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Das Gesicht Karls XI. Königs von Schweden.
In Hamburg erscheint seit dem 1sten Julius des lau¬
fenden Jahres eine Zeitschrift: Vaterländisches
Museum, die bei der
tüchtigen Denkungsart und
dem edlen Gemeinsinn ihres Unternehmers und
Ver¬5
legers, des Herrn
Perthes, das Interesse von ganz
Deutschland zu erregen nicht ermangeln
wird. Wir
theilen aus einem darin enthaltenen
Briefe über
Gripsholm, das folgende Aktenstück mit, welches seit
langer Zeit in Schweden circulirt und bei den neuer¬10
lichen Ereignissen vielfältige
Beziehungen erlitten hat.
Der hier
dargestellte Vorfall erzählt sich auch schon
längst in Deutschland,
jedoch mannichfaltig entstellt, so
daß unsre Leser ihn gern berichtigt
sehn werden.
Document.15
„Ich, Karl der
Elfte, heute König von Schweden,
war die Nacht
zwischen dem 16. und 17. December 1676
mehr als
gewöhnlich von meiner melancholischen Krank¬
heit
geplagt. Ich erwachte um halb 12 Uhr,
da ich
von ungefähr meine Augen auf das Fenster
warf, und 20
gewahr ward, daß ein starker Schein
im Reichssaal
leuchtete. Ich sagte da zu dem Reichsdrost Bjelke,
der bei mir im Zimmer war: was ist das für ein
Schein im Reichssaal? ich glaube da ist
Feuer los.
Er
antwortete mir: o nein, Euer Majestät, es ist der 25
Schein des Mondes, der gegen das Fenster
glittert.
Ich war da
vergnügt mit diesen Antworten, und wandte
mich
gegen die Wand, um einiger Ruhe zu genießen,
aber ich war unbeschreiblich ängstlich in mir, wandte
mich wieder nach vorne hin, und ward des
Scheins 30
wieder gewahr. Ich sagte da wieder: hier muß es nim¬
mer richtig zustehen. Ja, sagte der große und geliebte
Reichsdrost
Bjelke, es ist nichts anders, als der Mond.
In demselben Augenblick trat der
Reichsrath Bjelke
ein, um sich zu erkundigen,
wie ich mich befände. Ich 35
fragte da diesen wackern Mann, ob er irgend ein
Un¬
glück oder Feuer im Reichssaal gewahr
geworden? Er
antwortete da nach dem Stillschweigen einer kleinen
[ 22 ]88 Weile: nein, Gott sey
Lob! da ist nichts; es ist allein
der
Mondschein, der verursacht, daß es aussieht, als 40
wäre im Reichsaal Licht. Ich ward
wieder etwas be¬
friedigt, aber, indem ich meine
Augen wieder dahin
warf, ward ich gerade wie
gewahr, daß es aussah, als
wären Menschen da
gewesen. Ich stand dann auf und
warf meinen Schlafrock um, und ging an das
Fenster, 45
und öffnete es, wo ich gewahr ward,
daß es da ganz
voll mit Lichtern war. Da sagte ich: gute Herrn,
hier steht es nicht richtig zu. Ihr
verlasset Euch dar¬
auf, daß der, welcher Gott
fürchtet, sich vor nichts in
der Welt fürchten
muß; so will ich nun dahin gehen, 50
um zu
erforschen, was es sein kann. Ich
bestellte da
bei den Anwesenden, herunter zu
gehen zum Wachtmei¬
ster, um ihn zu bitten, mit
den Schlüsseln herauf zu
kommen. Als er herauf gekommen war, ging ich im
Gefolge mit dem Mann zu dem geschlossenen
heimlichen 55
Gang, der über
meinem Zimmer war, zur Rechten
von Gustav
Erichsons *) Schlafzimmer. Als wir
da¬
hin kamen, befahl ich dem Wachtmeister, die
Thüre zu
öffnen, aber aus Bangigkeit bat er um
die Gnade, ihn
damit zu verschonen. Ich bat darauf den Reichsdrost, 60
aber auch er weigerte sich dessen. Ich bat darauf den
Reichsrath Oxenstjerna, dem nie vor etwas bange war,
die Thüre aufzuschließen; aber er antwortete
mir: Ich
habe einmal geschworen, Leib und Blut
für Euer Ma¬
jestät zu wagen, aber nie, diese Thüre
aufzuschließen. 65
Nun
begann ich selbst, bestürzt zu werden, aber faßte
Muth, nahm selbst die Schlüssel, und schloß die
Thüre
auf, da wir das Zimmer und sogar den
Fußboden über¬
all schwarz bekleidet fanden. Ich nebst meiner ganzen
Gesellschaft waren sehr zitterig. Wir
gingen da zur 70
Reichsaalsthüre. Ich befahl dem Wachtmeister wieder
die Thüre zu öffnen, aber er bat mich um Gnade,
ihn
damit zu verschonen; ich bat da die andern
von der
Gesellschaft, aber sie baten sich alle
die Gnade aus, es
nicht zu thun. Ich nahm da selbst die Schlüssel und 75
öffnete die Thüre, und als ich einen Fuß
hineinsetzte,
zog ich ihn aus Bestürzung hastig
zurück. Ich stutzte
so ein wenig, aber dann sagte ich: gute Herren, wollt
Ihr mir folgen, so werden wir sehen, wie es
sich hier
verhält; vielleicht daß der gnädige
Gott uns etwas 80
offenbaren will. Sie aber antworteten alle mit beben¬
den Worten: Ja.“ —
(Beschluß
folgt.)
*) Wahrscheinlich Gustav Wasas des
Ersten, der Erich Wasas
Sohn war.85
Literarische Neuigkeiten.
Die früher in diesen Blättern
erwähnten: Brie¬
fe über Zweck und Richtung weiblicher Bil¬
dung, von Caroline, Baronin Fouque: Eine
Weihnachtsgabe. Berlin, Hitzig, 1811, sind 90
nunmehr
unter dem Haupttitel: Taschenbuch für den¬
kende Frauen 1811, wirklich erschienen, und dies
Taschenbuch wird in der Deutschen Kalenderfluth
des
Jahrs 1811 nicht untergehen. Schon Friedrich
Schlegel hat es empfohlen, die weibliche Empfindung 95
durch das Studium
der Philosophie abzuklären: hier
nun zeigt sich wirklich eine Frau, die
von dem grö߬
ten Gedanken
ihrer Zeit berührt und ergriffen ist,
und die aus dem ernsten Umgang
mit der Philoso¬
phie
reiner und über die eigne Bestimmung versicher¬100
ter zurückkehrt. Das glückliche
Verhältniß der Frauen
zur Welt und zum männlichen Geschlecht, beruht
zu¬
letzt auf die Frage:
ob der Wirkungskreis beider Ge¬
schlechter, das häusliche und das öffentliche Leben, streng
und schneidend von einander abgesondert werden sollen, 105
oder ob diese beiden Gebiete in einander fließen kön¬
nen, so etwa daß sich nur in dem Sinn und in der
Art der Behandlung die Geschlechtsverschiedenheit of¬
fenbarte? Der
große Haufen ist für die strenge Ab¬
sonderung der Gegenstände des weiblichen Interesses; 110
sein Ideal weiblicher Bildung ist eine gewisse engher¬
zige Mütterlichkeit und Häuslichkeit, der
mancherlei
Dilettantismus, Hand- und Mund-Fertigkeit angeflickt
wird, während ihr jede Berührung des männlichen
Schreibtisches oder Bücherschranks untersagt bleibt.115
Die Verfasserin dieser Briefe
zeichnet, durch eigne,
glückliche Erfahrung berechtigt, ein andres
Ideal: kein
Gebiet des Lebens darf den Frauen verschlossen sein,
denn sie ergreifen, wenn sie nur dem schönen Instinkt
ihrer Natur treu bleiben, das
Entlegenste mit einer 120
Art von Heimweh nach dem Innerlichsten und
Näch¬
sten; sie halten
das menschliche Geschlecht und alle
Wirksamkeit desselben beisammen,
wie könnte also et¬
was
menschliches von ihnen angeeignet zu werden ver¬
schmähn?125
Die Briefe sind gegen eine besondere
Art der Prü¬
derie
gerichtet: denn wo sich Anstand und Sitte nur
im Vermeiden, im
Ausweichen des Unschicklichen, oder
dafür gehaltenen, äußert, da ist
Prüderie. Frau von
Fouqué
[liest ›Fouque‹]
zeigt den ernsteren und überlegteren ihres Ge¬130
schlechts nicht bloß was sich schicke, sondern
wie es sich
90 schickt. Nicht bloß für Männer
ist die Freiheit, der
freie Umgang mit dem tiefsinnigsten und
erhabensten:
Tretet ein und lernet, daß es auch eine Art der
Frei¬
heit giebt, die
sich für Frauen schickt.135
Die Leserinnen mögen nicht glauben,
diesem Buche
leicht und eilig absehn zu können, was darin gemeint
wird: es ist ein Geschenk nicht bloß für 1811; öfters
in späteren Jahren zu diesen stillen und innigen Ge¬
danken zurückzukehren, wird größeren Genuß geben,
als, 140
nach flüchtiger Lectüre, ein leichtsinniges Aburtheilen
in der nächsten Theegesellschaft über dieses Buch, so
wie über die andern literarischen Näschereien, je ge¬
währen kann.
A. M.145
Französisches Exercitium
das man nachmachen sollte.
Ein Französischer Artillerie-Capitain, der,
beim Beginn einer
Schlacht, eine Batterie, bestimmt, das feindliche
Geschütz in Respect
zu halten oder zu Grund zu richten, placiren will,
stellt sich zuvör¬150
derst in der Mitte des ausgewählten Platzes, es sei nun ein Kirch¬
hof, ein sanfter Hügel oder
die Spitze eines Gehölzes, auf: er
drückt sich, während er den Degen
zieht, den Huth in die Augen,
und inzwischen die Karren, im Regen der
feindlichen Kanonenku¬
geln, von allen Seiten rasselnd, um ihr Werk zu beginnen, abproz¬155
zen, faßt er mit der geballten Linken, die Führer der verschiedenen
Geschütze (die Feuerwerker) bei der Brust, und mit der Spitze des
Degens
anf
auf
[liest ›auf‹]
einen Punkt des Erdbodens hinzeigend, spricht er:
„hier stirbst
du!“ wobei er ihn ansieht — und zu einem Anderen;
„hier du!“ — und zu
einem Dritten und Vierten und alle Fol¬160
genden: „hier du! hier du! hier du!“ — und zu dem Letzten:
„hier du!“ — — Diese Instruction an die
Artilleristen, bestimmt
und unverklausulirt, an den Ort wo die
Batterie aufgefahren wird
zu sterben, soll, wie man sagt, in der
Schlacht, wenn sie gut aus¬
geführt wird, die außerordentlichste Wirkung thun.165
Vx.
Polizeiliche Tages-Mittheilungen.
Einem hiesigen Bäcker ist für 16 Gr.
zu leichtes
Brod konfiszirt und dreien andern resp. für 2 und 4 Gr.
verbackenes zerschnitten.170
Ein Torfhändler hat einen hiesigen
Bürger auf
½ Haufen Torf, 20 Kiepen zu wenig gemessen, und ist
deshalb zur
Untersuchuug
Untersuchung
gezogen.