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Berliner Abendblaͤtter.
60tes Blatt. Den 8ten December liest »Dezember« 1810.
Eine Legende nach Hans Sachs.
Der Welt Lauf.
Der Herr und Petrus oft, in ihrer Liebe beide, Begegneten im Streite ſich, Wenn von der Menſchen Heil die Rede war; Und dieſer nannte zwar die Gnade Gottes groß, Doch waͤr’ er Herr der Welt, meint’ er, Wuͤrd’ er ſich ihrer mehr erbarmen. Da trat, zu einer Zeit, als laͤngſt, in beider Herzen, Der Streit vergeſſen ſchien, und juſt, Um welcher Urſach weiß ich nicht, Der Himmel oben auch voll Wolken hieng, Der Sanctus mißgeſtimmt, den Heiland an, und ſprach: „Herr, laß, auf eine Handvoll Zeit, Mich, aus dem Himmelreich, auf Erden niederfahren, Daß ich des Unmuths, der mich griff, Vergeſſ’ und mich einmal, von Sorgen frei, ergoͤtze, Weil es jetzt grad’ vor Faſtnacht iſt.“ Der Herr, des Streits noch ſinnig eingedenk, Spricht: „Gut; acht Tag’ geb’ ich dir Zeit, Der Feier, die mir dort beginnt, dich beizumiſchen; Jedoch, ſobald das Feſt vorbei, Kommſt du mir zur geſetzten Stunde wieder. Acht volle Tage doch, zwei Wochen ſchon, und mehr, Ein abgezaͤhlter Mond vergeht, Bevor der Sanct zum Himmel wiederkehrt. „Ei, Petre,“ ſpricht der Herr, „wo weilteſt du ſo lange? Gefiel’s auch nieden dir ſo wohl?“ 236Der Sanctus, mit noch ſchwerem Kopfe, ſpricht: „Ach, Herr! Das war ein Jubel unten —! Der Himmel ſelbſt beſeeliget nicht beſſer. Die Erndte, reich, du weißt, wie keine je geweſen, Gab alles was das Herz nur wuͤnſcht, Getraide, weiß und ſuͤß, Moſt, ſag’ ich dir, wie Honig, Fleiſch fett, dem Speck gleich, von der Bruſt des Rindes; Kurz, von der Erde jeglichem Erzeugniß Zum Brechen alle Tafeln voll. Da ließ ich’s, ſchier, zu wohl mir ſein, Und haͤtte bald des Himmels gar vergeſſen.“ Der Herr erwiedert: „Gut! Doch Petre ſag mir an, Bei ſoviel Seegen, den ich ausgeſchuͤttet, Hat man auch dankbar mein gedacht? Sahſt du die Kirchen auch von Menſchen voll?“ — Der Sanct, beſtuͤrzt hierauf, nachdem er ſich beſonnen, „O Herr,“ ſpricht er, „bei meiner Liebe, Den ganzen Faſtmond durch, wo ich mich hingewendet, Nicht deinen Namen hoͤrt’ ich nennen. Ein einz’ger Mann ſaß murmelnd in der Kirche: Der aber war ein Wucherer, Und hatte Korn, im Herbſt erſtanden, Fuͤr Maͤuſ’ und Ratzen hungrig aufgeſchuͤttet.“ — „Wohlan denn,“ ſpricht der Herr, und laͤßt die Rede fallen, „Petre, ſo geh; und kuͤnft’ges Jahr Kannſt du die Faſtnacht wiederum beſuchen“ Doch diesmal war das Feſt des Herrn kaum eingelaͤutet, Da koͤmmt der Sanctus ſchleichend ſchon zuruͤck. Der Herr begegnet ihm am Himmelsthor und ruft: „Ei, Petre! Sieh! Warum ſo traurig? Hat’s dir auf Erden denn danieden nicht gefallen?“ „Ach, Herr,“ verſetzt der Sanct, „ſeit ich ſie nicht geſehn, Hat ſich die Erde ganz veraͤndert.237 Da iſt’s kurzweilig nicht mehr, wie vordem, Rings ſieht das Auge nichts, als Noth und Jammer. Die Erndte, aſcheweiß verſengt auf allen Feldern, Gab fuͤr den Hunger nicht, um Brod zu backen, Viel wen’ger Kuchen, fuͤr die Luſt, und Stritzeln. Und weil der Herbſtwind fruͤh der Berge Hang durchreift, War auch an Wein und Moſt nicht zu gedenken. Da dacht ich: was auch ſollſt du hier? Und kehrt’ ins Himmelreich nur wieder heim.“ — „So!“ ſpricht der Herr. „Fuͤrwahr! Das thut mir leid! Doch, ſag mir an: gedacht’ man mein?“ „Herr, ob man dein gedacht? — Die Wahrheit dir zu ſagen, Als ich durch eine Hauptſtadt kam, Fand ich, zur Zeit der Mitternacht, Vom Altarkerzenglanz, durch die Portaͤle ſtrahlend, Dir alle Maͤrkt’ und Straßen hell; Die Gloͤckner zogen, daß die Straͤnge riſſen; Hoch an den Saͤulen hiengen Knaben, Und hielten ihre Muͤtzen in der Hand. Kein Menſch, verſichr’ ich dich, im Weichbild rings zu ſehn, Als Einer nur, der eine Schaar Laſttraͤger keuchend von dem Hafen fuͤhrte: Der aber war ein Wucherer, Und haͤufte Korn auf laͤchelnd, fern erkauft, Um von des Landes Hunger ſich zu maͤſten.“ „Nun denn, o Petre,“ ſpricht der Herr, „Erſchauſt du jetzo doch den Lauf der Welt! Jetzt ſiehſt du doch was du juͤngſthin nicht glauben wollteſt, Daß Guͤter nicht das Gut des Menſchen ſind; Daß mir ihr Heil am Herzen liegt wie dir: Und daß ich, wenn ich ſie mit Noth zu weilen plage, Mich, meiner Liebe Treu und meiner Sendung, Nur ihrer hoͤh’ren Noth erbarme.
Buͤlletin der oͤffentlichen Blaͤtter.
Nach einem Artikel des Moniteur aus London vom 19ten Nov., war in der Gegend von Liſſabon bis zum 10ten Nov. nichts von Bedeutung vorgefallen. Die Unterhaltung der ungeheuren in die Gegend von Liſſabon zuſammengedruͤckten Menſchenmaſſe war mit den groͤßten Schwierigkeiten verknuͤpft. (Mon.)
Durch ein Kaiſerl. Franz. Dekret von 18. Nov. iſt die Angabe aller der, aus den (nach dem neulichen Dekrete uͤber Buchdruckereien und Buchhandlungen) aufgehobenen Druckereien verbleibenden Vorraͤthe liest »Vorrathe« von Preſſen, Schriften ⁊c. im ganzen Umfange des Reichs verordnet. Die Praͤfecten werden die desfalſigen Deklarationen empfangen, und uͤber die weitere Beſtimmung jener Utenſilien wird von Paris aus entſchieden werden. (Mon.)
Polizeiliche Tages⸗Mittheilungen.
Die Obdukzion des am 3ten d. M. Abends 11 3/4 Uhr in ſeinem Blute gefundenen und bald darauf verſtorbenen Handlungsdieners hat ergeben, daß derſelbe nicht durch die Hand eines andern getoͤdtet worden ſein kann. Er befand ſich an dieſem Abend bei einem Freunde in der Leipziger Straße. Beim Fortgehen konnte man den Hausſchluͤſſel nicht ſogleich finden und des Abrathens nicht achtend, ſtieg der Handlungsdiener aus einem Fenſter des unterſten Stockwerks hinaus. Hierbei iſt er ohne Zweifel auf einen ſpitzen langen eiſernen Stachel von denen ſich mehrere unter dem Fenſter auf einem eiſernen Buͤgel zur Verhuͤtung der Verunreinigung des Hauſes befinden, mit dem Schenkel gefallen und bei dem Verſuche ſich los zu machen, iſt die innere Zerstoͤrung erfolgt, welche ihm die Verblutung zugezogen hat.