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[BKA IV/3 xxx]
[MA II xxx]
I. Fragment aus dem Trauerspiel:
Robert Guiskard,
Herzog der
Normänner.
Personen:
Robert Guiskard, Herzog der
Normänner.
Robert, sein Sohn,
Abälard, sein Neffe,
Normännerprinzen.
Cäcilia, Herzogin der Normänner, Guiskard’s
Gemahlinn.
Helena, verwittwete Kaiserinn von Griechenland, Guiskard’s
Tochter und Verlobte Abälard’s.
Ein Greis
Ein Ausschuſs von Kriegern
Das
Volk
der
Normänner.
Scene: Cypressen vor einem Hügel, auf
welchem das Zelt Guiskard’s steht, im Lager der
Normänner vor Constantinopel. Es brennen auf dem Vorplatz einige Feuer, welche von Zeit zu Zeit mit Weihrauch,
und andern stark- duftenden Kräutern, genährt werden.
Im Hintergrunde die Flotte.
Erster
Auftritt.
Ein Ausschuſs von Normännern
(tritt auf, festlich im Kriegsschmuck. Ihn begleitet)
Volk, jeden Alters und
Geschlechts.
Das Volk
(in unruhiger Bewegung)
Mit heiſsem Seegenswunsch, ihr
würd’gen Väter,/
Begleiten wir zum Zelte Guiskard’s euch!/
Euch führt ein Cherub an, von Gottes Rechten,/
Wenn ihr den Felsen zu erschüttern geht,/
Den angstempört die ganze Heereswog’/
Umsonst umschäumt! Schickt einen Donnerkeil/
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Auf ihn hernieder, daſs ein Pfad sich uns/
Eröffne, der aus diesen Schrecknissen/
Des gräulerfüllten Lagerplatzes führt!/
Wenn er der Pest nicht schleunig uns entreiſst,/ 10
Die uns die Hölle grausend zugeschickt,/
So steigt der Leiche seines ganzen Volkes/
Dies Land ein Grabeshügel aus der See!/
Mit weit ausgreifenden Entsetzensschritten/
Geht sie durch die erschrocknen Schaaren hin,/
Und haucht von den geschwollnen Lippen ihnen/
Des Busens Giftqualm in das Angesicht!/
Zu Asche gleich, wohin ihr Fuſs sich wendet,/
Zerfallen Roſs und Reuter hinter ihr,/
Vom Freund den Freund hinweg, die Braut vom Bräut’gam,/ 20
Vom eignen Kind’ hinweg die Mutter schreckend!/
Auf eines Hügels Rücken hingeworfen,/
Aus ferner Öde jammern hört man sie,/
Wo schauerliches Raubgeflügel flattert,/
Und den Gewölken gleich, den Tag verfinsternd,/
Auf die Hülflosen kämpfend niederrauscht!/
Auch ihn ereilt, den Furchtlos-Trotzenden,/
Zuletzt das Scheusal noch, und er erobert,/
Wenn er nicht weicht, an jener Kaiserstadt/
Sich nichts, als einen prächt’gen Leichenstein!/ 30
Und statt des Seegens unsrer Kinder setzt/
Einst ihres Fluches Miſsgestalt sich drauf,/
Und heul’nd aus ehrner Brust Verwünschungen/
Auf den Verderber ihrer Väter hin,/
Wühlt sie das silberne Gebein ihm frech/
Mit hörnern Klauen aus der Erd’ hervor!/
Zweiter
Auftritt.
Ein Greis (tritt auf) Die Vorigen.
Ein Krieger.
Komm her, Armin, ich bitte dich.
Ein Anderer.
Das heult,/
Gepeitscht vom Sturm der Angst und schäumt und gischt,/
Dem offnen Weltmeer gleich.
Ein Dritter.
Schaff’ Ordnung hier!/
Sie wogen noch das Zelt des Guiskard um./ 40
5
Der Greis
(zum Volk)
Fort hier mit dem, was unnütz ist! Was soll’s/
Mit Weibern mir und Kindern hier? Den Ausschuſs,/
Die zwölf bewehrten Männer braucht’s, sonst nichts./
Ein Normann
(aus dem Volk)
Laſs uns —
Ein Weib.
Laſs jammernd uns —
Der Greis.
Hinweg! sag’ ich./
Wollt ihr etwa, ihr scheint mir gut gestimmt,/
Das Haupt ihm der Rebellion erheben?/
Soll ich mit Guiskard reden hier, wollt ihr’s?/
Der Normann.
Du sollst, du würd’ger Greis, die Stimme führen,/
Du Einziger und keiner sonst. Doch wenn er/
Nicht hört, der Unerbittliche, so setze,/ 50
Den Jammer dieses ganzen Volks, setz’ ihn,/
Gleich einem erznen Sprachrohr an, und donn’re,/
Was seine Pflicht sei, in die Ohren ihm —!/
Wir litten, was ein Volk erdulden kann./
Der erste Krieger.
Schaut! Horcht!
Der Zweite.
Das Guiskardszelt
eröffnet sich —/
Der Dritte.
Sieh da — die Kaiserinn von Griechenland!/
Der Erste.
Nun, diesen Zufall, Freunde, nenn’ ich günstig! —/
Jetzt bringt sich das Gesuch gleich an.
Der Greis.
Still denn!/
Daſs keiner einen Laut mir wagt! Ihr hört’s,/
Dem Flehn will ich, ich sag’ es noch einmal,/ 60
Nicht der Empörung meine Stimme leihn./
Dritter
Auftritt.
Helena (tritt auf) Die Vorigen.
Helena.
Ihr Kinder, Volk des besten Vaters, das/
Von allen Hügeln rauschend niederströmt,/
Was treibt mit soviel Zungen euch, da kaum/
Im Osten sich der junge Tag verkündet,/
Zu den Cypressen dieses Zeltes her?/
Habt ihr das ernste Kriegsgesetz vergessen,/
Das Stille in der Nacht gebeut, und ist/
6
Die Kriegersitt’ euch fremd, daſs euch ein Weib/
Muſs lehren, wie man dem Bezirk sich naht,/ 70
Wo sich der kühne Schlachtgedank’ ersinnt?/
Ist das, ihr ew’gen Mächte dort, die Liebe,/
Die eurer Lippe stets entströmt, wenn ihr/
Den Vater mir, den alten, trefflichen,/
Mit Waffenklirrn und lautem Namensruf,/
Emporschreckt aus des Schlummers Arm, der eben/
Auf eine Morgenstund’ ihn eingewiegt?/
Ihn, der, ihr wiſst’s, drei schweiſserfüllte Nächte/
Auf offnem Seuchenfelde zugebracht,/
Verderben, wüthendem, entgegenkämpfend,/ 80
Das ringsum ein von allen Seiten bricht! —/
Traun! Dringendes, was es auch immer sei,/
Führt euch hierher, und hören muſs ich es;/
Denn Männer eurer Art, sie geben doch/
Stets was zu denken, wenn sie etwas thun./
Der Greis.
Erhabne Guiskard’stochter, du vergiebst uns!/
Wenn dieser Ausschuſs hier, vom Volk begleitet,/
Ein wenig überlaut dem Zelt genaht,/
So straft es mein Gefühl: doch dies erwäge,/
Wir glaubten Guiskard nicht im Schlummer mehr./ 90
Die Sonne steht, blick auf, dir hoch im Scheitel,/
Und seit der Normann denkt, erstand sein Haupt/
Um Stunden, weiſst du, früher stets, als sie./
Noth führt uns, länger nicht erträgliche,/
Auf diesen Vorplatz her, und seine Kniee,/
Um Rettung jammernd, werden wir umfassen;/
Doch wenn der Schlaf ihn jetzt noch, wie du sagst,/
In Armen hält, ihn, den endlose Mühe/
Entkräftet auf das Lager niederwarf:/
So harren wir in Ehrfurcht lautlos hier,/ 100
Bis er das Licht begrüſset, mit Gebet/
Die Zeit für seine Heiterkeit erfüllend./
Helena.
Wollt ihr nicht lieber wiederkehren, Freunde?/
Ein Volk, in soviel Häuptern rings versammelt,/
Bleibt einem Meere gleich, wenn es auch ruht,/
Und immer rauschet seiner Wellen Schlag./
Stellt euch, so wie ihr seid, in Festlichkeit/
Bei den Panieren eures Lagers auf:/
7
So wie des Vaters erste Wimper zuckt,/
Den eignen Sohn send’ ich, und meld’ es euch./ 110
Der Greis.
Laſs, laſs uns, Theuerste! Wenn dich kein Andrer/
Verhaltner Grund bestimmt, uns fortzuschicken:/
Für deines Vaters Ruhe sorge nicht./
Sieh, deines holden Angesichtes Strahl/
Hat uns beschwichtiget: die See fortan,/
Wenn rings der Winde muntre Schaar entflohn;/
Die Wimpel hängen von den Masten nieder,/
Und an dem Schleppthau wird das Schiff geführt:/
Sie ist dem Ohr vernehmlicher, als wir./
Vergönn’ uns, hier auf diesem Platz zu harren,/ 120
Bis Guiskard aus dem Schlafe auferwacht./
Helena.
Gut denn. Es sei, ihr Freund’. Und irr’ ich nicht,/
Hör’ ich im Zelt auch seine Tritte schon./
(ab)
Vierter
Auftritt.
Die Vorigen (ohne Helena)
Der Greis.
Seltsam!
Der erste Krieger.
Jetzt hört sie seinen
Tritt im Zelte,/
Und eben lag er noch im festen Schlaf./
Der Zweite.
Es schien, sie wünschte unsrer los zu sein./
Der Dritte.
Beim Himmel, ja; das sag’ ich auch. Sie gieng/
Um diesen Wunsch herum, mit Worten wedelnd:/
Mir fiel das Sprichwort ein vom heiſsen Brei./
Der Greis.
— Und sonst schien es, sie wünschte, daſs wir nahten./ 130
Fünfter
Auftritt.
Ein Normann (tritt auf) Die Vorigen.
Der Normann
(dem Greise winkend)
Armin!
Der Greis.
Gott grüſs’ dich, Franz! Was giebt’s?
Der Normann
(dem ersten Krieger, eben so)
Maria!
korrigiert in ›Marin!‹
korrigiert in ›Marin!‹
/
8
Der erste Krieger.
Bringst du was Neues?
Der Normann.
— Einen Gruſs von
Hause./
Ein Wandrer aus Calabrien kam an./
Der Greis.
So! aus Neapel?
Der erste Krieger.
— Was siehst du so
verstört dich um?/
Der Normann
(die beiden Männer bei der Hand
fassend)
Verstört? Ihr seid wohl toll? Ich bin vergnügt./
Der Greis.
Mann! Deine Lipp’ ist bleich. Was fehlt dir? Rede!/
Der Normann
(nachdem er sich wieder umgesehen)
Hört. Aber was ihr hört, auch nicht mit Mienen/
Antwortet ihr, vielweniger mit Worten./
Der Greis.
Mensch, du bist fürchterlich. Was ist geschehn?/
Der Normann
(laut zu dem Volk, das ihn
beobachtet)
Nun, wie auch
steht’s?
Der Herzog kommt, ihr Freunde?/ 140
Einer
(aus dem Haufen)
Ja, wir erhoffen’s.
Ein Andrer.
Die Kaiserinn will ihn
rufen./
Der Normann
(geheimniſsvoll, indem er die beiden Männer
vorführt)
Da ich die Wache heut um Mitternacht,/
Am Eingang hier des Guiskard’szeltes halte,/
Fängt’s plötzlich jammervoll zu stöhnen drin,/
Zu ächzen an, als haucht’ ein kranker Löwe/
Die Seele von sich. Drauf sogleich beginnt/
Ein ängstlich heftig Treiben, selber wecket/
Die Herzoginn sich einen Knecht, der schnell/
Die Kerzenstöcke zündet, dann hinaus/
Stürzt aus dem Zelt. Nun auf sein Rufen schieſst/ 150
Die ganze Sippschaft wildverstört herbei:/
Die Kaiserinn, im Nachtgewand, die beiden/
Reichsprinzen an der Hand; des Herzogs Neffe,/
In einen Mantel flüchtig eingehüllt;/
Der Sohn, im bloſsen Hemde fast, zuletzt —/
Der Knecht, mit einem eingemummten Dinge, das,/
Auf meine Frag’, sich einen Ritter nennt./
Nun zieht mir Weiberröcke an, so gleich’/
Ich einer Jungfrau eben so, und mehr;/
Denn Alles, Mantel, Stiefeln, Pickelhaube,/ 160
Hieng an dem Kerl, wie an dem Nagelstift./
9
Drauf fass’ ich, schon von Ahndungen beklemmt,/
Beim Ärmel ihn, dreh’ ihm das Angesicht/
In’s Mondenlicht, und nun erkenn’ ich — wen?/
Des Herzogs Leibarzt, den Jeronimus./
Der Greis.
Den Leibarzt, was!
Der erste Krieger.
Ihr Ewigen!
Der Greis.
Und nun/
Meinst du, er sei unpäſslich, krank vielleicht —?/
Der erste Krieger.
Krank? Angesteckt —!
Der Greis
(indem er ihm den Mund zuhält)
Daſs du verstummen
müſstest!/
Der Normann
(nach einer Pause voll Schrecken)
Ich sagt’ es nicht. Ich geb’s euch, zu erwägen./
Robert
und Abälard (lassen sich, mit
einander sprechend, im Eingang des Zeltes sehn)
Der erste Krieger.
Das Zelt geht auf! Die beiden Prinzen kommen!/ 170
Sechster
Auftritt.
Robert und Abälard (treten auf) Die Vorigen.
Robert
(bis an den Rand des Hügels
vorschreitend)
Wer an der Spitze stehet dieser Schaar,/
Als Wortesführer, trete vor.
Der Greis.
— Ich bin’s./
Robert.
Du bist’s! — Dein Geist ist jünger, als dein Haupt,/
Und deine ganze Weisheit steckt im Haar!/
Dein Alter steht, du Hundertjähr’ger, vor dir,/
Du würdest sonst nicht ohne Züchtigung,/
Hinweg von deines Prinzen Antlitz gehn./
Denn eine Jünglingsthat hast du gethan,/
Und scheinst, fürwahr! der wackre Hausfreund nicht,/
Der einst die Wiege Guiskard’s hütete,/ 180
Wenn du als Führer dieser Schaar dich beutst,/
Die mit gezückten Waffen hellen Aufruhrs,/
Wie mir die Schwester sagt, durch’s Lager schweift,/
Und mit lautdonnernden Verwünschungen,/
Die aus dem Schlaf der Gruft ihn schrecken könnten,/
Aus seinem Zelt hervor den Feldherrn fordert./
Ist’s wahr? Was denk’ ich? Was beschlieſs’ ich? —
Sprich?/
10
Der Greis.
Wahr ist’s, daſs wir den Feldherrn forderten;/
Doch daſs wir’s donnernd, mit Verwünschungen,/
Gethan, hat dir die Schwester nicht gesagt,/ 190
Die gegen uns, so lang’ ich denken kann,/
Wohlwollend war und wahrhaft gegen dich!/
In meinem Alter wüſstest du es nicht,/
Wie man den Feldherrn ehrt, wohl aber ich/
Gewiſs in deinem, was ein Krieger sei./
Geh hin zu deinem Vater, und horch’ auf,/
Wenn du willst wissen, wie man mit mir spricht;/
Und ich, vergäſs’ ich redend ja, was ich/
Dir schuldig, will
danach schaamroth bei meinen/
Urenkeln mich erkundigen: denn die/ 200
In Windeln haben sie’s von mir gelernt./
Mit Demuth haben wir, wie’s längst, o Herr!/
Im Heer des Normanns Brauch und Sitte war,/
Gefleht, daſs Guiskard uns erscheinen möge;/
Und nicht das Erstemal wär’s, wenn er uns/
In Huld es zugestände, aber, traun!/
Wenn er’s uns, so wie du, verweigerte./
Robert.
Ich höre dich, du grauer Thor, bestät’gen,/
Was deine Rede widerlegen soll./
Denn eines Buben Keckheit würde nicht/ 210
Verwegner, als dein ungebändigtes/
Gemüth sich zeigen. Lernen muſst du’s doch/
Noch, was gehorchen sei, und daſs ich es/
Dich lehren kann, das höre gleich. Du hättest/
Auf meine Rüge, ohne Widerrede,/
Die Schaar sogleich vom Platze führen sollen;/
Das war die Antwort einzig, die dir ziemte;/
Und wenn ich jetzt befehle, daſs du gehst,/
So thust du’s, hoff’ ich, nach der eignen Lehre,/
Thust’s augenblicklich, lautlos, thust es gleich!/ 220
Abälard.
Mit Zürnen seh’ ich dich und mit Befehlen,/
Freigebiger, als es dein Vater lehrt;/
Und unbefremdet bin ich, nimmt die Schaar/
Kalt deine heiſsen Schmähungsworte auf;/
Denn dem Geräusch des Tags vergleich’ ich sie,/
Das keiner hört, weil’s stets sich hören läſst./
Noch, find’ ich, ist nichts Tadelnswürdiges/
11
Sogar geschehn, bis auf den Augenblick!/
Daſs kühn die Rede dieses Greises war,/
Und daſs sie stolz war, steht nicht übel ihm,/ 230
Denn zwei Geschlechter haben ihn geehrt,/
Und eine Spanne von der Gruft soll nicht/
Des Dritten Einer ihn beleidigen./
Wär’ mein das kecke Volk, das dir miſsfällt,/
Ich möcht’ es anders wahrlich nicht, als keck;/
Denn seine Freiheit ist des Normanns Weib,/
Und heilig wäre mir das Ehepaar,/
Das mir den Ruhm im Bette zeugt der Schlacht./
Das weiſs der Guiskard wohl, und mag es gern/
Wenn ihm der Krieger in den Mähnen spielt;/ 240
Allein der glatte Nacken seines Sohnes/
Der schüttelt gleich sich, wenn ihm Eins nur naht./
Meinst du, es könne dir die Normannskrone/
Nicht fehlen, daſs du dich so trotzig zeigst?/
Durch Liebe, hör’ es, muſst du sie erwerben,/
Das Recht giebt sie dir nicht, die Liebe kann’s!/
Allein von Guiskard ruht kein Funk’ auf dir,/
Und diesen Namen *) mindstens erbst du nicht;/
Denn in der Stunde, da es eben gilt,/
Schlägst du sie schnöd’ ins Angesicht, die jetzt/ 250
Dich auf des Ruhmes Gipfel heben könnten./
Doch ganz verlassen ist, wie du wohl wähnst,/
Das Normannsheer, ganz ohne Freund, noch nicht,/
Und bist du’s nicht, wohlan, ich bin es gern./
Zu hören, was der Flehende begehrt,/
Ist leicht, Erhörung nicht, das Hören ist’s:/
Und wenn dein Feldherrnwort die Schaar vertreibt,/
Meins will, daſs sie noch bleib’! — Ihr hört’s, ihr
Männer!/
Ich will vor Guiskard es verantworten./
Robert
(mit Bedeutung, halblaut)
Dich jetzt erkenn’ ich, und ich danke dir,/ 260
Als meinen bösen Geist! — Doch ganz gewonnen,/
Ist, wie geschickt du’s führst, noch nicht dein Spiel./
— Willst du ein Beispiel sehn, wie sicher meins,/
Die Karten mögen liegen, wie sie wollen?/
Abälard.
Was willst du?
*) Guiskard heiſst Schlaukopf; ein Zuname, den die
Normänner dem Herzog gaben.
12
Robert.
Nun, merk’ nur auf. Du
sollst’s gleich fassen./
(er wendet sich zum Volk)
Ihr Guiskard’ssöhne, die mein Wort vertreibt,/
Und seines schmeichlerisch hier fesseln soll,/
Euch selber ruf’ ich mir zu Richtern auf!/
Entscheiden sollt’ ihr zwischen mir und ihm,/
Und übertreten ein Gebot von zwei’n./ 270
Und keinen Laut mehr feig’ setz’ ich hinzu:/
Des Herrschers Sohn, durch Gottes Gunst, bin ich,/
Ein Prinz der, von dem Zufall groſs gezogen:/
Das Unerhörte will ich blos erprüfen,/
Erprüfen, ob sein Wort gewichtiger/
In eurer Seelen Waage fällt, als meins!/
Abälard.
Des Herrschers Sohn? — Der bin ich so wie du!/
Mein Vater saſs vor deinem auf dem Thron!/
Er that’s mit seinem Ruhm, that’s mit mehr Recht:/
Und näher noch verwandt ist mir das Volk,/ 280
Mir, Otto’s Sohn, gekrönt vom Erbgesetz,/
Als dir — dem Sohne meines Vormunds blos,/
Bestimmt von dem, mein Reich nur zu verwalten! — *)/
Und nun, wie du’s begehrt, so ist’s mir recht./
Entscheidet, Männer, zwischen mir und ihm./
Auf mein Geheiſs zu bleiben, steht euch frei,/
Und wollt ihr, sprecht, als wär’ ich Otto selbst./
Der Greis.
Du zeigst, o Herr, dich deines Vaters werth,/
Und jauchzen wahrlich, in der Todesstunde,/
Würd’ einst dein Oheim, unser hoher Fürst,/ 290
Wär’ ihm ein Sohn geworden, so wie du./
Dein Anblick, sieh, verjüngt mich wunderbar;/
Denn in Gestalt und Red’ und Art dir gleich,/
Wie du, ein Freund des Volks, jetzt vor uns stehst,/
Stand Guiskard einst, als Otto hingegangen,/
*) Wilhelm von der Normandie, Stifter des Normännerstaats in Italien,
hatte drei Brüder, die einander, in Ermangelung
der Kinder, rechtmäſsig in der Regierung folgten. Abälard, der Sohn des dritten, ein Kind, als derselbe starb,
hätte nun zum Regenten ausgerufen wer-den sollen;
doch Guiskard, der vierte Bruder, von dem dritten zum Vormund eingesetzt
— sei es, weil die Folgereihe der Brüder für
ihn sprach, sei es, weil das Volk ihn sehr liebte,
ward gekrönt, und die Mittel, die angewendet wurden, dies zu
bewerkstelligen, ver-gessen. — Kurz, Guiskard war
seit dreiſsig Jahren als Herzog, und Robert, als Thron-erbe, anerkannt. — Diese Umstände liegen wenigstens
hier zum Grunde.
13
Des Volkes Abgott, herrlich vor uns da!/
Nun jeder Segen schütte, der in Wolken/
Die Tugenden umschwebt, sich auf dich nieder,/
Und ziehe deines Glückes Pflanze groſs!/
Die Gunst des Oheims, laſs sie, deine Sonne,/ 300
Nur immer, wie bis heute, dich bestrahlen:/
Das, was der Grund vermag, auf dem sie steht,/
Das zweifle nicht, o Herr, das wird geschehn! —/
Doch eines Düngers, miſslichen Geschlechts,/
Bedarf es nicht, vergieb, um sie zu treiben;/
Der Acker, wenn es sein kann, bleibe rein./
In manchem andern Wettstreit siegest du,/
In diesem Einen, Herr, stehst du ihm nach;/
Und weil dein Feldherrnwort erlaubend bloſs,/
Gebietend seins, so giebst du uns wohl zu,/ 310
Daſs wir dem dringenderen hier gehorchen./
(zu Robert, kalt)
Wenn du befiehlst zu gehn, wir trotzen nicht./
Du bist der Guiskard’ssohn, das ist genug!/
Sag’, ob wir wiederkommen dürfen, sag’/
Uns wann, so führ’ ich diese Schaar zurück./
Robert
(seine Verlegenheit verbergend)
Kehrt morgen wieder. — Oder heut, ihr Freunde./
Vielleicht zu Mittag, wenn’s die Zeit erlaubt. — —/
— Ganz recht. So geht’s. Ein ernst Geschäft hält eben/
Den Guiskard nur auf eine Stunde fest;/
Will er euch sprechen, wenn es abgethan,/ 320
Wohlan, so komm’ ich selbst, und ruf’ euch her./
Abälard.
Thust du doch mit dem Heer, als wär’s ein Weib,/
Ein schwangeres, das niemand schrecken darf!/
Warum hehlst du die Wahrheit? Fürchtest du/
Die Niederkunft? — —
(zum Volk gewandt)
Der Guiskard fühlt sich
krank./
Der Greis
(erschrocken)
Beim groſsen Gott des Himmels und der Erde, /
Hat er die Pest?
Abälard.
Das nicht. Das fürcht’
ich nicht. —/
Obschon der Arzt Besorgniſs äuſsert: ja./
14
Robert.
Daſs dir ein Wetterstrahl aus heitrer Luft/
Die Zunge lähmte, du Verräther, du!/ 330
(ab ins Zelt)
Siebenter
Auftritt.
Die Vorigen (ohne Robert)
Eine Stimme
(aus dem Volk)
Ihr Himmelsschaaren, ihr geflügelten,/
So steht uns bei!
Eine Andere.
Verloren ist das Volk!/
Eine Dritte.
Verloren ohne Guiskard rettungslos!/
Eine Vierte.
Verloren rettungslos!
Eine Fünfte.
Errettungslos,/
In diesem meerumgebnen Griechenland! —/
Der Greis
(zu Abälard, mit erhobenen Händen)
Nein, sprich! Ist’s wahr? — — Du Bote des Verderbens!/
Hat ihn die Seuche wirklich angesteckt? —/
Abälard
(von dem Hügel herabsteigend)
Ich sagt’ es euch, gewiſs ist es noch nicht./
Denn weil’s kein andres sichres Zeichen giebt,/
Als nur den schnellen Tod, so leugnet er’s,/ 340
Ihr kennt ihn, wird’s im Tode leugnen noch./
Jedoch dem Arzt, der Mutter ist’s, der Tochter,/
Dem Sohne selbst, ihr seht’s, unzweifelhaft —/
Der Greis.
Fühlt er sich kraftlos, Herr? Das ist ein Zeichen./
Der erste Krieger.
Fühlt er sein Innerstes erhitzt?
Der Zweite.
Und Durst?/
Der Greis.
Fühlt er sich kraftlos? Das erled’ge erst./
Abälard.
— Noch eben, da er auf dem Teppich lag,/
Trat ich zu ihm und sprach: Wie geht’s dir, Guiskard?/
Drauf er: „Ei nun,“ erwiedert’ er, „erträglich! —/
Obschon ich die Giganten rufen möchte,/ 350
Um diese kleine Hand hier zu bewegen.“/
Er sprach: „dem Ätna wedelst du, laſs sein!“/
Als ihm von fern, mit einer Reiherfeder,/
15
Die Herzoginn den Busen fächelte;/
Und als die Kaiserinn, mit feuchtem Blick,/
Ihm einen Becher brachte, und ihn fragte,/
Ob er auch trinken woll’? antwortet’ er:/
„Die Dardanellen, liebes Kind!“ und trank./
Der Greis.
Es ist entsetzlich!
Abälard.
Doch das hindert
nicht,/
Daſs er nicht stets nach jener Kaiserzinne,/ 360
Die dort erglänzt, wie ein gekrümmter Tieger,/
Aus seinem offnen Zelt hinüberschaut./
Man sieht ihn still, die Karte in der Hand,/
Entschlüss’ im Busen wälzen, ungeheure,/
Als ob er heut das Leben erst beträte./
Nessus und Loxias, den Griechenfürsten,/
— Gesonnen längst, ihr wiſst, auf Einen
Punct,
/
Die Schlüssel heimlich ihm zu überliefern,/
— Auf Einen Punct, sag’ ich, von ihm bis heut/
Mit würdiger Hartnäckigkeit verweigert —/ 370
Heut’ einen Boten sandt’ er ihnen zu,/
Mit einer Schrift, die diesen Punct *) bewilligt./
Kurz, wenn die Nacht ihn lebend trifft, ihr Männer,/
Das Rasende, ihr sollt es sehn, vollstreckt sich,/
Und einen Hauptsturm ordnet er noch an;/
Den Sohn schon fragt’ er, den die Aussicht reizt,/
Was er von solcher Unternehmung halte?/
Der Greis.
O möcht’ er doch!
Der erste Krieger.
O könnten wir ihm
folgen!/
Der zweite Krieger.
O führt’ er lang’ uns noch, der theure Held,/
In Kampf und Sieg und Tod!
Abälard.
Das sag’ ich auch!/ 380
Doch eh’ wird Guiskard’s Stiefel rücken vor/
Byzanz, eh’ wird an ihre eh’rnen Thore/
Sein Handschuh klopfen, eh’ die stolze Zinne/
Vor seinem blassen Hemde sich verneigen,/
Als dieser Sohn,
wenn Guiskard fehlt, die Krone/
Alexius, dem Rebellen dort, entreiſsen!/
*) Dieser Punct war
(wie sich in der Folge ausgewiesen haben würde,) die Forderung der Verräther in Constantinopel: daſs nicht die, von
dem Alexius Komnenes vertriebene,
Kaiserinn von Griechenland, im Namen ihrer Kinder,
sondern Guiskard selbst, die Krone ergreifen
solle.
16
Achter
Auftritt.
Robert (aus dem Zelt zurück) Die Vorigen.
Robert.
Normänner, hört’s. Es hat der Guiskard sein/
Geschäft beendigt, gleich erscheint er jetzt!/
Abälard
(erschrocken)
Erscheint? Unmöglich ist’s!
Robert.
Dir, Heuchlerherz,/
Deck’ ich den Schleier jetzt von der Miſsgestalt!/ 390
(wieder ab in’s Zelt)
Neunter
Auftritt.
Die Vorigen (ohne Robert)
Der Greis.
O Abälard! O was hast du gethan?/
Abälard
(mit einer fliegenden Blässe)
Die Wahrheit sagt’ ich euch, und dieses Haupt/
Verpfänd’ ich kühn der Rache täuscht’ ich euch!/
Als ich das Zelt verlieſs, lag hingestreckt/
Der Guiskard, und nicht eines Gliedes schien/
Er mächtig. Doch sein Geist bezwingt sich selbst/
Und das Geschick, nichts Neues sag’ ich euch!/
Ein Knabe
(halb auf den Hügel gestiegen)
Seht her, seht her! Sie öffnen schon das Zelt!/
Der Greis.
O du geliebter Knabe, siehst du ihn?/
Sprich, siehst du ihn?
Der Knabe.
Wohl, Vater, seh’ ich
ihn!/ 400
Frei in des Zeltes Mitte seh’ ich ihn!/
Der hohen Brust legt er den Panzer um!/
Dem breiten Schulternpaar das Gnadenkettlein!/
Dem weitgewölbten Haupt drückt er, mit Kraft,/
Den mächtig-wankend-hohen Helmbusch auf!/
Jetzt seht, o seht doch her! — Da ist er selbst!/
16a
17
Zehnter
Auftritt.
Guiskard (tritt auf) Die Herzoginn, Helena, Robert, Gefolge
(hinter ihm) Die
Vorigen.
Das Volk
(jubelnd)
Triumph! Er ist’s! Der Guiskard ist’s! Leb’ hoch! /
(einige Mützen fliegen in die Höhe)
Der Greis
(noch während des Jubelgeschrei’s)
O Guiskard! Wir begrüſsen dich, o Fürst!/
Als stiegst du uns von Himmelshöhen nieder!/
Denn in den Sternen glaubten wir dich schon — —!/ 410
Guiskard
(mit erhobener Hand)
Wo ist der Prinz, mein Neffe?
(Allgemeines Stillschweigen)
Tritt hinter mich./
(Der Prinz, der sich unter das Volk gemischt hatte, steigt auf den
Hügel, und stellt sich hinter Guiskard, während
dieser ihn unverwandt mit den Au- gen
verfolgt)
Hier bleibst du stehn, und lautlos. — Du verstehst
mich?/
— Ich sprech’ nachher ein eignes Wort mit dir./
(er wendet sich zum Greise)
Du führst, Armin, das Wort für diese Schaar?/
Der Greis.
Ich führ’s, mein Feldherr!
Guiskard
(zum Ausschuſs)
Seht, als ich das hörte,Der zweite Halbvers (V 415) ist im
›Phöbus‹-Druck nicht entsprechend eingerückt./
Hat’s lebhaft mich im Zelt bestürzt, ihr Leute!/
Denn nicht die schlechtsten Männer seh’ ich vor mir,/
Und nichts Bedeutungsloses bringt ihr mir,/
Und nicht von einem Dritten mag ich’s hören,/
Was euch so dringend mir vor’s Antlitz führt. —/ 420
Thu’s schnell, du alter Knabe, thu mir’s kund!/
Ist’s eine neue Noth? Ist es ein Wunsch?/
Und womit helf’ ich? Oder tröst’ ich? Sprich!/
Der Greis.
Ein Wunsch, mein hoher Herzog, führt uns her. —/
Jedoch nicht ihm gehört, wie du wohl wähnst,/
Der Ungestüm, mit dem wir dein begehrt,/
Und sehr beschämen würd’ uns deine Milde;/
Wenn du das glauben könntest von der Schaar./
Der Jubel, als du aus dem Zelte tratst,/
Von ganz was Anderm, glaub’ es, rührt er her:/ 430
Nicht von der Lust blos, selbst dich zu erblicken;/
Ach, von dem Wahn, du Angebeteter!/
18
Wir würden nie dein Antlitz wiedersehn;/
Von nichts Geringerm, als dem rasenden/
Gerücht, daſs ich’s nur ganz dir anvertraue,/
Du, Guiskard, seist vom Pesthauch angeweht —!/
Guiskard
(lachend)
Vom Pesthauch angeweht! Ihr seid wohl toll, ihr/
Ob ich wie Einer ausseh’, der die Pest hat?/
Der ich in Lebensfüll’ hier vor euch stehe?/
Der seiner Glieder jegliches beherrscht?/ 440
Dess’ reine Stimme aus der freien Brust,/
Gleich dem Geläut der Glocken, euch umhallt?/
Das läſst der Angesteckte bleiben, das!/
Ihr wollt mich, traun! mich Blühenden, doch nicht/
Hinschleppen zu den Faulenden auf’s Feld?/
Ei, was zum Henker, nein! Ich wehre mich —/
Im Lager hier kriegt ihr mich nicht in’s Grab:/
In Stambul halt’ ich still, und eher nicht!/
Der Greis.
O du geliebter Fürst! Dein heitres Wort/
Giebt uns ein aufgegebnes Leben wieder!/ 450
Wenn keine Gruft doch wäre, die dich deckte!/
Wärst du unsterblich doch, o Herr! unsterblich,/
Unsterblich, wie es deine Thaten sind!/
Guiskard.
— Zwar trifft sich’s seltsam just, an diesem Tage,/
Daſs ich so lebhaft
mich nicht fühl’, als sonst:/
Doch nicht unpäſslich möcht’ ich nennen das,/
Vielwen’ger pestkrank! Denn was weiter ist’s,/
Als nur ein Miſsbehagen, nach der Qual/
Der letzten Tage, um mein armes Heer./
Der Greis.
So sagst du —?
Guiskard
(ihn unterbrechend)
S’ ist der Red’ nicht
werth, sag’ ich!/ 460
Hier diesem alten Scheitel, wiſst ihr selbst,/
Hat seiner Haare keins noch wehgethan!/
Mein Leib ward jeder Krankheit mächtig noch./
Und wär’s die Pest auch, so versichr’ ich euch:/
An diesen Knochen nagt sie selbst sich krank!/
Der Greis.
Wenn du doch mindestens von heute an,/
Die Kranken unsrer
Sorge lassen wolltest!/
Nicht Einer ist, o Guiskard, unter ihnen,/
Der hülflos nicht, verworfen lieber läge,/
Jedwedem Übel sterbend ausgesetzt,/ 470
19
Als daſs er Hülf’, von dir, du Einziger,/
Du Ewig-Unersetzlicher, empfienge,/
In immer reger Furcht, den gräſslichsten/
Der Tode dir zum Lohne hinzugeben./
Guiskard.
Ich hab’s, ihr Leut’, euch schon so oft gesagt,/
Seit wann denn gilt mein Guiskard’swort nicht mehr?/
Kein Leichtsinn ist’s, wenn ich Berührung nicht/
Der Kranken scheue, und kein Ohngefähr,/
Wenn’s ungestraft geschieht. Es hat damit/
Sein eigenes Bewenden — kurz, zum Schluſs:/ 480
Furcht meinetwegen spart! —
Zur Sache jetzt!/
Was bringst du mir? sag’ an! Sei kurz und bündig;/
Geschäfte rufen mich in’s Zelt zurück./
Der Greis
(nach einer kurzen Pause)
Du weiſst’s, o Herr! du fühlst es so, wie wir —/
Ach, auf wem ruht die Noth so schwer, als dir?/
In dem entscheidenden Moment, da schon — —/
Guiskard
(sieht sich um, der Greis stockt)
Die Herzoginn
(leise)
Willst du —?
Robert.
Begehrst du —?
Abälard.
Fehlt dir?
Die Herzoginn.
Gott im Himmel!/
Abälard.
Was ist?
Robert.
Was hast du?
Die Herzoginn.
Guiskard! Sprich ein
Wort!/
Die Kaiserinn
(zieht eine groſse Heerpauke herbei und
schiebt sie hinter ihn)
Guiskard
(indem er sich sanft niederläſst,
halblaut)
Mein liebes Kind! —
Was also giebt’s Armin?/
Bring deine Sache vor, und laſs es frei/ 490
Hinströmen, bange Worte lieb’ ich nicht!/
Der Greis
(sieht gedankenvoll vor sich
nieder)
Eine Stimme
(aus dem Volk)
Nun, was auch säumt er?
Eine andere.
Alter, du! So
sprich./
Der Greis
(gesammelt)
Du weiſst’s, o Herr — und wem ist’s so bekannt?/
20
Und auf wem ruht des Schicksals Hand so schwer?/
Auf deinem Fluge rasch, die Brust voll Flammen,/
In’s Bett der Braut, der du die Arme schon/
Entgegenstreckst zu dem Vermählungsfest,/
Tritt, o du Bräutigam der Siegesgöttinn,/
Die Seuche grauenvoll dir in den Weg —!/
Zwar du bist, wie du sagst, noch unberührt;/ 500
Jedoch dein Volk ist, deiner Lenden Mark,/
Vergiftet, keiner Thaten fähig mehr,/
Und täglich, wie vor Sturmwind Tannen, sinken/
Die Häupter deiner Treuen in den Staub./
Der Hingestreckt’ ist’s auferstehungslos,/
Und wo er hinsank, sank er in sein Grab./
Er sträubt, und wieder, mit unsäglicher/
Anstrengung sich empor: es ist umsonst!/
Die giftgeäzten Knochen brechen ihm,/
Und wieder nieder sinkt er in sein Grab./ 510
Ja, in des Sinn’s entsetzlicher Verwirrung,/
Die ihn zuletzt befällt, sieht man ihn scheuſslich/
Die Zähne gegen Gott und Menschen fletschen,/
Dem Freund, dem Bruder, Vater, Mutter, Kindern,/
Der Braut selbst, die ihm naht, entgegenwüthend./
Die Herzoginn
(indem sie an der Tochter Brust
niedersinkt)
O Himmel!
Helena.
Meine vielgeliebte
Mutter!/
Guiskard
(sich langsam umsehend)
Was fehlet ihr?
Helena
(zögernd)
Es scheint —
Guiskard.
Bringt sie in’s
Zelt!/
Helena
(führt die Herzoginn ab)
Der Greis.
Und weil du denn die kurzen Worte liebst:/
O führ uns fort aus diesem Jammerthal!/
Du Retter in der Noth, der du so Manchem/ 520
Schon halfst, versage deinem ganzen Heere/
Den einz’gen Trank nicht, der ihm Heilung bringt,/
Versag’ uns nicht Italiens Himmelslüfte,/
Führ uns zurück, zurück, in’s Vaterland!/
H. v. K.
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