Alle Textversionen sind inhaltlich identisch und folgen dem angegebenen Textzeugen.
Die
Fassung Erstdruck/Textzeuge zeigt die zeichengenaue Wiedergabe des Textzeugen. Nur offensichtliche Fehler sind emendiert. Alle Emendationen sind im Apparat verzeichnet. Der originale Zeilenfall ist beibehalten. Die Fassung wird auf Smartphones wegen der Zeilenlänge nicht angezeigt.
In der Textversion ohne originalen Zeilenfall wird der Zeilenfall mit einem Schrägstrich / angezeigt, die Zeile wird aber nicht umbrochen. Ansonsten folgt sie der angegebenen Textquelle.
In der Textversion ohne ſ, aͤ, oͤ, uͤ sind zusätzlich das lange ſ und historische Umlautformen der heutigen Orthographie angepasst.
Antikritik.
Der Aufsatz im 11ten dieser Abendblätter, dessen Ver¬
fasser auf eine sehr vorsichtige, aber doch nicht
schla¬
gende Weise gegen
den verstorbenen Professor Kraus
zu Felde zu ziehen scheint, hat es
offenbar eigentlich 5
mit seinen Schülern aufnehmen wollen. Die Wahr¬
heit kann zwar durch die Angriffe einer jeden und selbst
einer solchen Kritik nur gewinnen. Ruhig könnte man
also in dieser Hinsicht zu allen Bemerkungen jener Kri¬
tik schweigen; weil indeß darin manches Wahre,
selbst 10
in persönlicher Hinsicht auf Kraus gesagt ist, so könn¬
ten Leser, welche den Mann
nicht kannten, leicht ver¬
leitet werden, das übrige auch für wahr zu halten.
Kein Schüler des Verstorbenen darf durch den Vor¬
wurf der übertriebenen Adoration und der
überschwel¬15
lenden Dankbarkeit, den Herr Ps.
im Allgemeinen den
Freunden des verewigten Kraus macht, abgeschreckt
werden, ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Im
Namen aller übrigen, die gemeint waren, erlauben
wir
uns die Bemerkung, daß die Personen, welche oft sei¬20
nes Umgangs, welche seines
Unterrichts genossen, eine
Stimme haben zu beurtheilen, ob er wie Herr
Ps.
(mit den Königsbergschen
Verhältnissen jedoch ganz un¬
bekannt) meint
„ein etwas
langsamer und unfruchtbarer“ 25
oder ob er „ein schneller und zu neuen
eignen Ansich¬
ten
fähiger Kopf“ gewesen sei. Daß der Freund des
unsterblichen Kant, gerade die zuletzt gedachten Eigen¬
schaften in seltenem und eminenten Grade
besessen
habe, dies zeigte sein Umgang, dies bewies sein Unter¬30
richt, durch den er und mit
Recht sicherer als durch
Schriften, auf das Leben einwirken zu können
über¬
zeugt war. Wir fordern den Herrn Ps.
bescheiden auf,
irgend einen Mathematiker, der jetzt lebenden oder der
Zeitgenossen von Kraus zu nennen, der nach dem Ur¬35
theil von Sachkundigen, die beide kannten,
schneller
die schwierigsten
Lehren der höhern Mathematik ergriff
und entwickelte, als er; der zu
allen Zeiten aus dem
wohlbekannten Gebiet der disparatesten
Wissenschaften,
[ 24 ] 96 dorthin wie nach seiner Heimath zurückkehren, und
40
neue ihm eigenthümlich gehörende Beweise, gelunge¬
ner dafür erschaffen, konnte, als er. Wir fügen hinzu,
daß er nur solche Köpfe achtete, die er fähig
erkannte,
namentlich im Felde der Mathematik, etwas zu erfin¬
den, daß er die, bei denen er Neigung zu der ern¬45
sten Wissenschaft wahrnahm, wie seine Kinder
liebte,
daß sein Widerwille gegen alles nicht Eigene, gegen
alles nicht aus sich selbst Entwickelte, mechanisch Schei¬
nende, sein stetes Eilen zum
Gedanken, zu dem hellen
Punkt, ihn charakterisirte. Daher ihm das Rubrici¬50
ren und Numeriren bei dem Vortrage eigentlich er¬
schwert wurde, und dieses
Verdienst ist da, wo es in
seinen Schriften angetroffen wird, spätern
Federn mehr
zuzuschreiben, als ihm selbst; er fühlte zwar die
Noth¬
wendigkeit
daron, konnte es aber nur andeuten, da sein 55
rascher Geist, der eben das
eigentlich wissenschaftliche
Leben zu führen verstand, jeden
Augenblick, der nicht
eine neue Ausbeute lieferte, für verloren
hielt.
Kraus war
enschieden
entschieden
gegen alle Positivität
und Tyranney, dies kann als eine ganz ausgemachte
60
Wahrheit jeder der ihn näher kannte, er mogte ihn
adoriren oder ruhig beurtheilen, bezeugen; er warnte
stets vor jenen
Klippen, aber um die absoluten
Principien der Obscuranten und der Barbarey zu ver¬
nichten, mußte er sie auf eine präcise Weise an¬65
greifen. Inzwischen
keiner, wenigstens keiner von den¬
jenigen Schülern, die seinen Geist richtig gefaßt, wel¬
che nicht bloß die nach seinem Tode
herausgekomme¬
nen Schriften gelesen, sondern auch seinen lebendigen
Vortrag gehört haben, läuft Gefahr für Maaßregeln 70
zu
stimmen, wodurch die Administration in Zwie¬
spalt mit den
Gerichtshöfen gerathen könnte;
auch steht alles was der heiligen
Idee des Rechts wi¬
derstreitet, gewiß weder jugendlichen noch geal¬
terten
Köpfen wohl an.75
Kraus versäumte nie neben dem Studio
der äl¬
tern Geschichte,
das der lehrreichen Zeit worin
er lebte; manche seiner Lehren z. B. die in Betreff
des Papiergeldes,
hat schon die neueste Zeit-Geschichte
bestätigt, und herrliche,
eigenthümlich ihm angehörige 80
Winke hat er zu der noch vorliegenden Auflösung meh¬
rerer wichtigen Fragen gegeben. Kraus liebte nicht
zu blenden, glühend für die
Wahrheit fröhnte er kei¬
ner Parthei, er haßte allen Frohndienst. Noch die
später Nachwelt wird es einst anerkennen, was er, 85
bekanntlich ein Freund des Mannes, der in Preußen
97 siegreich die der Dienst-Aufhebung entgegen stehende
Hindernisse durchbrach, auch an seinem Theil zur Ver¬
nichtung der Frohndienste beigetragen.
Viele Tau¬
sende von Familien in Preußen, welche jetzt frei 90
(und durch die Gnade des Königs, seit kurzem als
Ei¬
genthümer) ihre
Hände bewegen, deren durch den Krieg
tief erschütterter Wohlstand daher
in einer künftigen
bessern Zeit schnell wieder empor blühen kann,
werden
es dann dokumentiren, daß irgend ein produktiver 95
freier Kopf da gewesen
sein müsse, der ohne müßig
über der Theorie des Staats zu brüten,
praktisch und
eindringend gelehrt habe, wie einer Provinz, wie ei¬
nem Staat zu helfen sei. Man wird nicht grübeln,
ob dieser Kopf abhängig
oder unabhängig gewesen; 100
man wird nicht wie Herr Ps. fragen, ob er eine bloß
auf das
Lokal beschränkte, oder eine in der Macht der
Wahrheit gegründete
Wunderthätigkeit gehabt, noch
ob diese Wahrheit dort zwanzig Jahr
später oder viel¬
leicht früher als anderswo ins Leben getreten sey; 105
aber
man wird aus den Früchten schließen, daß er
ein seltner Lehrer, daß er
ein weiser Rathgeber war,
und matt wird sein Andenken seegnen.
∆**
Bescheidene Anfrage.110
Zur universitas literaria gehört nicht bloß eine To¬
talität der wissenschaftlichen Disciplinen; sondern
es
müßten auch die dermaligen Hauptrichtungen der Wis¬
senschaft repräsentirt,
die grade herrschenden Grund¬
formen der Philosophie
müßte
müßten
[In Fußnote wird auf fehlenden Plural hingewiesen, im Text aber nicht in
›müßten‹ emendiert.]
neben einander und in 115
Streit gebracht werden. — Es ist ja bei solchen In¬
stituten eben sowohl um die beständige Verallgemeine¬
rung, als um die
bestimmte und abgeschlossene Allge¬
meinheit zu thun. Daher könnte man
bei Betrach¬
tung des
ersten Lectionscatalogs der Berliner Univer¬120
sität fragen, ob die Naturphilosophie übergangen
wäre, mit Absicht, oder nur in
Ermanglung tüchtiger
Repräsentanten? Das
Letztere läßt sich nicht voraus¬
setzen, da, soviel wir wissen, Steffens und Schubert
noch leben, die der Berliner Universität wahrschein¬125
lich manches Opfer gebracht haben würden, und
an
Lehrertalent, literarischem Ruhm und wissenschaftlicher
Begeisterung keinem weichen. Es muß also eine
Ab¬
sicht angenommen
werden, die sich indeß mit der an¬
derweiten Liberalität dieser Stiftung nicht vereinigen 130
98 läßt. Sollte es nicht für die Belebung eines solchen
Instituts grade in Berlin, wo das wissenschaftliche In¬
teresse der Jugend, so leicht durch andre, nicht
grade
verbotene, Reize übertäubt werden kann, wichtig sein
eine Concurrenz streitender Ansichten zu veranlassen, 135
und z. B. das große polemische Talent des
Heren
Herrn
Fichte in Bewegung zu setzen, wobei die Wissenschaf¬
ten an Freiheit, die
Universität an Charakter nur ge¬
winnen könnten? —
rQ.140
Miscellen.
Fr. v.
Stael hat das Unglück gehabt, daß ihr Werk, Lettres
sur l’Allemagne u. s. w. woran sie seit acht Jahren gearbeitet
hatte und welches von drei Censoren war gebilligt worden, confis¬
cirt worden ist: die
Probebögen und Manuscripte sind ihr zu Blois 145
von dem Präfecten
abgenommen worden. Man berechnet den Ver¬
lust der Verleger auf 50000 Franken.
In
Wilmersdorf hat man, bei dem Brande, wiederum zwei
verdächtige
Menschen bemerkt, die sich gleich nachher entfernt haben.
Auch hat
man neuerlich in der Hasenheide wieder zwei Pech¬150
kuchen gefunden.
Die Bank
von London, heißt es, werde denjenigen Hülfe lei¬
sten, die dem Hrn. A. Goldschmidt Vorschüsse gemacht haben. (L. d.
B.)
Oeffentliche Blätter widerlegen das Gerücht, daß der Kaiser
von
Oesterreich und ein Prinz seines Hauses in Fontainebleau ein¬155
treffen werden.
Polizeiliche Tages-Mittheilungen.
In der Branntweinbrennerei eines
hiesigen Kauf¬
manns
ist vor einigen Tagen der Blasenkopf abgesprun¬
gen, und die in der Blase befindlichen 150 Quart 160
Spiritus sind ausgebrannt, ohne das Gebäude zu be¬
schädigen, dagegen sind der Kaufmann und
sein Die¬
ner bei dem
Versuch das Feuer zu löschen, durch den
brennenden Spiritus so sehr
beschädiget, daß der Er¬
stere am 20sten d. M. gestorben und der letztere noch 165
nicht außer Gefahr ist.
Ein Kind ist todt im Bette gefunden.
Bei J. E. Hitzig, hinter der katholischen Kirche
Nr. 3, und in der Expedition der Abendblätter, Jä¬
gerstraße Nr. 25, ist zu haben:170
Taschenbuch für denkende Frauen 1811.
Enthaltend: Briefe über
Zweck und Richtung
weibli¬
chen
weibli¬
cher
Bildung, von Caroline, Baronin Fouqué.
Eine Weihnachtsgabe. 16. Elegant gebunden 12 gr.