Alle Textversionen sind inhaltlich identisch und folgen dem angegebenen Textzeugen.
Die
Fassung Erstdruck/Textzeuge zeigt die zeichengenaue Wiedergabe des Textzeugen. Nur offensichtliche Fehler sind emendiert. Alle Emendationen sind im Apparat verzeichnet. Der originale Zeilenfall ist beibehalten. Die Fassung wird auf Smartphones wegen der Zeilenlänge nicht angezeigt.
In der Textversion ohne originalen Zeilenfall wird der Zeilenfall mit einem Schrägstrich / angezeigt, die Zeile wird aber nicht umbrochen. Ansonsten folgt sie der angegebenen Textquelle.
In der Textversion ohne ſ, aͤ, oͤ, uͤ sind zusätzlich das lange ſ und historische Umlautformen der heutigen Orthographie angepasst.
Erklärung./
S. Voß. Zeitung, den 25. Sept. 1810./
Mancherlei Rücksichten bestimmen mich, mit diesem /Blatt, welches sich nunmehr etablirt hat, [›hat‹ nicht gesperrt] [›hat‹ nicht kursiviert] aus der /Masse anonymer Institute herauszutreten. Demnach /bleibt der Zweck desselben zwar, in der ersten Instanz, /Unterhaltung aller Stände des Volks; in der zweiten /aber ist er, nach allen erdenklichen Richtungen, Be/förderung der Nationalsache überhaupt: und mit mei/nem verbindlichsten Dank an den unbekannten Herrn / 10 Mitarbeiter, der, in dem nächstfolgenden Aufsatz, zuerst /ein gründliches Gespräch darüber eingieng, unterschreibe /ich mich, /der Herausgeber der Abendblätter, /Heinrich von Kleist./
Christian Jacob Kraus./
Antwort auf den Aufsatz im Abendblatt Nr. 11. Vom 12. Oct. 1810./
Das Hauptverdienst des zu früh verstorbenen Pro/fessor Kraus besteht allerdings darin, daß er die Lehre /Adam Smiths für den Preuß. Staat gleichsam leben/ 20 dig gemacht, und kräftig mitgewirkt hat, ihr bei den /Verwaltungs-Behörden Eingang zu verschaffen. Eine /eigne staatswirthschaftliche Theorie hat er nicht aufge/stellt, und nicht aufstellen wollen, weil ihm die Smith/sche genügte, und es auch schwerlich eine praktische /Aufgabe giebt, welche sich durch sie nicht befriedigend /lösen ließe. Wenn alle diejenigen, welche nichts neues /und originelles zu Tage bringen, unfruchtbare Köpfe /sind, so war es allerdings auch Kraus. Aber ist eine /solche Unfruchtbarkeit nicht mehr werth, als eine übel/ 30 gerichtete Fruchtbarkeit, die nach Neuheit strebt, bloß /— um neu zu sein; die darin allein einen Ruhm setzt, /und diesem Ruhme alles opfert, selbst das Heil des /Vaterlandes, das durch Eintracht am Ende doch wohl /mehr, als durch Gegensätze, gewinnen dürfte?/
76So klar und gediegen die Ansichten Adam Smiths /sind, so mangelte ihm doch das Talent der Darstel/lung. Sein Werk ist corpulent, und seine Grundsätze /sind bei weitem nicht so lichtvoll zu Papiere gebracht, /als sie seinem Geiste vorschwebten. Es ist ein müh/ 40 seliges Tagewerk sich durch die aus Weitschweifigkeit /entspringenden Dunkelheiten durchzuarbeiten, welche /durch Smiths mitunter schwerfälligen Styl und nicht /sehr geschickte Zusammenstellung entspringen. Diesem /Uebelstande hat Kraus durch seine meisterhafte Bear/beitung abgeholfen, und dadurch das Publicum des /großen Meisters sehr vergrößert. Man kann wohl von /ihm sagen: er hat die Staatswirtschaft vom Himmel /herabgeholt, d. h. sie gemeinnützig gemacht, und dazu /mitgewirkt, daß sie auf den Preuß. Staat nach seiner / 50 eigenthümlichen Lage, practisch angewandt wurde./
Darin besteht das Verdienst des Prof. Kraus um /den Preuß. Staat, und es lebt in dem Herzen jedes /Staatsmannes, der es mit seinem Vaterlande gut /meint. Er arbeitete ohne Aussicht auf Belohnung /und Dank. Die arbeitende Klasse für die er besonders /auftrat, und die weder liest noch schreibt, kennt wahr/scheinlich seinen Namen nicht. Der Landmann, der /ein Eigenthum hat, und diesem jetzt seine ganze Zeit /und Kraft widmen kann; der sein Getraide mahlen / 60 lassen kann, wo es ihm am nächsten und bequemsten /ist; der jetzt sein Bier selbst brauen kann, was er /vorher nicht durfte ⁊c. ahndet schwerlich daß der Pro/fessor Kraus es war, der von seinem Katheder herab /die angehenden Staatsbeamten von seinem Bedürfniß /unterrichtete und ihm Wohlthaten vorbereitete, deren /Größe er jetzt segnend erkennt./
In Neu-Ost-Preußen wurden die Krausischen /Principien am mehrsten, und zwar im Großen ange/wandt. Theils standen durch ein glückliches Zusam/ 70 mentreffen Staatsmänner an der Spitze, die von ihrer /Wahrheit durchdrungen waren; theils hatte dort die /Regierung freieren Spielraum, und weniger Privile/gien und wohlhergebrachte Rechte zu beseitigen. Trotz /der politischen Mißgriffe bei Verwaltung und Besitz/nehmung dieser Provinz, war sie doch in staatswirth/schaftlicher Hinsicht am vollkommensten organisirt, und /zeigte bei den lange nicht genug gekannten und ge/würdigten Operationen der dortigen Verwaltungsbe/hörden, ein wundersames Gedeihen. Es liegt eine / 80 Skizze der dortigen Organisation vor uns, nach wel/cher es schwerlich ein herzerhebenderes Fest giebt, als /es den dortigen Separations-Commissarien nicht sel/77ten bei der Verwandlung von Schaarwerksbauerdörfern /in Zinsbäuerliche zu Theil wurde. Wenn der Separa/tionsplan genehmigt und die Verlosung geschehen war, /wenn er den Bauern die vergrößerten Grundstücke als /zinsbares Eigenthum übergab, diese, die Wohlthätigkeit /ihrer neuen Existenz wohl begreifend, anfangs in stum/mem Erstaunen ihr neues Eigenthum musterten, dann / 90 sich mit einer Freudenthräne im Auge auf den kalten /Boden niederwarfen, ihn umklammerten und mit Küs/sen bedeckten, als wollten sie ihn für die Ewigkeit er/greifen; wenn nun das Gefühl der Freiheit diese vor/her so stupiden Gesichter plötzlich mit Leben und Aus/druck übergoß, wenn Mann, Weib und Kind in heili/ger Umarmung verschränkt, sich feierlich gelobten, dem /Trunke und den Lastern der Knechtschaft fortan zu /entsagen — und der Commissarius unter diesen glück/lichen Gruppen mit dem Gefühle einer Gottheit da / 100 stand — das waren in der That Scenen, erhaben wie /der Bund der 3 Schweizer, und werth durch denselben /Pinsel verewigt zu werden. Wenigstens gesteht der /Verfasser jener Skizze ein, das Göttliche im Menschen /nie lebendiger empfunden zu haben, als bei solchen /Scenen, ohnerachtet sein, durch die Revision eben so / lügenhafter [liest ›lügenhafter‹] als formgerechter Anschläge, abgestumpftes /Gemüth eben nicht zu den Empfänglichsten gehört; und /versichert durch solche Momente für seine übrigen ihn /wenig befriedigenden Geschäft-Verrichtungen, vollstän/ 110 dig entschädiget worden zu sein./
(Die Fortsetzung folgt.)/
Literarnotiz./
Als Anhang zu der bekannten histoire des géné/reaux françois von Chateauneuf in 18 Heften sind /vor kurzem simples notices historiques sur les géné/reaux étrangers [liest ›étrangers‹] zu Paris erschienen, worin diese, /dem avis aux sousscripteurs gemäß, depuis le berceau /jusqu’à leurs dernières [liest ›dernières‹] batailles dargestellt werden /sollen. Da dieses Machwerk wegen der darin ent/ 120 haltenen Notizen von Preußischen Generalen die Neu/gierde manches Lesers reizen könnte, so haben wir vor /allen Schaden warnen und unter unzähligen histori/schen Curiositäten nur die eine anführen wollen, daß /der Verfasser p. 93 die Preußische Armee bei Auster/litz fechten läßt./
ps./
Brief eines Mahlers an seinen Sohn./
Mein lieber Sohn, /Du schreibst mir, daß du eine Madonna mahlst, und daß dein / 130 Gefühl dir, für die Vollendung dieses Werks, so unrein und kör/perlich dünkt, daß du jedesmal, bevor du zum Pinsel greifst, das /Abendmahl nehmen mögtest, um es zu heiligen. Laß dir von dei/nem alten Vater sagen, daß dies eine falsche, dir von der Schule, /aus der du herstammst, anklebende Begeisterung ist, und daß es, /nach Anleitung unserer würdigen alten Meister, mit einer gemei/nen, aber übrigens rechtschaffenen Lust an dem Spiel, deine Einbil/dungen auf die Leinewand zu bringen, völlig abgemacht ist. Die /Welt ist eine wunderliche Einrichtung; und die göttlichsten Wirkun/gen, mein lieber Sohn, gehen aus den niedrigsten und unschein/ 140 barsten Ursachen hervor. Der Mensch, um dir ein Beispiel zu geben, /das in die Augen springt, gewiß, er ist ein erhabenes Geschöpf; und /gleichwohl, in dem Augenblick, da man ihn macht, ist es nicht nöthig, /daß man dies, mit vieler Heiligkeit, bedenke. Ja, derjenige, der das /Abendmahl darauf nähme, und mit dem bloßen Vorsatz ans Werk /gienge, seinen Begriff davon in der Sinnenwelt zu construiren, würde /ohnfehlbar ein ärmliches und gebrechliches Wesen hervorbringen; da/gegen derjenige, der, in einer heitern Sommernacht, ein Mädchen, /ohne weiteren Gedanken, küßt, zweifelsohne einen Jungen zur Welt /bringt, der nachher, auf rüstige Weise, zwischen Erde und Himmel / 150 herumklettert, und den Philosophen zu schaffen giebt. Und hiermit /Gott befohlen./
y./
Polizeiliche Tages-Mittheilungen./
Die nach den vorgestrigen polizeilichen Mitthei/lungen verfolgte Frauensperson, auf welche der Ver/dacht, der einem Kaufmann aus Straßburg gestohle/nen 400 Stück Frd’ors gefallen, ist von einem hiesi/gen Polizei-Kommissarius in Potsdam verhaftet, und /hat derselbe noch 300 Stück Frd’ors baar bei ihr vor/ 160 gefunden./
Der durch einen hiesigen Polizei- und einen Kri/minal-Offizianten hergesandte Unterofficier ist vom /Inquisiten Horst als ein Mitglied der Brandstifter-/Bande rekognoszirt./
Erklärung. Der Aufsatz Hrn. L. A. v. A. und Hrn. C. B. /über Hrn. Friedrichs Seelandschaft (S. 12te Blatt.) war ursprüng/lich dramatisch abgefaßt; der Raum dieser Blätter erforderte aber /eine Abkürzung, zu welcher Freiheit ich von Hrn. A. v. A. freund/schaftlich berechtigt war. Gleichwohl hat dieser Aufsatz dadurch, daß / 170 er nunmehr ein bestimmtes Urtheil ausspricht, seinen Charakter der/gestalt verändert, daß ich, zur Steuer der Wahrheit, falls sich dessen /jemand noch erinnern sollte, erklären muß: nur der Buchstabe des/selben gehört den genannten beiden Hrn.; der Geist aber, und die /Verantwortlichkeit dafür, so wie er jetzt abgefaßt ist, mir. H. v. K./