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Berliner Abendblaͤtter.
49tes Blatt. Den 26ten November 1810.
Theater.
Vier Tage hinter einander, es iſt erfreulich dies zu ſagen, war Feuer und Luſt in den Schauſpielern und in den Zuſchauern. Leben erweckt Leben; der rechte Genuß des Schauſpiels iſt nur in der gleichen Lebendigkeit des Mittheilens und des Empfangens moͤglich, ſonſt bleibe man zu Hauſe und leſe und langweile ſich fuͤr ſich allein.
Die Quaͤlgeiſter haben in der Bearbeitung freilich auch nicht einmal den Titel vom Shakeſpear behalten, und das Genialiſche „Viel Laͤrmen um nichts“ iſt hier in viel Laͤrmen um etwas, das bei weitem nicht ſoviel werth als das nichts iſt und manchmal recht eigentlich quaͤlt, verwandelt und verwaͤſſert. Aber eine einzige Darſtellung, wie Madam Bethmann ſie in der Rolle der Beatrice gab, ſtellte den ewigen Shakeſpear wieder vor aller Augen in ſeiner ganzen Herrlichkeit her, der Geiſt ſchwebte uͤber dem Waſſer und die moderniſirteſten und trivialſten Worte wurden in ihrem Munde Muſik und Poeſie. Gewiß hat die Betrachtung, daß das Stuͤck einmal ſo moderniſirt iſt, Herrn Iffland bewogen, auch ſeinen Dupperich darnach liest ›darnach‹ zu moderniſiren, aber gerade dieſe Rolle vertraͤgt es allenfalls, verlangt es vielleicht ſogar, und ich wenigſten bekenne gern, daß ich nur ſchuͤchtern meine abweichende Meinung der prononcirten Wahl eines praktiſchen Kuͤnſtlers von Herrn Ifflands Geiſt und Verſtand gegenuͤber ſtelle. Genug, wie er die Rolle nahm, gab er ſie mit der unendlichen komiſchen Kraft, die man an ihm zu bewundern nie muͤde wird und vergleichungsweiſe noch immer nicht genug wuͤrdigt. Der Raum dieſes Blatts erlaubt es nur noch des lebhaften eleganten Spiels des Herrn Beſchort und der Talente des Herrn Gern, des juͤngern, ſo klein ſeine Rolle auch iſt, zu erwaͤhnen.
Die Muſik der Schweizerfamilie hat geruͤhrt, erfreut und entzuͤckt. Wie waͤre es auch moͤglich, daß ſoviel Wahrheit des muſikaliſchen Ausdrucks dieſe Wirkungen auf unbefangene und nicht verbildete Gemuͤ 192ther verfehlen koͤnnte? Iſt es dennoch der Fall, ſo iſt es freilich kein Wunder, denn vor allen andern ſcheint gegenwaͤrtig das faſt uͤberbevoͤlkerte Reich der Muſik Geſetz⸗ und Verfaſſungslos und eine nur immer weiter und weiter getriebene Virtuoſitaͤt im Einzeln der Culminations⸗Punkt alles unbeſtimmten und immer mehr ſich ſpaltenden Strebens zu ſein. Man wache ja, daß der Goͤtzendienſt uns nicht ganz und gar das Goͤttliche entruͤcke. Herr Rebenſtein als junger Schweizer intereſſirte durch Spiel und Geſang und Mſlle. Herbſt leiſtete ſehr viel, wenn auch nicht alles.
Ein kleines neues Stuͤck von Kotzebue, das zugemauerte Fenſter, das mit den beiden Klingsbergen zuſammen gegeben wurde, wird ſich durch Reize, die es ſelbſt hat, leichten Gang und leichten Witz, noch mehr aber durch den koͤſtlichen Reiz, den Herr Ifflands originelles und lebendiges Spiel ihm giebt, auf der Buͤhne erhalten. Wie er die ſchwache Gutmuͤthigkeit, die an jedem Dinge eine erfreuliche Seite ſieht, liest ›sieht,‹ mit ſo einfachen Mitteln in Ton und Geberden charakteriſirt, laͤßt ſich freilich nicht beſchreiben, aber noch weniger moͤcht’ ich es den gewoͤhnlichen Schauſpielern zur Nachahmung empfehlen, denn ſo etwas gelingt nur der freien Eingebung des Genies. Der bekannten beiden Klingsberge erwaͤhnt man hier blos deswegen, weil der lang entbehrte Herr Unzelmann darin wieder erſchien und auf eine Art empfangen wurde, die ihm ſehr ſchmeichelhaft beweiſen muß, daß das Publikum fuͤhlt, wo ein Iffland iſt, muß auch ein Unzelmann ſein, neben einem reichen, allbewunderten Talent, das ſich kuͤnſtleriſch frei beherrſcht und regelt, muß auch ein anders Talent, das kek und luſtig uͤber die Schranken herausgeht, die, ihm angelegt, nur Nuͤchternheit hervorbringen wuͤrden, geliebt und geſchaͤtzt werden. Herr Unzelmanns Spielweiſe, wenn er ſo recht aufgelegt iſt, macht es uns moͤglich, ohne Reflexion aus vollem Herzen luſtig zu ſein.
Herrlich beſchloß den Genuß dieſer vier Vorſtellungen die Jungfrau von Orleans, denn endlich ſah man auf unſerer Buͤhne die wunderbare, heilige, maͤchtige Jungfrau.
Mit edlem Leib und den ernſten Blick Herabſenkend auf der Erde kleiner Laͤnder, Da ſchien ſie mir was hoͤhers zu bedeuten, Und duͤnkt mir’s oft, ſie ſtamm, aus andern Zeiten.
Die jetzige Madam Schuͤtz, die ſie zuerſt uns gab, erlag mit aller ihrer ſchoͤnen Geſtalt, ihrem Talent 193 und ihrer Kunſt nur zu oft den beſchraͤnkten Mitteln ihrer Stimme, oft einer traͤgen weinerlichen Gefuͤhlsverſchwemmung und faſt noch oͤfter den geſuchten Kuͤnſtlichkeiten in einzelnen Stellungen, worin ſie damals ſich zu uͤben liebte. Madam Schroͤck, vielleicht zu ſehr die Fehler ihrer Vorgaͤngerin im Auge habend, vermied wohl jene aber verlor ſich auf Koſten der Kraft in eine zu maͤdchenhafte Weichheit, und kurz, das anmuthige Naturell, das uns alle gewoͤhnliche Maͤdchen ſo liebenswuͤrdig machte, — vermogte es nicht ſich in das Ungewoͤhnlichſte, das Maͤdchen von Orleans, zu verwandeln. Mſlle. Maaß, des Zaubers ihrer lieblichen Stimme ſich ganz bewußt, ſowie ihrer treflichen, von aller Ziererei entfernten, Declamation, hat ſich von Rechtswegen immer auf die Wirkung beſchraͤnkt, die ein geſchickter Vorleſer hervorbringen kann. Die voruͤbergehenden beiden Gaſtſpielerinnen, die zierliche, rhetoriſche Mſlle. Jagemann und die monotone, affectirte Madame Hartwig gehoͤren zur Vollſtaͤndigkeit der Gallerie, an deren Ende jetzt Mſlle. Beck ſo hervorragend ſich geſtellt hat. Gluͤck darf man der deutſchen Buͤhne wuͤnſchen, daß ihr endlich wieder ein Talent fuͤr das Erhabene, Große und Wunderbare aufbluͤht, und ſo unerwartet dieſe Erſcheinung iſt, ſo berechtigt iſt man zu hoffen, daß ſie auf unſerer berliniſchen Buͤhne, die vor andern Mittel und Beruf hat, die erhabenen tragiſchen und romantischen Werke ihrer vaterlaͤndiſchen Dichter wuͤrdig und immer wuͤrdiger auszuſtellen, nicht voruͤbergehend ſein werden. Mſlle. Beck hat in der Darſtellung der Johanna ſo viel Kraft, Feuer, Innigkeit, richtige und feſte Ergreifung der wichtigſten Momente, und durchweg, das weſentlichſte der Rolle, den heiligen uͤberweltlichen Sinn des wunderbaren Maͤdchens offenbart, daß man ungern einige Maͤngel ruͤgt, die blos die Ausbildung ihrer Diction im allgemeinen betreffen. Dahin gehoͤrt, daß ſie oft zu ſchrof und grell aus tiefen Toͤnen in hohe uͤberſpringt, ſtatt ſie leiſe abzuſtufen, wodurch die Melodie der Stimme leidet. Doch dies iſt es, was gelernt und gelehrt werden kann — das hoͤhere, was ſie beſitzt, geben nur die Goͤtter. Fr. Sch.
Buͤlletin der oͤffentlichen Blaͤtter.
London den 5ten Nov.
Sr. Maj. Krankheit iſt im Ganzen nicht ſo heftig als im Jahr 1788, obſchon ſie, Ihres hohen Alters194 wegen, diesmal gefaͤhrlicher iſt. Auch Ihre Maj. die Koͤniginn und die Prinzeſſinn Maria liegen, von Kummer und Betruͤbniß angegriffen, krank darnieder. (Mon.)
Ein engl. Officier, Nahmens Edward, hat auf Van Diemens Land, wo er, zu ſeinem Vergnuͤgen ans Land ging, eine franzoͤſiſche Inſchrift in einem Baum, und dicht dabei eine, liest kein Komma: ›eine‹ in die Erde gegrabene Flaſche, mit mehreren verſiegelten Briefſchaften gefunden. Da die Adreſſen an franzoͤſiſchen Herren und Damen die unter der vormaligen Regierung bekannt waren, lautet, ſo glaubt man: La Peyrouſe ſei der Schreiber dieſer Briefe und Hr. Edward hat dieſelben bereits, durch ſeinen Vater in London, zur Befoͤrderung an ihre Adreſſe, dem Grafen Liverpool zuſtellen laſſen. (L. d. B.)
Fecamp den 12ten Nov.
Ein Franzoſe, der am 10. dieſes aus London abgereiſt iſt, bringt die Nachricht mit, daß im Augenblick ſeiner Abreiſe, ein Adjutant des Gen. Wellington die Nachricht uͤberbracht, daß die engliſche Armee von Portugal zuruͤckkaͤme. (Mon.)
Wien, den 14. Nov.
Briefe aus Conſtantinopel bringen die Nachricht mit, daß der Schach von Perſien mit Rußland einen ſchnellen Frieden geſchloſſen habe. Auch die Tuͤrkei, heißt es, werde ſich nun wahrſcheinlich bald zum Frieden bequemen. (Liſte d. Boͤrſenh.)
London den 10ten Nov.
Im Fall Sr. Maj. Krankheit von Dauer ſein ſollte, ſo wird wahrſcheinlich die Motion des Hr. Powys im Jahre 1789, nach welcher Sr. Hoheit dem Prinzen von Wallis damals die Regentſchaft uͤbertragen werden ſollte, angenommen werden. (Mon.)
Polizeiliche Tages-Mittheilungen.
Bei einem Baͤcker in der Prenzlauer Straße hat heute fruͤh ein Schornſtein gebrannt, iſt aber ſogleich geloͤſcht.
Der Kutſcher eines hieſigen Kaufmanns hat am Muͤhlendamm einen Menſchen uͤbergefahren und iſt alsdann davon gejagt. Der Uebergefahrne iſt wenig beſchaͤdigt, der Kutſcher hiernaͤchſt aber zum Arreſt gebracht.