Alle Textversionen sind inhaltlich identisch und folgen dem angegebenen Textzeugen.
Die
Fassung Erstdruck/Textzeuge zeigt die zeichengenaue Wiedergabe des Textzeugen. Nur offensichtliche Fehler sind emendiert. Alle Emendationen sind im Apparat verzeichnet. Der originale Zeilenfall ist beibehalten. Die Fassung wird auf Smartphones wegen der Zeilenlänge nicht angezeigt.
In der Textversion ohne originalen Zeilenfall wird der Zeilenfall mit einem Schrägstrich / angezeigt, die Zeile wird aber nicht umbrochen. Ansonsten folgt sie der angegebenen Textquelle.
In der Textversion ohne ſ, aͤ, oͤ, uͤ sind zusätzlich das lange ſ und historische Umlautformen der heutigen Orthographie angepasst.
Buͤlletin der oͤffentlichen Blaͤtter./
Copenhagen, den 29. Decbr./
Zufolge Nachrichten aus Schweden, ſollen die Eng/laͤnder acht Schwediſche Schiffe aus einem Hafen in/ der Naͤhe von Marſtrand herausgeſchnitten haben./ Auch haben ſelbige ſogleich nach erfolgter Kriegser/klaͤrung von Seiten Schwedens die Inſel Videroͤen/ vor Thorekow in Halland, (einem anſehnlichen Fi/ſcherort auf einer kleinen Halbinſel, 5½ Meilen noͤrd/lich von Helſingborg) beſetzt, um die Kuͤſtenfahrt zu/ 10 hindern. L. d. B./
Aus Paris./
Der Dr. Gay zu Paris, welcher ſich einen ge/wiſſen Ruf durch ſeine Schriften gegen den Aderlaß/ gemacht hat, greift in einer neuen Broſchuͤre einen/ ſeiner heftigſten Gegner, den Dr. Gaſteller an, be/klagt ſich uͤber die Kommiſſion der Dezennalpreiſe,/ daß ſie von ſeiner Abhandlung uͤber das Aderlaſſen/ gar keine Meldung gethan hat, und behauptet mit al/len moͤglichen Beweiſen, er habe eine wahre Entdek/ 20 kung gemacht. Um nun aber ſeinen Gegner ganz zu/ vernichten, hat Dr. Gay eines der ſonderbarſten Mit/tel erdacht, die je in den Kopf eines Arztes gerathen/ ſind. Er bittet die Regierung, ihm und ſeinem Geg/ner ein Hoſpital mit 5 oder 600 Kranken ein Jahr/ lang zu uͤbergeben: in dem einen ſoll Dr. Gaſteller/ nach Herzensluſt aderlaſſen; im andern hingegen wird/ Dr. Gay nichts als Brechmittel verordnen, und nicht/ einen Tropfen Blut vergießen. Am Ende des Jahres/ ſollen beide Aerzte ihre Todtenzettel aufweiſen, und/ 30 wer von beiden die wenigſten hat, ſoll als Sieger/ ausgerufen werden. Einen ſo vernuͤnftigen Vorſchlag/ wird die Regierung gewiß baldigſt billigen und aus/fuͤhren! (Morgenblatt.)/
Mord aus Liebe./
Man hat vor einiger Zeit in den oͤffentlichen/ Blaͤttern geleſen, daß ein Paar Liebende ſich gegen/ſeitig aus Verzweiflung in einem Augenblicke getoͤdtet/ hatten. Ein ganz gleicher Vorfall ereignete ſich im/ Jahre 1770 zu Lyon. Die Erzaͤhlung deſſelben findet/ 40 ſich in dem Journal Encyclopédique von dieſem/ Jahre. Ein italieniſcher Fechtmeiſter, Namens Fal/doni, heißt es daſelbſt, hatte ſich bei ſeinen Uebungen/ einen ſolchen Schaden zugefuͤgt, daß die Wundaͤrzte,/ welche ihn zu behandeln hatten, erklaͤrten, er muͤſſe/ bald daran ſterben, weshalb er ſich immer auf ſeinen/ Tod vorbereiten moͤchte. Der Ungluͤckliche liebte / ſeit einiger Zeit mit der heftigſten Leidenſchaft ein/ Maͤdchen, von dem er wieder geliebt wurde. Beide/ Liebende geriethen durch dieſe Erklaͤrung der Wund/ 50 aͤrzte Anfangs in die heftigſte Verzweiflung. Der ei/ferſuͤchtige Italiener konnte ſich nicht entſchließen, ſeine/ Geliebte in der Welt zuruͤck zu laſſen, und dieſe be/theuerte, ſie wuͤrde ihn nicht zu uͤberleben vermoͤgen./ Auf dieſe Verſicherung geſtuͤtzt, bruͤtete von nun an / Faldoni uͤber dem ſchrecklichſten Gedanken; allein ehe/ er ihn ausfuͤhrte, wollte er die Wahrheit der Geſin/nung ſeiner Geliebten auf die Probe ſtellen. In ei/nem Augenblicke der Zaͤrtlichkeit und des Schmerzes/ ließ er ſie mehrmals wiederholen, daß ihr ohne ihn/ 60 das Leben ganz gleichguͤltig, ja verhaßt ſei. Hierauf / zog er ein Flaͤſchchen aus der Taſche und ſagte: das / iſt Gift! und ſogleich verſchlang er es. Außer ſich/ vor Schmerz, entriß ihm ſeine Geliebte den Reſt, und/ ſchluckte ihn begierig hinunter. Allein nun geſtand er/ ihr, daß er bloß ihre Liebe und ihren Muth habe auf/ die Probe ſtellen wollen. Mit ſchmerzlicher Freude/ theilte er einem Freunde den gemachten Verſuch mit./ Dieſer nahm ihm ſeine Waffen weg, und bemuͤhte ſich, / ihn von den duͤſtern Ideen, die ihn quaͤlten, zu be/ 70 freien. Der Kranke ſtellte ſich beruhigt, und aͤußerte,/ gegen die Meinung der Aerzte die Hoffnung, ſeinen/ Ungluͤcksfall zu uͤberleben, indem er vorgab, es habe/ ihm ein Wundarzt in einer entfernten Stadt verſpro/chen, ihm das Leben zu erhalten. Unter dieſem Vor/wande trat er die Reiſe an. Einige Tage darauf/ bat das Maͤdchen ihre Aeltern, ſie moͤchten ihr erlau/ 19ben, in ihrem Landhauſe zu Ivigny an den Ufern der/ Rhone, 2 Stunden von Lyon, der Landluft auf einige/ Zeit zu genießen. Der Italiaͤner begab ſich ſogleich,/ 80 mit 2 Piſtolen verſehen, dahin. Das Maͤdchen ſchrieb/ nun an ihre Aeltern einen Brief, worin ſie auf ewig/ von ihnen Abſchied nahm. Nachdem ſie hierauf alle/ Bedienten entfernt hatten, verſchloſſen ſich die Lieben/den in die Hauskapelle. Hier ſetzten ſie ſich am Fuße/ des Altars nieder, und ſchlangen mit dem linken Arme ein/ Band um ſich. Jedes hielt ein Piſtol auf das Herz/ des andern, und mit Einer Bewegung gingen beide/ Piſtolen los und durchbohrten die Bruſt von beiden/ mit Einem Male. Die Mutter war indeſſen, um den / 90 ungluͤcklichen Plan zu vereiteln, ſogleich, in der groͤß/ten Eile von Lyon abgereiſt, allein ſie fand nur die/ entſeelten Koͤrper feſt an einander geſchloſſen. Ihre/ Tochter hatte die Augen mit einem Tuche verbunden,/ Faldoni aber ſein Geſicht mit ſeiner Redingote ver/huͤllt. Der Liebhaber war 30, und ſeine Geliebte/ 20 Jahr alt./
Der neuere (gluͤcklichere) Werther./
Zu L..e in Frankreich war ein junger Kauf/mannsdiener, Charles C..., der die Frau ſeines/ 100 Principals, eines reichen aber bejahrten Kaufmanns,/ Namens D..., heimlich liebte. Tugendhaft und/ rechtſchaffen, wie er die Frau kannte, machte er nicht/ den mindeſten Verſuch, ihre Gegenliebe zu erhalten:/ um ſo weniger, da er durch manche Bande der Dank/barkeit und Ehrfurcht an ſeinen Prinzipal geknuͤpft/ war. Die Frau, welche mit ſeinem Zuſtande, der ſei/ner Geſundheit nachtheilig zu werden drohte, Mit/leiden hatte, forderte ihren Mann, unter mancherlei/ Vorwand auf, ihn aus dem Hauſe zu entfernen; der/ 110 Mann ſchob eine Reiſe, zu welcher er ihn beſtimmt/ hatte, von Tage zu Tage auf, und erklaͤrte endlich/ ganz und gar, daß er ihn in ſeinem Comptoir nicht/ entbehren koͤnne. Einſt machte Herr D..., mit ſei/ner Frau, eine Reiſe zu einem Freunde, auf’s Land;/ er ließ den jungen C..., um die Geſchaͤfte der Hand/lung zu fuͤhren, im Hauſe zuruͤck. Abends, da ſchon / Alles ſchlaͤft, macht ſich der junge Mann, von welchen/ Empfindungen getrieben, weiß ich nicht, auf, um noch/ 20 einen Spaziergang durch den Garten zu machen. Er/ 120 koͤmmt bei dem Schlafzimmer der theuern Frau vor/bei, er ſteht ſtill, er legt die Hand an die Klinke, er/oͤffnet das Zimmer: das Herz ſchwillt ihm bei dem/ Anblick des Bettes, in welchem ſie zu ruhen pflegt,/ empor, und kurz, er begeht, nach manchen Kaͤmpfen/ mit ſich ſelbſt, die Thorheit, weil es doch niemand/ ſieht, und zieht ſich aus und legt ſich hinein. Nachts,/ da er ſchon mehrere Stunden, ſanft und ruhig, ge/ſchlafen, kommt, aus irgend einem beſonderen Grunde,/ der, hier anzugeben, gleichguͤltig iſt, das Ehepaar un/ 130 erwartet nach Hauſe zuruͤck; und da der alte Herr/ mit ſeiner Frau ins Schlafzimmer tritt, finden ſie/ den jungen C..., der ſich, von dem Geraͤuſch, das ſie/ verurſachen aufgeſchreckt, halb im Bette, erhebt./ Schaam und Verwirrung, bei dieſem Anblick, ergrei/fen ihn; und waͤhrend das Ehepaar betroffen umkehrt,/ und wieder in das Nebenzimmer, aus dem ſie gekom/men waren, verſchwindet, ſteht er auf, und zieht ſich/ an; er ſchleicht, ſeines Lebens muͤde, in ſein Zimmer,/ ſchreibt einen kurzen Brief, in welchem er den Vor/ 140 fall erklaͤrt, an die Frau, und ſchießt ſich mit einem/ Piſtol, das an der Wand haͤngt, in die Bruſt. Hier/ ſcheint die Geſchichte ſeines Lebens aus; und gleich/wohl (ſonderbar genug) faͤngt ſie hier erſt allererſt/ an. Denn ſtatt ihn, den Juͤngling, auf den er ge/muͤnzt war, zu toͤdten, zog der Schuß dem alten/ Herrn, der in dem Nebenzimmer befindlich war, den/ Schlagfluß zu: Herr D... verſchied wenige Stunden/ darauf, ohne daß die Kunſt aller Aerzte, die man/ herbeigerufen, im Stande geweſen waͤre, ihn zu ret/ 150 ten. Fuͤnf Tage nachher, da Herr D... ſchon laͤngſt/ begraben war, erwachte der junge C..., dem der/ Schuß, aber nicht lebensgefaͤhrlich, durch die Lunge / gegangen war: und wer beſchreibt wohl — wie ſoll / ich ſagen, ſeinen Schmerz oder ſeine Freude? als er/ erfuhr, was vorgefallen war und ſich in den Armen/ der lieben Frau befand, um derentwillen er ſich den / Tod hatte geben wollen! Nach Verlauf eines Jah/res heirathete ihn die Frau; und beide lebten noch/ im Jahr 1801, wo ihre Familie bereits, wie ein Be/ 160 kannter erzaͤhlt, aus 15 Kindern beſtand./