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Berliner Abendblätter.
24tes Blatt. Den 27ten October 1810.
Antikritik.
Der Aufsatz im 11ten dieser Abendblätter, dessen Verfasser auf eine sehr vorsichtige, aber doch nicht schlagende Weise gegen den verstorbenen Professor Kraus zu Felde zu ziehen scheint, hat es offenbar eigentlich mit seinen Schülern aufnehmen wollen. Die Wahrheit kann zwar durch die Angriffe einer jeden und selbst einer solchen Kritik nur gewinnen. Ruhig könnte man also in dieser Hinsicht zu allen Bemerkungen jener Kritik schweigen; weil indeß darin manches Wahre, selbst in persönlicher Hinsicht auf Kraus gesagt ist, so könnten Leser, welche den Mann nicht kannten, leicht verleitet werden, das übrige auch für wahr zu halten. Kein Schüler des Verstorbenen darf durch den Vorwurf der übertriebenen Adoration und der überschwellenden Dankbarkeit, den Herr Ps. im Allgemeinen den Freunden des verewigten Kraus macht, abgeschreckt werden, ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Im Namen aller übrigen, die gemeint waren, erlauben wir uns die Bemerkung, daß die Personen, welche oft seines Umgangs, welche seines Unterrichts genossen, eine Stimme haben zu beurtheilen, ob er wie Herr Ps. (mit den Königsbergschen Verhältnissen jedoch ganz unbekannt) meint „ein etwas langsamer und unfruchtbarer“ oder ob er „ein schneller und zu neuen eignen Ansichten fähiger Kopf“ gewesen sei. Daß der Freund des unsterblichen Kant, gerade die zuletzt gedachten Eigenschaften in seltenem und eminenten Grade besessen habe, dies zeigte sein Umgang, dies bewies sein Unterricht, durch den er und mit Recht sicherer als durch Schriften, auf das Leben einwirken zu können überzeugt war. Wir fordern den Herrn Ps. bescheiden auf, irgend einen Mathematiker, der jetzt lebenden oder der Zeitgenossen von Kraus zu nennen, der nach dem Urtheil von Sachkundigen, die beide kannten, schneller die schwierigsten Lehren der höhern Mathematik ergriff und entwickelte, als er; der zu allen Zeiten aus dem wohlbekannten Gebiet der disparatesten Wissenschaften, 96 dorthin wie nach seiner Heimath zurückkehren, und neue ihm eigenthümlich gehörende Beweise, gelungener dafür erschaffen, konnte, als er. Wir fügen hinzu, daß er nur solche Köpfe achtete, die er fähig erkannte, namentlich im Felde der Mathematik, etwas zu erfinden, daß er die, bei denen er Neigung zu der ernsten Wissenschaft wahrnahm, wie seine Kinder liebte, daß sein Widerwille gegen alles nicht Eigene, gegen alles nicht aus sich selbst Entwickelte, mechanisch Scheinende, sein stetes Eilen zum Gedanken, zu dem hellen Punkt, ihn charakterisirte. Daher ihm das Rubriciren und Numeriren bei dem Vortrage eigentlich erschwert wurde, und dieses Verdienst ist da, wo es in seinen Schriften angetroffen wird, spätern Federn mehr zuzuschreiben, als ihm selbst; er fühlte zwar die Nothwendigkeit daron, konnte es aber nur andeuten, da sein rascher Geist, der eben das eigentlich wissenschaftliche Leben zu führen verstand, jeden Augenblick, der nicht eine neue Ausbeute lieferte, für verloren hielt.
Kraus war entschieden gegen alle Positivität und Tyranney, dies kann als eine ganz ausgemachte Wahrheit jeder der ihn näher kannte, er mogte ihn adoriren oder ruhig beurtheilen, bezeugen; er warnte stets vor jenen Klippen, aber um die absoluten Principien der Obscuranten und der Barbarey zu vernichten, mußte er sie auf eine präcise Weise angreifen. Inzwischen keiner, wenigstens keiner von denjenigen Schülern, die seinen Geist richtig gefaßt, welche nicht bloß die nach seinem Tode herausgekommenen Schriften gelesen, sondern auch seinen lebendigen Vortrag gehört haben, läuft Gefahr für Maaßregeln zu stimmen, wodurch die Administration in Zwiespalt mit den Gerichtshöfen gerathen könnte; auch steht alles was der heiligen Idee des Rechts widerstreitet, gewiß weder jugendlichen noch gealterten Köpfen wohl an.
Kraus versäumte nie neben dem Studio der ältern Geschichte, das der lehrreichen Zeit worin er lebte; manche seiner Lehren z. B. die in Betreff des Papiergeldes, hat schon die neueste Zeit-Geschichte bestätigt, und herrliche, eigenthümlich ihm angehörige Winke hat er zu der noch vorliegenden Auflösung mehrerer wichtigen Fragen gegeben. Kraus liebte nicht zu blenden, glühend für die Wahrheit fröhnte er keiner Parthei, er haßte allen Frohndienst. Noch die später Nachwelt wird es einst anerkennen, was er, bekanntlich ein Freund des Mannes, der in Preußen 97 siegreich die der Dienst-Aufhebung entgegen stehende Hindernisse durchbrach, auch an seinem Theil zur Vernichtung der Frohndienste beigetragen. Viele Tausende von Familien in Preußen, welche jetzt frei (und durch die Gnade des Königs, seit kurzem als Eigenthümer) ihre Hände bewegen, deren durch den Krieg tief erschütterter Wohlstand daher in einer künftigen bessern Zeit schnell wieder empor blühen kann, werden es dann dokumentiren, daß irgend ein produktiver freier Kopf da gewesen sein müsse, der ohne müßig über der Theorie des Staats zu brüten, praktisch und eindringend gelehrt habe, wie einer Provinz, wie einem Staat zu helfen sei. Man wird nicht grübeln, ob dieser Kopf abhängig oder unabhängig gewesen; man wird nicht wie Herr Ps. fragen, ob er eine bloß auf das Lokal beschränkte, oder eine in der Macht der Wahrheit gegründete Wunderthätigkeit gehabt, noch ob diese Wahrheit dort zwanzig Jahr später oder vielleicht früher als anderswo ins Leben getreten sey; aber man wird aus den Früchten schließen, daß er ein seltner Lehrer, daß er ein weiser Rathgeber war, und matt wird sein Andenken seegnen.
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Bescheidene Anfrage.
Zur universitas literaria gehört nicht bloß eine Totalität der wissenschaftlichen Disciplinen; sondern es müßten auch die dermaligen Hauptrichtungen der Wissenschaft repräsentirt, die grade herrschenden Grundformen der Philosophie müßten [In Fußnote wird auf fehlenden Plural hingewiesen, im Text aber nicht in ›müßten‹ emendiert.] neben einander und in Streit gebracht werden. — Es ist ja bei solchen Instituten eben sowohl um die beständige Verallgemeinerung, als um die bestimmte und abgeschlossene Allgemeinheit zu thun. Daher könnte man bei Betrachtung des ersten Lectionscatalogs der Berliner Universität fragen, ob die Naturphilosophie übergangen wäre, mit Absicht, oder nur in Ermanglung tüchtiger Repräsentanten? Das Letztere läßt sich nicht voraussetzen, da, soviel wir wissen, Steffens und Schubert noch leben, die der Berliner Universität wahrscheinlich manches Opfer gebracht haben würden, und an Lehrertalent, literarischem Ruhm und wissenschaftlicher Begeisterung keinem weichen. Es muß also eine Absicht angenommen werden, die sich indeß mit der anderweiten Liberalität dieser Stiftung nicht vereinigen 98 läßt. Sollte es nicht für die Belebung eines solchen Instituts grade in Berlin, wo das wissenschaftliche Interesse der Jugend, so leicht durch andre, nicht grade verbotene, Reize übertäubt werden kann, wichtig sein eine Concurrenz streitender Ansichten zu veranlassen, und z. B. das große polemische Talent des Herrn Fichte in Bewegung zu setzen, wobei die Wissenschaften an Freiheit, die Universität an Charakter nur gewinnen könnten? —
rQ.
Miscellen.
Fr. v. Stael hat das Unglück gehabt, daß ihr Werk, Lettres sur l’Allemagne u. s. w. woran sie seit acht Jahren gearbeitet hatte und welches von drei Censoren war gebilligt worden, confiscirt worden ist: die Probebögen und Manuscripte sind ihr zu Blois von dem Präfecten abgenommen worden. Man berechnet den Verlust der Verleger auf 50000 Franken.
In Wilmersdorf hat man, bei dem Brande, wiederum zwei verdächtige Menschen bemerkt, die sich gleich nachher entfernt haben.
Auch hat man neuerlich in der Hasenheide wieder zwei Pechkuchen gefunden.
Die Bank von London, heißt es, werde denjenigen Hülfe leisten, die dem Hrn. A. Goldschmidt Vorschüsse gemacht haben. (L. d. B.)
Oeffentliche Blätter widerlegen das Gerücht, daß der Kaiser von Oesterreich und ein Prinz seines Hauses in Fontainebleau eintreffen werden.
Polizeiliche Tages-Mittheilungen.
In der Branntweinbrennerei eines hiesigen Kaufmanns ist vor einigen Tagen der Blasenkopf abgesprungen, und die in der Blase befindlichen 150 Quart Spiritus sind ausgebrannt, ohne das Gebäude zu beschädigen, dagegen sind der Kaufmann und sein Diener bei dem Versuch das Feuer zu löschen, durch den brennenden Spiritus so sehr beschädiget, daß der Erstere am 20sten d. M. gestorben und der letztere noch nicht außer Gefahr ist.
Ein Kind ist todt im Bette gefunden.
Bei J. E. Hitzig, hinter der katholischen Kirche Nr. 3, und in der Expedition der Abendblätter, Jägerstraße Nr. 25, ist zu haben:
Taschenbuch für denkende Frauen 1811. Enthaltend: Briefe über Zweck und Richtung weiblicher Bildung, von Caroline, Baronin Fouqué. Eine Weihnachtsgabe. 16. Elegant gebunden 12 gr.