[229] An Marie v. Kleist, d. 10. November 1811
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Deine Briefe haben mir das Hertz Herz Herz zerspalten, meine theuerste Marie, und wen wenn es in meiner Macht gewesen wäre, so versichre ich Dich, ich würde den Entschluß zu sterben sterben, den ich gefaßt habe habe, habe, wieder aufgegeben haben. Aber ich schwöre Dir, es ist mir ganz unmöglich länger zu leben; meine Seele ist so wund, daß mir, ich mögte fast sagen, wen wenn ich die Nase aus dem Fenster stecke, das Tageslicht wehe thut, das mir darauf schimmert. Das wird mancher für Krankheit und überspant überspannt halten; nicht aber Du, die fähig ist ist, die Welt auch aus andern Standpuncten Standpunkten zu betrachten betrachten, als aus dem Deinigen. Dadurch, Dadurch daß ich mit Schönheit und Sitte, seit meiner frühsten frühesten Jugend an, in [MA II 992] meinen Gedancken Gedanken Gedanken und Schreibereien, unaufhörlichen Umgang geflogen geflogen, gepflogen bin ich so empfindlich geworden, daß mich die kleinsten Angriffe, denen das Gefühl jedes Menschen nach dem Lauf der Dinge hiniden hinieden ausgesezt ausgesetzt ausgesetzt ist, doppelt und dreifach schmerzen. [Absatz] So versichre versichere ich Dich, wolte wollte [Sperrdruck ›wollte ... empfunden habe;‹] wollte ich doch lieber zehnmal den Tod erleiden, als noch einmal wieder erleben, was ich das leztemal letztemal in Frankfurt an der Mittagstafel zwischen meinen beiden Schwestern, besonders als die alte Wackern darzukam dazukam, darzukam, darzukam, empfunden habe; laß es Dir nur einmal gelegentlich von Ulriken erzählen. Ich habe meine Geschwister immer, zum Theil wegen ihrer gutgearteten Persönlichkeiten, zum Theil wegen der Freundschafft, Freundschaft, die sie für mich hatten, von Herzen lieb gehabt; so wenig ich davon gesprochen habe, so gewiß ist es, daß es einer meiner herzlichsten und innigsten Wünsche war war, ihnen einmal, durch meine [BKA IV/3 719] Arbeiten und Wercke, Werke, recht viel Freude und Ehre zu machen. Nun ist es zwar [Heimböckel:1999 (Reclam) 504] wahr, es war in den lezten letzten letzten letzten Zeiten, von mancher Seite her, gefährlich, sich mit mir einzulassen, und ich klage sie desto weniger an, sich von mir zurückgezogen zu haben, je mehr ich die Noth des Ganzen bedencke, bedenke, die zum Theil auch auf ihre ihren ihren Schultern ruhte; aber [Sperrdruck ›aber ... Vergangenheit. —‹] der Gedancke, Gedanke, Gedanke, das Ver[DKV IV 509] dienst, das ich doch zulezt, zulezt zuletzt es sey sei nun groß [SE:1993 II 884] oder klein, habe, gar nicht anerkant anerkannt zu sehn, und mich von ihnen als ein ganz nichtsnütziges nichtsnutziges Glied der menschlichen Gesellschafft, Gesellschaft, das keiner Theilnahme mehr werth sey sei, sei, betrachtet zu sehn, sehen, ist mir überaus schmertzhaft, schmerzhaft, wahrhaftig wahrhaftig, es er raubt mir nicht nur die Freuden Freuden, die ich von der Zukunft hoffte, sondern es er vergiftet mir auch die Vergangenheit. –
Die Allianz, die der König jezt jetzt jetzt mit den Franzosen schließt, ist auch nicht eben gemacht gemacht, mich im Leben festzuhalten. Mir waren die Gesichter der Menschen schon jezt jezt, jetzt, wen wenn ich ihnen begegnete begnete begegnete, zuwieder, zuwider, nun würde mich gar, wen wenn sie mir auf der Straße begnegeten, begegneten, eine körperliche Empfindung anwandeln, die ich hier nicht nennen mag. Es ist zwar wahr wahr, wahr, es fehlte fehlt mir sowohl als ihnen an Kraft, die Zeit wieder einzurücken; einzurenken; ich fühle aber zu wohl, daß der Wille, der in meiner Brust lebt, etwas Anderes ist, als der Wille derer, die diese witzige Bemerkung machen: dergestalt, daß ich mit ihnen nichts mehr zu schaffen haben mag. Was [Sperrdruck ›Was soll ... kommen kan. —‹] soll man doch, wen wenn der König diese Allianz abschließt, länger bey bey.[sic] bei ihn ihm ihm machen? Die Zeit ist ja [MA II 993] vor der Thür Thür, Thür, wo man wegen der Treue gegen ihn, der Aufopferung und Standhaftigkeit und aller andern bürgerlichen Tugenden, von ihn ihm ihm selbst gerichtet, an den Galgen kommen kan. kann. –
Rechne hinzu, hiezu, daß ich eine Freundin Freundinn gefunden habe, deren [fehlt: ›deren Seele ... gefunden habe;‹] Seele wie ein junger Adler fliegt, wie ich noch in meinem Leben nichts ähnliches gefunden habe; die meine Traurigkeit als eine höhere, festgewurzelte und unheilbare begreift, und deshalb, obschon sie Mittel genug genung[sic] in Händen hätte mich hier zu beglücken beglücken, mit mir sterben will, will; die mir die unerhörte Lust gewährt, sich sich, um dieses Zweckes Willen, so leicht aus einer ganz wunschlosen Lage, wie ein Veilchen aus einer Wiese Wiese, heraus herausheben heben [] zu lassen; die einen Vater, der [Heimböckel:1999 (Reclam) 505] sie anbetet, einen Mann Mann, Mann, der großmüthig genug war sie mir abtreten zu wollen, ein Kind, so schön und schöner als die Morgensonne, nur um meinetwillen verläßt: und Du wirst begreiffen, begreifen, daß meine ganze jauchzende Sorge nur sein kan, kann, einen Abgrund tief genug zu finden finden, um mit ihr hinab zustürtzen. — hinabzustürtzen. hinab zu stürzen. — Adieu noch einmal! — einmal!