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Gewerbfreiheit.
So wie die Pflanze im freien heimiſchen Boden,
lu⸗
ſtiger, kraͤftiger, uͤppiger waͤchſt, und
ſich vollendeter
als im Treibhauſe entfaltet, ſo die
Gewerbe, wenn
man ihr Gedeihen ganz dem Wetteifer des
Talents 5
und des Fleißes uͤberlaͤßt.
Der Zeitgeiſt iſt der
Gartenkuͤnſtelei ſo wie der
Staatskuͤnſtelei gleich
unguͤnſtig.
Durch dieſen Wettſtreit wird der
natuͤrliche An⸗
ſpruch des Fleißes und des Talents
geſichert. Das 10
ſchlechte
und mittelmaͤßige geht unter, ſo wie in einem
dicht
beſtandenen Walde die kraͤftigſten Baͤume uͤber
die
anderen hervorwachſen, und Kruͤppel und Schwaͤch⸗
linge erſticken. Dieſes iſt das ewige Geſetz
der Natur,
nicht bloß bei Pflanzen und Gewerben, ſondern
bei 15
allem was ein thieriſches oder Pflanzenleben hat.
In
dieſes Geſetz durch
Zwangsvorſchriften eingreifen, heißt
die Mittelmaͤßigkeit
verewigen.
Das Publikum, welches der
Gewerbe bedarf, wird
ſich bei dieſem Wetteifer
wahrſcheinlich nicht uͤbel be⸗20
finden, und
preiswuͤrdigere Arbeit fuͤr wohlfeilere Preiſe
erhalten,
beſonders wenn die reicheren Claſſen anfan⸗
gen
werden, ſich mehr auf buͤrgerliche Gewerbe zu le⸗
gen, und ſie fabrikmaͤßiger zu betreiben.
Aber — abgeſehen
vvn
von
den mannichfachen Vorthei⸗25
len der
Gewerbfreiheit, die man in Adam Smith,
Kraus ⁊c.
nachleſen kann, iſt deren Gewaͤhrung eine
Handlung der
Gerechtigkeit gleichſam eine restitutio
in
integrum, und
ein bedeutender Schritt zur Wieder⸗
erlangung der
Nationalitaͤt. Es iſt ein natuͤrliches 30
Menſchenrecht, auf beliebige Art ſeinen Unterhalt zu
[ 55 ]
216 gewinnen. Das weſentliche des Buͤrgerrechts beſteht
gerade in der Berechtigung zum Betriebe ſtaͤdtiſcher
Gewerbe, ohne weitre Einſchraͤnkung, als welche die auf
oͤffentliche Sicherheit abzweckenden
Polizei⸗Vorſchrif⸗35
ten feſtſetzen.
Den Mißbrauch einer ſolchen
Gewerbfreiheit beu⸗
gen die Polizei⸗Anordnungen
vor.
Auch iſt Mißbrauch
der Freiheit ein
Produkt der Beſchraͤnkung. Wer kei⸗
nen Zwang kennt, dem faͤllt es ſelten ein, von
ſeiner 40
Freiheit Mißbrauch zu machen. Juͤnglinge, die im
elterlichen
Hauſe am beſchraͤnkteſten waren, uͤberlaſſen
ſich nachher
gewoͤhnlich den groͤbſten Ausſchweifungen.
Verlangt man Achtung fuͤr das
Geſetz, ſo mache
man deren wenige, aber — nothwendige.
Welche 45
nothwendig ſind, iſt
auch dem gemeinſten Verſtande
einleuchtend. Ein Kamſchadale begreift, daß der
Diebſtahl
verboten ſein muß; aber gerade der verſtaͤn⸗
digſte Tiſchler begreift am wenigſten, warum er nicht
auch Stuͤhle ⁊c. machen ſoll.50
Das Geſetz iſt das große innere
Band einer Na⸗
tion. Es umſchlingt daſſelbe in weiteren immer enger
werdenden
Kreiſen, die in einem lichten Punkte, in dem
Monarchen
ſich endigen. In einer religioͤſen Vereh⸗
rung fuͤr daſſelbe muß jedes Mitglied der
Geſellſchaft 55
mit dem Anderen uͤbereinſtimmen, ſo
verſchieden auch
ſonſt die Meinungen und Anſichten ſein
moͤgen. Wer
dieſe Verehrung
nicht theilt, paßt in den Geſellſchafts⸗
bund
nicht, und muß ausgeſtoßen werden. In dem
feſten und allgemeinen Willen, dieſes Geſetz aufrecht 60
zu erhalten, oder mit ihm unterzugehen, beſteht die
Nationalitaͤt oder die Vaterlandsliebe.
Alſo dieſe wird in einem ſolchen
Staat am herr⸗
lichſten gedeihen, wo die Freiheit
der Mitglieder nicht
weiter beſchraͤnkt iſt, als es die
Nothwendigkeit und 65
die gleiche Berechtigung des anderen
erfordert, und
wo die Geſetze immer mehr den Stempel der
Willkuͤhr⸗
lichkeit ablegen.
Ein ſolcher Staat wird
allmaͤhlich ſeine Nachbarn
an Wohlſtand und Kraft
uͤberragen, und dieſe Guͤter 70
an ſich ziehen, ſo wie
Freihaͤfen den Welthandel —
wenn der Zugang in ihnen frei
iſt. Die in Nord⸗
america proclamirte
Glaubensfreiheit bevoͤlkerte die
neue Welt auf Unkoſten
der alten. So wie im 15ten
Jahrhundert der Durſt nach Gold den
Hoͤfen
Haͤfen
von 75
ganz Europa
uud
und
alles was Neigung oder Duͤrftigkeit
zu kuͤhnen
Abendtheuern anregte, nach dem neuent⸗
deckten
Weſtindien hinlockte, ſo werden einem ſolchen
wie eine
Inſel in der Wuͤſte daſtehendem Staate, recht⸗
liche und wohlhabende Buͤrger aus ſchlechter regierten 80
Staaten zuſtroͤmen, und ſein Gebiet wird der Sam⸗
melplatz des Talents und der Zufriedenheit werden.
Aus dieſen Gruͤnden iſt die in
Preuſſen procla⸗
mirte Gewerbsfreiheit ein ſehr weſentlicher Schritt,
um dieſen Staate, das was er verloren zu erſetzen.85
lh.
Fragmente.
1.
Billig ſollte jedes Frauenzimmer
wiſſen, warum
ſie Damen heiſſen und daß dieſes ehedem ein Name 90
der Gottheit geweſen iſt. Er ſtammt von
den
Emendiert in »dem«. Da im Brandenburgischen häufig
anzufindende Dativ-Akkusativ-Vertauschung, wird hier nicht
emendiert.
Roͤmi⸗
ſchen Worte, „Dominus” (Herr) ab, ein Titel, den
ſogar der erſte Kaiſer Auguſtus Tiberius fuͤr ſich zu
hoch
hielte
hielt
und den zuerſt
Cakligula
Calligula
ſich beilegte.
Von dem Worte Dominus
iſt das altfranzoͤſiſche Dam, 95
Dame entſtanden, welches
man Anfangs auch nur Gott
und den Koͤnigen beilegte.
Herr
Gott hieß damals
in
Emendiert in »im« (vgl. Zeile 91)
Franzoͤſiſchen Dame diex oder Dam el diex. Nach⸗
her nahmen auch geringere Leute dieſen
Titel an
und endlich hat ſich das ſchoͤne Geſchlecht
deſſelben be⸗100
meiſtert und ihn fuͤr ſich allein
behalten. Vielleicht
iſt
dies der einzige Frauentitel, den jemals die Gott⸗
heit gefuͤhrt hat.
2.
Sollte man ſich wohl vorſtellen,
daß der Name, 105
Eſel, ein Ehrenname ſei, den manche große Leute
gefuͤhrt haben? der Kalif Merven
erhielt den Zuna⸗
men „der Eſel“ weil die Eſel in
Meſopotamien ei⸗
ne ungemeine Unerſchrockenheit in den
Schlachten zeig⸗
ten. Man ſagte daher gemeiniglich von ihm: der me⸗110
ſopotamiſche Eſel weiß nicht einmal, was im Krie⸗
ge das Fliehen ſei.
Fr. Sch.
Buͤlletin der oͤffentlichen Blaͤtter.
Gibraltar den 24ten
Oct.115
Eine hier, unter Lord Blancy ausgeruͤſtete Expe⸗
dition,
um Mallaga vom Feinde zu befreien, iſt gaͤnz⸗
lich
misgluͤckt. Lord Blancy ſelbſt, mit 400 Engl.
ſind
in feindliche Gefangenſchaft gerathen. (L. d.
B.)
Lauſanne den 17ten Nov.120
Die Peſtartige Krankheit,
wahrſcheinlich das gelbe
Fieber, in Spanien, herrſcht zu Carthagena und Ma⸗
laga, und hat ſich
laͤngs der ganzen ſpaniſchen Kuͤſte,
bis Cadaquie verbreitet. Dieſelbe herrſcht auch be⸗
reits im Koͤnigreich Neapel: zu
Brindiſi ſoll die Mann⸗125
ſchaft eines ganzen Schiffs an dieſer Krankheit
umge⸗
kommen ſein. Demnach iſt in der Schweiz die
Qua⸗
rantaͤnen
Qua⸗
rantaͤne
auf alle aus Neapel kommende Waaren ge⸗
legt
werden.
worden.
(L. d. B.)
Paris den 22ten Nov.130
Der Brigade Gen. Foy iſt heute, aus dem
Haupt⸗
quartier des Prinzen von Eslingen (Mar. Maſſena)
hier angekommen. Derſelbe
hat, an der Spitze von
200 Pferden, ganz Portugal durchſchnitten, und wie⸗
derſpricht
gaͤnzlich den falſchen Berichten, welche die 135
Englaͤnder, unter tauſend
Geſtalten, zu verbreiten be⸗
muͤht ſind.
(Mon.)