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Bülletin der öffentlichen Blätter./
Halberstadt, den 22 Dec./
Jeden Tag fast wird man auf die gefährlichen Wir/kungen des Kohlendampfs, aber vergebens, aufmerk/sam gemacht. Unsere Stadt liefert ein neues Bei/spiel von der Sorglosigkeit des Volks in dieser Hin/sicht. Die Frau eines Arbeiters wurde vor einigen /Tagen todt gefunden. Die Unglückliche lag in ihrem /Zimmer auf dem Rücken, und hielt ihr Kind noch /in den Armen. Es ist wahrscheinlich, daß, als die er/ 10 sten Symptomen des Erstickens sich äußerten, sie noch / einen Versuch zur Rettung gemacht habe, wozu ihr /aber die Kräfte bereits versagten./ (Westph. Mon.)/
Sonderbare Geschichte, die sich, zu meiner /Zeit, in Italien zutrug./
Am Hofe der Prinzessinn von St. C... zu Neapel, /befand sich, im Jahr 1788, als Gesellschafterinn oder /eigentlich als Sängerinn eine junge Römerinn, Na/mens Franzeska N..., Tochter eines armen invali/ 20 den Seeofficiers, ein schönes und geistreiches Mäd/chen, das die Prinzessinn von St. C..., wegen eines /Dienstes, den ihr der Vater geleistet, von früher Ju/ gend an, zu sich genommen und in ihrem Hause er/zogen hatte. Auf einer Reise, welche die Prinzessinn /in die Bäder zu Messina, und von hieraus, von der /Witterung und dem Gefühl einer erneuerten Gesund/heit aufgemuntert, auf den Gipfel des Aetna machte, /hatte das junge, unerfahrne Mädchen das Unglück, /von einem Cavalier, dem Vicomte von P..., einem / 30 6 alten Bekannten aus Paris, der sich dem Zuge an/schloß, auf das Abscheulichste und Unverantwortlichste /betrogen zu werden; dergestalt, daß ihr, wenige Mon/den darauf, bei ihrer Rückkehr nach Neapel, nichts /übrig blieb, als sich der Prinzessinn, ihrer zweiten /Mutter, zu Füßen zu werfen, und ihr unter Thränen /den Zustand, in dem sie sich befand, zu entdecken. Die /Prinzessinn, welche die junge Sünderinn sehr liebte, /machte ihr zwar wegen der Schande, die sie über /ihren Hof gebracht hatte, die heftigsten Vorwürfe; / 40 doch da sie ewige Besserung und klösterliche Eingezo/genheit und Enthaltsamkeit, für ihr ganzes künftiges /Leben, angelobte, und der Gedanke, das Haus ihrer /Gönnerinn und Wohlthäterinn verlassen zu müssen, /ihr gänzlich unerträglich war, so wandte sich das men/schenfreundliche, zur Verzeihung ohnehin in solchen / Fällen geneigte Gemüth der Prinzessinn: sie hob die /Unglückliche vom Boden auf, und die Frage war nur, /wie man der Schmach, die über sie hereinzubrechen /drohte, vorbeugen könne? In Fällen dieser Art fehlt / 50 es den Frauen, wie bekannt, niemals an Witz und der / erforderlichen Erfindung; und wenige Tage verflossen: /so ersann die Prinzessinn selbst zur Ehrenrettung ih/rer Freundinn folgenden kleinen Roman./
Zuvörderst erhielt sie Abends, in ihrem Hotel, da /sie beim Spiel saß, vor den Augen mehrerer, zu ei/nem Souper eingeladenen Gäste einen Brief: sie er/bricht und überlies’t ihn, und indem sie sich zur Sig/nora Franzeska wendet: „Signora,“ spricht sie, „Graf /Scharfeneck, der junge Deutsche, der Sie vor zwei / 60 Jahren in Rom gesehen, hält aus Venedig, wo er /den Winter zubringt, um Ihre Hand an. — Da!“ /setzt sie hinzu, indem sie wieder zu den Karten greift, /„lesen Sie selbst: es ist ein edler und würdiger Ca/valier, vor dessen Antrag Sie sich nicht zu schämen /brauchen.“ Signora Franzeska steht erröthend auf; / sie empfängt den Brief, überfliegt ihn, und, indem sie /die Hand der Prinzessinn küßt: „Gnädigste,“ spricht /sie: „da der Graf in diesem Schreiben erklärt, daß /er Italien zu seinem Vaterlande machen kann, so neh/ 70 me ich ihn, von Ihrer Hand, als meinen Gatten /an!“ — Hierauf geht das Schreiben unter Glück/wünschungen von Hand zu Hand; jedermann erkun/digt sich nach der Person des Freiers, den niemand / 7 kennt, und Signora Franzeska gilt, von diesem Au/genblick an, für die Braut des Grafen Scharfeneck. / Drauf, an dem zur Ankunft des Bräutigams bestimm/ten Tage, an welchem nach seinem Wunsche auch so/gleich die Hochzeit sein soll, fährt ein Reisewagen mit /vier Pferden vor: es ist der Graf Scharfeneck! Die / 80 ganze Gesellschaft, die, zur Feier dieses Tages, in dem /Zimmer der Prinzessinn versammelt war, eilt voll / Neugierde an die Fenster, man sieht ihn, jung und /schön wie ein junger Gott, aussteigen — inzwischen /verbreitet sich sogleich, durch einen vorangeschickten /Kammerdiener, das Gerücht, daß der Graf krank sei, /und in einem Nebenzimmer habe abtreten müssen. / Auf diese unangenehme Meldung wendet sich die Prin/zessinn betreten zur Braut; und beide begeben sich /nach einem kurzen Gespräch, in das Zimmer des Gra/ 90 fen, wohin ihnen nach Verlauf von etwa einer Stunde /der Priester folgt. Inzwischen wird die Gesellschaft /durch den Hauscavalier der Prinzessinn zur Tafel ge/laden; es verbreitet sich, während sie auf das Kost/barste und Ausgesuchteste bewirthet wird, durch diesen / die Nachricht, daß der junge Graf, als ein ächter, /deutscher Herr, weniger krank, als vielmehr nur ein /Sonderling sei, der die Gesellschaft bei Festlichkeiten /dieser Art nicht liebe; bis spät, um 11 Uhr in der /Nacht, die Prinzessinn, Signora Franzeska an der / 100 Hand, auftritt, und den versammelten Gästen mit der /Aeußerung, daß die Trauung bereits vollzogen sei, die /Frau Gräfinn von Scharfeneck vorstellt. Man erhebt /sich, man erstaunt und freut sich, man jubelt und fragt: /doch Alles, was man von der Prinzessinn und der / Gräfinn erfährt, ist, daß der Graf wohl auf sei; daß /er sich auch in Kurzem sämmtlichen Herrschaften, die /hier die Güte gehabt, sich zu versammeln, zeigen /würde; daß dringende Geschäfte jedoch ihn nöthig/ ten, mit der Frühe des nächsten Morgens nach Vene/ 110 dig, wo ihm ein Onkel gestorben sei und er eine Erb/schaft zu erheben habe, zurückzukehren. Hierauf, un/ter wiederholten Glückwünschungen und Umarmungen /der Braut, entfernt sich die Gesellschaft; und mit dem /Anbruch des Tages fährt, im Angesicht der ganzen /Dienerschaft, der Graf in seinem Reisewagen mit /vier Pferden wieder ab. — Sechs Wochen darauf /erhalten die Prinzessinn und die Gräfinn, in einem / 8 schwarz versiegelten Briefe, die Nachricht, daß der /Graf Scharfeneck in dem Hafen von Venedig ertrun/ 120 ken sei. Es heißt, daß er, nach einem scharfen Ritt, /die Unbesonnenheit begangen, sich zu baden; daß ihn /der Schlag auf der Stelle gerührt, und sein Körper /noch bis diesen Augenblick im Meere nicht gefunden /sei. — Alles, was zu dem Hause der Prinzessinn ge/hört, versammelt sich, auf diese schreckliche Post, zur /Theilnahme und Condolation; die Prinzessinn zeigt /den unseeligen Brief, die Gräfinn, die ohne Bewußt/sein in ihren Armen liegt, jammert und ist untröst/lich —; hat jedoch nach einigen Tagen Kraft genug, / 130 nach Venedig abzureisen, um die ihr dort zugefallene /Erbschaft in Besitz zu nehmen. — Kurz, nach Ver/fluß von ungefähr neun Monaten (denn so lange /dauerte der Prozeß) kehrt sie zurück; und zeigt einen /allerliebsten kleinen Grafen Scharfeneck, mit welchem /sie der Himmel daselbst gesegnet hatte. Ein Deutscher, /der eine große genealogische Kenntniß seines Vater/lands hatte, entdeckte das Geheimniß, das dieser In/trigue zum Grunde lag, und schickte dem jungen Gra/fen, in einer zierlichen Handzeichnung, sein Wappen / 140 zu, welches die Ecke einer Bank darstellte, unter wel/cher ein Kind lag. Die Dame hielt sich gleichwohl, /unter dem Namen einer Gräfinn Scharfeneck, noch /mehrere Jahre in Neapel auf; bis der Vicomte von /P..., im Jahr 1793, zum zweitenmale nach Italien /kam, und sich, auf Veranlassung der Prinzessinn, ent/schloß, sie zu heirathen. — Im Jahr 1802 kehrten /beide nach Frankreich zurück. mz./
Miscellen./
Pariser Moden. Als vor einiger Zeit von den / 150 Falbeln die Rede war, erinnerte man sich der Zeiten /Ludwigs des 14ten. Die eleganten Damen lächelten /und dachten an die Portraits ihrer Großmütter, die mit /Falbeln und mit einem Reifrock geschmückt, gegangen /waren. Und jetzt trägt eine modische Dame eine Fal/bel an ihrem Oberrocke, eine Falbel an ihrem Rocke, ei/ne Falbel an ihrem Unterrocke, kurz, sie hat Falbeln bis /auf’s Hemde, und die Lächerlichkeiten der Vergangen/heit sind die Thorheit der Gegenwart geworden./