[153a] An Joseph von Buol, d. 22. Mai 1809
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Den erſten Augenblick, da mein Herz ſich ein wenig erhebt, benutze ich, um Ihnen zu ſchreiben. — Wir kamen, da mich das Fieber wieder überfiel, erſt den dritten Tag nach unſrer Abreiſe von Znaÿm, hier in Stockerau an. Hier hatten wir, wegen unſrer Päſſe, eine ſo ſtrenge Cenſur zu beſtehen, daß wir unſre Abſicht, weiter vorzudringen, aufgaben, und mit der Erlaubniß, hier verweilen zu dürfen, vor der Hand zufrieden waren.
Die fünf Tage, die wir nun, voll von im̅er getäuſchten Erwartungen der Dinge, die da kom̅en ſollten, in dieſem Orte zugebracht haben, gehören mit zu den traurigſten, deren ich mich erinnre. Der Mangel aller Begebenheiten, in Augenblicken, da das Schickſal von Deutſchland entſchieden werden ſollte, ſchien faſt, meine letzten Hoffnungen niederſchlagen zu wollen; und ſchon fieng ich an, einem Gerücht, daß die Friedens-Unterhandlungen eröffnet wären, wieder Glauben beizumeſſen. Doch der Donner der Kanonen, der ſich [2] ſeit geſtern wieder hören läßt, hat mich eines Anderen belehrt.
Ich eile, Ihnen nunmehr über das, was geſtern an der Donau, vorläufigen Gerüchten gemäß, vorgefallen ſein ſoll, Nachricht zu geben.
Die Franzoſen ſind bei Aspern an der Donau geſtern d. 21t über dieſen Fluß gegangen. Es ſoll ihnen geglückt ſein, 60000 auf das diesſeitige Ufer herüber zu bringen. Der Erzherzog Carl hat ſie empfangen, von ihrer Brücke, mit ſtürmender Hand, abgeſchnitten, und die Brücke ſelbſt, mit Flößen, die mit Steinen beladen waren, zerſtört. Das franzöſiſche Corps ſcheint ſich indeſſen mit Nachdruck gewehrt zu haben. Wenigſtens hat heute, mit Anbruch des Tages, der Kanonendonner, mit erneuter Heftigkeit, wieder angefangen, und es ſind mehrere Truppen auf das Schlachtfeld hinbeordert worden. Stadt Enzersdorf, Kakeran und Hirſchſtädten ſind von den Franzosen angeſteckt und geplündert worden; wir haben den Rauch hier ſehen können. Eben jetzt ſind mehrere Stockerauer Bürger nach Langen-Enzersdorf geſchickt worden, um Nachrichten einzuziehen; und wir gehen auch, mit einem von ihnen, dahin ab. Sobald wir zurückkom̅en, hören Sie mehr. [3] Adieu, Adieu, ich muß ſchließen, weil der Wagen, der uns dahin führen ſoll, angeſpannt wird.
HvKleiſt Stockerau, d. 22t Mai 9.
N. S. Was macht der Obriſt Kneſebeck? Viele Empfehlungen an ihn — ich hoffe bald in Wien zu ſein, wohin Sie mir, ſobald es offen iſt, ſchreiben können.