[101] An Ulrike v. Kleist, d. 31. Dezember 1806
Alle Textversionen sind inhaltlich identisch. Die Handschrift wird in konstituierter und emendierter Fassung dargestellt (eine textkritische Darstellung ist in Planung). Alle Emendationen sind im Anhang einzeln verzeichnet.
Die
Fassung Handschrift zeigt die emendierte Wiedergabe der Handschrift. Der originale Zeilenfall ist beibehalten. Diese Fassung wird wegen der Zeilenlänge auf Smartphones nicht angezeigt.
In der Textversion ohne originalen Zeilenfall wird der Zeilenfall mit einem Schrägstrich / angezeigt, die Zeile wird aber nicht umbrochen. Die Zeilenzahl wird alle 10 Zeilen angezeigt.
In der Textversion ohne langes ſ sind das lange ſ und historische Umlautformen der heutigen Darstellungsweise angepasst. Der originale Zeilenumbruch wird nicht angezeigt, Seitenumbrüche bleiben erhalten.
Ich muß dich bitten, meine theuerſte Ulrike, ſogleich an die Kleiſten zu ſchreiben. Ich ſchicke Briefe ohne Ende an ſie ab, und weiß nicht mehr, ob ſie lebt, oder todt iſt. Die Kleiſten beſitzt 30 Louisd’or von mir, Penſion von der K... K[önigin] , für die verfloſſenen Monate Aprill bis Septbr. Hiervon hat ſie zwar 10 Louisd’or, wie ſie mir kurz vor dem Kriege ſchrieb, an Rüh[MA II 861] len geliehen; doch dieſe 10 Louid’or ſind einkaſſirt, oder es ſind doch wenigſtens 20 Louisd’or bei ihr in Caſſa. Ich brauchte dies Geld bisher nicht, theils, weil ich im Frühjahr von ihr 20, vom Decmbr. vorigen Jahres bis März geſammelte, Louisd’or erhielt, theils auch, weil ich noch [2] [BKA IV/2 453] einige Monate lang Diäten vom fr. fr[änkiſchen] Departement zog. Nun aber ſetzt mich dieſer Krieg, der uns auf eine ſo unglaubliche Art ünglucklich unglücklich überraſcht, in große Verlegenheit. Nicht ſowohl dadurch, daß nun vom October aus [SE:1993 II 775] wahrſcheinlich dieſe Penſion ganz aufhören wird: denn ich hatte nicht ſo darauf gerechnet, daß ſie zu meinem Fortkommen ganz unerlaßlich geweſen wäre. Da ſie mich ein Jahr lang durchgeholfen hat, ſo hat ſie gewiſſermaßen ihre Wirkung gethan. Aber dadurch, daß der Poſtencurs geſtört iſt, und ich weder dies Geld, noch auch Manuſcripte, die ich nach Berlin geſchickt hatte, oder ihren Werth, erhalten kann. Ich bitte dich alſo, der Kleiſten zu ſagen (wenn ſie noch lebt! ich weiß nicht, [3] [BKA IV/2 454] was ich für eine unglückliche Ahndung habe) — daß ſie mir dies Geld, durch Anweiſung oder durch einen Wechſel, in die Hände ſchaffe. Wie wäre es, wenn ſie es nach Schorin ſchickte? Oder nach Frankfurt? Sollte Stojentin nicht dort eine Zahlung haben? Könnte er nicht das Geld in Stolpe, oder in Danzig, zahlen? Oder in [Heimböckel:1999 (Reclam) 378] Falkenburg, da Borks aus Falkenburg hier ſind, und ſie vielleicht eine Anweiſung von ihm, aus Gefälligkeit, reſpektiren würden? Oder giebt es irgend eine andere Art, mir dazu zu verhelfen, da die directe Überſchickung [DKV IV 369] auf der Poſt unmöglich iſt? Intereſſire dich ein wenig für dieſe Sache mein liebſtes Ulrikchen. Ich habe auf das Äußerſte angeſtanden, dich damit zu beunruhigen, indem ich von Tage zu Tage auf Nachrichten von der [4] [BKA IV/2 457] Kleiſten wartete; doch die Noth iſt jetzt dringend, und dieſer Schritt nicht mehr auszuweichen. Wenn ich inzwiſchen das Geld nicht in vier bis ſechs Wochen ſpätſtens erhalten kann, ſo iſt es mir lieber, wenn es bleibt, wo es iſt, indem ich mich alsdann ſchon hier durch den Buchhandel werde geholfen haben: obſchon dies auch, bei ſeinem jetzigen Zuſtande, nicht anders, als mit Aufopferungen geſchehen kann. Mache dir nur keine Sorgen, es wäre zu weitläufig, dir auseinander zu ſetzen, warum du ruhig ſein darfſt, ich verſichre dich, daß ohne dieſe zufälligen Umſtände, meine Lage gut wäre, und daß ich dir, wenn der Krieg [MA II 862] nicht gekommen wäre, in Kurzem Freude gemacht haben würde. Ich gebe es auch jetzt noch nicht auf, und bin dein treuer Bruder Heinrich. d. 31t Decb. [Königsberg] Decb. [1806] #
# Schicke dieſen ganzen Brief der Kleiſten, damit ſie doch endlich einmal wieder etwas von meiner Hand ſieht. / /