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    Bülletin der öffentlichen Blätter. [07.01.1811]Mord aus Liebe.Der neuere (gluͤcklichere) Werther.
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  • 1811. No. 5. Berlin, den 7ten Januar 1811.
1811. No. 5. Berlin, den 7ten Januar 1811.

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17

1811. No. 5.

Berliner Abendblaͤtter.

Berlin, den 7ten Januar 1811.

Buͤlletin der oͤffentlichen Blaͤtter.

Copenhagen, den 29. Decbr.

Zufolge Nachrichten aus Schweden, ſollen die Eng⸗
laͤnder acht Schwediſche Schiffe aus einem Hafen in
der Naͤhe von Marſtrand herausgeſchnitten haben.5
Auch haben ſelbige ſogleich nach erfolgter Kriegser⸗
klaͤrung von Seiten Schwedens die Inſel Videroͤen
vor Thorekow in Holland, Halland,
(einem anſehnlichen Fi⸗
ſcherort auf einer kleinen Halbinſel, 5½ Meilen noͤrd⸗
lich von Helſingborg) beſetzt, um die Kuͤſtenfahrt zu10
hindern. L. d. B.

Aus Paris.

Der Dr. Gay zu Paris, welcher ſich einen ge⸗
wiſſen Ruf durch ſeine Schriften gegen den Aderlaß
gemacht hat, greift in einer neuen Broſchuͤre einen15
ſeiner heftigſten Gegner, den Dr. Gaſteller an, be⸗
klagt ſich uͤber die Kommiſſion der Dezennalpreiſe,
daß ſie von ſeiner Abhandlung uͤber das Aderlaſſen
gar keine Meldung gethan hat, und behauptet mit al⸗
len moͤglichen Beweiſen, er habe eiue eine wahre Entdek⸗20
kung gemacht.
Um nun aber ſeinen Gegner ganz zu
vernichten, hat Dr. Gay eines der ſonderbarſten Mit⸗
tel erdacht, die je in den Kopf eines Arztes gerathen
ſind.
Er bittet die Regierung, ihm und ſeinem Geg⸗
ner ein Hoſpital mit 5 oder 600 Kranken ein Jahr25
lang zu uͤbergeben: in dem einen ſoll Dr. Gaſteller
nach Herzensluſt aderlaſſen; im andern hingegen wird
Dr. Gay nichts als Brechmittel verordnen, und nicht
einen Tropfen Blut vergießen.
Am Ende des Jahres
ſollen beide Aerzte ihre Todtenzettel aufweiſen, und30
wer von beiden die wenigſten hat, ſoll als Sieger
ausgerufen werden.
Einen ſo vernuͤnftigen Vorſchlag
wird die Regierung gewiß baldigſt billigen und aus⸗
fuͤhren!
(Morgenblatt.)

18

Mord aus Liebe.35

Man hat vor einiger Zeit in den oͤffentlichen
Blaͤttern geleſen, daß ein Paar Liebende ſich gegen⸗
ſeitig aus Verzweiflung in einem Augenblicke getoͤdtet
hatten.
Ein ganz gleicher Vorfall ereignete ſich im
Jahre 1770 zu Lyon. Die Erzaͤhlung deſſelben findet40
ſich in dem Journal Encyclopédique von dieſem
Jahre.
Ein italieniſcher Fechtmeiſter, Namens Fal⸗
doni, heißt es daſelbſt, hatte ſich bei ſeinen Uebungen
einen ſolchen Schaden zugefuͤgt, daß die Wundaͤrzte,
welche ihn zu behandeln hatten, erklaͤrten, er muͤſſe45
bald daran ſterben, weshalb er ſich immer auf ſeinen
Tod vorbereiten moͤchte.
Der Ungluͤckliche liebte
ſeit einiger Zeit mit der heftigſten Leidenſchaft ein
Maͤdchen, von dem er wieder geliebt wurde.
Beide
Liebende geriethen durch dieſe Erklaͤrung der Wund⸗50
aͤrzte Anfangs in die heftigſte Verzweiflung.
Der ei⸗
ferſuͤchtige Italiener konnte ſich nicht entſchließen, ſeine
Geliebte in der Welt zuruͤck zu laſſen, und dieſe be⸗
theuerte, ſie wuͤrde ihn nicht zu uͤberleben vermoͤgen.
Auf dieſe Verſicherung geſtuͤtzt, bruͤtete von nun an 55
Faldoni uͤber dem ſchrecklichſten Gedanken; allein ehe
er ihn ausfuͤhrte, wollte er die Wahrheit der Geſin⸗
nung ſeiner Geliebten auf die Probe ſtellen.
In ei⸗
nem Augenblicke der Zaͤrtlichkeit und des Schmerzes
ließ er ſie mehrmals wiederholen, daß ihr ohne ihn60
das Leben ganz gleichguͤltig, ja verhaßt ſei.
Hierauf
zog er ein Flaͤſchchen aus der Taſche und ſagte: das
iſt Gift! und ſogleich verſchlang er es.
Außer ſich
vor Schmerz, entriß ihm ſeine Geliebte den Reſt, und
ſchluckte ihn begierig hinunter.
Allein nun geſtand er65
ihr, daß er bloß ihre Liebe und ihren Muth habe auf
die Probe ſtellen wollen.
Mit ſchmerzlicher Freude
theilte er einem Freunde den gemachten Verſuch mit.
Dieſer nahm ihm ſeine Waffen weg, und bemuͤhte ſich,
ihn von den duͤſtern Ideen, die ihn quaͤlten, zu be⸗70
freien.
Der Kranke ſtellte ſich beruhigt, und aͤußerte,
gegen die Meinung der Aerzte die Hoffnung, ſeinen
Ungluͤcksfall zu uͤberleben, indem er vorgab, es habe
ihm ein Wundarzt in einer entfernten Stadt verſpro⸗
chen, ihm das Leben zu erhalten.
Unter dieſem Vor⸗75
wande trat er die Reiſe an.
Einige Tage darauf
bat das Maͤdchen ihre Aeltern, ſie moͤchten ihr erlau⸗
19ben, iu in ihrem Landhauſe zu Ivigny an den Ufern der
Rhone, 2 Stunden von Lyon, der Landluft auf einige
Zeit zu genießen.
Der Italiaͤner begab ſich ſogleich,80
mit 2 Piſtolen verſehen, dahin.
Das Maͤdchen ſchrieb
nun an ihre Aeltern einen Brief, worin ſie auf ewig
von ihnen Abſchied nahm.
Nachdem ſie hierauf alle
Bedienten entfernt hatten, verſchloſſen ſich die Lieben⸗
den in die Hauskapelle.
Hier ſetzten ſie ſich am Fuße85
des Altars nieder, und ſchlangen mit dem linken Arme ein
Band um ſich.
Jedes hielt ein Piſtol auf das Herz
des andern, und mit Einer Bewegung gingen beide
Piſtolen los und durchbohrten die Bruſt von beiden
mit Einem Male.
Die Mutter war indeſſen, um den 90
ungluͤcklichen Plan zu vereiteln, ſogleich, in der groͤß⸗
ten Eile von Lyon abgereiſt, allein ſie fand nur die
entſeelten Koͤrper feſt an einander geſchloſſen.
Ihre
Tochter hatte die Augen mit einem Tuche verbunden,
Faldoni aber ſein Geſicht mit ſeiner Redingote ver⸗95
huͤllt.
Der Liebhaber war 30, und ſeine Geliebte
20 Jahr alt.

Der neuere (gluͤcklichere) Werther.

Zu L..e in Frankreich war ein junger Kauf⸗
mannsdiener, Charles C..., der die Frau ſeines100
Principals, eines reichen aber bejahrten Kaufmanns,
Namens D..., heimlich liebte.
Tugendhaft und
rechtſchaffen, wie er die Frau kannte, machte er nicht
den mindeſten Verſuch, ihre Gegenliebe zu erhalten:
um ſo weniger, da er durch manche Bande der Dank⸗105
barkeit und Ehrfurcht an ſeinen Prinzipal geknuͤpft
war.
Die Frau, welche mit ſeinem Zuſtande, der ſei⸗
ner Geſundheit nachtheilig zu werden drohte, Mit⸗
leiden hatte, forderte ihren Mann, unter mancherlei
Vorwand auf, ihn aus dem Hauſe zu entfernen; der110
Mann ſchob eine Reiſe, zu welcher er ihn beſtimmt
hatte, von Tage zu Tage auf, und erklaͤrte endlich
ganz und gar, daß er ihn in ſeinem Comptoir nicht
entbehren koͤnne.
Einſt machte Herr D..., mit ſei⸗
ner Frau, eine Reiſe zu einem Freunde, auf’s Land;115
er ließ den jungen C..., um die Geſchaͤfte der Hand⸗
lung zu fuͤhren, im Hauſe zuruͤck.
Abends, da ſchon
Alles ſchlaͤft, macht ſich der junge Mann, von welchen
Empfindungen getrieben, weiß ich nicht, auf, um noch
20 einen Spaziergang durch den Garten zu machen.
Er120
koͤmmt bei dem Schlafzimmer der theuern Frau vor⸗
bei, er ſteht ſtill, er legt die Hand an die Klinke, er
oͤffnet das Zimmer: das Herz ſchwillt ihm bei dem
Anblick des Bettes, in welchem ſie zu ruhen pflegt,
empor, und kurz, er begeht, nach manchen Kaͤmpfen125
mit ſich ſelbſt, die Thorheit, weil es doch niemand
ſieht, und zieht ſich aus und legt ſich hinein.
Nachts,
da er ſchon mehrere Stunden, ſanft und ruhig, ge⸗
ſchlafen, kommt, aus irgend einem beſonderen Grunde,
der, hier anzugeben, gleichguͤltig iſt, das Ehepaar un⸗130
erwartet nach Hauſe zuruͤck; und da der alte Herr
mit ſeiner Frau ins Schlafzimmer tritt, finden ſie
den jungen C..., der ſich, von dem Geraͤuſch, das ſie
verurſachen aufgeſchreckt, halb im Bette, erhebt.
Schaam und Verwirrung, bei dieſem Anblick, ergrei⸗135
fen ihn; und waͤhrend das Ehepaar betroffen umkehrt,
und wieder in das Nebenzimmer, aus dem ſie gekom⸗
men waren, verſchwindet, ſteht er auf, und zieht ſich
an; er ſchleicht, ſeines Lebens muͤde, in ſein Zimmer,
ſchreibt einen kurzen Brief, in welchem er den Vor⸗140
fall erklaͤrt, an die Frau, und ſchießt ſich mit einem
Piſtol, das an der Wand haͤngt, in die Bruſt.
Hier
ſcheint die Geſchichte ſeines Lebens aus; und gleich⸗
wohl (ſonderbar genug) faͤngt ſie hier erſt allererſt
an.
Denn ſtatt ihn, den Juͤngling, auf den er ge⸗145
muͤnzt war, zu toͤdten, zog der Schuß dem alten
Herrn, der in dem Nebenzimmer befindlich war, den
Schlagfluß zu: Herr D... verſchied wenige Stunden
darauf, ohne daß die Kunſt aller Aerzte, die man
herbeigerufen, im Stande geweſen waͤre, ihn zu ret⸗150
ten.
Fuͤnf Tage nachher, da Herr D... ſchon laͤngſt
begraben war, erwachte der junge C..., dem der
Schuß, aber nicht lebensgefaͤhrlich, durch die Lunge
gegangen war: und wer beſchreibt wohl — wie ſoll
ich ſagen, ſeinen Schmerz oder ſeine Freude? als er155
erfuhr, was vorgefallen war und ſich in den Armen
der lieben Frau befand, um derentwillen er ſich den
Tod hatte geben wollen!
Nach Verlauf eines Jah⸗
res heirathete ihn die Frau; und beide lebten noch
im Jahr 1801, wo ihre Familie bereits, wie ein Be⸗160
kannter erzaͤhlt, aus 15 Kindern beſtand.

Bülletin der öffentlichen Blätter. [07.01.1811]; Mord aus Liebe.; Der neuere (gluͤcklichere) Werther.;

https://archive.org/details/BerlinerAbendbltter1810-11/page/n340/mode/1up

Quellenangaben für Zitation
https://kleist-digital.de/berliner-abendblaetter/1811-05, [ggf. Angabe von Zeile/Vers oder Seite], 18.05.2025

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Apparat

  • Editorische Anmerkungen
  • Emendationen
  • Stellenkommentar
 Emendationen (insges. 3)
  • 8Holland,Halland,
  • 20eiueeine
  • 78iuin

Textkonstitution

Textwiedergabe nach:
Kleist, Heinrich von (Hrsg.): Berliner Abendblätter. 1811. No. 5. Berlin, den 7ten Januar 1811. Berlin: August Kuhn, 7.1.1811.

Faksimiledruck in: BA-Reprint:1925 S. 17–20 (1811)

Editorische Anmerkungen

  • 7VideroͤenVerstümmeltes »oͤe«. BKA verbessert aus gelesenem »Viderdon«.
  • 8 In der von Kleist benutzten Quelle steht statt »Holland« richtig »Halland«.

Angaben zu den einzelnen Artikeln

Bülletin der öffentlichen Blätter. [07.01.1811]

Zur Autorschaft: Heinrich von Kleist [Bearb.]

Bülletin ›Copenhagen‹: Redigierter Text aus ›Privilegirte Liste der Börsen-Halle‹ vom 2.1.1811; Bülletin ›Paris‹: Redigierter Text aus ›Korrespondent von und für Deutschland‹ vom 23.12.1810.

Pagina Erstdruck Berliner Abendblätter: S. 17 (1811)

Pagina Kleist-Editionen: [BKA] II/8 II 27f.

Mord aus Liebe.

Zur Autorschaft: Unbekannt

Artikel von Kleist übernommen aus entweder ›Der Korrespondent von und für Deutschland‹ vom 29.12.1810 oder aus ›Zeitung für die elegante Welt‹ vom 18.12.1810. Text ist ursprünglich erschienen in ›Journal encyclopédique‹ vom 15.6.1770.

Pagina Erstdruck Berliner Abendblätter: S. 18f. (1811)

Pagina Kleist-Editionen: [BKA] II/8 II 28f.

Der neuere (gluͤcklichere) Werther.

Zur Autorschaft: Heinrich von Kleist

Pagina Erstdruck Berliner Abendblätter: S. 19f. (1811)

Pagina Kleist-Editionen: [BKA] II/8 II 29–31 [MA] II 453f. [DKV] III 372f. [SE:1993] II 276f.

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