Alle Textversionen sind inhaltlich identisch und folgen dem angegebenen Textzeugen.
Die
Fassung Erstdruck/Textzeuge zeigt die zeichengenaue Wiedergabe des Textzeugen. Nur offensichtliche Fehler sind emendiert. Alle Emendationen sind im Apparat verzeichnet. Der originale Zeilenfall ist beibehalten. Die Fassung wird auf Smartphones wegen der Zeilenlänge nicht angezeigt.
In der Textversion ohne originalen Zeilenfall wird der Zeilenfall mit einem Schrägstrich / angezeigt, die Zeile wird aber nicht umbrochen. Ansonsten folgt sie der angegebenen Textquelle.
In der Textversion ohne ſ, aͤ, oͤ, uͤ sind zusätzlich das lange ſ und historische Umlautformen der heutigen Orthographie angepasst.
Berliner Abendblaͤtter.
47tes Blatt. Den 23ten November 1810.
Folgender Brief eines redlichen Berliners, das hieſige Theater betreffend, an einen Freund im Ausland, iſt uns von unbekannter Hand zugeſandt worden. Wir haben, in dieſen Blaͤttern, ſo manchen Beweis von Unpartheilichkeit gegeben; dergeſtalt, daß wir, der gegen uns gerichteten Perſoͤnlichkeiten, die darin befindlich ſind, ungeachtet, keinen Anſtand nehmen, ihn dem Publiko vorzulegen. (Die Redaction)
Schreiben eines redlichen Berliners, das hieſige Theater betreffend, an einen Freund im Ausland.
Der Herr Theaterdirector Iffland, hat nach dem Geſtaͤndniß eines großen Theils von Berlin, ſeit er an der Spitze des hieſigen Theaters ſteht, die Geſtalt und das Anſehn deſſelben, auf eine merkwuͤrdige und außerordentliche, jedem Freunde der Kunſt gewiß hoͤchſt uͤberraſchende Art, umgewandelt und beſtimmt; und wenn wir ihn, wie uns die Wuͤrde und der Glanz ſeiner aͤußern Lage hoffen laͤßt, laͤnger und unausgeſetzt, in unſerer Mitte behalten, ſo ſteht zu erwarten, daß er dem Theater, (was ihm, zu beſitzen, das erſte Beduͤrfniß iſt,) vielleicht auf eine unwandelbare und nicht wieder zu verwiſchende Art, einpraͤgen werde: naͤmlich, einen Charakter.Zwar ſind nicht alle Kunſtfreunde, und beſonders nicht die, die aus der neueſten Schule hervorgegangen ſind, mit den Grundſaͤtzen, nach denen er verfaͤhrt, einverſtanden; aber diejenigen, die er ſich aufgeſtellt hat, verfolgt er mit Energie, Sicherheit unerſchuͤtterlicher Conſequenz: Eigenſchaften, die ſelbſt fehlerhafte Maasregeln, heilſamer und erſprieß 184licher machen koͤnnen, als gute, wenn dieſelben ihnen fehlen.
Die Haupturſache, wodurch wir dies erreicht, liegt in dem gluͤcklichen Verhaͤltniß, in welchem wir ſeit mehreren Jahren ſchon, mit der Kritik ſtehen; mit der Kritik, dieſer unſchaͤtzbaren und unzertrennlich ſchweſterlichen Begleiterinn jedes Theaters dem es darum zu thun iſt, der Vollendung, auf dem kuͤrzeſten und raſcheſten Wege, entgegenzuſchreiten. Maͤnner, von eben ſoviel Einſicht als Unpartheilichkeit, haben in den oͤffentlichen, vom Staat anerkannten Blaͤttern, das Geſchaͤft permanenter Theaterkritiken uͤbernommen; und nur die ſchaͤndlichſte Verlaͤumdung hat Gefaͤlligkeiten, die die Direction, vielleicht aus perſoͤnlicher Freundſchaft fuͤr ſie hat, die Wendung geben koͤnnen, als ob ſie dadurch beſtochen waͤren. Gleichheit, Uebereinſtimmung und innerliche Congruenz der Anſichten, im Fache der Kunſt, beſtimmen dieſelben, mit ganz uneigennuͤtzigem Eifer, durch Belehrung und Wuͤrdigung deſſen, was ſich auf der Buͤhne zeigt, in die Zwecke der Direction einzugreifen; und wenn ein pecuniaires Intereſſe (was zu laͤugnen gar keine Urſache iſt) bei dem Geſchaͤft, dem ſie ſich unterzogen haben, zum Grunde liegt, ſo iſt es kein anderes, als das, was jedem Schriftſteller, der Manuſcripte an ſeinen Buchhaͤndler abliefert, ſtatuirt iſt. Demnach haben wir, ſeit mehreren Jahren ſchon, die gluͤckliche, allerdings den Neid der Uebelgeſinnten reizende, Erſcheinung, daß dasjenige Organ, welches das groͤßeſte Publikum hat, auf Seiten des Theaters iſt; dergeſtalt daß eine Stimme, die ihre Recenſionen durchkreuzte und das Publikum irre zu fuͤhren beſtimmt waͤre, ſich nur in untergeordnete und obſcure Blaͤtter verlieren und aus dieſen in die fremden, auslaͤndiſchen aufgenommen werden kann; und auch fuͤr die Unſchaͤdlichkeit ſolcher Intriguen iſt, auf mancherlei Weiſe, bei uns geſorgt.
Und in der That, wenn eine Direktion das Feld 185der Kritik ſo erſchoͤpft hat, als man es von derjenigen deren wir uns jetzt erfreun, vorausſetzen kann: wozu kann man fragen, das Raiſonniren und Rezenſiren, das doch niemals aus dem Standpunkt geſchieht, der einmal, auf unabaͤnderliche Weiſe, nach einer beſtimmten Wahl des Beſſeren, angenommen iſt, wozu, fragen wir, dergleichen, als nur die Eintracht, die zwiſchen Publikum und Direktion herrſchen ſoll, zu ſtoͤren, das Publikum gegen das Verfahren, das dieſelbe beobachtet, argwoͤhniſch und mißtrauiſch zu machen, und demnach den ganzen Kunſtgenuß, die Totalitaͤt der Wirkungen, aͤſthetiſcher ſowohl als moraliſcher und philantropiſcher, die die Direktion beabſichtigt, auf die unzweckmaͤßigſte und widerwaͤrtigſte Weiſe, zu nichte zu machen?
Excentriſche Koͤpfe, Kraftgenies und poetiſche Revolutionairs aller Art machen ſich, wir wiſſen es gar wohl, in witzigen und unwitzigen Aeußerungen, uͤber dieſe ſogenannte „Theaterheiligkeit“ und den neueſten „Theaterpabſt“ ſehr luſtig; ſie fuͤhren an, ſelbſt die Kirche habe dulden muͤſſen, daß man die Fackel der Unterſuchung in ihr Allerheiligſtes hineintrage; doch weit entfernt, uns durch Perſiflagen dieſer Art, deren unreine Quelle nur zu ſehr am Tage liegt, irre machen zu laſſen, ſo ſoll dies nur ein Grund mehr ſein, die Thuͤr unſeres kleinen freundlichen Tempels (ſoviel es ſein kann) vor ihrer unberufenen, zudringlichen und leichtfertigen Fackel zu verſchließen. Zu einer Zeit, duͤnkt uns, da alles wankt, iſt es um ſo noͤthiger, daß irgend etwas feſt ſtehe: und wenn es der Kirche, nach der ſublimen Divination dieſer Herren, (welches Gott verhuͤten wolle!) beſtimmt waͤre, im Strom der Zeiten unterzugehen, ſo wuͤßten wir nicht, was geſchickter waͤre, an ihre Stelle geſetzt zu werden, als ein Nationaltheater, ein Inſtitut, dem das Geſchaͤft der Nationalbildung und Entwickelung und Entfaltung aller ihrer hoͤhern und niedern Anlagen, Eigenthuͤmlichkei186ten und Tugenden, vorzugsweiſe vor allen andern Anſtalten, uͤbertragen iſt.
Berlin, d. 20. Nov. 1810. μη. μϵ.
N. S. Geſtern ſahen wir hier Pachter Feldkuͤmmel; in Kurzem werden wir wieder Vetter Kukkuk und vielleicht auch Rochus Pumpernikkel ſehn.
Der Kreis.
Wo der Anfang ſei? Geh doch, und frag’ nach dem Ende! Haſt du das Ende, dann iſt dir auch der Anfang gewiß. W.
Buͤlletin der oͤffentlichen Blaͤtter.
Sr. Maj. der Kaiſer haben dem Praͤſidenten des Senats, vermittelſt eines Schreibens vom 12. Nov. die gluͤckliche Schwangerſchaft Ihrer Maj. der Kaiſerinn offiziel angezeigt. (L. d. B.)
Fontainebleau d. 11. Nov.
Durch ein Kaiſerl. Fr. Dekret vom heutigen Dato, iſt der Erzbiſchoͤfliche Pallaſt zu Paris dem Pabſte eingeraͤumt worden.(Mon.)
Von Liſſabon her fehlen, des ſtuͤrmiſchen Wetters wegen, ſeit dem 15. Oct. alle Nachrichten. — Uebrigens enthalten die Londner Nachrichten das letzte Buͤlletin uͤber das Befinden S. M. des Koͤnigs, welches alſo lautet:
Der Koͤnig hat eine gute Nacht gehabt. Sr. Majeſtaͤt befinden ſich ſeit 24 Stunden beſſer. (Mon.)
Ein weitlaͤuftiges Fragment einer Überſetzung vom Tode Abels, von Geßner, ſteht im Moniteur; durch Hrn Lablee, von der Akademie zu Lyon.