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Berliner Abendblätter.
31tes Blatt. Den 5ten November 1810.
Warnung gegen weibliche Jägerei.
Die Gräfin L . . . war kurzsichtig, aber sie liebte noch immer die Jagd, ungeachtet sie nie niemals gut geschossen hatte. Ihre Jäger kannten ihre Art und nahmen sich vor ihr in Acht; sie schoß dreist auf jeden Fleck, wo sich etwas regte, es war ihr einerlei, was es sein mogte. Abbé D . . . . . ., einer der gelehrtesten Literatoren, mußte sie mit ihrem vierzehnjährigem Sohne, dem Grafen Johann, auf einer dieser Treibjagden begleiten, die Jäger suchten ihnen einen sichern Platz zum Anstand, hinter zwei starken Bäumen, aus; der Abbé nahm aus Langeweile ein Buch aus seiner Tasche, das er vom Jagdschloß mitgenommen; es war von Ickstatt’s Jagdrecht. Der junge Graf lauerte aufmerksam auf einen Rehbock, der herangetrieben wurde. In dem Augenblicke, als er losdrücken wollte, fiel ein Schuß der Gräfin, den sie ungeschickt und übereilt auf denselben Rehbock thun wollte, so geschickt durch den schmalen Luftraum, zwischen den beiden Bäumen, die den Abbé und den Grafen sicherten, daß sich beide zu gleicher Zeit verwundet fühlten und aufschrieen. Die Gräfin wurde bei diesem Geschrei ohnmächtig, die Jäger und die übrige Gesellschaft, in der sich auch ein Wundarzt befand, eilten von allen Seiten herbei und theilten ihre Sorge zwischen der Gräfin und dem jungen Erbgrafen. Die Güte und Geduld des Abbé’s ist jedem, der ihn gesehen, aus seinem Gesichte bekannt, seine Bescheidenheit jedem, der mit ihm gesprochen; 124 hier erschien aber alles Dreies auf einer merkwürdigen Probe. Kein Mensch fragte ihn, was ihm fehle, vielmehr drängte man ihn beiseite, und als er einem sagte: Er glaube zu sterben, der eine Rehposten wäre ihm in der Gegend der Leber durch die Rippen eingeschlagen; so antwortete ihm jener verstört: der junge Graf sei durch beide Schulterblätter verletzt. Der Wundarzt sah nur auf den jungen Grafen, und der arme Abbé mußte sich selbst helfen, so gut er konnte, und suchte sich die Wunde mit seinem Schnupftuche, das er mit dem Rock festknöpfte, so gut als möglich zu verschließen. Mit Mühe wurde eine Kutsche durch den steinigen hügligten Wald, bis nahe an den Unglücksort, gebracht. Die Gräfin hatte sich erholt, und empfahl mit vielen Thränen, dem Wundarzte ihren Sohn; der Abbé wollte ihr mit Klagen, über seinen Schmerz, keinen Kummer machen, und stieg sachte mit der letzten Anstrengung dem jungen Grafen in den Wagen nach. Der Wundarzt hielt den Grafen im Vorsitz, rückwärts saß der Abbé. Der Wagen fuhr sehr langsam, aber der Weg war uneben und stieß unvermeidlich; der Graf litt dabei und seufzte leise, aber der Abbé konnte, bei dem entsetzlichen Druck der Kugel, sich heftiger Seufzer und einzelner Ausrufungen nicht enthalten. Der Wundarzt hatte schon ein paar Mal gesagt: Es hätte nichts auf sich mit der Wunde des Grafen, er könnte sich beruhigen; endlich sprach er ganz ernstlich: Ich ehre ihr Mitleid Herr Abbé, aber ich traue ihrem Verstande zu, daß sie sich der Ausbrüche desselben erwehren können, wenn es dem Gegenstande desselben gefährlich werden könnte; ihre Beileidsbezeigungen machen aber den Kranken selbst besorgter, als das Uebel verdient. —
(Beschluß folgt.)
Fragmente aus den Papieren eines Zuschauers am Tage.
Im Gefolge Catharinens von Medici kamen aus dem Asyle der geflüchteten Wissenschaften und Künste, dem Mediceischen Florenz, die Blüthen und Früchte der Poesie, der schönen Wissenschaften, der Philosophie, der Geschichte, — der Mahlerei, der Bildhauerei, der Architektur, — nach Frankreich. Zwar war bereits früher, unter Carl VIII., Ludwig XII. und Franz I., das geistige und physische Italien in Reunion und Requisition gesetzt. Aber die Ausbeuten von Neapel, Mayland, Genua und Pavia waren nicht aufmunternd. Das Gift, welches Franz des Ersten Lebenskraft untergrub und endlich vernichtete, hätte zu heilsamem Nachdenken führen können. Allein damals, wie jetzt, redete Erfahrung umsonst. — Ein Gegengift wäre unter dem Eingebrachten zu finden gewesen — die Geschichte. Aber selbst diese ward, in Macchiavel’s falsch angewandten Präparaten, zerstöhrend, anstatt heilbringend zu werden.
Miscellen.
Ein französischer Courier, der vergangenen Donnerstag in Berlin angekommen, soll, dem Vernehmen nach dem Gerücht, als ob die französischen Waffen in Portugal Nachtheile erlitten hätten, widersprochen, und im Gegentheil von Siegsnachrichten erzählt haben, die bei seinem Abgang aus Paris in dieser Stadt angekommen wären.
Der Befehl, daß die in Oesterreichischen Militairdiensten stehenden französischen Unterthanen die besagten Dienste verlassen müssen, soll ein Separat-Artikel des Friedensschlusses vom Jahr 1809 sein.
Der König von Spanien hat am 18 September Alkala de Henares und am 19 Guadalaxara besucht. In der ersten Stadt hat er sich mit Herstellung der alten berühmten Universität, in der zweiten mit Aufnahme der großen Tuchfabriken daselbst beschäftigt. Sr Maj. reisen den 20 Sept. nach Madrid zurück.
Der Fürst Johann von Lichtenstein hat das Militair-Commando in Wien und im Erzherzogthum Oesterreich, seiner geschwächten Gesundheit wegen, niedergelegt, und der Kaiser dasselbe dem Feldmarschall, Herzog Ferd. von Würtemberg übergeben.
Der Graf von St. Leu wird sich dem Vernehmen nach, den Winter über in Gräz aufhalten.
126Der Uhrmacher Degen wird den 21 Okt. eine neue Luftfahrt mit seiner Flugmaschiene verbunden mit einem Luftballon machen.
Der berühmte Balletmeister Noverre ist zu St. Germain en Laye 82 Jahr alt gestorben.
In Rom beschäftigt sich eine Commission mit Urbarmachung der Gegenden um die Stadt, und mit Austrocknung der pontinischen Sümpfe.
Auch der Mönch Gil, gewesener Rathgeber von Palafox, Anführer einer beträchtlichen Räuberbande in Spanien ist gefangen.
Den holländischen Capitalisten ist das vortheilhafte Anerbieten gemacht worden, daß wenn Einer z. B. eine Oesterreichische Obligation von 1000 Fl. besitzt [liest ›besitz‹ und emendiert in ›besitzt‹] und noch 2000 Fl. Conv Geld zuschießt, er nicht allein nach 15 Jahren sein Capital zurück erhält, sondern ihm auch die Zinsen von allen 3000 Fl. in Conv. Münze ausbezahlt werden.
In Amsterdam und längs den holl. Küsten ist der Sieg der Franzosen bei Coimbra gefeiert worden.
Der Kronprinz von Schweden ist den 23 Okt. zu Christianstadt angekommen. (Hamb. Zeit.)
Zu Dijon haben sich ein junger Mann und ein junges Mädchen, aus unglücklicher Liebe (indem die Eltern nicht in die Heirath willigen wollten) erschossen.
Die neuesten Briefe aus Frankreich bestätigen, daß die Frau von Staël nach Copet in der Schweiz zurückgegangen ist. Dieselbe hatte durch ihren Sohn einen Aufschub von 8 Tagen erhalten; auch ist ihr für ihr Werk Lettres sur l’Allemagne, ein neuer Censor, Hr. Esmenard, gesetzt worden, um die nöthigen Veränderungen und Auslassungen zu besorgen.
Unter einem Artikel: London vom 20. Oct. meldet der Moniteur, daß ein Kourier vom Lord Wellington zu London angekommen sei, mit folgender Nachricht: die alliirte Armee ziehe sich zurück, um eine Position vorwärts Lissabon einzunehmen. Die franz. Armee sei über den Mondego gegangen, und scheine die Alliirten verfolgen zu wollen.
Nichts ist ungegründeter, als das Gerücht, daß am 1sten bis 3ten eine allgemeine Schlacht Statt gefunden, in welcher Massena gefangen und 27000 Mann verloren haben soll. (Mon.)
Polizeiliche Tages-Mittheilungen.
Einer Wildprethändlerin sind 106 verdorbene Leipziger Lerchen konfiszirt; konfisziert; und Einer andern Frauensperson ein vorschriftswidriges Kohlenbehältniß.
Am 1sten November Nachmittags wurde in Charlottenburg ein toller Hund erschossen. Er hatte bereits ein Kaninchen zerrissen und mehrere Personen, auch eine Katze, wüthend angefallen. Ein Dienstmädchen entging ihm nur durch Geschwindigkeit, jedoch befindet sich auf ihrer Hand ein kaum bemerkbarer Punkt, welcher möglicher Weise von einem Bisse herrühren kann, und deshalb chirurgisch untersucht wird.