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1811. No. 13.
Berliner Abendblaͤtter.
Berlin, den 16ten Januar 1811.
Polizeiliche Tages⸗Mittheilungen.
Vorgeſtern Abend iſt eine unbekannte Mannsperſon von 30–40 Jahren an einem Baum im Thiergarten erhenkt gefunden worden.
Geſtern Nachmittag gegen 2 Uhr brach in der Farbeküche eines hieſigen Kattun⸗Fabrikanten in der Köpenickerſtraße Feuer aus, welches jedoch ohne Lärmſchlagen durch die Train⸗Magazin⸗Spritze, welche ein Viktualienhändler mit ſeinen Pferden herbeigeholt hatte, ſchleunigſt gelöſcht wurde. Die fehlerhafte Einrichtung des Rauchfanggewölbes hat, nach Ausweis der vorgenommenen Unterſuchung, der Flamme den Durchgang geſtattet.
Ein hieſiges Dienſtmädchen hat ſich geſtern Abend um 8½ Uhr mit einer Flinte erſchoſſen. Früherhin hat daſſelbe einen Anfall von Wahnſinn gehabt, und ihre Herrſchaft ließ ſie durch einen hieſigen Arzt kuriren. Sie war indeß nicht ganz wieder hergeſtellt und deshalb vor 8 Tagen aus dem Dienſte entlaſſen worden.
Geſtern kam ſie in die Wohnung ihrer Herrſchaft zurück, um die Wäſche an ihre Nachfolgerinn im Dienſte zu übergeben, und bei dieſer Gelegenheit verſchaffte ſie ſich das benöthigte Pulver ⁊c. aus einem verſchloſſenen Behältniß. Die Kugel iſt durchs Herz aufwärts und durch die Decke des Zimmers gegangen. Sie hinterläßt noch einiges Vermögen, und ſoll mit einem hieſigen wohlhabenden Schuhmachermeiſter verlobt ſein.
An dem Fußſteige, welcher von der Invalidennach der Gartenſtraße führt, iſt ein im Invaliden⸗ 50 Hauſe wohnender Invalide in der vorigen Nacht an einem Weidenbaum erhenkt gefunden worden.
Bülletin der öffentlichen Blätter.
Genua, den 25. December.
In der Weihnachtsnacht um 1½ Uhr ſpürte man zu Genua einen leichten Erdſtoß, der 8 bis 10 Sekunden dauerte. Die Glocken läuteten, die Meubeln wankten hin und her, und einige alte Häuſer bekamen Riſſe. Zu Verona war der Erdſtoß heftiger, und dauerte von Norden gegen Süden 10 Sekunden. Ein Donnern in der Atmosphäre ging vorher und ein Haus fiel ein.
Wien, den 2. Jan.
Wie man vernimmt, wird in kurzer Zeit Se. Kaiſerl. Hoh. der Kronprinz mündig erklärt werden, und dann ſeinen eigenen Hofſtaat führen. Man will neuerdings wiſſen, daß für dieſen Fall der jetzige Oberſtkanzler, Graf Ugarte, die Würde eines Oberſthofmeiſters des Kronprinzen erhalten, und der jetzige Hofkammerpräſident, Graf v. Wallis, an die Stelle des Grafen Ugarte treten werde.
Vermiſchte Nachrichten.
Seit einiger Zeit befindet ſich der Preußiſche Geheime⸗Rath Beyme in Wien, wo er auch dieſen Winter zu bleiben gedenkt.
Der Pariſer Moniteur hat jetzt bloß die Ueberſchrift: le Moniteur universel, der Ausdruck: Gazette nationale iſt ſeit dem 1. Januar weggelaſſen.
Herr Diwawe, Ruſſiſcher Geſandſchafts⸗Secretair, iſt als Courier von Petersburg durch Metz nach Paris paſſirt.
Zur Beantwortung: der literäriſchen Bemerkung in No. 63. der Abendblätter.
Der Vorwurf des Eigennutzes, welcher in jener Bemerkung dem Verfaſſer der Grundſätze des rationellen Ackerbaues, Herrn Staatsrath Thaer, gemacht wird, trifft nicht dieſen ſondern allein den Verleger des Werks, da das Honorar des Verfaſſers um nichts wäre gekürzt worden, wenn der Verleger auch hätte einen ganzen Band Kupfer liefern müſſen.
Dem Unterrichteten leuchtet die Unſtatthaftigkeit der Beſchuldigung leicht ein, allein für Minderunterrichtete hält der Verleger für nöthig zu erinnern, daß die Zumuthung wol alle Gränzen der Beſcheidenheit überſchreitet, da nemlich jener Bemerker für ſeinen Ducaten nicht nur einen Quartband von 38 Bogen Text und 13 Kupfertafeln fordert, ſondern auch ausſerdem noch ein anderes Werk, welches für ſich 9 Rthl. koſtet, und ſeit 6 Jahren das unbeſtreitbare Eigenthum eines andern Verlegers iſt.
Warum geht aber der Urheber dieſer Beſchuldigung — der mit Criſpin wohlfeile Schuhe aus unbezahltem Leder verfertigt — nicht weiter, und fordert auch die übrigen Werke des Verfaſſers in den Kauf?
In wiefern übrigens jene Bemerkung literäriſch genannt werden kann, leuchtet nicht wohl ein; merkantiliſch iſt ſie unſtreitig.
Fragment über Erziehung.
Knaben ſollen öffentlich erzogen werden. Nachdem ſie der unmittelbaren mütterlichen Pflege und Sorge, und des erſten Unterrichts nicht mehr bedürfen, ſollen ſie gleich gewöhnt werden, unter ihres Gleichen mit Ordnung und gegenſeitiger Anerkennung in gemeinſchaftlichem Beſtreben kriegeriſch gerüſtet und friedlich geſinnt leben zu müſſen. Auf dieſe Weiſe nur erhalten ſie Gemeinſinn und Eigenthümlichkeit zugleich. Auch ſind ſie dereinſt für ein öffentliches gemeinſames Leben beſtimmt und können nicht früh genug dazu vorbereitet werden.
52Mädchen dagegen ſollen im Hauſe erzogen werden. Ihre Beſtimmung iſt eine häusliche, ihr ganzes künftiges Leben hat eine fortdauernde Beziehung auf die Männer, und zu dieſer Beſtimmung müſſen ſie von Jugend auf angeleitet werden. Nur ein Mädchen, welches mit der Mutter für Vater und Bruder fortdauernd ſich beſchäftigt und geſorgt hat, das ſchon gewohnt iſt, von ihnen geliebt, geneckt und beſchützt zu werden, und ſie wieder zu lieben, zu necken und zu ehren, die in alle Geheimniſſe eines unbefangenen Verkehrs mit Männern ſchon geweiht iſt, nur ein ſolches wird eine gute, tüchtige, ordentliche und züchtige Hausfrau werden, die für Mann und Söhne zu ſorgen und von ihnen geachtet zu werden verſteht, die ihre Würde behauptet, und ihre Abhängigkeit empfindet, und die endlich wieder Töchter bildet, die ihr gleichen.
Daher wird die Klage über Frauen, die in allgemeinen Anſtalten erzogen worden, ſo häufig gehört; und daher ſind Frauen aus einem Hauſe, worin es viele Söhne gab, in der Regel die beſten, gewandteſten, ordentlichſten und klügſten. lb.
Anekdote.
Auf dem Theater zu * * wurde der Zinngießer ganz ſchlecht gegeben, ſo daß beim Vortreten des anoncirenden Schauſpielers ein allgemeines Pfeifen ertönte. Als dieſes ſich in etwas gelegt hatte, zählte der nicht außer Faſſung gebrachte Schauſpieler eins, zwei, drei bis zwanzig, und kündigte dann mit größter Ruhe die nächſte Vorſtellung an. Das Publikum freute ſich über dieſe Geiſtesgegenwart ſo ſehr, daß dieſer Schauſpieler nun der Liebling des Publikums iſt. Bekanntlich iſt in dieſem Stücke das Zählen als ein Mittel gegen den Zorn angegeben.