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Berliner Abendblätter.
55tes Blatt. Den 3ten December Dezember 1810.
Gewerbfreiheit.
So wie die Pflanze im freien heimiſchen Boden, luſtiger, kraͤftiger, uͤppiger waͤchſt, und ſich vollendeter als im Treibhauſe entfaltet, ſo die Gewerbe, wenn man ihr Gedeihen ganz dem Wetteifer des Talents und des Fleißes uͤberlaͤßt.
Der Zeitgeiſt iſt der Gartenkuͤnſtelei ſo wie der Staatskuͤnſtelei gleich unguͤnſtig.
Durch dieſen Wettſtreit wird der natuͤrliche Anſpruch des Fleißes und des Talents geſichert. Das ſchlechte und mittelmaͤßige geht unter, ſo wie in einem dicht beſtandenen Walde die kraͤftigſten Baͤume uͤber die anderen hervorwachſen, und Kruͤppel und Schwaͤchlinge erſticken. Dieſes iſt das ewige Geſetz der Natur, nicht bloß bei Pflanzen und Gewerben, ſondern bei allem was ein thieriſches oder Pflanzenleben hat. In dieſes Geſetz durch Zwangsvorſchriften eingreifen, heißt die Mittelmaͤßigkeit verewigen.
Das Publikum, welches der Gewerbe bedarf, wird ſich bei dieſem Wetteifer wahrſcheinlich nicht uͤbel befinden, und preiswuͤrdigere Arbeit fuͤr wohlfeilere Preiſe erhalten, beſonders wenn die reicheren Claſſen anfangen werden, ſich mehr auf buͤrgerliche Gewerbe zu legen, und ſie fabrikmaͤßiger zu betreiben.
Aber — abgeſehen von den mannichfachen Vortheilen der Gewerbfreiheit, die man in Adam Smith, Kraus ⁊c. nachleſen kann, iſt deren Gewaͤhrung eine Handlung der Gerechtigkeit gleichſam eine restitutio in integrum, und ein bedeutender Schritt zur Wiedererlangung der Nationalitaͤt. Es iſt ein natuͤrliches Menſchenrecht, auf beliebige Art ſeinen Unterhalt zu 216 gewinnen. Das weſentliche des Buͤrgerrechts beſteht gerade in der Berechtigung zum Betriebe ſtaͤdtiſcher Gewerbe, ohne weitre Einſchraͤnkung, als welche die auf oͤffentliche Sicherheit abzweckenden Polizei⸗Vorſchriften feſtſetzen.
Den Mißbrauch einer ſolchen Gewerbfreiheit beugen die Polizei⸗Anordnungen vor. Auch iſt Mißbrauch der Freiheit ein Produkt der Beſchraͤnkung. Wer keinen Zwang kennt, dem faͤllt es ſelten ein, von ſeiner Freiheit Mißbrauch zu machen. Juͤnglinge, die im elterlichen Hauſe am beſchraͤnkteſten waren, uͤberlaſſen ſich nachher gewoͤhnlich den groͤbſten Ausſchweifungen.
Verlangt man Achtung fuͤr das Geſetz, ſo mache man deren wenige, aber — nothwendige. Welche nothwendig ſind, iſt auch dem gemeinſten Verſtande einleuchtend. Ein Kamſchadale begreift, daß der Diebſtahl verboten ſein muß; aber gerade der verſtaͤndigſte Tiſchler begreift am wenigſten, warum er nicht auch Stuͤhle ⁊c. machen ſoll.
Das Geſetz iſt das große innere Band einer Nation. Es umſchlingt daſſelbe in weiteren immer enger werdenden Kreiſen, die in einem lichten Punkte, in dem Monarchen ſich endigen. In einer religioͤſen Verehrung fuͤr daſſelbe muß jedes Mitglied der Geſellſchaft mit dem Anderen uͤbereinſtimmen, ſo verſchieden auch ſonſt die Meinungen und Anſichten ſein moͤgen. Wer dieſe Verehrung nicht theilt, paßt in den Geſellſchaftsbund nicht, und muß ausgeſtoßen werden. In dem feſten und allgemeinen Willen, dieſes Geſetz aufrecht zu erhalten, oder mit ihm unterzugehen, beſteht die Nationalitaͤt oder die Vaterlandsliebe.
Alſo dieſe wird in einem ſolchen Staat am herrlichſten gedeihen, wo die Freiheit der Mitglieder nicht weiter beſchraͤnkt iſt, als es die Nothwendigkeit und die gleiche Berechtigung des anderen erfordert, und wo die Geſetze immer mehr den Stempel der Willkuͤhrlichkeit ablegen.
217Ein ſolcher Staat wird allmaͤhlich ſeine Nachbarn an Wohlſtand und Kraft uͤberragen, und dieſe Guͤter an ſich ziehen, ſo wie Freihaͤfen den Welthandel — wenn der Zugang in ihnen frei iſt. Die in Nordamerica proclamirte Glaubensfreiheit bevoͤlkerte die neue Welt auf Unkoſten der alten. So wie im 15ten Jahrhundert der Durſt nach Gold den Haͤfen von ganz Europa und alles was Neigung oder Duͤrftigkeit zu kuͤhnen Abendtheuern anregte, nach dem neuentdeckten Weſtindien hinlockte, ſo werden einem ſolchen wie eine Inſel in der Wuͤſte daſtehendem Staate, rechtliche und wohlhabende Buͤrger aus ſchlechter regierten Staaten zuſtroͤmen, und ſein Gebiet wird der Sammelplatz des Talents und der Zufriedenheit werden.
Aus dieſen Gruͤnden iſt die in Preuſſen proclamirte Gewerbsfreiheit ein ſehr weſentlicher Schritt, um dieſen Staate, das was er verloren zu erſetzen.
lh.
Fragmente.
1.
Billig ſollte jedes Frauenzimmer wiſſen, warum ſie Damen heiſſen und daß dieſes ehedem ein Name der Gottheit geweſen iſt. Er ſtammt von den Emendiert in »dem«. Da im Brandenburgischen häufig anzufindende Dativ-Akkusativ-Vertauschung, wird hier nicht emendiert. Roͤmiſchen Worte, „Dominus” (Herr) ab, ein Titel, den ſogar der erſte Kaiſer Auguſtus Tiberius fuͤr ſich zu hoch hielt und den zuerſt Calligula ſich beilegte. Von dem Worte Dominus iſt das altfranzoͤſiſche Dam, Dame entſtanden, welches man Anfangs auch nur Gott und den Koͤnigen beilegte. Herr Gott hieß damals in Emendiert in »im« (vgl. Zeile 91) Franzoͤſiſchen Dame diex oder Dam el diex. Nachher nahmen auch geringere Leute dieſen Titel an und endlich hat ſich das ſchoͤne Geſchlecht deſſelben bemeiſtert und ihn fuͤr ſich allein behalten. Vielleicht iſt dies der einzige Frauentitel, den jemals die Gottheit gefuͤhrt hat.
2182.
Sollte man ſich wohl vorſtellen, daß der Name, Eſel, ein Ehrenname ſei, den manche große Leute gefuͤhrt haben? der Kalif Merven erhielt den Zunamen „der Eſel“ weil die Eſel in Meſopotamien eine ungemeine Unerſchrockenheit in den Schlachten zeigten. Man ſagte daher gemeiniglich von ihm: der meſopotamiſche Eſel weiß nicht einmal, was im Kriege das Fliehen ſei.
Fr. Sch.
Buͤlletin der oͤffentlichen Blaͤtter.
Gibraltar den 24ten Oct.
Eine hier, unter Lord Blancy ausgeruͤſtete Expedition, um Mallaga vom Feinde zu befreien, iſt gaͤnzlich misgluͤckt. Lord Blancy ſelbſt, mit 400 Engl. ſind in feindliche Gefangenſchaft gerathen. (L. d. B.)
Lauſanne den 17ten Nov.
Die Peſtartige Krankheit, wahrſcheinlich das gelbe Fieber, in Spanien, herrſcht zu Carthagena und Malaga, und hat ſich laͤngs der ganzen ſpaniſchen Kuͤſte, bis Cadaquie verbreitet. Dieſelbe herrſcht auch bereits im Koͤnigreich Neapel: zu Brindiſi ſoll die Mannſchaft eines ganzen Schiffs an dieſer Krankheit umgekommen ſein. Demnach iſt in der Schweiz die Quarantaͤne auf alle aus Neapel kommende Waaren gelegt worden. (L. d. B.)
Paris den 22ten Nov.
Der Brigade Gen. Foy iſt heute, aus dem Hauptquartier des Prinzen von Eslingen (Mar. Maſſena) hier angekommen. Derſelbe hat, an der Spitze von 200 Pferden, ganz Portugal durchſchnitten, und wiederſpricht gaͤnzlich den falſchen Berichten, welche die Englaͤnder, unter tauſend Geſtalten, zu verbreiten bemuͤht ſind. (Mon.)