon ich gern euch laͤnger bei mir ſaͤhe. —/ Doch heut bei Tiſch noch macht ihr uns die Freude? / Kunigunde (verneigt ſich). Wenn ich mein Herz kann ſammeln, wart’ ich auf./ (ab).Dreizehnter Auftritt.
Graͤfin Helena. Der Graf vom Strahl. Der Graf vom Strahl. So wahr, als ich ein Mann bin, die begehr ich/ Zur Frau! 93 Graͤfin. Nun, nun, nun, nun! Graf vom Strahl. Was! Nicht?/ Du willſt, daß ich mir Eine waͤhlen ſoll;/ Doch die nicht? Dieſe nicht? Die nicht? Graͤfin. Was willſt du?/ Ich ſagte nicht, daß ſie mir ganz mißfaͤllt./ Graf vom Strahl. Ich will auch nicht, daß heut noch Hochzeit ſei:/ — Sie iſt vom Stamm der alten ſaͤchſ’ſchen Kaiſer./ Graͤfin. Und der Sylveſternachttraum ſpricht fuͤr ſie?/ Nicht? Meinſt du nicht? Graf vom Strahl. Was ſoll ich’s bergen: ja!/ Graͤfin. Laſſ’ uns die Sach’ ein wenig uͤberlegen./ (ab).Dritter Act.
Scene. Gebirg und Wald. Eine Einſiedelei.Erſter Auftritt.
Theobald und Gottfried Friedeborn (fuͤhren) das Kaͤthchen (von einem Felſen herab). Theobald.Nimm dich in Acht, mein liebes Kaͤthchen; der Gebirgspfad, ſiehſt du, hat eine Spalte. Setze deinen Fuß hier auf dieſen Stein, der ein wenig mit Moos bewachſen iſt; wenn ich wuͤßte, wo eine Roſe waͤre, ſo wollte ich es dir ſagen. — So!
Gottfried.Doch haſt wohl Gott, Kaͤthchen, nichts von der Reiſe anvertraut, die du heut zu thun willens warſt? — Ich glaubte, an dem Kreuzweg, wo das Marienbild ſteht, wuͤrden zwei Engel kommen, Juͤnglinge, von hoher Geſtalt, mit ſchneeweißen Fittigen an den Schultern, und ſagen: Ade, Theobald! Ade, Gottfried! Kehrt zuruͤck, von wo ihr gekommen ſeid; wir werden das Kaͤthchen jetzt auf ſeinem Wege zu Gott weiter fuͤhren. — Doch es war nichts; wir mußten dich ganz bis ans Kloſter herbringen.
95 Theobald.Die Eichen ſind ſo ſtill, die auf den Bergen verſtreut ſind: man hoͤrt den Specht, der daran pickt. Ich glaube, ſie wiſſen, daß Kaͤthchen angekommen iſt, und lauſchen auf das, was ſie denkt. Wenn ich mich doch in die Welt aufloͤſen koͤnnte, um es zu erfahren. Harfenklang muß nicht lieblicher ſeyn, als ihr Gefuͤhl; es wuͤrde Iſrael hinweggelockt von David und ſeinen Zungen neue Pſalter gelehrt haben. — Mein liebes Kaͤthchen?
Kaͤthchen.Mein lieber Vater!
Theobald.Sprich ein Wort.
Kaͤthchen.Sind wir am Ziele?
Theobald.Wir ſind’s. Dort in jenem freundlichen Gebaͤude, das mit ſeinen Thuͤrmen zwiſchen die Felſen geklemmt iſt, ſind die ſtillen Zellen der frommen Auguſtinermoͤnche; und hier, der geheiligte Ort, wo ſie beten.
Kaͤthchen.Ich fuͤhle mich matt.
Theobald.Wir wollen uns ſetzen. Komm, gieb mir deine Hand, daß ich dich ſtuͤtze. Hier vor dieſem Gitter iſt 96 eine Ruhebank, mit kurzem und dichtem Gras bewachſen: ſchau her, das angenehmſte Plaͤtzchen, das ich jemals ſah.
(ſie ſetzen ſich). Gottfried.Wie befindeſt du dich?
Kaͤthchen.Sehr wohl.
Theobald.Du ſcheinſt doch blaß, und deine Stirne iſt voll Schweiß?
(Pauſe). Gottfried.Sonſt warſt du ſo ruͤſtig, konnteſt meilenweit wandern, durch Wald und Feld, und brauchteſt nichts, als einen Stein, und das Buͤndel, das du auf der Schulter trugſt, zum Pfuͤhl, um dich wieder herzuſtellen; und heut biſt du ſo erſchoͤpft, daß es ſcheint, als ob alle Betten, in welchen die Kaiſerin ruht, dich nicht wieder auf die Beine bringen wuͤrden.
Theobald.Willſt du mit etwas erquickt ſein.
Gottfried.Soll ich gehen und dir einen Trunk Waſſer ſchoͤpfen?
Theobald.Oder ſuchen wo dir eine Frucht bluͤht?
Gottfried.Sprich, mein liebes Kaͤthchen!
Kaͤthchen.Ich danke dir, lieber Vater.
Theobald.Du dankſt uns.
Gottfried.Du verſchmaͤhſt Alles.
Theobald.Du begehrſt nichts, als daß ich ein Ende mache: hingehe und dem Prior Hatto, — meinem alten Freund, ſage: der alte Theobald ſei da, der ſein einzig liebes Kind begraben wolle.
Kaͤthchen.Mein lieber Vater!
Theobald.Nun gut. Es ſoll geſchehn. Doch bevor wir die entſcheidenden Schritte thun, die nicht mehr zuruͤck zu nehmen ſind, will ich dir noch etwas ſagen. Ich will dir ſagen, was Gottfried und mir eingefallen iſt, auf dem Wege hierher, und was, wie uns ſcheint, ins Werk zu richten nothwendig iſt, bevor wir den Prior in dieſer Sache ſprechen. — Willſt du es wiſſen?
Kaͤthchen.Rede!
98 Theobald.Nun wohlan, ſo merk’ auf, und pruͤfe dein Herz wohl! — Du willſt in das Kloſter der Urſulinerinnen gehen, das tief im einſamen kieferreichen Gebirge ſeinen Sitz hat. Die Welt, der liebliche Schauplatz des Lebens, reizt dich nicht mehr; Gottes Antlitz, in Abgezogenheit und Froͤmmigkeit angeſchaut, ſoll dir Vater, Hochzeit, Kind, und der Kuß kleiner bluͤhender Enkel ſeyn.
Kaͤthchen.Ja, mein lieber Vater.
Theobald (nach einer kurzen Pauſe).Wie waͤr’s, wenn du auf ein Paar Wochen, da die Witterung noch ſchoͤn iſt, zu dem Gemaͤuer zuruͤckkehrteſt, und dir die Sache ein wenig uͤberlegteſt?
Kaͤthchen.Wie?
Theobald.Wenn du wieder hingingſt, mein’ ich, nach der Strahlburg, unter den Hollunderſtrauch, wo ſich der Zeiſig das Neſt gebaut hat, am Hang des Felſens, du weißt, von wo das Schloß, im Sonnenſtrahl funkelnd, uͤber die Gauen des Landes herniederſchaut?
Kaͤthchen.Nein, mein lieber Vater!
99 Theobald.Warum nicht?
Kaͤthchen.Der Graf, mein Herr, hat es mir verboten.
Theobald.Er hat es dir verboten. Gut. Und was er dir verboten hat, das darfſt du nicht thun. Doch wie, wenn ich hinginge und ihn baͤte, daß er es erlaubte?
Kaͤthchen.Wie? Was ſagſt du?
Theobald.Wenn ich ihn erſuchte, dir das Plaͤtzgen, wo dir ſo wohl iſt, zu goͤnnen, und mir die Freiheit wuͤrde, dich daſelbſt mit dem, was du zur Nothdurft brauchſt, freundlich auszuſtatten?
Kaͤthchen.Nein, mein lieber Vater.
Theobald.Warum nicht?
Kaͤthchen (beklemmt).Das wuͤrdeſt du nicht thun; und wenn du es thaͤteſt, ſo wuͤrde es der Graf nicht erlauben; und wenn der Graf es erlaubte, ſo wuͤrd’ ich doch von ſeiner Erlaubniß keinen Gebrauch machen.
Theobald.Kaͤthchen! Mein liebes Kaͤthchen! Ich will es 100thun. Ich will mich ſo vor ihm niederlegen, wie ich es jetzt vor dir thue, und ſprechen: mein hoher Herr! erlaubt, daß das Kaͤthchen unter dem Himmel, der uͤber eure Burg geſpannt iſt, wohne; reitet ihr aus, ſo vergoͤnnt, daß ſie euch von fern, auf einen Pfeilſchuß, folge, und raͤumt ihr, wenn die Nacht koͤmmt, ein Plaͤtzchen auf dem Stroh ein, das euren ſtolzen Roſſen untergeſchuͤttet wird. Es iſt beſſer, als daß ſie vor Gram vergehe.
Kaͤthchen (indem ſie ſich gleichfalls vor ihm niederlegt).Gott im hoͤchſten Himmel; du vernichteſt mich! Du legſt mir deine Worte kreuzweis, wie Meſſer, in die Bruſt! Ich will jetzt nicht mehr ins Kloſter gehen, nach Heilbronn will ich mit dir zuruͤckkehren, ich will den Grafen vergeſſen, und, wen du willſt heirathen; muͤßt’ auch ein Grab mir, von acht Ellen Tiefe, das Brautbett ſein.
Theobald. (der aufgeſtanden iſt und ſie aufhebt).Biſt du mir boͤs, Kaͤthchen?
Kaͤthchen.Nein, nein! Was faͤllt dir ein?
Theobald.Ich will dich ins Kloſter bringen!
Kaͤthchen.Nimmer und nimmermehr! Weder auf die Strahlburg, noch ins Kloſter! — Schaff mir nur jetzt, bei 101dem Prior, ein Nachtlager, daß ich mein Haupt niederlege, und mich erhole; mit Tagesanbruch, wenn es ſein kann, gehen wir zuruͤck.
(ſie weint). Gottfried.Was haſt du gemacht, Alter?
Theobald.Ach! Ich habe ſie gekraͤnkt!
Gottfried (klingelt).Prior Hatto iſt zu Hauſe?
Pfoͤrtner (oͤffnet).Gelobt ſei Jeſus Chriſtus!
Theobald.In Ewigkeit, Amen!
Gottfried.Vielleicht beſinnt ſie ſich!
Theobald.Komm meine Tochter!
(Alle ab).Scene. Eine Herberge.
Zweiter Auftritt.
Der Rheingraf vom Stein und Friedrich von Herrnſtadt (treten auf, ihnen folgt): Jacob Pech, der Gaſtwirth. Gefolge von Knechten. Rheingraf (zu dem Gefolge).Laßt die Pferde abſatteln! Stellt Wachen aus, auf dreihundert Schritt um die Herberge, und laßt jeden ein, niemand aus! Fuͤttert und bleibt, in den Staͤllen, und zeigt euch, ſo wenig es ſeyn kann; wenn Eginhardt mit Kundſchaft aus der Thurneck zuruͤckkommt, geb’ ich euch meine weitern Befehle.
(Das Gefolge ab.)Wer wohnt hier?
Jacob Pech.Halten zu Gnaden, ich und meine Frau, geſtrenger Herr.
Rheingraf.Und hier?
Jacob Pech.Vieh.
Rheingraf.Wie?
Jacob Pech.Vieh. — Eine Sau mit ihrem Wurf, halten zu 103Gnaden; es iſt ein Schweinſtall, von Latten draußen angebaut.
Rheingraf.Gut. — Wer wohnt hier?
Jacob Pech.Wo?
Rheingraf.Hinter dieſer dritten Thuͤr?
Jacob Pech.Niemand, halten zu Gnaden.
Rheingraf.Niemand?
Jacob Pech.Niemand geſtrenger Herr, gewiß und wahrhaftig. Oder vielmehr jedermann. Es geht wieder auf’s offne Feld hinaus.
Rheingraf.Gut. — Wie heißeſt du?
Jacob Pech.Jacob Pech.
Rheingraf.Tritt ab, Jacob Pech. —
(Der Gaſtwirth ab). Rheingraf.Ich will mich hier, wie die Spinne, zuſammen knaͤueln, daß ich ausſehe, wie ein Haͤuflein argloſer 104 Staub; und wenn ſie im Netz ſitzt, dieſe Kunigunde, uͤber ſie herfahren — den Stachel der Rache tief eindruͤcken in ihre treuloſe Bruſt: toͤdten, toͤdten, toͤdten, und ihr Gerippe, als das Monument einer Erzbuhlerin, in dem Gebaͤlke der Steinburg aufbewahren! auf bewahren
Friedrich.Ruhig, ruhig Albrecht! Eginhardt, den du nach Thurneck geſandt haſt, iſt noch, mit der Beſtaͤtigung deſſen, was du argwohnſt, nicht zuruͤck.
Rheingraf.Da haſt du Recht, Freund; Eginhardt iſt noch nicht zuruͤck. Zwar in dem Zettel, den mir die Buͤbin ſchrieb, ſteht: ihre Empfehlung voran; es ſei nicht noͤthig, daß ich mich fuͤrder um ſie bemuͤhe; Stauffen ſei ihr von dem Grafen vom Strahl, auf dem Wege freundlicher Vermittlung, abgetreten. Bei meiner unſterblichen Seele, hat dies irgend einen Zuſammenhang, der rechtſchaffen iſt: ſo will ich es hinunterſchlucken, und die Kriegsruͤſtung, die ich fuͤr ſie gemacht, wieder auseinander gehen laſſen. Doch wenn Eginhardt kommt und mir ſagt, was mir das Geruͤchte ſchon geſteckt, daß ſie ihm mit ihrer Hand verlobt iſt: ſo will ich meine Artigkeit, wie ein Taſchenmeſſer, zuſammenlegen, und ihr die Kriegskoſten wieder abjagen: muͤßt’ ich ſie umkehren, und ihr den Betrag hellerweiſe aus den Taſchen herausſchuͤtteln.
Dritter Auftritt.
Eginhardt von der Wart (tritt auf). Die Vorigen. Rheingraf.Nun, Freund, alle Gruͤße treuer Bruͤderſchaft uͤber dich! — Wie ſteht’s auf dem Schloſſe zu Thurneck?
Eginhardt.Freunde, es iſt alles, wie der Ruf uns erzaͤhlt! Sie gehen mit vollen Segeln auf dem Ocean der Liebe, und ehe der Mond ſich erneut, ſind ſie in den Hafen der Ehe eingelaufen.
Rheingraf.Der Blitz ſoll ihre Maſten zerſplittern, ehe ſie ihn erreichen!
Friedrich.Sie ſind miteinander verlobt?
Eginhardt.Mit duͤrren Worten, glaub’ ich, nein; doch wenn Blicke reden, Mienen ſchreiben und Haͤndedruͤcke ſiegeln koͤnnen, ſo ſind die Ehepacten fertig.
Rheingraf.Wie iſt es mit der Schenkung von Stauffen zugegangen? Das erzaͤhle!
Friedrich.Wann machte er ihr das Geſchenk?
106 Eginhardt.Ei! Vorgeſtern, am Morgen ihres Geburtstags, da die Vettern ihr ein glaͤnzendes Feſt in der Thurneck bereitet hatten. Die Sonne ſchien kaum roͤthlich auf ihr Lager: da findet ſie das Document ſchon auf der Decke liegen; das Document, verſteht mich, in ein Briefchen des verliebten Grafen eingewickelt, mit der Verſicherung, daß es ihr Brautgeſchenk ſei, wenn ſie ſich entſchließen koͤnne, ihm ihre Hand zu geben.
Rheingraf.Sie nahm es? Natuͤrlich! Sie ſtellte ſich vor den Spiegel, knixte, und nahm es?
Eginhardt.Das Document? Allerdings.
Friedrich.Aber die Hand, die dagegen gefordert ward?
Eginhardt.O die verweigerte ſie nicht.
Friedrich.Was! Nicht?
Eginhardt.Nein. Gott behuͤte! Wann haͤtte ſie je einem Freier ihre Hand verweigert.
Rheingraf.Aber ſie haͤlt, wenn die Glocke geht, nicht Wort?
107 Eginhardt.Danach habt ihr mich nicht gefragt.
Rheingraf.Wie beantwortete ſie den Brief?
Eginhardt.Sie ſey ſo geruͤhrt, daß ihre Augen, wie, [emendiert in ›wie‹] [emendiert in ›wie‹] zwei Quellen, niedertraͤufelten, und ihre Schrift ertraͤnkten; — die Sprache, an die ſie ſich wenden muͤſſe, ihr Gefuͤhl auszudruͤcken, ſei ein Bettler. — Er habe, auch ohne dieſes Opfer, ein ewiges Recht an ihre Dankbarkeit, und es ſei, wie mit einem Diamanten, in ihre Bruſt geſchrieben; — kurz, einen Brief voll doppelſinniger Fratzen, der, wie der Schillertaft, zwei Farben ſpielt, und weder ja ſagt, noch nein.
Rheingraf.Nun, Freunde; ihre Zauberei geht, mit dieſem Kunſtſtuͤck zu Grabe! Mich betrog ſie, und keinen mehr; die Reihe derer, die ſie am Narrenſeil gefuͤhrt hat, ſchließt mit mir ab. — Wo ſind die beiden reitenden Boten?
Friedrich (in die Thuͤr rufend).He!
Vierter Auftritt.
Zwei Boten (treten auf). Die Vorigen. Rheingraf (nimmt zwei Briefe aus dem Collet).Dieſe beiden Briefe nehmt ihr — dieſen du, dieſen du; und tragt ſie — dieſen hier du an den Dominicanerprior Hatto, verſtehſt du? Ich wuͤrd’ Glock ſieben gegen Abend kommen, und Abſolution in ſeinem Kloſter empfangen? Dieſen hier du an Peter Quanz, Haushofmeiſter in der Burg zu Thurneck; Schlag zwoͤlf um Mitternacht ſtuͤnd’ ich mit meinem Kriegshaufen vor dem Schloß, und braͤche ein. Du gehſt nicht eher in die Burg, du, bis es finſter iſt, und laͤſſeſt dich vor keinem Menſchen ſehen; verſtehſt du mich? — Du brauchſt das Tageslicht nicht zu ſcheuen. — Habt ihr mich verſtanden?
Die Boten.Gut.
Rheingraf (nimmt ihnen die Briefe wieder aus der Hand).Die Briefe ſind doch nicht verwechſelt?
Friedrich.Nein, Nein.
Rheingraf.Nicht? — — Himmel und Erde!
109 Eginhardt.Was giebt’s?
Rheingraf.Wer verſiegelte ſie?
Friedrich.Die Briefe?
Rheingraf.Ja!
Friedrich.Tod und Verderben! Du verſiegelteſt ſie ſelbſt!
Rheingraf (giebt den Boten die Briefe wieder).Ganz recht! hier, nehmt! Auf der Muͤhle, beim Sturzbach, werd’ ich euch erwarten. — Kommt meine Freunde!
(Alle ab).Scene: Thurneck. Ein Zimmer in der Burg.
Fuͤnfter Auftritt.
Der Graf vom Strahl (ſitzt gedankenvoll an einem Tiſch, auf welchem zwei Lichter ſtehen. Er haͤlt eine Laute in der Hand, und thut einige Griffe darauf. Im Hintergrunde, bei ſeinen Kleidern und Waffen beſchaͤftigt,) Gottſchalk. Stimme (von außen). Macht auf! Macht auf! Macht auf! 110 Gottſchalk. Holla! — Wer ruft?/ Stimme. Ich, Gottſchalk, bin’s; ich bin’s, du lieber Gottſchalk! / Gottſchalk. Wer? Stimme. Ich! Gottſchalk. Du? Stimme. Ja! Gottſchalk. Wer? Stimme. Ich! Der Graf vom Strahl (legt die Laute weg). Die Stimme kenn’ ich! / Gottſchalk. Mein Seel! Ich hab’ ſie auch ſchon wo gehoͤrt. / Stimme. Herr Graf vom Strahl! Macht auf! Herr Graf vom Strahl! / Graf vom Strahl. Bei Gott! Das iſt — 111 Gottſchalk. Das iſt, ſo wahr ich lebe — / Stimme. Das Kaͤthchen iſt’s! Wer ſonſt! Das Kaͤthchen iſt’s, / Das kleine Kaͤthchen von Heilbronn! Graf vom Strahl (ſteht auf). Wie? Was? zum Teufel! / Gottſchalk (legt alles aus der Hand). Du, Maͤdel? Was! O Herzensmaͤdel! Du? / (Er oͤffnet die Thuͤr). Graf vom Strahl. Ward, ſeit die Welt ſteht, ſo etwas —? Kaͤthchen (indem ſie eintritt). Ich bin’s. / Gottſchalk. Schaut her, bei Gott! Schaut her, ſie iſt es ſelbſt! /Sechſter Auftritt.
Das Kaͤthchen (mit einem Brief). Die Vorigen. Der Graf vom Strahl. Schmeiß ſie hinaus. Ich will nichts von ihr wiſſen./ 112 Gottſchalk. Was! Hoͤrt’ ich recht —? Kaͤthchen. Wo iſt der Graf vom Strahl? / Graf vom Strahl. Schmeiß ſie hinaus! Ich will nichts von ihr wiſſen! / Gottſchalk (nimmt ſie bei der Hand). Wie, gnaͤdiger Herr, vergoͤnnt —! Kaͤthchen (reicht ihm den Brief). Hier! nehmt, Herr Graf! / Graf vom Strahl (ſich ploͤtzlich zu ihr wendend). Was willſt du hier? Was haſt du hier zu ſuchen?/ Kaͤthchen (erſchrocken). Nichts! — Gott behuͤte! Dieſen Brief hier bitt ich — / Graf vom Strahl. Ich will ihn nicht! — Was iſt dies fuͤr ein Brief? / Wo kommt er her? Und was enthaͤlt er mir? / Kaͤthchen. Der Brief hier iſt — Graf vom Strahl. Ich will davon nichts wiſſen! / Fort! Gieb ihn unten in dem Vorſaal ab./ Kaͤthchen. Mein hoher Herr! Laßt’ bitt ich, euch bedeuten — / 113 Graf vom Strahl (wild). Die Dirne, die landſtreichend unverſchaͤmte! / Ich will nichts von ihr wiſſen! Hinweg, ſag’ ich! / Zuruͤck nach Heilbronn, wo du hingehoͤrſt! / Kaͤthchen. Herr meines Lebens! Gleich verlaſſ’ ich euch! / Den Brief nur hier, der euch ſehr wichtig iſt, / Erniedrigt euch, von meiner Hand zu nehmen. / Graf vom Strahl. Ich aber will ihn nicht! Ich mag ihn nicht! / Fort! Augenblicks! Hinweg! Kaͤthchen. Mein hoher Herr! / Graf vom Strahl (wendet ſich). Die Peitſche her! An welchem Nagel haͤngt ſie? / Ich will doch ſehn, ob ich, vor loſen Maͤdchen, / In meinem Haus nicht Ruh mir kann verſchaffen. / (er nimmt die Peitſche von der Wand). Gottſchalk. O Gnaͤd’ger Herr! Was macht ihr? Was beginnt ihr? / Warum auch wollt ihr, den nicht ſie verfaßt, / Den Brief, nicht freundlich aus der Hand ihr nehmen? / Graf vom Strahl. Schweig, alter Eſel, du, ſag’ ich. 114 Kaͤthchen (zu Gottſchalk). Laß, Laß! / Graf vom Strahl. In Thurneck bin ich hier, weiß, was ich thue; / Ich will den Brief aus ihrer Hand nicht nehmen! / — Willſt du jetzt gehn? Kaͤthchen (raſch). Ja, mein verehrter Herr! / Graf vom Strahl. Wohlan! Gottſchalk (halblaut zu Kaͤthchen da ſie zittert). Sei ruhig. Fuͤrchte nichts. Graf vom Strahl. So fern’ dich! — / Am Eingang ſteht ein Knecht, dem gieb den Brief, / Und kehr des Weges heim, von wo du kamſt. / Kaͤthchen. Gut, gut. Du wirſt mich dir gehorſam finden. / Peitſch mich nur nicht, bis ich mit Gottſchalk ſprach. — / (ſie kehrt ſich zu Gottſchalk um). Nimm du den Brief. Gottſchalk. Gieb her, mein liebes Kind. / Was iſt dies fuͤr ein Brief? Und was enthaͤlt er? / Kaͤthchen. Der Brief hier iſt vom Graf vom Stein, verſtehſt du?/ 115 Ein Anſchlag, der noch heut vollfuͤhrt ſoll werden, / Auf Thurneck, dieſe Burg, darin enthalten, / Und auf das ſchoͤne Fraͤulein Kunigunde, / Des Grafen, meines hohen Herren, Braut. / Gottſchalk. Ein Anſchlag auf die Burg? Es iſt nicht moͤglich! / Und vom Graf Stein? — Wie kamſt du zu dem Brief? / Kaͤthchen. Der Brief ward Prior Hatto uͤbergeben, / Als ich mit Vater juſt, durch Gottes Fuͤgung, / In deſſen ſtiller Klauſe mich befand. / Der Prior, der verſtand den Inhalt nicht, / Und wollt’ ihn ſchon dem Boten wiedergeben; / Ich aber riß den Brief ihm aus der Hand, / Und eilte gleich nach Thurneck her, euch Alles / Zu melden, in die Harniſche zu jagen; / Denn heut, Schlag zwoͤlf um Mitternacht, ſoll ſchon / Der moͤrderiſche Frevel ſich vollſtrecken. / Gottſchalk. Wie kam der Prior Hatto zu dem Brief? / Kaͤthchen. Lieber, das weiß ich nicht; es iſt gleichviel. / Er iſt, du ſiehſt an irgend wen geſchrieben, / Der hier im Schloß zu Thurneck wohnhaft iſt; / Was er dem Prior ſoll, begreift man nicht./ 116 Doch daß es mit dem Anſchlag richtig iſt, / Das hab’ ich ſelbſt geſehn; denn kurz und gut, / Der Graf zieht auf die Thurneck ſchon heran: / Ich bin ihm, auf dem Pfad’ hieher, begegnet. / Gottſchalk. Du ſiehſt Geſpenſter, Toͤchterchen! Kaͤthchen. Geſpenſter! — / Ich ſage, nein! So wahr ich Kaͤthchen bin! / Der Graf liegt draußen vor der Burg, und wer / Ein Pferd beſteigen will, und um ſich ſchauen, / Der kann den ganzen weiten Wald ringsum / Erfuͤllt von ſeinen Reiſigen erblicken! / Gottſchalk. — Nehmt doch den Brief, Herr Graf, und ſeht ſelbſt zu. / Ich weiß nicht, was ich davon denken ſoll. / Der Graf vom Strahl (legt die Peitſche weg, nimmt den Brief und entfaltet ihn). „Um zwoͤlf Uhr, wenn das Gloͤckchen ſchlaͤgt, bin ich / Vor Thurneck. Laß die Thore offen ſein. / Sobald die Flamme zuckt, zieh’ ich hinein. / Auf niemand muͤnz’ ich es, als Kunigunden, / Und ihren Braͤutigam, den Graf vom Strahl: / Thu mir zu wiſſen, Alter, wo ſie wohnen.“ / 117 Gottſchalk. Ein Hoͤllenfrevel! — Und die Unterſchrift? / Graf vom Strahl. Das ſind drei Kreuze. / (Pauſe). Wie ſtark fandſt du den Kriegstroß, Katharina?/ Kaͤthchen. Auf ſechzig Mann, mein hoher Herr, bis ſiebzig. / Graf vom Strahl. Sahſt du ihn ſelbſt den Graf vom Stein? Kaͤthchen. Ihn nicht. / Graf vom Strahl. Wer fuͤhrte ſeine Mannſchaft an? Kaͤthchen. Zwey Ritter, / Mein hochverehrter Herr, die ich nicht kannte. / Graf vom Strahl. Und jetzt, ſagſt du, ſie laͤgen vor der Burg? / Kaͤthchen. Ja, mein verehrter Herr. Graf vom Strahl. Wie weit von hier? / Kaͤthchen. Auf ein dreitauſend Schritt, verſtreut im Walde. / 118 Graf vom Strahl. Rechts, auf der Straße? Kaͤthchen. Links, im Foͤhrengrunde, / Wo uͤberm Sturzbach ſich die Bruͤcke baut. / (Pauſe). Gottſchalk. Ein Anſchlag, graͤuelhaft, und unerhoͤrt! / Graf vom Strahl (ſteckt den Brief ein). Ruf mir ſogleich die Herrn von Thurneck her! / — Wie hoch iſt’s an der Zeit? Gottſchalk. Glock halb auf zwoͤlf. / Graf vom Strahl. So iſt kein Augenblick mehr zu verlieren. / (er ſetzt ſich den Helm auf). Gottſchalk. Gleich, gleich; ich gehe ſchon! — Komm, liebes Kaͤthchen, / Daß ich dir das erſchoͤpfte Herz erquicke! — / Wie großen Dank, bei Gott, ſind wir dir ſchuldig? / So in der Nacht, durch Wald und Feld und Thal — / Graf vom Strahl. Haſt du mir ſonſt noch, Jungfrau, was zu ſagen? / Kaͤthchen. Nein, mein verehrter Herr. 119 Graf vom Strahl. — Was ſuchſt du da? / Kaͤthchen (ſich in den Buſen faſſend). Den Einſchlag, der vielleicht dir wichtig iſt. / Ich glaub’, ich hab’ —? Ich glaub’, er iſt —? (ſie ſieht ſich um). Graf vom Strahl. Der Einſchlag? / Kaͤthchen. Nein, hier. (ſie nimmt das Couvert und giebt es dem Grafen). Graf vom Strahl. Gieb her! (er betrachtet das Papier). Dein Antlitz ſpeit ja Flammen! — / Du nimmſt dir gleich ein Tuch um, Katharina, / Und trinkſt nicht ehr, bis du dich abgekuͤhlt. / — Du aber haſt keins? Kaͤthchen. Nein — Graf vom Strahl (macht ſich die Schaͤrpe los — wendet ſich ploͤtzlich, und wirft ſie auf den Tiſch). So nimm die Schuͤrze. / (nimmt die Handſchuh und zieht ſie ſich an). Wenn du zum Vater wieder heim willſt kehren, / Werd’ ich, wie ſich’s von ſelbſt verſteht — (er haͤlt inne). 120 Kaͤthchen. Was wirſt du? / Graf vom Strahl (erblickt die Peitſche). Was macht die Peitſche hier? Gottſchalk. Ihr ſelbſt ja nahmt ſie —! / Graf vom Strahl (ergrimmt). Hab’ ich hier Hunde, die zu ſchmeißen ſind? / (er wirft die Peitſche, daß die Scherben niederklirren, durchs Fenſter; hierauf zu Kaͤthchen): Pferd’ dir, mein liebes Kind, und Wagen geben, / Die ſicher nach Heilbronn dich heimgeleiten. / — Wann denkſt du heim? Kaͤthchen (zitternd). Gleich, mein verehrter Herr. / Graf vom Strahl (ſtreichelt ihre Wangen). Gleich nicht! Du kannſt im Wirthshaus uͤbernachten. / (er weint). — Was glotzt er da? Geh, nimm die Scherben auf! / (Gottſchalk hebt die Scherben auf. Er nimmt die Schaͤrpe vom Tiſch, und giebt ſie Kaͤthchen). Da! Wenn du dich gekuͤhlt, gieb mir ſie wieder./ Kaͤthchen (ſie will ſeine Hand kuͤſſen). Mein hoher Herr! 121 Graf vom Strahl (wendet ſich von ihr ab). Leb wohl! Leb wohl! Leb wohl! / (Getuͤmmel und Glockenklang draußen). Gottſchalk. Gott, der Allmaͤchtige! Kaͤthchen. Was iſt? Was giebts? / Gottſchalk. Iſt das nicht Sturm? Kaͤthchen. Sturm? Graf vom Strahl. Auf! Ihr Herrn von Thurneck! / Der Rheingraf, beim Lebend’gen, iſt ſchon da! / (Alle ab).Scene: Platz vor dem Schloß. Es iſt Nacht. Das Schloß brennt. Sturmgelaͤute.
Siebenter Auftritt.
Ein Nachtwaͤchter (tritt auf und ſtoͤßt ins Horn).Feuer! Feuer! Feuer! Erwacht ihr Maͤnner von Thurneck, ihr Weiber und Kinder des Fleckens erwacht! Werft den Schlaf nieder, der, wie ein Rieſe, uͤber euch liegt; beſinnt euch, erſteht und erwacht! 122Feuer! Der Frevel zog auf Socken durchs Thor! Der Mord ſteht, mit Pfeil und Bogen, mitten unter euch, und die Verheerung, um ihm zu leuchten, ſchlaͤgt ihre Fackel an alle Ecken der Burg! Feuer! Feuer! O daß ich eine Lunge von Erz und ein Wort haͤtte, das ſich mehr ſchreien ließe, als dies: Feuer! Feuer! Feuer!
Achter Auftritt.
Der Graf vom Strahl. Die drei Herren von Thurneck. Gefolge. Der Nachtwaͤchter. Graf vom Strahl.Himmel und Erde! Wer ſteckte das Schloß in Brand? — Gottſchalk!
Gottſchalk (außerhalb der Scene).He!
Graf vom Strahl.Mein Schild, meine Lanze!
Ritter von Thurneck.Was iſt geſchehn?
Graf vom Strahl.Fragt nicht, nehmt was hier ſteht, fliegt auf die Waͤlle, kaͤmpft und ſchlagt um euch, wie angeſchoſſene Eber!
Ritter von Thurneck.Der Rheingraf iſt vor den Thoren?
123 Graf vom Strahl.Vor den Thoren, ihr Herrn, und ehe ihr den Riegel vorſchiebt, vor schiebt, drinn: Verraͤtherei, im Innern des Schloſſes, hat ſie ihm geoͤffnet!
Ritter von Thurneck.Der Mordanſchlag, der unerhoͤrte! — Auf!
(ab mit Gefolge). Graf vom Strahl.Gottſchalk!
Gottſchalk (außerhalb).He!
Graf vom Strahl.Mein Schwerdt! Mein Schild! meine Lanze.
Neunter Auftritt.
Das Kaͤthchen (tritt auf). Die Vorigen. Kaͤthchen (mit Schwerdt, Schild und Lanze).Hier!
Graf vom Strahl (indem er das Schwerdt nimmt und es ſich umguͤrtet).Was willſt du?
Kaͤthchen.Ich bringe dir die Waffen.
Graf vom Strahl.Dich rief ich nicht!
124 Kaͤthchen.Gottſchalk rettet.
Graf vom Strahl.Warum ſchickt er den Buben nicht? — Du dringſt Dich ſchon wieder auf?
(der Nachtwaͤchter ſtoͤßt wieder ins Horn).Zehnter Auftritt.
Ritter Flammberg mit Reiſigen. Die Vorigen. Flammberg.Ei, ſo blaſe du, daß dir die Wangen berſten! Fiſche und Maulwuͤrfe wiſſen, daß Feuer iſt, was braucht es deines gotteslaͤſterlichen Geſangs, um es uns zu verkuͤndigen?
Graf vom Strahl.Wer da?
Flammberg.Strahlburgiſche!
Graf vom Strahl.Flammberg?
Flammberg.Er ſelbſt!
Graf vom Strahl.Tritt heran! — Verweil’ hier, bis wir erfahren, wo der Kampf tobt!
Eilfter Auftritt.
Die Tanten von Thurneck (treten auf). Die Vorigen. Erſte Tante.Gott helf’ uns!
Graf vom Strahl.Ruhig, ruhig.
Zweite Tante.Wir ſind verloren! Wir ſind geſpießt.
Graf vom Strahl.Wo iſt Fraͤulein Kunigunde, eure Nichte?
Die Tanten.Das Fraͤulein, unſre Nichte?
Kunigunde (im Schloß).Helft! Ihr Menſchen! Helft!
Graf vom Strahl.Gott im Himmel! War das nicht ihre Stimme?
(er giebt Schild und Lanze an Kaͤthchen.) Erſte Tante.Sie rief! — Eilt, eilt!
Zweite Tante.Dort erſcheint ſie im Portal!
Erſte Tante.Geſchwind! Um aller Heiligen! Sie wankt, ſie faͤllt!
Zweite Tante.Eilt ſie zu unterſtuͤtzen!
Zwoͤlfter Auftritt.
Kunigunde von Thurneck. Die Vorigen. Graf vom Strahl (empfaͤngt ſie in ſeinen Armen). Meine Kunigunde! Kunigunde (ſchwach). Das Bild, das ihr mir juͤngſt geſchenkt, Graf Friedrich! / Das Bild mit dem Futtral! Graf vom Strahl. Was ſoll’s? Wo iſt’s? / Kunigunde. Im Feu’r! Weh mir! Helft! Rettet! Es verbrennt. / Graf vom Strahl. Laßt, Laßt! Habt ihr mich ſelbſt nicht, Theuerſte? / Kunigunde. Das Bild mit dem Futtral, Herr Graf vom Strahl! / Das Bild mit dem Futtral! Kaͤthchen (tritt vor). Wo liegt’s, Wo ſteht’s? / (ſie giebt Schild und Lanze an Flammberg). Kunigunde. Im Schreibtiſch! Hier, mein Goldkind, iſt der Schluͤſſel!/ (Kaͤthchen geht). Graf vom Strahl. Hoͤr; Kaͤthchen! 127 Kunigunde. Eile! Graf vom Strahl. Hoͤr, mein Kind! Kunigunde. Hinweg! / Warum auch ſtellt ihr wehrend euch —? Graf vom Strahl. Mein Fraͤulein, / Ich will zehn andre Bilder euch ſtatt deſſen — / Kunigunde (unterbricht ihn). Dies brauch ich, dies; ſonſt keins! — Was es mir gilt, / Iſt hier der Ort jetzt nicht, euch zu erklaͤren. — / Geh, Maͤdchen geh, ſchaff Bild mir und Futtral: / Mit einem Diamanten lohn’ ich’s dir! / Graf vom Strahl. Wohlan, ſo ſchaff’s! Es iſt der Thoͤrin recht! / Was hatte ſie an dieſem Ort zu ſuchen? / Kaͤthchen. Das Zimmer — rechts? Kunigunde. Links, Liebchen; eine Treppe, / Dort, wo der Altan, ſchau, den Eingang ziert! / Kaͤthchen. Im Mittelzimmer? 128 Kunigunde. In dem Mittelzimmer! / Du fehlſt nicht, lauf; denn die Gefahr iſt dringend! / Kaͤthchen. Auf! Auf! Mit Gott! Mit Gott! Ich bring’ es euch! / (ab).Dreizehnter Auftritt.
Die Vorigen, (ohne Kaͤthchen). Graf vom Strahl. Ihr Leut’, hier iſt ein Beutel Gold fuͤr den, / Der in das Haus ihr folgt! Kunigunde. Warum? Weshalb? / Graf vom Strahl. Veit Schmidt! Hans, du! Karl Boͤttiger! Fritz Toͤpfer! / Iſt niemand unter euch? Kunigunde. Was faͤllt euch ein? / Graf vom Strahl. Mein Fraͤulein, in der That, ich muß geſtehn — / Kunigunde. Welch ein beſondrer Eifer gluͤht euch an? — / Was iſt dies fuͤr ein Kind? 129 Graf vom Strahl. — Es iſt die Jungfrau, / Die heut mit ſo viel Eifer uns gedient./ Kunigunde. Bei Gott, und wenn’s des Kaiſers Tochter waͤre!/ — Was fuͤrchtet ihr? Das Haus, wenn es gleich brennt, / Steht, wie ein Fels, auf dem Gebaͤlke noch; / Sie wird, auf dieſem Gang, nicht gleich verderben. / Die Treppe war noch unberuͤhrt vom Strahl; / Rauch iſt das einz’ge Uebel, das ſie findet./ Kaͤthchen (erſcheint in einem brennenden Fenſter). Mein Fraͤulein! He! Hilf Gott! Der Rauch erſtickt mich! / — Es iſt der rechte Schluͤſſel nicht. Graf vom Strahl (zu Kunigunden). Tod und Teufel! / Warum regiert ihr eure Hand nicht beſſer?/ Kunigunde. Der rechte Schluͤſſel nicht? Kaͤthchen (mit ſchwacher Stimme). Hilf Gott! Hilf Gott! / Graf vom Strahl. Komm herab, mein Kind! Kunigunde. Laßt, laßt! 130 Graf vom Strahl. Komm herab, ſag ich! / Was ſollſt du ohne Schluͤſſel dort? Komm herab!/ Kunigunde. Laßt einen Augenblick —! Graf vom Strahl. Wie? Was, zum Teufel!/ Kunigunde. Der Schluͤſſel, liebes Herzens-Toͤchterchen, / Haͤngt, jetzt erinnr’ ich mich’s, am Stift des Spiegels, / Der uͤberm Putztiſch glaͤnzend eingefugt! / Kaͤthchen. Am Spiegelſtift? Graf vom Strahl. Beim Gott der Welt! Ich wollte, / Er haͤtte nie gelebt, der mich gezeichnet, / Und er, der mich gemacht hat, obenein! / — So ſuch! Kunigunde. Mein Augenlicht! Am Putztiſch, hoͤrſt du? / Kaͤthchen (indem ſie das Fenſter verlaͤßt). Wo iſt der Putztiſch? Voller Rauch iſt Alles. / Graf vom Strahl. Such! Kunigunde. An der Wand rechts. 131 Kaͤthchen (unſichtbar). Rechts? Graf vom Strahl. Such’, ſag’ ich! / Kaͤthchen (ſchwach). Hilf Gott! Hilf Gott! Hilf Gott! Graf vom Strahl. Ich ſage, ſuch! — / Verflucht die huͤndiſche Dienſtfertigkeit! / Flammberg. Wenn ſie nicht eilt: das Haus ſtuͤrzt gleich zuſammen! / Graf vom Strahl. Schafft eine Leiter her! Kunigunde. Wie, mein Geliebter? / Graf vom Strahl. Schafft eine Leiter her! Ich will hinauf. / Kunigunde. Mein theurer Freund! Ihr ſelber wollt —? Graf vom Strahl. Ich bitte! / Raͤumt mir den Platz! Ich will das Bild euch ſchaffen. / Kunigunde. Harrt einen Augenblick noch, ich beſchwoͤr’ euch. / Sie bringt es gleich herab. 132 Graf vom Strahl. Ich ſage, laßt mich! — / Putztiſch und Spiegel iſt, und Nagelſtift, / Ihr unbekannt, mir nicht; ich find’s heraus, / Das Bild von Kreid’ und Oel auf Leinewand, / Und bring’s euch her, nach eures Herzens Wunſch. / (vier Knechte bringen eine Feuerleiter). — Hier! Legt die Leiter an! Erſter Knecht (vorn, indem er ſich umſieht). Holla! Da hinten! / Ein Anderer (zum Grafen). Wo? Graf vom Strahl. Wo das Fenſter offen iſt. Die Knechte (heben die Leiter auf). O ha! / Der erſte (vorn). Blitz! Bleibt zuruͤck, ihr hinten da! Was macht ihr? / Die Leiter iſt zu lang! Die anderen (hinten). Das Fenſter ein! / Das Kreuz des Fenſters eingeſtoßen! So! / Flammberg (der mit geholfen). Jetzt ſteht die Leiter feſt und ruͤhrt ſich nicht! / Graf vom Strahl (wirft ſein Schwerdt weg). Wohlan denn! 133 Kunigunde. Mein Geliebter! Hoͤrt mich an! / Graf vom Strahl. Ich bin gleich wieder da! (er ſetzt einen Fuß auf die Leiter). Flammberg (aufſchreiend.) Halt! Gott im Himmel! / Kunigunde (eilt erſchreckt von der Leiter weg). [Was] giebt’s? Die Knechte. Das Haus ſinkt! Fort zuruͤcke! / Alle. Heiland der Welt! Da liegt’s in Schutt und Truͤmmern! / (Das Haus ſinkt zuſammen, der Graf wendet ſich, und druͤckt beide Haͤnde vor die Stirne; Alles, was auf der Buͤhne iſt, weicht zuruͤck und wendet ſich gleichfalls ab. — Pauſe).Vierzehnter Auftritt.
Kaͤthchen (tritt raſch, mit einer Papierrolle, durch ein großes Portal, das ſtehen geblieben iſt, auf; hinter ihr) ein Cherub (in der Geſtalt eines Juͤnglings, von Licht umfloſſen, blondlockig, Fittige an den Schultern und einen Palmzweig in der Hand). Kaͤthchen (ſo wie ſie aus dem Portal iſt, kehrt ſie ſich, und ſtuͤrzt vor ihm nieder). Schirmt mich, ihr Himmliſchen! Was widerfaͤhrt mir?/ 134 Der Cherub (beruͤhrt ihr Haupt mit der Spitze des Palmenzweigs, und verſchwindet.) (Pauſe).Funfzehnter Auftritt.
Die Vorigen (ohne den Cherub). Kunigunde (ſieht ſich zuerſt um). Nun, beim lebend’gen Gott, ich glaub’, ich traͤume! — / Mein Freund! Schaut her! Graf vom Strahl (vernichtet). Flammberg! (er ſtuͤtzt ſich auf ſeine Schulter). Kunigunde. Ihr Vettern! Tanten! — / Herr Graf! ſo hoͤrt doch an! Graf vom Strahl (ſchiebt ſie von ſich). Geht, geht! — — Ich bitt’ euch. / Kunigunde. Ihr Thoren! Seid ihr Saͤulen Salz geworden? / Geloͤſ’t iſt alles gluͤcklich. Graf vom Strahl (mit abgewandtem Geſicht). Troſtlos mir! / Die Erd’ hat nichts mehr Schoͤnes. Laßt mich ſein. / 135 Flammberg (zu den Knechten). Raſch, Bruͤder, raſch! Ein Knecht. Herbei, mit Hacken, Spaten! / Ein Anderer. Laßt uns den Schutt durchſuchen, ob ſie lebt! / Kunigunde (ſcharf). Die Alten, baͤrt’gen Gecken, die! das Maͤdchen, / Das ſie verbrannt zu Feuersaſche glauben, / Friſch und geſund am Boden liegt ſie da, / Die Schuͤrze kichernd vor dem Mund, und lacht! / Graf vom Strahl (wendet ſich) Wo? Kunigunde. Hier! Flammberg. Nein, ſprecht! Es iſt nicht moͤglich. / Die Tanten. Das Maͤdchen waͤr —? Alle. O Himmel! Schaut! Da liegt ſie. / Graf vom Strahl (tritt zu ihr und betrachtet ſie). Nun uͤber dich ſchwebt Gott mit ſeinen Schaaren! / (er erhebt ſie vom Boden) Wo kommſt du her? 136 Kaͤthchen. Weiß nit, mein hoher Herr. / Graf vom Strahl. Hier ſtand ein Haus, duͤnkt mich, und du warſt drin. / — Nicht? War’s nicht ſo? Flammberg. — Wo warſt du, als es ſank? / Kaͤthchen. Weiß nit, ihr Herren, was mir widerfahren. / (Pauſe.) Graf vom Strahl. Und hat noch obenein das Bild. (er nimmt ihr die Rolle aus der Hand). Kunigunde (reißt ſie an ſich). Wo? Graf vom Strahl. Hier. / Kunigunde (erblaßt). Graf vom Strahl. Nicht? Iſt’s das Bild nicht? — Freilich! Die Tanten. Wunderbar! / Flammberg. Wer gab dir es? Sag an! 137 Kunigunde (indem ſie ihr mit der Rolle einen Streich auf die Backen giebt). Die dumme Trine! / Hatt’ ich ihr nicht geſagt, das Futteral? / Graf vom Strahl. Nun, beim gerechten Gott, das muß ich ſagen —! / — Ihr wolltet das Futtral? Kunigunde. Ja und nichts Anders! / Ihr hattet euren Namen drauf geſchrieben; / Es war mir werth, ich hatt’s ihr eingepraͤgt. / Graf vom Strahl. Wahrhaftig, wenn es ſonſt nichts war — Kunigunde. So? Meint ihr? / Das kommt zu pruͤfen mir zu, und nicht euch. / Graf vom Strahl. Mein Fraͤulein, eure Guͤte macht mich ſtumm. / Kunigunde (zu Kaͤthchen). Warum nahmſt du’s heraus, aus dem Futteral? / Graf vom Strahl. Warum nahmſt du’s heraus, mein Kind? Kaͤthchen. Das Bild? Graf vom Strahl. Ja! / 138 Kaͤthchen. Ich nahm es nicht heraus, mein hoher Herr. / Das Bild, halb aufgerollt, im Schreibtiſchwinkel, / Den ich erſchloß, lag neben dem Futtral. / Kunigunde. Fort! — das Geſicht der Aeffin! Graf vom Strahl. Kunigunde! — / Kaͤthchen. Haͤtt’ ich’s hinein erſt wieder ordentlich / In das Futtral —? Graf vom Strahl. Nein, nein, mein liebes Kaͤthchen! / Ich lobe dich, du haſt es recht gemacht. / Wie konnteſt du den Werth der Pappe kennen? / Kunigunde. Ein Satan leitet’ ihr die Hand! Graf vom Strahl. Sei ruhig! — / Das Fraͤulein meint es nicht ſo boͤs. — Tritt ab. / Kaͤthchen. Wenn du mich nur nicht ſchlaͤgſt, mein hoher Herr! / (ſie geht zu Flammberg und miſcht ſich im Hintergrund unter die Knechte). 139Sechzehnter Auftritt.
Die Herren von Thurneck. Die Vorigen. Ritter von Thurneck. Triumph, ihr Herrn! Der Sturm iſt abgeſchlagen! / Der Rheingraf zieht mit blut’gem Schaͤdel heim! / Flammberg. Was! Iſt er fort? Volk. Heil, Heil! Graf vom Strahl. Zu Pferd, zu Pferd! / Laßt uns den Sturzbach ungeſaͤumt erreichen, / So ſchneiden wir die ganze Rotte ab! / (Alle ab).Vierter Act.
Scene: Gegend im Gebirg, mit Waſſerfaͤllen und einer Bruͤcke.Erſter Auftritt.
Der Rheingraf vom Stein (zu Pferd, zieht mit einem) Troß Fußvolk (uͤber die Bruͤcke. Ihnen folgt) Der Graf vom Strahl (zu Pferd; bald darauf) Ritter Flammberg mit Knechten und Reiſigen (zu Fuß. Zuletzt) Gottſchalk (gleichfalls zu Pferd, neben ihm) das Kaͤthchen. Rheingraf (zu dem Troß).Ueber die Bruͤcke, Kinder, uͤber die Bruͤcke! Dieſer Wetter vom Strahl kracht, wie vom Sturmwind getragen, hinter uns drein; wir muͤſſen die Bruͤcke abwerfen, oder wir ſind Alle verloren!
(er reitet uͤber die Bruͤcke). Knechte des Rheingrafen (folgen ihm).Reißt die Bruͤcke nieder!
(ſie werfen die Bruͤcke ab). Graf vom Strahl (erſcheint in der Scene, ſein Pferd tummelnd).Hinweg! — Wollt ihr den Steg unberuͤhrt laſſen?
141 Knechte des Rheingrafen (ſchießen mit Pfeilen auf ihn).Hei! Dieſe Pfeile zur Antwort dir!
Graf vom Strahl (wendet das Pferd).Meuchelmoͤrder! — He! Flammberg!
Kaͤthchen (haͤlt eine Rolle in die Hoͤhe).Mein hoher Herr!
Graf vom Strahl (zu Flammberg).Die Schuͤtzen her!
Rheingraf (uͤber den Fluß rufend).Auf Wiederſehn, Herr Graf! Wenn ihr ſchwimmen koͤnnt, ſo ſchwimmt; auf der Steinburg, diesſeits der Bruͤcke, ſind wir zu finden.
(ab mit dem Troß). Graf vom Strahl.Habt Dank ihr Herrn! Wenn der Fluß traͤgt, ſo ſprech’ ich bei euch ein!
(er reitet hindurch). Ein Knecht (aus ſeinem Troß).Halt! zum Henker! nehmt euch in Acht!
Kaͤthchen (am Ufer zuruͤckbleibend).Herr Graf vom Strahl!
Ein anderer Knecht.Schafft Balken und Bretter her!
Ritter Flammberg.Was! biſt du ein Jud’?
142 Alle.Setzt hindurch! Setzt hindurch!
(ſie folgen ihm). Graf vom Strahl.Folgt! Folgt! Es iſt ein Forellenbach, weder breit noch tief! So recht! So recht! Laßt uns das Geſindel voͤllig in die Pfanne hauen!
(ab mit dem Troß). Kaͤthchen.Herr Graf vom Strahl! Herr Graf vom Strahl!
Gottſchalk (wendet mit dem Pferde um).Ja, was laͤrmſt und ſchreiſt du? — Was haſt du hier im Getuͤmmel zu ſuchen? Warum laͤufſt du hinter uns drein?
Kaͤthchen (haͤlt ſich an einem Stamm).Himmel!
Gottſchalk (indem er abſteigt).Komm! Schuͤrz’ und ſchwinge dich! Ich will das Pferd an die Hand nehmen, und dich hindurch fuͤhren.
Graf vom Strahl (hinter der Scene).Gottſchalk!
Gottſchalk.Gleich, gnaͤdiger Herr, gleich! Was befehlt ihr?
Graf vom Strahl.Meine Lanze will ich haben!
143 Gottſchalk (hilft das Kaͤthchen in den Steigbuͤgel).Ich bringe ſie ſchon!
Kaͤthchen.Das Pferd iſt ſcheu.
Gottſchalk (reißt das Pferd in den Zuͤgel).Steh, Mordmaͤhre! — — — So zieh dir Schuh und Struͤmpfe aus!
Kaͤthchen (ſetzt ſich auf einen Stein).Geſchwind!
Graf vom Strahl (außerhalb).Gottſchalk!
Gottſchalk.Gleich, gleich! Ich bringe die Lanze ſchon. — Was haſt du denn da in der Hand?
Kaͤthchen (indem ſie ſich auszieht).Das Futteral, Lieber, das geſtern — nun!
Gottſchalk.Was! Das im Feuer zuruͤck blieb?
Kaͤthchen.Freilich! Um das ich geſcholten ward. Fruͤh morgens, im Schutt, heut’ ſucht’ ich nach und durch Gottes Fuͤgung — — nun, ſo!
(ſie zerrt ſich am Strumpf). Gottſchalk.Je, was der Teufel! (er nimmt es ihr aus der Hand). 144 Und unverſehrt, bei meiner Treu, als waͤrs Stein! — Was ſtekt denn drinn?
Kaͤthchen.Ich weiß nicht.
Gottſchalk (nimmt ein Blatt heraus).„Acte, die Schenkung, Stauffen betreffend, von Friedrich Grafen vom Strahl“ — Je, verflucht!
Graf vom Strahl (draußen).Gottſchalk!
Gottſchalk.Gleich, gnaͤdiger Herr, gleich!
Kaͤthchen (ſteht auf).Nun bin ich fertig!
Gottſchalk.Nun, das mußt du dem Grafen geben! (er giebt ihr das Futtral wieder). Komm, reich mir die Hand, und folg’ mir! (er fuͤhrt ſie und das Pferd durch den Bach).
Kaͤthchen (mit dem erſten Schritt ins Waſſer).Ah!
Gottſchalk.Du mußt dich ein wenig ſchuͤrzen.
Kaͤthchen.Nein, Nun, Nun, bei Leibe, ſchuͤrzen nicht!
(ſie ſteht ſtill). Gottſchalk.Bis an den Zwickel nur, Kaͤthchen!
145 Kaͤthchen.Nein! Lieber ſuch’ ich mir einen Steg!
(ſie kehrt um). Gottſchalk (haͤlt ſie).Bis an den Knoͤchel nur, Kind! bis an die aͤußerſte, unterſte Kante der Sohle!
Kaͤthchen.Nein, nein, nein, nein; ich bin gleich wieder bei dir!
(ſie macht ſich los, und laͤuft weg). Gottſchalk (kehrt aus dem Bach zuruͤck, und ruft ihr nach).Kaͤthchen! Kaͤthchen! Ich will mich umkehren! Ich will mir die Augen zuhalten! Kaͤthchen! Es iſt kein Steg auf Meilenweite zu finden! — — Ei ſo wollt ich, daß ihr der Guͤrtel platzte! Da laͤuft ſie am Ufer entlang, der Quelle zu, den weißen ſchroffen Spitzen der Berge; mein Seel, wenn ſich kein Faͤhrmann ihrer erbarmt, ſo geht ſie verloren!
Graf vom Strahl (draußen).Gottſchalk! Himmel und Erde! Gottſchalk!
Gottſchalk.Ei, ſo ſchrei du! — — Hier, gnaͤdiger Herr; ich komme ſchon.
(er leitet ſein Pferd muͤrriſch durch den Bach). (ab).Scene: Schloß Wetterſtrahl. Platz, dicht mit Baͤumen bewachſen, am aͤußeren zerfallenen Mauernring der Burg. Vorn ein Hollunderſtrauch, der eine Art von natuͤrlicher Laube bildet, worunter von Feldſteinen, mit einer Strohmatte bedeckt, ein Sitz. An den Zweigen ſieht man ein Hemdchen und ein paar Struͤmpfe u. s. w. zum Trocknen aufgehaͤngt.
Zweiter Auftritt.
Kaͤthchen (liegt und ſchlaͤft). Der Graf vom Strahl (tritt auf). Graf vom Strahl (indem er das Futteral in den Buſen ſteckt).Gottſchalk, der mir dies Futteral gebracht; hat mir geſagt, das Kaͤthchen waͤre wieder da. Kunigunde zog eben, weil ihre Burg niedergebrannt iſt, in die Thore der meinigen ein; da kommt er und ſpricht: unter dem Hollunderſtrauch laͤge ſie wieder da, und ſchliefe; und bat mich, mit thraͤnenden Augen, ich moͤchte ihm doch erlauben, ſie in den Stall zu nehmen. Ich ſagte, bis der alte Vater, der Theobald ſich aufgefunden, wuͤrd’ ich ihr in der Herberge ein Unterkommen verſchaffen; und indeſſen hab’ ich mich herabgeſchlichen, um einen Entwurf mit ihr auszufuͤhren. — Ich kann dieſem Jammer nicht mehr zuſehen. Dies Maͤdchen, beſtimmt, den herrlichſten Buͤrger von Schwaben zu begluͤcken, wiſſen 147will ich, warum ich verdammt bin, ſie einer Metze gleich, mit mir herum zu fuͤhren; wiſſen, warum ſie hinter mir herſchreitet, einem Hunde gleich, durch Feuer und Waſſer, mir Elenden, der nichts fuͤr ſich hat, als das Wappen auf ſeinem Schild. — Es iſt mehr, als der bloße ſympathetiſche Zug des Herzens; es iſt irgend von der Hoͤlle angefacht, ein Wahn, der in ihrem Buſen ſein Spiel treibt. So oft ich ſie gefragt habe: Kaͤthchen! Warum erſchrackſt du doch ſo, als du mich zuerſt in Heilbronn ſahſt? hat ſie mich immer zerſtreut angeſehen, und dann geantwortet: Ei, geſtrenger Herr! ihr wißt’s ja! — — — Dort iſt ſie! — Wahrhaftig, wenn ich ſie ſo daliegen ſehe, mit rothen Backen und verſchraͤnkten Haͤndchen, ſo kommt die ganze Empfindung der Weiber uͤber mich, und macht meine Thraͤnen fließen. Ich will gleich ſterben, wenn ſie mir nicht die Peitſche vergeben hat — ach! was ſag’ ich? wenn ſie nicht im Gebet fuͤr mich, der ſie mißhandelte, eingeſchlafen! — — — Doch raſch, ehe Gottſchalk kommt, und mich ſtoͤrt. Dreierlei hat er mir geſagt: einmal, daß ſie einen Schlaf hat, wie ein Murmelthier; zweitens, daß ſie, wie ein Jagdhund, immer traͤumt, und drittens, daß ſie im Schlaf ſpricht; und auf dieſe Eigenſchaften hin, will ich meinen Verſuch gruͤnden. — Thue ich eine Suͤnde, ſo mag ſie mir Gott verzeihen.
148 (er laͤßt ſich auf Knieen vor ihr nieder und legt ſeine beiden Arme ſanft um ihren Leib. — Sie macht eine Bewegung als ob ſie erwachen wollte, liegt aber gleich wieder ſtill). Der Graf vom Strahl. Kaͤthchen! Schlaͤfſt du? Kaͤthchen. Nein, mein verehrter Herr./ (Pauſe). Graf vom Strahl. Und doch haſt du die Augenlieder zu./ Kaͤthchen. Die Augenlieder? Graf vom Strahl. Ja; und feſt, duͤnkt mich./ Kaͤthchen. — Ach, geh! Graf vom Strahl. Was! Nicht? Du haͤtt’ſt die Augen auf?/ Kaͤthchen. Groß auf, ſo weit ich kann, mein beſter Herr; / Ich ſehe dich ja, wie du zu Pferde ſitzeſt./ Graf vom Strahl. So! — Auf dem Fuchs — nicht? Kaͤthchen. Nicht doch! Auf dem Schimmel./ (Pauſe). 149 Graf vom Strahl. Wo biſt du denn, mein Herzchen? Sag mir an./ Kaͤthchen. Auf einer ſchoͤnen gruͤnen Wieſe bin ich,/ Wo Alles bunt und voller Blumen iſt./ Graf vom Strahl. Ach, die Vergißmeinnicht! Ach, die Kamillen!/ Kaͤthchen. Und hier die Veilchen; ſchau! ein ganzer Buſch./ Graf vom Strahl. Ich will vom Pferde niederſteigen, Kaͤthchen,/ Und mich ins Gras ein wenig zu dir ſetzen./ — Soll ich? Kaͤthchen. Das thu, mein hoher Herr. Graf vom Strahl (als ob er riefe). He, Gottſchalk! —/ Wo, [emendiert in ›Wo‹] [emendiert in ›Wo‹] laß ich doch das Pferd? — Gottſchalk! Wo biſt du?/ Kaͤthchen. Je, laß es ſtehn. Die Lieſe laͤuft nicht weg./ Graf vom Strahl (laͤchelt). Meinſt du? — Nun denn, ſo ſei’s! (Pauſe. — Er raſſelt mit ſeiner Ruͤſtung). Mein liebes Kaͤthchen./ (er faßt ihre Hand). 150 Kaͤthchen. Mein hoher Herr! Graf vom Strahl. Du biſt mir wohl recht gut./ Kaͤthchen. Gewiß! Von Herzen. Graf vom Strahl. Aber ich — was meinſt du?/ Ich nicht. Kaͤthchen (laͤchelnd). O Schelm! Graf vom Strahl. Was, Schelm! Ich hoff’ —? Kaͤthchen. O geh! —/ Verliebt ja, wie ein Kaͤfer, biſt du mir./ Graf vom Strahl. Ein Kaͤfer! Was! Ich glaub’ du biſt —? Kaͤthchen. Was ſagſt du?/ Graf vom Strahl (mit einem Seufzer). Ihr Glaub’ iſt, wie ein Thurm, ſo feſt gegruͤndet! —/ Sei’s! Ich ergebe mich darin. — Doch, Kaͤthchen,/ Wenn’s iſt, wie du mir ſagſt — Kaͤthchen. Nun? Was beliebt?/ 151 Graf vom Strahl. Was, ſprich, was ſoll draus werden? Kaͤthchen. Was draus ſoll werden?/ Graf vom Strahl. Ja! haſt du’s ſchon bedacht? Kaͤthchen. Je, nun. Graf vom Strahl. — Was heißt das?/ Kaͤthchen. Zu Oſtern, uͤber’s Jahr, wirſt du mich heuern./ Graf vom Strahl (das Lachen verbeißend). So! Heuern! In der That! Das wußt ich nicht!/ Kathrinchen, ſchau! — Wer hat dir das geſagt?/ Kaͤthchen. Das hat die Mariane mir geſagt./ Graf vom Strahl. So! Die Mariane! Ei! — Wer iſt denn das?/ Kaͤthchen. Das iſt die Magd, die ſonſt das Haus uns fegte./ Graf vom Strahl. Und die, die wußt’ es wiederum — von wem?/ Kaͤthchen. Die ſah’s im Blei, das ſie geheimnißvoll/ In der Sylveſternacht, mir zugegoſſen./ 152 Graf vom Strahl. Was du mir ſagſt! Da prophezeihte ſie —?/ Kaͤthchen. Ein großer, ſchoͤner Ritter wuͤrd’ mich heuern./ Graf vom Strahl. Und nun meinſt du ſo friſchweg, das ſei ich?/ Kaͤthchen. Ja, mein verehrter Herr. (Pauſe). Der Graf vom Strahl (geruͤhrt). — Ich will dir ſagen,/ Mein Kind, ich glaub’, es iſt ein Anderer./ Der Ritter Flammberg. Oder ſonſt. Was meinſt du?/ Kaͤthchen. Nein, nein! Graf vom Strahl. Nicht? Kaͤthchen. Nein, nein, nein! Graf vom Strahl. Warum nicht? Rede!/ Kaͤthchen. — Als ich zu Bett’ ging, da das Blei gegoſſen,/ In der Sylveſternacht, bat ich zu Gott,/ Wenn’s wahr waͤr, was mir die Mariane ſagte,/ Moͤgt’ er den Ritter mir im Traume zeigen./ 153 Und da erſchienſt du ja, um Mitternacht,/ Leibhaftig, wie ich jetzt dich vor mir ſehe,/ Als deine Braut mich liebend zu begruͤßen./ Graf vom Strahl. Ich waͤr dir —? Herzchen! Davon weiß ich nichts./ — Wann haͤtt’ ich dich —? Kaͤthchen. In der Sylveſternacht./ Wenn wiederum Sylveſter kommt, zwei Jahr./ Graf vom Strahl. Wo? In dem Schloß zu Strahl? Kaͤthchen. Nicht! In Heilbronn;/ Im Kaͤmmerlein, wo mir das Bette ſteht./ Graf vom Strahl. Was du da ſchwatzſt, mein liebes Kind. — Ich lag/ Und obenein todtkrank, im Schloß zu Strahl./ (Pauſe — Sie ſeufzt, bewegt ſich, und liſpelt etwas). Der Graf vom Strahl. Was ſagſt du? Kaͤthchen. Wer? Graf vom Strahl. Du! Kaͤthchen. Ich? Ich ſagte nichts./ (Pauſe). 154 Graf vom Strahl (fuͤr ſich). Seltſam, beim Himmel! In der Sylveſternacht —/ (er traͤumt vor ſich nieder). — Erzaͤhl’ mir doch etwas davon, mein Kaͤthchen!/ Kam ich allein? Kaͤthchen. Nein, mein verehrter Herr./ Graf vom Strahl. Nicht? — Wer war bei mir? Kaͤthchen. Ach, ſo geh! Graf vom Strahl. So rede!/ Kaͤthchen. Das weißt du nicht mehr? Graf vom Strahl. Nein, ſo wahr ich lebe./ Kaͤthchen. Ein Cherubim, mein hoher Herr, war bei dir,/ Mit Fluͤgeln, weiß wie Schnee, auf beiden Schultern,/ Und Licht — o Herr! das funkelte! das glaͤnzte! —/ Der fuͤhrt’, an ſeiner Hand, dich zu mir ein./ Der Graf vom Strahl (ſtarrt ſie an). So wahr, als ich will ſelig ſeyn, ich glaube, / Da haſt du recht! 155 Kaͤthchen. Ja, mein verehrter Herr./ Graf vom Strahl (mit beklemmter Stimme). Auf einem haͤrnen Kiſſen lagſt du da,/ Das Bettuch weiß, die wollne Decke roth?/ Kaͤthchen. Ganz recht! ſo wars! Graf vom Strahl. Im bloßen leichten Hemdchen?/ Kaͤthchen. Im Hemdchen? — Nein. Graf vom Strahl. Was! Nicht? Kaͤthchen. Im leichten Hemdchen?/ Graf vom Strahl. Mariane, riefſt du? Kaͤthchen. Mariane, rief ich!/ Geſchwind! Ihr Maͤdchen! Kommt doch her! Chriſtine!/ Graf vom Strahl. Sahſt groß, mit ſchwarzem Aug’, mich an?/ Kaͤthchen. Ja, weil ich glaubt’, es waͤr ein Traum. Graf vom Strahl. Stiegſt langſam,/ 156 An allen Gliedern zitternd, aus dem Bett,/ Und ſankſt zu Fuͤßen mir —? Kaͤthchen. Und fluͤſterte —/ Graf vom Strahl. (unterbricht ſie). Und fluͤſterteſt, mein hochverehrter Herr!/ Kaͤthchen (laͤchelnd). Nun! Siehſt du wohl? — Der Engel zeigte dir —/ Graf vom Strahl. Das Mal — Schuͤtzt mich, ihr Himmliſchen! Das haſt du?/ Kaͤthchen. Je, freilich! Graf vom Strahl (reißt ihr das Tuch ab). Wo? Am Halſe? Kaͤthchen (bewegt ſich). Bitte, bitte./ Graf vom Strahl. O ihr Urewigen! — Und als ich jetzt,/ Dein Kinn erhob, ins Antlitz dir zu ſchauen?/ Kaͤthchen. Ja, da kam die unſelige Mariane/ Mit Licht — — — und Alles war vorbei;/ Ich lag im Hemdchen auf der Erde da,/ Und die Mariane ſpottete mich aus./ 157 Graf vom Strahl. Nun ſteht mir bei, ihr Goͤtter: ich bin doppelt!/ Ein Geiſt bin ich und wandele zur Nacht!/ (er laͤßt ſie los und ſpringt auf). Kaͤthchen (erwacht). Gott, meines Lebens Herr! Was widerfaͤhrt mir!/ (ſie ſteht auf und ſieht ſich um). Graf vom Strahl. Was mir ein Traum ſchien, nackte Wahrheit iſt’s:/ Im Schloß zu Strahl, todtkrank am Nervenfieber,/ Lag ich danieder, und hinweggefuͤhrt,/ Von einem Cherubim, beſuchte ſie/ Mein Geiſt in ihrer Klauſe zu Heilbronn!/ Kaͤthchen. Himmel! Der Graf! (ſie ſetzt ſich den Huth auf, und ruͤckt ſich das Tuch zurecht). Graf vom Strahl. Was thu ich jetzt? Was laſſ’ ich?/ (Pauſe). Kaͤthchen (faͤllt auf ihre beiden Kniee nieder). Mein hoher Herr, hier lieg’ ich dir zu Fuͤßen,/ Gewaͤrtig deſſen, was du mir verhaͤngſt!/ An deines Schloſſes Mauer fandſt du mich,/ Trotz des Gebots, das du mir eingeſchaͤrft;/ Ich ſchwoͤr’s, es war ein Stuͤndchen nur zu ruhn,/ Und jetzt will ich gleich wieder weiter gehn./ 158 Graf vom Strahl. Weh mir! Mein Geiſt, von Wunderlicht geblendet,/ Schwankt an des Wahnſinns grauſem Hang umher!/ Denn wie begreif’ ich die Verkuͤndigung,/ Die mir noch ſilbern wiederklingt im Ohr,/ Daß ſie die Tochter meines Kaiſers ſei?/ Gottſchalk (draußen). Kaͤthchen! He, junge Maid! Graf vom Strahl (erhebt ſie raſch vom Boden). Geſchwind erhebe dich!/ Mach dir das Tuch zurecht! Wie ſiehſt du aus?/Dritter Auftritt.
Gottſchalk (tritt auf). Die Vorigen. Graf vom Strahl. Gut, Gottſchalk, daß du kommſt! Du fragteſt mich,/ Ob du die Jungfrau in den Stall darfſt nehmen;/ Das aber ſchickt aus manchem Grund ſich nicht;/ Die Friedborn zieht aufs Schloß zu meiner Mutter./ Gottſchalk. Wie? Was? Wo? — Oben auf das Schloß hinauf?/ 159 Graf vom Strahl. Ja, und das gleich! Nimm ihre Sachen auf,/ Und auf dem Pfad zum Schloſſe folg’ ihr nach./ Gottſchalk. Gott’s Blitz auch, Kaͤthchen! haſt du das gehoͤrt?/ Kaͤthchen (mit einer zierlichen Verbeugung). Mein hochverehrter Herr! Ich nehm’ es an,/ Bis ich werd’ wiſſen, wo mein Vater iſt./ Graf vom Strahl. Gut, gut! Ich werd mich gleich nach ihm erkund’gen./ (Gottſchalk bindet die Sachen zuſammen; Kaͤthchen hilft ihm). Nun? Iſt’s geſchehn? (er nimmt ein Tuch vom Boden auf, und uͤbergiebt es ihr). Kaͤthchen (erroͤthend). Was! Du bemuͤhſt dich mir?/ Gottſchalk (nimmt das Buͤndel in die Hand). Graf vom Strahl. Gieb deine Hand! Kaͤthchen. Mein hochverehrter Herr!/ (er fuͤhrt ſie uͤber die Steine; wenn ſie hinuͤber iſt, laͤßt er ſie vorangehen und folgt). (Alle ab).Scene: Garten. Im Hintergrunde eine Grotte, im gothiſchen Styl.
Vierter Auftritt.
Kunigunde (von Kopf zu Fuß in einen feuerfarbnen Schleier verhuͤllt und) Roſalie (treten auf). Kunigunde.Wo ritt der Graf vom Strahl hin?
Roſalie.Mein Fraͤulein, es iſt dem ganzen Schloß unbegreiflich. Drei kaiſerliche Commiſſarien kamen ſpaͤt in der Nacht, und weckten ihn auf; er verſchloß ſich mit ihnen, und heut, bei Anbruch des Tages ſchwingt er ſich auf’s Pferd, und verſchwindet.
Kunigunde.Schließ’ mir die Grotte auf.
Roſalie.Sie iſt ſchon offen.
Kunigunde.Ritter Flammberg, hoͤr ich, macht dir den Hof; zu Mittag, wann ich mich gebadet und angekleidet, werd’ ich dich fragen, was dieſer Vorfall zu bedeuten?
(ab in die Grotte).Fuͤnfter Auftritt.
Fraͤulein Eleonore (tritt auf) Roſalie. Eleonore.Guten Morgen, Roſalie.
Roſalie.Guten Morgen, mein Fraͤulein! — Was fuͤhrt euch ſo fruͤh ſchon hierher?
Eleonore.Ei, ich will mich mit Kaͤthchen, dem kleinen, holden Gaſt, den uns der Graf ins Schloß gebracht, weil die Luft ſo heiß iſt, in dieſer Grotte baden.
Roſalie.Vergebt! — Fraͤulein Kunigunde iſt in der Grotte.
Eleonore.Fraͤulein Kunigunde? — Wer gab euch den Schluͤſſel?
Roſalie.Den Schluͤſſel? — Die Grotte war offen.
Eleonore.Habt ihr das Kaͤthchen nicht darin gefunden?
Roſalie.Nein, mein Fraͤulein. Keinen Menſchen.
Eleonore.Ei, das Kaͤthchen, ſo wahr ich lebe, iſt drin!
Roſalie.In der Grotte? Unmoͤglich!
162 Eleonore.Wahrhaftig! In der Nebenkammern einer, die dunkel und verſteckt ſind. — Sie war vorangegangen; ich ſagte, nur, [emendiert in ›sagte nur,‹] [emendiert in ›sagte nur,‹] als wir an die Pforte kamen, ich wollte mir ein Tuch von der Graͤfin zum Troknen holen. — O Herr meines Lebens; da iſt ſie ſchon!
Sechſter Auftritt.
Kaͤthchen (aus der Grotte). Die Vorigen. Roſalie (fuͤr ſich). Himmel! Was ſeh’ ich dort? Kaͤthchen (zitternd). Eleonore!/ Eleonore. Ei, Kaͤthchen! Biſt du ſchon im Bad geweſen?/ Schaut, wie das Maͤdchen funkelt, wie es glaͤnzet!/ Dem Schwane gleich, der in die Bruſt geworfen,/ Aus des Kryſtallſees blauen Fluthen ſteigt!/ — Haſt du die jungen Glieder dir erfriſcht?/ Kaͤthchen. Eleonore! Komm hinweg. Eleonore. Was fehlt dir?/ 163 Roſalie (ſchreckenblaß). Wo kommſt du her? Aus jener Grotte dort?/ Du hatteſt in den Gaͤngen dich verſteckt?/ Kaͤthchen. Eleonore! Ich beſchwoͤre dich!/ Kunigunde (im Innern der Grotte). Roſalie! Roſalie. Gleich, mein Fraͤulein! (zu Kaͤthchen). Haſt ſie geſehn?/ Eleonore. Was giebt’s? Sag an! — Du bleichſt? Kaͤthchen (ſinkt in ihre Arme). Eleonore!/ Eleonore. Hilf, Gott im Himmel! Kaͤthchen! Kind! Was fehlt dir?/ Kunigunde (in der Grotte). Roſalie! Roſalie (zu Kaͤthchen). Nun, beim Himmel! Dir waͤr beſſer,/ Du riſſeſt dir die Augen aus, als daß ſie/ Der Zunge anvertrauten, was ſie ſahn!/ (ab in die Grotte).Siebenter Auftritt.
Kaͤthchen und Eleonore. Eleonore. Was iſt geſchehn, mein Kind? Was ſchilt man dich?/ Was macht an allen Gliedern ſo dich zittern?/ Waͤr dir der Tod, in jenem Haus, erſchienen,/ Mit Hipp’ und Stundenglas, von Schrecken koͤnnte/ Dein Buſen grimmiger erfaßt nicht ſein!/ Kaͤthchen. Ich will dir ſagen — (ſie kann nicht ſprechen). Eleonore. Nun, ſag’ an! Ich hoͤre./ Kaͤthchen. — Doch du gelobſt mir, nimmermehr, Lenore,/ Wem es auch ſei, den Vorfall zu entdecken./ Eleonore. Nein, keiner Seele; nein! Verlaß dich drauf./ Kaͤthchen. Schau, in die Seitengrotte hatt’ ich mich,/ Durch die verborgne Thuͤre eingeſchlichen;/ Das große Prachtgewoͤlb’ war mir zu hell./ Und nun, da mich das Bad erquickt, tret’ ich/ In jene groͤßre Mitte ſcherzend ein,/ 165 Und denke du, du ſeiſt’s, die darin rauſcht:/ Und eben von dem Rand ins Becken ſteigend,/ Erblickt mein Aug’ — Eleonore. Nun, was? wen? Sprich! Kaͤthchen. Was ſag’ ich!/ Du mußt ſogleich zum Grafen, Leonore,/ Und von der ganzen Sach’ ihn unterrichten./ Eleonore. Mein Kind! Wenn ich nur wuͤßte, was es waͤre?/ Kaͤthchen. — Doch ihm nicht ſagen, nein, um’s Himmels willen,/ Daß es von mir kommt. Hoͤrſt du? Eher wollt’ ich,/ Daß er den Graͤuel nimmermehr entdeckte./ Eleonore. In welchen Raͤthſeln ſprichſt du, liebſtes Kaͤthchen?/ Was fuͤr ein Graͤu’l? Was iſt’s, das du erſchaut?/ Kaͤthchen. Ach, Leonor’, ich fuͤhle, es iſt beſſer,/ Das Wort kommt uͤber meine Lippen nie!/ Durch mich kann er, durch mich, enttaͤuſcht nicht werden!/ 166 Eleonore. Warum nicht? Welch ein Grund iſt, ihm zu bergen —?/ Wenn du nur ſagteſt — Kaͤthchen (wendet ſich). Horch! Eleonore. Was giebt’s? Kaͤthchen. Es kommt!/ Eleonore. Das Fraͤulein iſt’s, ſonſt niemand, und Roſalie./ Kaͤthchen. Fort! Gleich! Hinweg! Eleonore. Warum? Kaͤthchen. Fort, Raſende!/ Eleonore. Wohin? Kaͤthchen. Hier fort, aus dieſem Garten will ich —/ Eleonore. Biſt du bei Sinnen? 167 Kaͤthchen. Liebe Leonore!/ Ich bin verlohren, wenn ſie mich hier trifft!/ Fort! In der Graͤfin Arme fluͤcht’ ich mich!/ (ab).Achter Auftritt.
Kunigunde und Roſalie (aus der Grotte). Kunigunde (giebt Roſalien einen Schluͤſſel). Hier, nimm! — Im Schubfach, unter meinem Spiegel;/ Das Pulver, in der ſchwarzen Schachtel, rechts,/ Schuͤtt’ es in Wein, in Waſſer oder Milch,/ Und ſprich: komm her, mein Kaͤthchen! — Doch du nimmſt/ Vielleicht ſie lieber zwiſchen deine Kniee?/ Gift, Tod und Rache! Mach’ es, wie du willſt,/ Doch ſorge mir, daß ſie’s hinunterſchluckt./ Roſalie. Hoͤrt mich nur an, mein Fraͤulein — Kunigunde. Gift! Peſt! Verweſung!/ Stumm mache ſie und rede nicht!/ Wenn ſie vergiftet, todt iſt, eingeſargt,/ 168 Verſcharrt, verweſ’t, zerſtiebt, als Myrthenſtengel,/ Von dem, was ſie jetzt ſah, im Winde fluͤſtert;/ So komm und ſprich von Sanftmuth und Vergebung,/ Pflicht und Geſetz und Gott und Hoͤll’ und Teufel,/ Von Reue und Gewiſſensbiſſen mir./ Roſalie. Sie hat es ſchon entdeckt, es hilft zu nichts./ Kunigunde. Gift! Aſche! Nacht! Chaotiſche Verwirrung!/ Das Pulver reicht, die Burg ganz wegzufreſſen,/ Mit Hund und Katzen hin! — Thu, wie ich ſagte!/ Sie buhlt mir ſo zur Seite um ſein Herz,/ Wie ich vernahm, und ich — des Todes ſterb’ ich,/ Wenn ihn das Affenangeſicht nicht ruͤhrt;/ Fort! In die Duͤnſte mit ihr hin: die Welt,/ Hat nicht mehr Raum genug, fuͤr mich und ſie!/ (ab)Fuͤnfter Act.
Scene: Worms. Freier Platz vor der kaiſerlichen Burg, zur Seite ein Thron; im Hintergrunde die Schranken des Gottesgerichts.Erſter Auftritt.
Der Kaiſer (auf dem Thron. Ihm zur Seite) der Erzbiſchof von Worms, Graf Otto von der Fluͤhe und mehrere andere Ritter, Herren und Trabanten. Der Graf vom Strahl (im leichten Helm und Harniſch, und) Theobald (von Kopf zu Fuß in voller Ruͤſtung; beide ſtehen dem Thron gegenuͤber). Der Kaiſer. Graf Wetterſtrahl, du haſt, auf einem Zuge,/ Der durch Heilbronn dich, vor drei Monden, fuͤhrte,/ In einer Thoͤrin Buſen eingeſchlagen;/ Den alten Vater juͤngſt verließ die Dirne,/ Und, ſtatt ſie heimzuſenden, birgſt du ſie/ Im Fluͤgel deiner vaͤterlichen Burg./ Nun ſprengſt du, ſolchen Frevel zu beſchoͤnen,/ 170 Geruͤchte, laͤcherlich und gottlos, aus;/ Ein Cherubim, der dir zu Nacht erſchienen,/ Hab’ dir vertraut, die Maid, die bei dir wohnt,/ Sei meiner kaiſerlichen Lenden Kind./ Solch eines abgeſchmackt prophet’ſchen Grußes/ Spott’ ich, wie ſich’s verſteht, und meinethalb/ Magſt du die Krone ſelbſt auf’s Haupt ihr ſetzen;/ Von Schwaben einſt, begreifſt du, erbt ſie nichts,/ Und meinem Hof’ auch bleibt ſie fern zu Worms./ Hier aber ſteht ein tiefgebeugter Mann,/ Dem du, zufrieden mit der Tochter nicht,/ Auch noch die Mutter willſt zur Metze machen;/ Denn er, ſein Lebelang fand er ſie treu,/ Und ruͤhmt des Kinds unſel’gen Vater ſich./ Darum, auf ſeine ſchweren Klagen, riefen wir/ Vor unſern Thron dich her, die Schmach, womit/ Du ihre Gruft geſchaͤndet, darzuthun;/ Auf, ruͤſte dich, du Freund der Himmliſchen:/ Denn du biſt da, mit einem Wort von Stahl,/ Im Zweikampf ihren Ausſpruch zu beweiſen!/ Graf vom Strahl (mit dem Erroͤthen des Unwillens). Mein kaiſerlicher Herr! Hier iſt ein Arm,/ Von Kraͤften ſtrotzend, markig, ſtahlgeſchient,/ Geſchickt im Kampf dem Teufel zu begegnen;/ Treff’ ich auf jene graue Scheitel dort,/ 171 Flach ſchmettr’ ich ſie, wie einen Schweizerkaͤſe,/ Der gaͤhrend auf dem Brett des Sennen liegt./ Erlaſſ’, in deiner Huld und Gnade, mir,/ Ein Maͤhrchen, aberwitzig, ſinnverwirrt,/ Dir darzuthun, das ſich das Volk aus zwei/ Ereigniſſen, zuſammen ſeltſam freilich,/ Wie die zwei Haͤlften eines Ringes, paſſend,/ Mit muͤß’gem Scharfſin, an einanderſetzte./ Begreif’, ich bitte dich, in deiner Weisheit,/ Den ganzen Vorfall der Sylveſternacht,/ Als ein Gebild des Fiebers, und ſo wenig/ Als es mich kuͤmmern wuͤrde, traͤumteſt du,/ Ich ſei ein Jud’, ſo wenig kuͤmmre dich,/ Daß ich geraſ’t, die Tochter jenes Mannes/ Sei meines hochverehrten Kaiſers Kind!/ Erzbiſchof. Mein Fuͤrſt und Herr, mit dieſem Wort, fuͤrwahr,/ Kann ſich des Klaͤgers wackres Herz beruh’gen./ Geheimer Wiſſenſchaft, ſein Weib betreffend,/ Ruͤhmt er ſich nicht; ſchau, was er der Mariane/ Juͤngſt, in geheimer Zwieſprach’, vorgeſchwatzt:/ Er hat es eben jetzo widerrufen!/ Straft um den Wunderbau der Welt ihn nicht,/ Der ihn, auf einen Augenblick, verwirrt./ Er gab, vor einer Stund’, o Theobald,/ Mir ſeine Hand, das Kaͤthchen, wenn du kommſt/ 172 Zu Strahl, in ſeiner Burg, dir abzuliefern;/ Geh’ hin und troͤſte dich und hohle ſie,/ Du alter Herr, und laß die Sache ruhn!/ Theobald. Verfluchter Heuchler, du, wie kannſt du laͤugnen,/ Daß deine Seele ganz durchdrungen iſt,/ Vom Wirbel bis zur Sohle, von dem Glauben,/ Daß ſie des Kaiſers Baͤnkeltochter ſei?/ Haſt du den Tag nicht, bei dem Kirchenſpiel,/ Erforſcht, wann ſie gebohren, nicht berechnet,/ Wohin die Stunde der Empfaͤngniß faͤllt;/ Nicht ausgemittelt, mit verruchtem Witze,/ Daß die erhabne Majeſtaͤt des Kaiſers/ Vor ſechzehn Lenzen durch Heilbronn geſchweift?/ Ein Uebermuͤthiger, aus eines Gottes Kuß, / Auf einer Furie Mund gedruͤckt, entſprungen;/ Ein glanzumfloſſner Vatermoͤrdergeiſt,/ An jeder der granitnen Saͤulen ruͤttelnd,/ In dem urew’gen Tempel der Natur;/ Ein Sohn der Hoͤlle, den mein gutes Schwerdt/ Entlarven jetzo, oder, ruͤckgewendet,/ Mich ſelbſt zur Nacht des Grabes ſchleudern ſoll!/ Graf vom Strahl. Nun, den Gott ſelbſt verdamme, gifterfuͤllter/ Verfolger meiner, der dich nie beleidigt,/ Und deines Mitleids eher wuͤrdig waͤre,/ 173 So ſei’s, Mordraufer, denn, ſo wie du willſt./ Ein Cherubim, der mir, in Glanz geruͤſtet,/ Zu Nacht erſchien, als ich im Tode lag,/ Hat mir, was laͤugn’ ich’s laͤnger, Wiſſenſchaft,/ Entſchoͤpft dem Himmelsbronnen, anvertraut./ Hier vor des hoͤchſten Gottes Antlitz ſteh’ ich,/ Und die Behauptung ſchmettr’ ich dir ins Ohr:/ Kaͤthchen Das Käthchen von Heilbronn, die dein Kind du ſagſt,/ Iſt meines hoͤchſten Kaiſers dort; komm her,/ Mich von dem Gegentheil zu uͤberzeugen!/ Der Kaiſer. Trompeter, blaſ’t, dem Laͤſterer zum Tode!/ (Trompetenſtoͤße) Theobald (zieht) Und waͤre gleich mein Schwerdt auch eine Binſe,/ Und einem Griffe, locker, wandelbar,/ Von gelbem Wachs geknetet, eingefugt,/ So wollt’ ich doch von Kopf zu Fuß dich ſpalten,/ Wie einen Giftpilz, der der Haid’ entbluͤht,/ Der Welt zum Zeugniß, Mordgeiſt, daß du logſt!/ Graf vom Strahl (er nimmt ſich ſein Schwerdt ab und giebt es weg). Und waͤr mein Helm gleich und die Stirn, die drunter,/ Durchſichtig, meſſerruͤckenduͤn, zerbrechlich,/ Die Schaale eines ausgenomm’nen Ei’s,/ 174 So ſollte doch dein Sarras, Funken ſpruͤhend,/ Abprallen, und in alle Ecken ſplittern,/ Als haͤtt’ſt du einen Diamant getroffen,/ Der Welt zum Zeugniß, daß ich wahr geſprochen!/ Hau, und laſſ’ jetzt mich ſehn, weſſ’ Sache rein?/ (er nimmt ſich den Helm ab und tritt dicht vor ihn). Theobald (zuruͤckweichend). Setz’ dir den Helm auf! Graf vom Strahl. (folgt ihm). Hau! Theobald. Setz’ dir den Helm auf!/ Graf vom Strahl (ſtoͤßt ihn zu Boden). Dich laͤhmt der bloße Blitz aus meiner Wimper?/ (er windet ihm das Schwerdt aus der Hand, tritt uͤber ihm und ſetzt ihm den Fuß auf die Bruſt). Was hindert mich, im Grimm gerechten Siegs,/ Daß ich den Fuß ins Hirn dir druͤcke? — Lebe!/ (er wirft das Schwerdt vor des Kaiſers Thron). Mag es die alte Sphynx, die Zeit, dir loͤſen,/ Das Kaͤthchen aber iſt, wie ich geſagt,/ Die Tochter meiner hoͤchſten Majeſtaͤt!/ Volk (durcheinander). Himmel! Graf Wetterſtrahl hat obgeſiegt!/ Der Kaiſer (erblaßt und ſteht auf). Brecht auf, ihr Herrn! 175 Erzbiſchof. Wohin? Ein Ritter (aus dem Gefolge). Was iſt geſchehn?/ Graf Otto. Allmaͤcht’ger Gott! Was fehlt der Majeſtaͤt?/ Ihr Herren, folgt! Es ſcheint, ihr iſt nicht wohl?/ (ab).Scene: Ebendaſelbſt. Zimmer im kaiſerlichen Schloß.
Zweiter Auftritt.
Der Kaiſer (wendet ſich unter der Thuͤr).Hinweg! Es ſoll mir niemand folgen! Den Burggrafen von Freiburg und den Ritter von Waldſtaͤtten laßt herein; das ſind die einzigen Maͤnner, die ich ſprechen will! (er wirft die Thuͤr zu). — — — Der Engel Gottes, der dem Grafen vom Strahl verſichert hat, das Kaͤthchen ſei meine Tochter: ich glaube, bei meiner kaiſerlichen Ehre, er hat Recht! Das Maͤdchen iſt, wie ich hoͤre, funfzehn Jahr alt; und vor ſechszehn Jahren, weniger drei Monaten, genau gezaͤhlt, feierte ich der Pfalzgraͤfin, meiner Schweſter, zu Ehren das große Turnier in Heilbronn! Es mogte ohnge176faͤhr eilf Uhr Abends ſein, und der Jupiter ging eben, mit ſeinem funkelnden Licht, im Oſten auf, als ich, vom Tanz ſehr ermuͤdet, aus dem Schloßthor trat, um mich in dem Garten, der daran ſtoͤßt, unerkannt, unter dem Volk, das ihn erfuͤllte, zu erlaben; und ein Stern, mild und kraͤftig, wie der, leuchtete, wie ich gar nicht zweifle, bei ihrer Empfaͤngniß. Gertrud, ſo viel ich mich erinnere, hieß ſie, mit der ich mich in einem, von dem Volk minder beſuchten, Theil des Gartens, beim Schein verloͤſchender Lampen, waͤhrend die Muſik, fern von dem Tanzſaal her, in den Duft der Linden niederſaͤuſelte, unterhielt; und Kaͤthchens Mutter heißt Gertrud! Ich weiß, daß ich mir, als ſie ſehr weinte, ein Schauſtuͤck, mit dem Bildniß Pabſt Leo’s, von der Bruſt los machte, und es ihr, als ein Andenken von mir, den ſie gleichfalls nicht kannte, in das Mieder ſteckte; und ein ſolches Schauſtuͤck, wie ich eben vernehme, beſitzt das Kaͤthchen von Heilbronn! O Himmel! Die Welt wankt aus ihren Fugen! Wenn der Graf vom Strahl, dieſer Vertraute der Auserwaͤhlten, von der Buhlerin, an die er geknuͤpft iſt, loslaſſen kann: ſo werd’ ich die Verkuͤndigung wahrmachen, den Theobald, unter welchem Vorwand es ſei, bewegen muͤſſen, daß er mir dies Kind abtrete, und ſie mit ihm verheirathen muͤſſen: will ich nicht wagen, daß der Cherub zum zweitenmal zur 177 Erde ſteige und das ganze Geheimniß, das ich hier den vier Waͤnden anvertraut, ausbringe!
(ab).Dritter Auftritt.
Burggraf von Freiburg und Georg von Waldſtaͤtten (treten auf. Ihnen folgt) Ritter Flammberg. Flammberg (erſtaunt).Herr Burggraf von Freiburg! — Seid ihr es, oder iſt es euer Geiſt? O eilt nicht, ich beſchwoͤr euch —!
Freiburg (wendet ſich).Was willſt du?
Georg.Wen ſuchſt du?
Flammberg.Meinen bejammernswuͤrdigen Herrn, den Grafen vom Strahl! Fraͤulein Kunigunde, ſeine Braut — o haͤtten wir ſie euch nimmermehr abgewonnen! Den Koch hat ſie beſtechen wollen, dem Kaͤthchen Gift zu reichen —: Gift, ihr geſtrengen Herren, und zwar aus dem abſcheulichen, unbegreiflichen und raͤthselhaften Grunde, weil das Kind ſie im Bade belauſchte!
Freiburg.Und das begreift ihr nicht?
178 Flammberg.Nein!
Freiburg.So will ich es dir ſagen. Sie iſt eine moſaiſche Arbeit, aus allen drei Reichen der Natur zuſammengeſetzt. Ihre Zaͤhne gehoͤren einem Maͤdchen aus Muͤnchen, ihre Haare ſind aus Frankreich verſchrieben, ihrer Wangen Geſundheit kommt aus den Bergwerken in Ungarn, und den Wuchs, den ihr an ihr bewundert, hat ſie einem Hemde zu danken, das ihr der Schmidt, aus ſchwediſchem Eiſen, verfertigt hat. — Haſt du verſtanden?
Flammberg.Was!
Freiburg.Meinen Empfehl an deinen Herrn!
(ab). Georg.Den meinigen auch! — Der Graf iſt bereits nach der Strahlburg zuruͤck; ſag’ ihm wenn er den Hauptſchluͤſſel nehmen, und ſie in der Morgenſtunde, wenn ihre Reize auf den Stuͤhlen liegen, uͤberraſchen wolle, ſo koͤnne er ſeine eigne Bildſaͤule werden und ſich, zur Verewigung ſeiner Heldenthat, bei der Koͤhlerhuͤtte aufſtellen laſſen!
(ab).Scene: Schloß Wetterſtrahl. Kunigundens Zimmer.
Vierter Auftritt.
Roſalie (bei der Toilette des Fraͤuleins beſchaͤftigt) Kunigunde (tritt ungeſchminkt, wie ſie aus dem Bette koͤmmt auf; bald darauf) der Graf vom Strahl. Kunigunde (indem ſie ſich bei der Toilette niederſetzt). Haſt du die Thuͤr beſorgt? Roſalie. Sie iſt verſchloſſen./ Kunigunde. Verſchloſſen! Was! Verriegelt, will ich wiſſen!/ Verſchloſſen und verriegelt, jedesmal!/ (Roſalie geht, die Thuͤr zu verriegeln; der Graf kommt ihr entgegen). Roſalie (erſchrocken). Mein Gott! Wie kommt ihr hier herein, Herr Graf?/ — Mein Fraͤulein! Kunigunde (ſieht ſich um). Wer? Roſalie. Seht, bitt’ ich euch! Kunigunde. Roſalie!/ (ſie erhebt ſich ſchnell, und geht ab).Fuͤnfter Auftritt.
Der Graf vom Strahl und Roſalie. Graf vom Strahl (ſteht wie vom Donner geruͤhrt). Wer war die unbekannte Dame? Roſalie. — Wo?/ Graf vom Strahl. Die, wie der Thurm von Piſa, hier vorbeiging? — / Doch, hoff ich, nicht —? Roſalie. Wer? Graf vom Strahl. Fraͤulein Kunigunde?/ Roſalie. Bei Gott, ich glaub’, ihr ſcherzt! Sybille, meine / Stiefmutter, gnaͤd’ger Herr — Kunigunde. (drinnen). Roſalie!/ Roſalie. Das Fraͤulein, das im Bett liegt, ruft nach mir. —/ Verzeiht, wenn ich —! (ſie holt einen Stuhl). Wollt ihr euch guͤtigſt ſetzen?/ (ſie nimmt die Toilette und geht ab).Sechſter Auftritt.
Der Graf vom Strahl (vernichtet). Nun, du allmaͤcht’ger Himmel, meine Seele,/ Sie iſt doch werth nicht, daß ſie alſo heiße!/ Das Maaß, womit ſie, auf dem Markt der Welt,/ Die Dinge mißt, iſt falſch; ſcheuſel’ge Bosheit/ Hab ich fuͤr die milde Herrlichkeit erſtanden!/ Wohin fluͤcht’ ich, Elender, vor mir ſelbſt?/ Wenn ein Gewitter wo in Schwaben tobte,/ Mein Pferd koͤnnt’ ich, in meiner Wuth, beſteigen,/ Und ſuchen, wo der Keil mein Haupt zerſchlaͤgt!/ Was iſt zu thun, mein Herz? Was iſt zu laſſen?/Siebenter Auftritt.
Kunigunde (in ihrem gewoͤhnlichen Glanz) Roſalie und die alte Sybille (die ſchwaͤchlich auf Kruͤcken, durch die Mittelthuͤr abgeht). Kunigunde. Sieh da, Graf Friederich! Was fuͤr ein Anlaß / Fuͤhrt [wird nicht emendiert in ›Führt‹, sondern beide Verse werden durchlaufend als Prosa gesetzt. Siehe Anm.] [wird nicht emendiert in ›Führt‹, sondern beide Verse werden durchlaufend als Prosa gesetzt. Siehe Anm.] euch ſo fruͤh in meine Zimmer her?/ Graf vom Strahl (indem er die Sybille mit den Augen verfolgt). Was! Sind die Hexen doppelt? 182 Kunigunde (ſieht ſich um). Wer? Graf vom Strahl (faßt ſich). Vergebt! — / Nach eurem Wohlſein wollt’ ich mich erkunden./ Kunigunde. Nun? — Iſt zur Hochzeit Alles vorbereitet?/ Graf vom Strahl (indem er naͤher tritt und ſie pruͤft). Es iſt, bis auf den Hauptpunct, ziemlich Alles —/ Kunigunde (weicht zuruͤck). Auf wann iſt ſie beſtimmt? Graf vom Strahl. Sie war’s — auf morgen./ Kunigunde (nach einer Pauſe). Ein Tag mit Sehnſucht laͤngſt von mir erharrt!/ — Ihr aber ſeid nicht froh, duͤnkt mich, nicht heiter?/ Graf vom Strahl (verbeugt ſich). Erlaubt! ich bin der Gluͤcklichſte der Menſchen!/ Roſalie (traurig). Iſt’s wahr, daß jenes Kind, das Kaͤthchen, geſtern,/ Das ihr im Schloß beherbergt habt —? Graf vom Strahl. O Teufel!/ Kunigunde (betreten). Was fehlt euch? Sprecht! 183 Roſalie (fuͤr ſich). Verwuͤnſcht! Graf vom Strahl (faßt ſich). — Das Loos der Welt!/ Man hat ſie ſchon im Kirchhof beigeſetzt./ Kunigunde. Was ihr mir ſagt! Roſalie. Jedoch noch nicht begraben?/ Kunigunde. Ich muß ſie doch im Leichenkleid, noch ſehn./Achter Auftritt.
Ein Diener (tritt auf). Die Vorigen. Diener. Gottſchalk ſchickt einen Boten, gnaͤdger Herr,/ Der euch im Vorgemach zu ſprechen wuͤnſcht!/ Kunigunde. Gottſchalk? Roſalie. Von wo? Graf vom Strahl. Vom Sarge der Verblichnen!/ Laßt euch im Putz, ich bitte ſehr, nicht ſtoͤren!/ (ab).Neunter Auftritt.
Kunigunde und Roſalie. (Pauſe). Kunigunde (ausbrechend). Er weiß, umſonſt iſt’s, Alles hilft zu nichts,/ Er hat’s geſehn, es iſt um mich gethan!/ Roſalie. Er weiß es nicht! Kunigunde. Er weiß! Roſalie. Er weiß es nicht!/ Ihr klagt, und ich, vor Freuden moͤgt’ ich huͤpfen./ Er ſteht im Wahn, daß die, die hier geſeſſen,/ Sybille, meine Mutter, ſei geweſen;/ Und nimmer war ein Zufall gluͤcklicher/ Als daß ſie juſt in eurem Zimmer war;/ Schnee, im Gebirg geſammelt, wollte ſie,/ Zum Waſchen eben euch in’s Becken tragen./ Kunigunde. Du ſahſt, wie er mich pruͤfte, mich ermaß./ Roſalie. Gleichviel! Er traut den Augen nicht! Ich bin/ So froͤhlich, wie ein Eichhorn in den Fichten!/ Laßt ſein, daß ihm von fern ein Zweifel kam;/ 185 Daß ihr euch zeigtet, groß und ſchlank und herrlich,/ Schlaͤgt ſeinen Zweifel voͤllig wieder nieder./ Des Todes will ich ſterben, wenn er nicht,/ Den Handſchuh jedem hinwirft, der da zweifelt,/ Daß ihr die Koͤnigin der Frauen ſeid./ O ſeid nicht muthlos! Kommt und zieht euch an;/ Der naͤchſten Sonne Strahl, was gilt’s begruͤßt euch,/ Als Graͤfin Kunigunde Wetterſtrahl!/ Kunigunde. Ich wollte, daß die Erde mich verſchlaͤnge!/ (ab).Scene: Das Innere einer Hoͤhle mit der Ausſicht auf eine Landſchaft.
Zehnter Auftritt.
Kaͤthchen (in einer Verkleidung, ſitzt traurig auf einem Stein, den Kopf an die Wand gelehnt) Graf Otto von der Fluͤhe, Wenzel von Nachtheim, Hans von Baͤrenklau (in der Tracht kaiſerlicher Reichsraͤthe, und) Gottſchalk (treten auf) Gefolge (zuletzt) der Kaiſer und Theobald, (welche in Maͤnteln verhuͤllt, im Hintergrunde bleiben). Graf Otto (eine Pergamentrolle in der Hand). Jungfrau von Heilbronn! Warum herbergſt du,/ Dem Sperber gleich, in dieſer Hoͤhle Raum?/ 186 Kaͤthchen (ſteht auf). O Gott! Wer ſind die Herrn? Gottſchalk. Erſchreckt ſie nicht! —/ Der Anſchlag einer Feindin, ſie zu toͤdten,/ Zwang uns, in dieſe Berge ſie zu fluͤchten./ Graf Otto. Wo iſt dein Herr, der Reichsgraf, dem du dienſt?/ Kaͤthchen. Ich weiß es nicht. Gottſchalk. Er wird ſogleich erſcheinen!/ Graf Otto (giebt ihr das Pergament). Nimm dieſe Rolle hier; es iſt ein Schreiben,/ Verfaßt von kaiſerlicher Majeſtaͤt./ Durchfleuchs und folge mir; hier iſt kein Ort,/ Jungfraun, von deinem Range, zu bewirthen;/ Worms nimmt fortan, in ſeinem Schloß, dich auf!/ Der Kaiſer (im Hintergrund). Ein lieber Anblick! Theobald. O ein wahrer Engel!/Eilfter Auftritt.
Der Graf vom Strahl (tritt auf). Die Vorigen. Graf vom Strahl (betroffen). Reichsraͤth’, in feſtlichem Gepraͤng’, aus Worms!/ Graf Otto. Seid uns gegruͤßt, Herr Graf! Graf vom Strahl. — Was bringt ihr mir?/ Graf Otto. Ein kaiſerliches Schreiben dieſer Jungfrau!/ Befragt ſie ſelbſt; ſie wird es euch bedeuten./ Graf vom Strahl. O Herz, was pochſt du? (zu Kaͤthchen). Kind, was haͤltſt du da?/ Kaͤthchen. Weiß nit, mein hoher Herr. — Gottſchalk. Gieb, gieb, mein Herzchen./ Graf vom Strahl (lieſ’t). „Der Himmel, wiſſet, hat mein Herz geſtellt,/ Das Wort des Auserwaͤhlten einzuloͤſen./ Das Kaͤthchen iſt nicht mehr des Theobalds,/ Des Waffenſchmidts, der, mir [emendiert in ›der mir‹] [emendiert in ›der mir‹] ſie abgetreten,/ Das Kaͤthchen fuͤrderhin iſt meine Tochter,/ 188 Und Katharina heißt ſie jetzt von Schwaben.“/ (er durchblaͤttert die andern Papiere). Und hier: „Kund ſei“ — Und hier: „das Schloß zu Schwabach“ —/ (kurze Pauſe). Nun moͤgt’ ich vor der Hochgebenedeyten/ In Staub mich werfen, ihren Fuß ergreifen,/ Und mit des Danks glutheißer Thraͤne waſchen./ Kaͤthchen (ſetzt ſich). Gottſchalk, hilf, ſteh mir bei; mir iſt nicht wohl!/ Graf vom Strahl (zu den Raͤthen). Wo iſt der Kaiſer? Wo der Theobald?/ Der Kaiſer (indem beide ihre Maͤntel abwerfen). Hier ſind ſie! Kaͤthchen (ſteht auf). Gott im hohen Himmel! Vater!/ (ſie eilt auf ihn zu; er empfaͤngt ſie). Gottſchalk (fuͤr ſich). Der Kaiſer! Ei, ſo wahr ich bin! Da ſteht er!/ Graf vom Strahl. Nun, ſprich du — Goͤttlicher! Wie nenn’ ich dich?/ — Sprich, las ich recht? Der Kaiſer. Beim Himmel, ja, das thatſt du!/ Die einen Cherubim zum Freunde hat,/ Der kann mit Stolz ein Kaiſer Vater ſein!/ 189 Das Kaͤthchen iſt die Erſt’ itzt vor den Menſchen,/ Wie ſie’s vor Gott laͤngſt war; wer ſie begehrt,/ Der muß bei mir jetzt wuͤrdig um ſie frein./ Graf vom Strahl (beugt ein Knie vor ihm). Nun, hier auf Knieen bitt ich: gieb ſie mir!/ Der Kaiſer. Herr Graf! Was faͤllt ihm ein? Graf vom Strahl. Gieb, gieb ſie mir!/ Welch’ andern Zweck erſaͤnn’ ich deiner That?/ Der Kaiſer. So! Meint er das? — Der Tod nur iſt umſonſt,/ Und die Bedingung ſetz’ ich dir. Graf vom Strahl. Sprich! Rede!/ Der Kaiſer (ernſt). In deinem Haus den Vater nimmſt du auf!/ Graf vom Strahl. Du ſpotteſt! Der Kaiſer. Was! du weigerſt dich? Graf vom Strahl. In Haͤnden!/ In meines Herzens Haͤnden nehm’ ich ihn!/ Der Kaiſer (zu Theobald). Nun, Alter; hoͤrteſt du? 190 Theobald (fuͤhrt ihm Kaͤthchen zu). So gieb ſie ihm!/ Was Gott fuͤgt, heißt es, ſoll der Menſch nicht ſcheiden./ Graf vom Strahl (ſteht auf, und nimmt Kaͤthchens Hand). Nun denn, zum Sel’gen haſt du mich gemacht! —/ Laßt einen Kuß mich, Vaͤter, einen Kuß nur/ Auf ihre himmelſuͤßen Lippen druͤcken./ Haͤtt’ ich zehn Leben, nach der Hochzeitsnacht,/ Opfr’ ich ſie jauchzend jedem von euch hin!/ Der Kaiſer. Fort jetzt! daß er das Raͤthſel ihr erklaͤre!/ (ab).Zwoͤlfter Auftritt.
Der Graf vom Strahl und das Kaͤthchen. Graf vom Strahl (indem er ſie bei der Hand nimmt, und ſich ſetzt). Nun denn, mein Kaͤthchen, komm! komm her, o Maͤdchen!/ Mein Mund hat jetzt dir etwas zu vertraun./ Kaͤthchen. Mein hoher Herr! Sprich! Was bedeutet mir —?/ Graf vom Strahl. Zuerſt, mein ſuͤßes Kind, muß ich dir ſagen,/ 191 Daß ich mit Liebe dir, unſaͤglich, ewig,/ Durch alle meine Sinne zugethan./ Der Hirſch, der von der Mittagsglut gequaͤlt,/ Den Grund zerwuͤhlt, mit ſpitzigem Geweih,/ Er ſehnt ſich ſo begierig nicht,/ Vom Felſen in den Waldſtrom ſich zu ſtuͤrzen,/ Den reißenden, als ich, jetzt, da du mein biſt,/ In alle deine jungen Reize mich./ Kaͤthchen (ſchamroth). Jeſus! Was ſprichſt du? Ich verſteh’ dich nicht./ Graf vom Strahl. Vergieb mir, wenn mein Wort dich oft gekraͤnkt,/ Beleidigt; meine roh mishandelnde/ Gebaͤhrde dir zuweilen weh gethan./ Denk’ ich, wie lieblos einſt mein Herz geeifert,/ Dich von mir wegzuſtoßen — und ſeh’ ich gleichwohl jetzo dich jetzo / So voll von Huld und Guͤte vor mir ſtehn,/ Sieh, ſo kommt Wehmuth, Kaͤthchen, uͤber mich,/ Und meine Thraͤnen halt’ ich nicht zuruͤck./ (er weint). Kaͤthchen (aͤngſtlich). Himmel! Was fehlt dir? Was bewegt dich ſo?/ Was haſt du mir gethan? Ich weiß von nichts./ Graf vom Strahl. O Maͤdchen, wenn die Sonne wieder ſcheint,/ 192 Will ich den Fuß in Gold und Seide legen,/ Der einſt auf meiner Spur ſich wund gelaufen./ Ein Baldachin ſoll dieſe Scheitel ſchirmen,/ Die einſt der Mittag hinter mir verſengt./ Arabien ſoll ſein ſchoͤnſtes Pferd mir ſchicken,/ Geſchirrt in Gold, mein ſuͤßes Kind zu tragen,/ Wenn mich in’s Feld der Klang der Hoͤrner ruft;/ Und wo der Zeiſig ſich das Neſt gebaut,/ Der zwitſchernde, in dem Hollunderſtrauch,/ Soll ſich ein Sommerſitz dir auferbaun,/ In heitern, weitverbreiteten Gemaͤchern,/ Mein Kaͤthchen, kehr’ ich wieder, zu empfangen./ Kaͤthchen. Mein Friederich! Mein angebeteter!/ Was ſoll ich auch von dieſer Rede denken?/ Du willſt? — Du ſagſt? — (ſie will ſeine Hand kuͤſſen). Graf vom Strahl (zieht ſie zuruͤck). Nichts, nichts, mein ſuͤßes Kind./ (er kuͤßt ihre Stirn). Kaͤthchen. Nichts? Graf vom Strahl. Nichts. Vergieb. Ich glaubt’, es waͤre morgen./ 193 — Was wollt’ ich doch ſchon ſagen? — Ja, ganz recht,/ Ich wollte dich um einen Dienſt erſuchen./ (er wiſcht ſich die Thraͤnen ab). Kaͤthchen (kleinlaut). Um einen Dienſt? Nun, welchen? Sag nur an. / (Pauſe). Graf vom Strahl. Ganz recht. Das war’s. — Du weißt, ich mache morgen Hochzeit./ Es iſt zur Feier Alles ſchon bereitet;/ Am naͤchſten Mittag bricht der Zug,/ Mit meiner Braut bereits zum Altar auf./ Nun ſann’ ich mir ein Feſt aus, ſuͤßes Maͤdchen,/ Zu welchem du die Goͤttin ſpielen ſollſt./ Du ſollſt, aus Lieb’ zu deinem Herrn, fuͤr morgen/ Die Kleidung, die dich deckt, bei Seite legen,/ Und in ein reiches Schmuckgewand dich werfen,/ Das Mutter ſchon fuͤr dich zurecht gelegt./ — Willſt du das thun? Kaͤthchen (haͤlt ihre Schuͤrze vor die Augen). Ja, ja, es ſoll geſchehn./ Graf vom Strahl. Jedoch recht ſchoͤn; hoͤrſt du? Still aber praͤchtig!/ Recht, wie’s Natur und Weiſ’ in dir erheiſcht./ Man wird dir Perlen und Smaragden reichen;/ Gern moͤgt’ ich daß du alle Fraun im Schloß,/ 194 Selbſt noch die Kunigunde uͤberſtrahlſt. —/ Was weinſt du? Kaͤthchen. — Ich weiß nicht, mein verehrter Herr./ Es iſt in’s Aug’ mir was gekommen. Graf vom Strahl. Ins Auge? Wo? / (er kuͤßt ihr die Thraͤnen aus den Augen). Nun komm nur fort. Es wird ſich ſchon erhellen./ (er fuͤhrt ſie ab).Scene: Schloßplatz, zur Rechten, im Vordergrund, ein Portal. Zur Linken, mehr in der Tiefe, das Schloß, mit einer Rampe. Im Hintergrund’ die Kirche.
Dreizehnter Auftritt.
(Marſch. Ein Aufzug). Ein Herold (eroͤfnet ihn; darauf) Trabanten. Ein Baldachin (von) vier Mohren (getragen. In der Mitte des Schloßplatzes ſtehen) der Kaiſer, der Graf vom Strahl, Theobald, Graf Otto von der Fluͤhe, der Rheingraf vom Stein, der Burggraf von Freiburg (und das) uͤbrige Gefolge des Kaiſers (und empfangen den Baldachin. Unter dem Portal, rechts) 195 Fraͤulein Kunigunde von Thurneck (im Brautſchmuck, mit ihren) Tanten und Vettern (um ſich dem Zuge anzuſchließen. Im Hintergrunde) Volk (worunter) Flammberg, Gottſchalk, Roſalie u. s. w. Der Graf vom Strahl.Halt hier, mit dem Baldachin! — Herold, thue dein Amt!
Der Herold (ableſend).»Kund und zu wiſſen ſei hiermit jedermann, daß der Reichsgraf, Friedrich Wetter vom Strahl, heut ſeine Vermaͤhlung feiert, mit Katharina, Prinzeſſin von Schwaben, Tochter unſers durchlauchtigſten Herrn Herrn und Kaiſers. Der Himmel ſegne das hohe Brautpaar, und ſchuͤtte das ganze Fuͤllhorn von Gluͤck, das in den Wolken ſchwebt, uͤber ihre theuren Haͤupter aus! [emendiert in ›aus!“‹] [emendiert in ›aus!“‹]
Kunigunde (zu Roſalie).Iſt dieſer Mann beſeſſen, Roſalie?
Roſalie.Beim Himmel! Wenn er es nicht iſt, ſo iſt es darauf angelegt, uns dazu zu machen. —
Burggraf von Freiburg.Wo iſt die Braut?
Ritter von Thurneck.Hier, ihr verehrungswuͤrdigen Herren!
196 Freiburg.Wo?
Thurneck.Hier ſteht das Fraͤulein, unſere Muhme, unter dieſem Portal!
Freiburg.Wir ſuchen die Braut des Grafen vom Strahl. — Ihr Herren, an euer Amt! Folgt mir und laßt uns ſie holen.
(Burggraf von Freiburg, Georg von Waldſtaͤtten und der Rheingraf vom Stein, beſteigen die Rampe und gehen ins Schloß). Die Herren von Thurneck.Hoͤlle, Tod und Teufel! Was haben dieſe Anſtalten zu bedeuten?
Vierzehnter Auftritt.
Kaͤthchen (im kaiſerlichen Brautſchmuck, gefuͤhrt von) Graͤfin Helena und Fraͤulein Eleonore (ihre Schleppe von) drei Pagen (getragen; hinter ihr) Burggraf von Freiburg u. s. w. (ſteigen die Rampe herab). Graf Otto.Heil dir, o Jungfrau!
197 Ritter Flammberg und Gottſchalk.Heil dir, Kaͤthchen von Heilbronn, kaiſerliche Prinzeſſin von Schwaben!
Volk.Heil dir! Heil! Heil dir!
Herrnſtadt und von der Wart (die auf dem Platz geblieben).Iſt dies die Braut?
Freiburg.Dies iſt ſie.
Kaͤthchen.Ich? Ihr hohen Herren! Weſſen?
Der Kaiſer.Deſſen, den dir der Cherub geworben. Willſt du dieſen Ring mit ihm wechſeln?
Theobald.Willſt du dem Grafen deine Hand geben?
Graf vom Strahl (umfaßt ſie)Kaͤthchen! Meine Braut! Willſt du mich?
Kaͤthchen.Schuͤtze mich Gott und alle Heiligen!
(ſie ſinkt; die Graͤfin empfaͤngt ſie) Der Kaiſer.Wohlan, ſo nehmt ſie, Herr Graf vom Strahl, und fuͤhrt ſie zur Kirche!
(Glockenklang). 198 Kunigunde.Peſt, Tod und Rache! Dieſen Schimpf ſollt ihr mir buͤßen!
(ab, mit Gefolge). Der Graf vom Strahl.Giftmiſcherin!
(Marſch: Der Kaiſer ſtellt ſich mit Kaͤthchen und dem Grafen vom Strahl unter den Baldachin; die Damen und Ritter folgen. Trabanten beſchließen den Zug. — Alle ab). Ende.Seite 119, fuͤnfte Zeile von unten, lies: Schuͤrze. ſtatt Schaͤrpe.
S. 172 funfzehnte Zeile von oben, lies: Ein Uebermuͤthiger, ſtatt Verwegener, du