[216] An Friedrich Wilhelm III. von Preußen, d. 17. Juni 1811
Alle Textversionen sind inhaltlich identisch. Die Handschrift wird in konstituierter und emendierter Fassung dargestellt (eine textkritische Darstellung ist in Planung). Alle Emendationen sind im Anhang einzeln verzeichnet.
Die
Fassung Handschrift zeigt die emendierte Wiedergabe der Handschrift. Der originale Zeilenfall ist beibehalten. Diese Fassung wird wegen der Zeilenlänge auf Smartphones nicht angezeigt.
In der Textversion ohne originalen Zeilenfall wird der Zeilenfall mit einem Schrägstrich / angezeigt, die Zeile wird aber nicht umbrochen. Die Zeilenzahl wird alle 10 Zeilen angezeigt.
In der Textversion ohne langes ſ sind das lange ſ und historische Umlautformen der heutigen Darstellungsweise angepasst. Der originale Zeilenumbruch wird nicht angezeigt, Seitenumbrüche bleiben erhalten.
Ew. Königlichen Majestät erhabenem Thron unterstehe ich mich, in einem Fall, der für mein ferneres Fortkommen im Vaterlande von der höchsten Wichtigkeit ist, mit folgender unterthänigsten Bitte um allerhöchste Gerechtigkeit, zu nahen. Sr. Excellenz , der HE. Staatskanzler, Freiherr v. Hardenberg , ließen mir, im November vorigen Jahres, bei Gelegenheit eines in dem Journal: das Abendblatt , enthaltenen [Heimböckel:1999 (Reclam) 489] Aufsatzes , der das Unglück hatte, denenselben zu misfallen , durch den damaligen Präsidenten der Polizei, HE. Gruner , und späterhin noch einmal wiederholentlich durch den HE. Regierungsrath von Raumer , die Eröffnung machen, daß man dies Institut mit Geld unterstützen wolle, wenn ich mich entschließen könne, dasselbe so, wie es den Interessen der Staatskanzlei gemäß wäre, zu redigiren . Ich, der keine anderen Interessen , als die Ew. Königlichen Majestät , welche, wie immer, so auch diesmal, mit denen der Nation völlig zusammenfielen, berücksichtigte , weigerte mich anfangs, auf dieses Anerbieten einzugehen; da mir jedoch, in Folge dieser Verweigerung, von Seiten der Censurbehörde solche Schwierigkeiten in den Weg gelegt wurden, die es mir ganz unmöglich machten, das Blatt in [DKV IV 494] seinem früheren Geiste fortzuführen, so bequemte ich mich endlich nothgedrungen in diesen Vorschlag: leistete aber in einem ausdrücklichen Schreiben an den Präsidenten, HE. Gruner , vom 8t Dec. v. J. auf die mir angebotene Geldunterstützung ehrfurchtsvoll Verzicht, und bat [2] [BKA IV/3 649] mir bloß, zu einiger Entschädigung, [SE:1993 II 870] wegen beträchtlich dadurch verminderten Absatzes, der zu erwarten war, die Lieferung officieller das Publicum interessirender Beiträge [MA II 978] von den Landesbehörden aus. Von dem Augenblick an, da Sr. Excellenz mir dies versprachen, gab das Blatt den ihm eignen Charakter von Popularität gänzlich auf; dasselbe trat unter unmittelbare Aufsicht der Staatskanzlei, und alle Aufsätze, welche die Staatsverwaltung und Gesetzgebung betrafen, giengen zur Prüfung des HE. Regierungsraths von Raumer . Gleichwohl blieben jene officiellen Beiträge, ohne welche, bei so verändertem Geiste, das Blatt auf keine Weise bestehen konnte , gänzlich aus; und obschon ich weit entfernt bin, zu behaupten, daß Sr. Excellenz Absicht war, dies Blatt zu Grunde zu richten, so ist doch gewiß, daß die gänzliche Zugrundrichtung desselben , in Folge jener ausbleibenden officiellen Beiträge, erfolgte, und daß mir daraus ein Schaden von nicht weniger als 800 Rth. Thl. Rth Rth jährlich erwuchs, worauf das Honorar mit mei[Heimböckel:1999 (Reclam) 490] nem Verleger festgesetzt war. Wenn ich nun gleich, wie schon erwähnt, Anfangs jede Geldunterstützung gehorsamst von mir ablehnte, so war doch nichts natürlicher, als daß ich jetzt, wegen des Verlusts meines ganzen Einkommens, wovon ich lebte, bei Sr. Excellenz um eine Entschädigung einkam. Aber wie groß war mein Befremden, zu sehen, daß man jene Verhandlungen mit der Staatskanzlei, auf welche ich mich berief, als eine lügenhafte Erfindung von mir behandelte und mir, als einem Zudringlichen, Unbescheidenen und Überlästigen, mein Gesuch [3] [BKA IV/3 650] um Entschädigung gänzlich abschlug! Sr. Excellenz haben nun zwar, auf diejenigen Schritte, die ich deshalb gethan , in ihrem späterhin erfolgten Schreiben vom 18t Aprill d. J. , im Allgemeinen mein Recht, eine Entschädigung zu fordern, gnädigst anerkannt; [DKV IV 495] über die Entschädigung selbst aber, die man mir durch eine Anstellung zu bewirken einige Hoffnung machte, ist, so dringend meine Lage auch solches erfordert, bis diesen Augenblick noch nichts verfügt worden, und ich dadurch schon mehr als einmal dem traurigen Gedanken nahe gebracht worden, mir im Ausland mein Fortkommen suchen zu müssen. Zu Ew. Königlichen Majestät Gerechtigkeit und Gnade flüchte ich mich nun mit der allerunterthänigsten Bitte, Sr. Excellenz , dem HE. Staatskanzler aufzugeben, mir eine Anstellung im Civildienst anweisen zu lassen, oder aber, falls eine solche Stelle nicht [SE:1993 II 871] unmittelbar, wie sie für meine Verhältnisse paßt, auszumitteln sein sollte, mir wenigstens unmittelbar ein Wartegeld auszu[MA II 979] setzen , das, statt jenes besagten Verlusts, als eine Entschädigung gelten kann. Auf diese allerhöchste Gnade glaube ich um so mehr einigen Anspruch machen zu dürfen, da ich durch den Tod der verewigten Königinn Majestät , welche meine unvergeßliche Wohlthäterinn war, eine Pension verloren habe, welche Höchstdieselbe mir, zu Begründung einer unabhängigen Existenz und zur Aufmunterung in meinen litterarischen Arbeiten, aus ihrer Privat-Chatouille auszahlen ließ.
[Heimböckel:1999 (Reclam) 491]
Der
ich
in
der
allertiefsten
Unterwerfung
und
Ehrfurcht
ersterbe ,
Ew.
Königlichen
Majestät ,
allerunterthänigster
Heinrich
von
Kleist .
Berlin ,
d.
17t
Juni ,
1811 .
Mauerstraße
N. 53 .