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Berliner Abendblätter.
22tes Blatt. Den 25ten October 1810.
Das Gesicht Karls XI. Königs von Schweden.
In Hamburg erscheint seit dem 1sten Julius des laufenden Jahres eine Zeitschrift: Vaterländisches Museum, die bei der tüchtigen Denkungsart und dem edlen Gemeinsinn ihres Unternehmers und Verlegers, des Herrn Perthes, das Interesse von ganz Deutschland zu erregen nicht ermangeln wird. Wir theilen aus einem darin enthaltenen Briefe über Gripsholm, das folgende Aktenstück mit, welches seit langer Zeit in Schweden circulirt und bei den neuerlichen Ereignissen vielfältige Beziehungen erlitten hat. Der hier dargestellte Vorfall erzählt sich auch schon längst in Deutschland, jedoch mannichfaltig entstellt, so daß unsre Leser ihn gern berichtigt sehn werden.
Document.
„Ich, Karl der Elfte, heute König von Schweden, war die Nacht zwischen dem 16. und 17. December 1676 mehr als gewöhnlich von meiner melancholischen Krankheit geplagt. Ich erwachte um halb 12 Uhr, da ich von ungefähr meine Augen auf das Fenster warf, und gewahr ward, daß ein starker Schein im Reichssaal leuchtete. Ich sagte da zu dem Reichsdrost Bjelke, der bei mir im Zimmer war: was ist das für ein Schein im Reichssaal? ich glaube da ist Feuer los. Er antwortete mir: o nein, Euer Majestät, es ist der Schein des Mondes, der gegen das Fenster glittert. Ich war da vergnügt mit diesen Antworten, und wandte mich gegen die Wand, um einiger Ruhe zu genießen, aber ich war unbeschreiblich ängstlich in mir, wandte mich wieder nach vorne hin, und ward des Scheins wieder gewahr. Ich sagte da wieder: hier muß es nimmer richtig zustehen. Ja, sagte der große und geliebte Reichsdrost Bjelke, es ist nichts anders, als der Mond. In demselben Augenblick trat der Reichsrath Bjelke ein, um sich zu erkundigen, wie ich mich befände. Ich fragte da diesen wackern Mann, ob er irgend ein Unglück oder Feuer im Reichssaal gewahr geworden? Er antwortete da nach dem Stillschweigen einer kleinen 88 Weile: nein, Gott sey Lob! da ist nichts; es ist allein der Mondschein, der verursacht, daß es aussieht, als wäre im Reichsaal Licht. Ich ward wieder etwas befriedigt, aber, indem ich meine Augen wieder dahin warf, ward ich gerade wie gewahr, daß es aussah, als wären Menschen da gewesen. Ich stand dann auf und warf meinen Schlafrock um, und ging an das Fenster, und öffnete es, wo ich gewahr ward, daß es da ganz voll mit Lichtern war. Da sagte ich: gute Herrn, hier steht es nicht richtig zu. Ihr verlasset Euch darauf, daß der, welcher Gott fürchtet, sich vor nichts in der Welt fürchten muß; so will ich nun dahin gehen, um zu erforschen, was es sein kann. Ich bestellte da bei den Anwesenden, herunter zu gehen zum Wachtmeister, um ihn zu bitten, mit den Schlüsseln herauf zu kommen. Als er herauf gekommen war, ging ich im Gefolge mit dem Mann zu dem geschlossenen heimlichen Gang, der über meinem Zimmer war, zur Rechten von Gustav Erichsons *) Schlafzimmer. Als wir dahin kamen, befahl ich dem Wachtmeister, die Thüre zu öffnen, aber aus Bangigkeit bat er um die Gnade, ihn damit zu verschonen. Ich bat darauf den Reichsdrost, aber auch er weigerte sich dessen. Ich bat darauf den Reichsrath Oxenstjerna, dem nie vor etwas bange war, die Thüre aufzuschließen; aber er antwortete mir: Ich habe einmal geschworen, Leib und Blut für Euer Majestät zu wagen, aber nie, diese Thüre aufzuschließen. Nun begann ich selbst, bestürzt zu werden, aber faßte Muth, nahm selbst die Schlüssel, und schloß die Thüre auf, da wir das Zimmer und sogar den Fußboden überall schwarz bekleidet fanden. Ich nebst meiner ganzen Gesellschaft waren sehr zitterig. Wir gingen da zur Reichsaalsthüre. Ich befahl dem Wachtmeister wieder die Thüre zu öffnen, aber er bat mich um Gnade, ihn damit zu verschonen; ich bat da die andern von der Gesellschaft, aber sie baten sich alle die Gnade aus, es nicht zu thun. Ich nahm da selbst die Schlüssel und öffnete die Thüre, und als ich einen Fuß hineinsetzte, zog ich ihn aus Bestürzung hastig zurück. Ich stutzte so ein wenig, aber dann sagte ich: gute Herren, wollt Ihr mir folgen, so werden wir sehen, wie es sich hier verhält; vielleicht daß der gnädige Gott uns etwas offenbaren will. Sie aber antworteten alle mit bebenden Worten: Ja.“ —
(Beschluß folgt.)
*) Wahrscheinlich Gustav Wasas des Ersten, der Erich Wasas Sohn war.
Literarische Neuigkeiten.
Die früher in diesen Blättern erwähnten: Briefe über Zweck und Richtung weiblicher Bildung, von Caroline, Baronin Fouque: Eine Weihnachtsgabe. Berlin, Hitzig, 1811, sind nunmehr unter dem Haupttitel: Taschenbuch für denkende Frauen 1811, wirklich erschienen, und dies Taschenbuch wird in der Deutschen Kalenderfluth des Jahrs 1811 nicht untergehen. Schon Friedrich Schlegel hat es empfohlen, die weibliche Empfindung durch das Studium der Philosophie abzuklären: hier nun zeigt sich wirklich eine Frau, die von dem größten Gedanken ihrer Zeit berührt und ergriffen ist, und die aus dem ernsten Umgang mit der Philosophie reiner und über die eigne Bestimmung versicherter zurückkehrt. Das glückliche Verhältniß der Frauen zur Welt und zum männlichen Geschlecht, beruht zuletzt auf die Frage: ob der Wirkungskreis beider Geschlechter, das häusliche und das öffentliche Leben, streng und schneidend von einander abgesondert werden sollen, oder ob diese beiden Gebiete in einander fließen können, so etwa daß sich nur in dem Sinn und in der Art der Behandlung die Geschlechtsverschiedenheit offenbarte? Der große Haufen ist für die strenge Absonderung der Gegenstände des weiblichen Interesses; sein Ideal weiblicher Bildung ist eine gewisse engherzige Mütterlichkeit und Häuslichkeit, der mancherlei Dilettantismus, Hand- und Mund-Fertigkeit angeflickt wird, während ihr jede Berührung des männlichen Schreibtisches oder Bücherschranks untersagt bleibt.
Die Verfasserin dieser Briefe zeichnet, durch eigne, glückliche Erfahrung berechtigt, ein andres Ideal: kein Gebiet des Lebens darf den Frauen verschlossen sein, denn sie ergreifen, wenn sie nur dem schönen Instinkt ihrer Natur treu bleiben, das Entlegenste mit einer Art von Heimweh nach dem Innerlichsten und Nächsten; sie halten das menschliche Geschlecht und alle Wirksamkeit desselben beisammen, wie könnte also etwas menschliches von ihnen angeeignet zu werden verschmähn?
Die Briefe sind gegen eine besondere Art der Prüderie gerichtet: denn wo sich Anstand und Sitte nur im Vermeiden, im Ausweichen des Unschicklichen, oder dafür gehaltenen, äußert, da ist Prüderie. Frau von Fouqué [liest ›Fouque‹] zeigt den ernsteren und überlegteren ihres Geschlechts nicht bloß was sich schicke, sondern wie es sich 90 schickt. Nicht bloß für Männer ist die Freiheit, der freie Umgang mit dem tiefsinnigsten und erhabensten: Tretet ein und lernet, daß es auch eine Art der Freiheit giebt, die sich für Frauen schickt.
Die Leserinnen mögen nicht glauben, diesem Buche leicht und eilig absehn zu können, was darin gemeint wird: es ist ein Geschenk nicht bloß für 1811; öfters in späteren Jahren zu diesen stillen und innigen Gedanken zurückzukehren, wird größeren Genuß geben, als, nach flüchtiger Lectüre, ein leichtsinniges Aburtheilen in der nächsten Theegesellschaft über dieses Buch, so wie über die andern literarischen Näschereien, je gewähren kann.
A. M.
Französisches Exercitium
das man nachmachen sollte.
Ein Französischer Artillerie-Capitain, der, beim Beginn einer Schlacht, eine Batterie, bestimmt, das feindliche Geschütz in Respect zu halten oder zu Grund zu richten, placiren will, stellt sich zuvörderst in der Mitte des ausgewählten Platzes, es sei nun ein Kirchhof, ein sanfter Hügel oder die Spitze eines Gehölzes, auf: er drückt sich, während er den Degen zieht, den Huth in die Augen, und inzwischen die Karren, im Regen der feindlichen Kanonenkugeln, von allen Seiten rasselnd, um ihr Werk zu beginnen, abprotzen, faßt er mit der geballten Linken, die Führer der verschiedenen Geschütze (die Feuerwerker) bei der Brust, und mit der Spitze des Degens auf [liest ›auf‹] einen Punkt des Erdbodens hinzeigend, spricht er: „hier stirbst du!“ wobei er ihn ansieht — und zu einem Anderen; „hier du!“ — und zu einem Dritten und Vierten und alle Folgenden: „hier du! hier du! hier du!“ — und zu dem Letzten: „hier du!“ — — Diese Instruction an die Artilleristen, bestimmt und unverklausulirt, an den Ort wo die Batterie aufgefahren wird zu sterben, soll, wie man sagt, in der Schlacht, wenn sie gut ausgeführt wird, die außerordentlichste Wirkung thun.
Vx.
Polizeiliche Tages-Mittheilungen.
Einem hiesigen Bäcker ist für 16 Gr. zu leichtes Brod konfiszirt und dreien andern resp. für 2 und 4 Gr. verbackenes zerschnitten.
Ein Torfhändler hat einen hiesigen Bürger auf ½ Haufen Torf, 20 Kiepen zu wenig gemessen, und ist deshalb zur Untersuchung gezogen.