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Freimuͤthige Gedanken bei Gelegenheit der /neuerrichteten Univerſitaͤt in Berlin. /
(Beſchluß.)/
Der jetzt herrſchende, aller wahren Wiſſenſchaft ab/gewendete, hyperkritiſche Geiſt der Gelehrten, der Krieg /aller gegen alle, die fruchtloſe Zerſplitterung der lite/rariſchen Republik iſt nicht anders zu beſchwichtigen, /ein Verein unter Gelehrten nicht anders zu errichten /und dem gelehrten Stande nicht anders ſeine Ehre /zuruͤckzugeben, als durch den Staat, durch ein gemein/ 10 ſchaftliches, beſtimmtes, praktiſches Ziel, welches dieſen /entzweiten Wiſſenſchaften vorgehalten wird. /
Endlich ſei mit beſondrer Beziehung auf den Preu/ßiſchen Staat die Frage erlaubt: warum ſind aus den /bisherigen Lehranſtalten nur Virtuoſen der Jurispru/denz und Provinzialbeamte und durchaus keine hoͤhe/re Staatsbeamten hervorgegangen? Die hoͤheren/ Staatsbeamten, die wir nennen koͤnnten, ſind es durch /Talent und praktiſche Erfahrung, keiner durch die /Schule: und ſeitdem die alten Provinzialverwaltungen/ 20 einer Staatsverwaltung bei uns Platz gemacht haben, /beduͤrfen wir der allgemeinen Staatsbeamten, die das /Ganze ins Auge faſſen, viel mehr als vorher. — Die /Antwort iſt: weil die alten Univerſitaͤten in den letz/ten Zeiten, etwas zu ſehr und zu ausſchließend im /Univerſo verkehrt haben, und das Studium der vater/laͤndiſchen Lokalitaͤt verſaͤumt worden iſt. — Es iſt /das hoͤchſte Intereſſe des Staates, daß die Candidaten/ ſeiner Aemter in den beſonderen Gerichtshof und in /das beſondere adminiſtrative Departement nicht anders / 30 16eintreten, als ausgeruͤſtet mit einer tuͤchtigen vollſtaͤn/digen Anſchauung des vaterlaͤndiſchen Univerſums. /
Dazu errichtet der Staat die Univerſitaͤt; und daß /fuͤr das Europaͤiſche Univerſum und fuͤr die Republik /der Wiſſenſchaften nichts dabei verloren geht, daß da/durch vielmehr den Wiſſenſchaften die einzige Ergaͤn/zung gegeben wird, die ihnen mangelt, koͤnnte [nicht emendiert: ›konnte‹] die in /Berlin errichtete Univerſitaͤt dereinſt zeigen, da ihr /Kraͤfte und Mittel und Geiſter zu Gebot ſtehn, wie /ſich deren vielleicht keine Anſtalt aͤhnlicher Art bey / 40 ihrer Entſtehung ruͤhmen konnte. /
Ps./
Der verlegene Magiſtrat. /
Eine Anekdote. /
Ein H...r Stadtſoldat hatte vor nicht gar langer Zeit, ohne /Erlaubniß ſeines Offiziers, die Stadtwache verlaſſen. Nach einem /uralten Geſetz ſteht auf ein Verbrechen dieſer Art, das ſonſt der /Streifereien des Adels wegen, von großer Wichtigkeit war, eigent/lich der Tod. Gleichwohl, ohne das Geſetz, mit beſtimmten Wor/ten aufzuheben, iſt davon ſeit vielen hundert Jahren kein Gebrauch / 50 mehr gemacht worden: dergeſtalt, daß ſtatt auf die Todesſtrafe zu /erkennen, derjenige, der ſich deſſen ſchuldig macht, nach einem feſt/ſtehenden Gebrauch, zu einer bloßen Geldſtrafe, die er an die /Stadtcaſſe zu erlegen hat, verurtheilt wird. Der beſagte Kerl aber, /der keine Luſt haben mochte, das Geld zu entrichten, erklaͤrte, zur /großen Beſtuͤrzung des Magiſtrats: daß er, weil es ihm einmal zu/komme, dem Geſetz gemaͤß, ſterben wolle. Der Magiſtrat, der ein /Mißverſtaͤndniß vermuthete, ſchickte einen Deputirten an den Kerl /ab, und ließ ihm bedeuten, um wieviel vortheilhafter es fuͤr ihn /waͤre, einige Gulden Geld zu erlegen, als arquebuſirt zu werden. / 60 Doch der Kerl blieb dabei, daß er ſeines Lebens muͤde ſei, und daß /er ſterben wolle: dergeſtalt, daß dem Magiſtrat, der kein Blut ver/gießen wollte, nichts uͤbrig blieb, als dem Schelm die Geldſtrafe zu /erlaſſen, und noch froh war, als er erklaͤrte, daß er, bei ſo bewand/ten Umſtaͤnden am Leben bleiben wolle. /
rz. /
Theater./
Den 2. October: Ton des Tages, Luſtſpiel /von Voß./
Kant ſagt irgendwo, in seiner Kritik der Urtheils/ 70 kraft, daß der menſchliche Verſtand und die Hand des /Menſchen, zwei, auf nothwendige Weiſe, zu einander /gehoͤrige und auf einander berechnete, Dinge ſind. Der /Verſtand, meint er, beduͤrfe, falls er in Wirkſamkeit /treten ſolle, ein Werkzeug von ſo mannichfaltiger und /vielſeitiger Vollkommenheit, als die Hand; und hin/wiederum zeige die Struktur der Hand an, daß die /Intelligenz, die dieſelbe regiere, der menſchliche Ver/ſtand ſein muͤſſe. Die Wahrheit dieſes, dem Anſchein /nach paradoxen Satzes, leuchtet uns nie mehr ein, als / 80 wenn wir Herrn Iffland auf der Buͤhne ſehen. Er /druͤckt in der That, auf die erſtaunenswuͤrdigſte Art, /faſt alle Zuſtaͤnde und innerliche Bewegungen des Ge/muͤths damit aus. Nicht, als ob, bei ſeinen theatra/liſchen Darſtellungen, nicht ſeine Figur uͤberhaupt, /nach den Forderungen ſeiner Kunſt, zweckmaͤßig mit/wirkte: in dieſem Fall wuͤrde das, was wir hier vor/gebracht haben, ein Tadel ſein. Es wird ihm, in der /Pantomimik uͤberhaupt, beſonders in den buͤrgerlichen /Stuͤcken, nicht leicht ein Schauſpieler heutiger Zeit/ 90 gleichkommen. Aber von allen ſeinen Gliedern, behaup/ten wir, wirkt, in der Regel, keins, zum Ausdruck /eines Affekts, ſo geſchaͤftig mit, als die Hand; ſie zieht /die Aufmerkſamkeit faſt von ſeinem ſo ausdrucksvollen /Geſicht ab: und ſo vortrefflich dies Spiel an und fuͤr /ſich auch ſein mag, ſo glauben wir wird wird doch, daß ein Ge/brauch, maͤßiger und minder verſchwenderiſch, als der, /den er davon macht, ſeinem Spiel (wenn daſſelbe noch /etwas zu wuͤnſchen uͤbrig laͤßt) vortheilhaft ſein wuͤrde. /
xy. / 100
Tagesbegebenheiten. /
Wie grundlos oft das Publicum beunruhigt wird, beweiſ’t /die, in der Stadt bereits bekannte Ausſage eines kuͤrzlich aufgefan/genen Militair⸗Deſerteurs: „er ſei auf eine Bande Mordbrenner /geſtoßen, welche ihm Anerbietungen gemacht, ſich in ihr aufnehmen /zu laſſen“ u. ſ. w. Dieſer Kerl hat, dem Vernehmen nach, nun/mehr geſtanden, daß dieſer ganze Bericht eine Erfindung war, um /ſich dadurch Befreiung von der verwirkten Strafe zu verſchaffen. /
18Polizei⸗Rapport./
Vom 4ten October./ 110
Das 5jaͤhrige Kind des Schumachermeiſter Schuhmachermeister [emendiert] Schuhmachermeister [emendiert, ohne Hinweis im Kommentar] Lang/brand, iſt in der Bruͤderſtraße, vom Kutſcher des Geh. / Commerz. Commerz Commerz Rath Pauli, uͤbergefahren, und durch einen /Schlag des Pferdes am Kopfe, jedoch nicht toͤdlich, be/ſchaͤdigt worden. /
Die Polizeilichen Notizen, welche in den Abend/blaͤttern erſcheinen, haben nicht bloß den Zweck, das /Publikum zu unterhalten, und den natuͤrlichen Wunſch, /von den Tagesbegebenheiten authentiſch unterrichtet zu/ werden, zu befriedigen. Der Zweck iſt zugleich, die oft/ 120 ganz entſtellten Erzaͤhlungen uͤber an ſich gegruͤndete /Thatſachen und Ereigniſſe zu berichtigen, beſonders /aber das gutgeſinnte Publikum aufzufordern, ſeine/ Bemuͤhungen mit den Bemuͤhungen der Polizei zu /vereinigen, um gefaͤhrlichen Verbrechern auf die Spur /zu kommen, und beſorglichen Uebelthaten vorzubeugen. /Wenn z. B. wie geſchehen iſt, bekannt gemacht wird, /daß Brandbriefe und Brandmaterialien gefunden oder /Verbrechen begangen worden, deren Urheber noch nicht /entdeckt ſind, ſo kann dabei nicht die Abſicht ſein, Be/ 130 ſorgniſſe bei dem Publiko zu erwecken, indem es ſich /auch ohne ausdruͤckliche Ermahnung von ſelbſt verſteht, /daß von Seiten der Polizeibehoͤrde alle Maasregeln/ genommen werden, ſowohl das beabſichtigte Verbrechen /zu verhuͤten, als den Urhebern auf die Spur zu kom/men; ſondern blos das Stadtgeſpraͤch zu berichtigen, /welches aus einem ſolchen Brandbrief deren hundert /macht, und aͤngſtliche Gemuͤther ohne Noth mit Furcht /und Schrecken erfuͤllt. Zugleich wird aber auch jeder /redliche Einwohner darin eine Aufforderung finden, / 140 ſeine Wachſamkeit auf die Menſchen und Ereigniſſe /um ihn her zu verdoppeln, und alles was zur Entdek/kung des Verbrechers fuͤhren koͤnnte, dem naͤchſten /Polizei⸗Offizianten auf das ſchleunigſte anzuzeigen, da/mit das Pol.⸗Praͤſidium ſogleich davon Nachricht er/halte, und ſeinen Maaßregeln zur Sicherung des Pu/blici die Richtung geben koͤnne./