Amphitryon, ein Lustspiel nach Moliere. [DTA-Version]
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nach Moliere.
von
Adam H. Müller.
in der Arnoldischen Buchhandlung.
Personen.
Jupiter, in der Gestalt des Amphitryon.
Merkur, in der Gestalt des Sosias.
Amphitryon, Feldherr der Thebaner.
Sosias, sein Diener.
Alkmene, Gemahlin des Amphitryon.
Charis, Gemahlin des Sosias.
Feldherren.
(Die Scene ist in Theben vor dem Schlosse des Amphitryon.)
Erster Act.
Es ist Nacht.Erste Scene.
Sosias. (tritt mit einer Laterne auf.)Heda! Wer schleicht da? Holla! — Wenn der
Tag
Anbräche, wär mir’s lieb; die Nacht ist —
Was?
Gut Freund, ihr Herrn! Wir gehen eine Straße
—
Ihr habt den ehrlichsten Gesell’n getroffen,
Bei
meiner Treu, auf den die Sonne scheint —
A 2
4 Vielmehr der
Mond jetzt, wollt ich sagen —
Spitzbuben sind’s
entweder, feige Schufte,
Die nicht das Herz, mich
anzugreifen, haben:
Oder der Wind hat durch das Laub
gerasselt.
Jedweder Schall hier heult in dem Gebirge.
—
Vorsichtig! Langsam! — Aber wenn ich jetzt
Nicht
bald mit meinem Huth an Theben stoße
So will ich in den
finstern Orkus fahren.
Ei, hohl’s der Henker! ob ich
muthig bin,
Ein Mann von Herz; das hätte mein
Gebieter
Auf anderm Wege auch erproben können.
Ruhm krönt ihn, spricht die ganze Welt, und
Ehre,
Doch in der Mitternacht mich fortzuschicken,
Ist nicht
viel besser, als ein schlechter Streich.
Ein wenig
Rücksicht wär’, und Nächstenliebe,
So lieb mir, als der
Keil von Tugenden,
Mit welchem er des Feindes Reihen
sprengt.
Sosias, sprach er, rüste dich mein
Diener,
Du sollst in Theben meinen Sieg verkünden
Und meine zärtliche Gebieterinn
Von meiner nahen
Ankunft unterrichten.
5 Doch hätte das
nicht Zeit gehabt bis morgen,
Will ich ein Pferd sein,
ein gesatteltes!
Doch sieh! Da zeigt sich, denk ich,
unser Haus!
Triumph, du bist nunmehr am Ziel,
Sosias,
Und allen Feinden soll vergeben sein.
Jetzt, Freund, mußt du an deinen Auftrag denken;
Man
wird dich feierlich zur Fürstin führen,
Alkmen’, und
den Bericht bist du ihr dann,
Vollständig und mit
Rednerkunst gesetzt
Des Treffens schuldig, das
Amphitryon
Siegreich für’s Vaterland geschlagen
hat.
— Doch wie zum Teufel mach ich das, da ich
Dabei nicht war? Verwünscht. Ich wollt: ich
hätte
Zuweilen aus dem Zelt geguckt,
Als beide Heer’ im
Handgemenge waren.
Ei was! Vom Hauen sprech’ ich dreist
und Schie-
ßen,
Und werde schlechter nicht
bestehn, als Andre,
Die auch den Pfeil noch pfeifen
nicht gehört. —
Doch wär’ es gut, wenn du die Rolle
übtest?
Gut! Gut bemerkt, Sosias! Prüfe dich.
6 Hier soll der
Audienzsaal sein, und diese
Latern’ Alkmene, die mich
auf dem Thron erwartet.
Durchlauchtigste! mich
schickt Amphitryon,
Mein hoher Herr und euer edler
Gatte,
Von seinem Siege über die Athener
Die frohe
Zeitung euch zu überbringen.
— Ein guter Anfang! —
„Ach, wahrhaftig,
liebster
Sosias, meine
Freude mäßg’ ich nicht,
Da ich dich wiedersehe.“
— Diese Güte,
Vortreffliche, beschämt mich, wenn sie
stolz gleich
Gewiß jedweden andern machen würde.
—
Sieh! das ist auch nicht übel! — „Und
dem
theuren
Geliebten meiner Seel’ Amphitryon,
Wie
geht’s ihm?“ — Gnäd’ge Frau, das faß
ich
kurz:
Wie einem Mann von Herzen auf dem Feld’ des
Ruhms.
— Ein Blitzkerl! Seht die Suade! —
„Wann
denn kommt er?“
7 Gewiß nicht
später, als sein Amt verstattet,
Wenn gleich vielleicht
so früh nicht, als er wünscht.
— Potz, alle Welt! —
„Und hat er sonst dir
nichts
Für mich
gesagt, Sosias?“ — Er sagt wenig,
Thut viel, und
es erbebt die Welt vor seinem
Nahmen.
— Daß mich
die Pest! Wo kömmt der Witz mir her?
„Sie
weichen also, sagst du, die Athener?“
— Sie
weichen, todt ist Labdakus, ihr Führer,
Erstürmt
Pharissa, und wo Berge sind,
Da hallen sie von unserm
Siegsgeschrei. —
„O theuerster Sosias! Sieh, das
mußt du
Umständlich mir, auf jeden Zug,
erzählen.“
— Ich bin zu euern Diensten, gnädge
Frau.
Denn in der That kann ich von diesem Siege
Vollständ’ge Auskunft, schmeichl’ ich mir, er-
theilen:
Stellt euch, wenn ihr die Güte haben
wollt,
Auf dieser Seite hier —
Pharissa vor
8 — Was eine Stadt
ist, wie ihr wissen werdet,
So groß im Umfang, praeter propter,
Um nicht
zu übertreiben, wenn nicht größer,
Als Theben. Hier
geht der Fluß. Die Unsrigen
In Schlachtordnung auf
einem Hügel hier;
Und dort im Thale haufenweis der
Feind.
Nachdem er ein Gelübd’ zum Himmel jetzt ge-
sendet,
Daß euch der Wolkenkreis erzitterte,
Stürzt, die Befehle treffend rings gegeben,
Er gleich
den Strömen brausend auf uns ein.
Wir aber, minder
tapfer nicht, wir zeigten
Den Rückweg ihm, — und ihr
sollt gleich sehn,
wie?
Zuerst begegnet’ er dem
Vortrab hier,
Der wich. Dann stieß er auf die
Bogenschützen
dort;
Die zogen sich zurück. Jetzt
dreist gemacht, rückt er
Den Schleud’rern auf den Leib;
die räumten ihm
das Feld
Und als verwegen jetzt
dem Hauptkorps er sich
nahte,
9 Stürzt dies —
halt! Mit dem Hauptkorps ist’s
nicht richtig.
Ich
höre ein Geräusch dort, wie mir däucht.
Zweite Scene.
Merkur (tritt in der Gestalt des Sosias ausAmphitryons Haus.) Sosias.
Merkur. (für sich.)
Wenn ich den
ungeruf’nen Schlingel dort
Bei Zeiten nicht von diesem
Haus entferne,
So steht, beim Styx, das Glück mir auf
dem
Spiel,
Das in Alkmenens Armen zu
genießen,
Heut in der Truggestalt Amphitryons
Zevs
der Olympische, zur Erde stieg.
Es ist zwar nichts und
meine Furcht verschwindet,
Doch um den Abentheuern
auszuweichen,
Will ich mich vollends jetzt zu Hause
machen,
Und meines Auftrags mich
entledigen.
Du überwindest den
Merkur, Freund, oder
Dich werd ich davon abzuhalten
wissen.
Doch diese Nacht ist
von endloser Länge.
Wenn ich fünf Stunden unterwegs
nicht bin,
Fünf Stunden nach der Sonnenuhr von
Theben,
Will ich stückweise sie vom Thurme
schießen.
Entweder hat in Trunkenheit des Siegs
Mein Herr den Abend für den Morgen angesehn,
Oder der
lockre Phöbus schlummert noch,
Weil er zu tief ins
Fläschgen gestern guckte.
Mit welcher
Unehrbietigkeit der Schuft
Dort von den Göttern
spricht. Geduld ein wenig;
Hier dieser Arm bald wird
Respeckt ihm lehren.
Ach bei den Göttern
der Nacht! Ich bin verloh-
ren.
Da schleicht ein
Strauchdieb um das Haus, den
ich
11 Früh oder spät
am Galgen sehen werde.
— Dreist muß ich thun, und keck
und zuversichtlich.
Merkur. (laut.)
Wer denn ist jener
Tölpel dort, der sich
Die Freiheit nimmt, als wär er
hier zu Hause,
Mit Pfeifen mir die Ohren
vollzuleyern?
Soll hier mein Stock vielleicht ihm dazu
tanzen?
— Ein Freund nicht
scheint er der Musik zu sein.
Seit der vergangnen
Woche fand ich keinen,
Dem ich die Knochen hätte
brechen können.
Mein Arm wird steif, empfind’ ich, in
der Ruhe,
Und einen Buckel von des deinen Breite
Ihn such’ ich just, mich wieder einzuüben.
Wer, Teufel hat den
Kerl mir dort gebohren?
Von Todesschrecken fühl’ ich
mich ergriffen,
Die mir den Athem stocken machen.
12 Hätt’ ihn die
Hölle ausgeworfen,
Es könnt’ entgeisternder mir nicht
sein Anblick sein.
— Jedoch vielleicht geht’s dem
Hanswurst wie mir,
Und er versucht den Eisenfresser
bloß,
Um mich ins Bockshorn schüchternd
einzujagen.
Halt, Kauz, das kann ich auch. Und
überdies,
Ich bin allein, er auch; zwei Fäuste hab’
ich,
Doch er nicht mehr; und will das Glück nicht
wohl mir,
Bleibt mir ein sichrer Rückzug dort —
Marsch
also!
Halt dort! Wer geht
dort?
Ich.
Was für ein
Ich?
Meins mit Verlaub. Und
meines, denk’ ich, geht
Hier unverzollt gleich Andern.
Muth Sosias!
Halt! mit so leichter
Zech’ entkommst du nicht.
Von welchem Stand bist
du?
Von welchem
Stande?
Von einem auf zwei Füßen, wie ihr
seht.
Ob Herr du bist, ob
Diener, will ich wissen?
Nachdem ihr so mich,
oder so betrachtet,
Bin ich ein Herr, bin ich ein
Dienersmann.
Gut. Du misfällst
mir.
Ei das thut mir
leid.
Mit einem Wort,
Verräther, will ich wissen,
Nichtswürd’ger
Gassentreter, Eckenwächter,
Wer du magst sein, woher du
gehst, wohin,
Und was du hier herum zu zaudern
hast?
Darauf kann ich euch
nichts zur Antwort geben
Als dies: ich bin ein Mensch,
dort komm ich her,
Da geh ich hin, und habe jetzt was
vor,
Das anfängt, Langeweile mir zu
machen.
Ich seh’ dich witzig,
und du bist im Zuge,
Mich kurzhin abzufertigen. Mir
aber kommt
Die Lust an, die Bekanntschaft
fortzusetzen,
Und die Verwicklung einzuleiten, werd’
ich
Mit dieser Hand hier hinter’s Ohr dir
schlagen.
Mir?
Dir, und hier bist
dessen du gewiß.
Was wirst du nun darauf
beschließen.
Wetter!
Ihr
schlagt mir eine gute Faust, Gevatter.
Ein Hieb von mittlern
Schrot. Zuweilen treff’
ich
Noch
besser.
Wär’ ich auch so
aufgelegt,
Wir würden schön uns in die Haare
kommen.
Das wär’ mir recht.
Ich liebe solchen Umgang.
Ich muß, jedoch,
Geschäfts halb’, mich em-
pfehlen.
Merkur. (tritt ihm in den Weg.)
Wohin?
Was geht’s dich an,
zum Teufel?
Ich will wissen,
Sag’ ich dir, wo du hingehst?
Jene Pforte
Will
ich mir öffnen lassen. Laß mich gehn.
Wenn du die
Unverschämtheit hast, dich jener
Schloßpforte dort zu
nähern, sieh, so rasselt
Ein Ungewitter auf dich ein
von Schlägen.
Was? soll ich nicht
nach Hause gehen dürfen?
Nach Hause? sag’ das
noch einmal.
Nun ja.
Nach
Haus.
Du sagst von diesem
Hause dich?
Warum nicht? Ist es
nicht Amphitryons Haus?
Ob dies Amphitryons
Haus ist? Allerdings,
17 Halunk, ist
dies das Haus Amphitryons,
Das Schloß des ersten
Feldherrn der Thebaner.
Doch welch ein Schluß erfolgt?
—
Was für ein
Schluß?
Daß ich hinein gehn werd’. Ich bin sein
Diener.
Sein Die
—?
Sein
Diener.
Du?
Ich, ja.
Amphitryons
Diener?
Amphitryons Diener,
des Thebanerfeldherrn.
— Dein Name
ist?
Sosias.
So —?
Sosias.
Hör’, dir zerschlag’
ich alle Knochen.
Bist du
Bei
Sinnen?
Wer giebt das Recht
dir, Unverschämter,
Den Namen des Sosias
anzunehmen?
Gegeben wird er mir,
ich nehm’ ihn nicht.
Mag es mein Vater dir
verantworten.
Hat man von solcher
Frechheit je gehört?
19 Du wagst mir
schamlos ins Gesicht zu sagen,
Daß du Sosias
bist?
Ja, allerdings.
Und das aus dem gerechten Grunde, weil es
Die großen
Götter wollen; weil es nicht
In meiner Macht steht,
gegen sie zu kämpfen,
Ein And’rer sein zu wollen als
ich bin;
Weil ich muß Ich, Amphitryons Diener
sein,
Wenn ich auch zehenmal Amphitryon,
Sein
Vetter lieber, oder Schwager wäre.
Nun, wart’! Ich will
dich zu verwandeln suchen.
Ihr Bürger! Ihr
Thebaner! Mörder! Diebe!
Wie du Nichtswürdiger,
du schreist noch?
Was?
Ihr schlagt
mich, und nicht schreien soll ich dürfen?
Weißt du nicht, daß es
Nacht ist, Schlafenszeit
Und daß in diesem Schloß
Alkmene hier,
Amphitryons Gemahlin,
schläft?
Hohl euch der
Henker!
Ich muß den Kürzern ziehen, weil ihr seht,
Daß mir zur Hand kein Prügel ist, wie euch.
Doch
Schläg’ ertheilen, ohne zu bekommen,
Das ist kein
Heldenstück. Das sag’ ich euch:
Schlecht ist es, wenn
man Muth zeigt gegen Leute,
Die das Geschick zwingt,
ihren zu verbergen.
Zur Sach’ also. Wer
bist du?
Wenn ich dem
Entkomme, will ich eine Flasche Wein
Zur Hälfte opfernd
auf die Erde schütten.
Bist du Sosias
noch?
Ach laß mich
gehn.
Dein Stock kann machen, daß ich nicht mehr
bin.
Doch nicht, daß ich nicht Ich bin, weil ich
bin.
Der einz’ge Unterschied ist, daß ich mich
Sosias jetzo der geschlagne, fühle.
Hund, sieh, so mach’
ich kalt dich.
Sosias.
Laß! Laß!
Hör
auf, mir zuzusetzen.
Eher nicht,
Als
bis du aufhörst —
Gut ich höre auf.
Kein Wort entgegn’ ich mehr, Recht sollst du
haben,
Und Allem, was du aufstellst, sag’ ich
ja.
Bist du Sosias noch,
Verräther?
Ach!
Ich bin
jetzt, was du willst. Befiehl, was ich
Soll sein, dein
Stock macht dich zum Herren
meines Lebens.
Du sprachst, du
hättest dich Sosias sonst genannt?
Wahr ist’s, daß ich
bis diesen Augenblick ge-
wähnt,
Die Sache hätte
ihre Richtigkeit.
Doch das Gewicht hat deiner Gründe
mich
Belehrt: ich sehe jetzt, daß ich mich
irrte.
Ich bin’s, der sich
Sosias nennt.
Sosias —?
Du
—?
Ja Sosias. Und wer
Glossen macht,
Hat sich vor diesen Stock in Acht zu
nehmen.
Ihr ew’gen Götter
dort! So muß ich auf
Mich selbst Verzicht jetzt
leisten, mir von einem
Betrüger meinen Namen stehlen
lassen?
Du murmelst in die
Zähne, wie ich höre?
Nichts, was dir in der
That zu nahe träte,
Doch bey den Göttern allen
Griechenlands
Beschwör’ ich dich, die dich und mich
regieren,
Vergönne mir, auf einen Augenblick,
Daß
ich dir offenherz’ge Sprache führe.
Sprich.
Doch dein Stock wird
stumme Rolle spielen?
Nicht von der Unterhaltung sein?
Versprich mir,
Wir schließen
Waffenstillstand.
Gut, es sei.
Den
Punkt bewill’g’ ich.
Nun so sage mir,
Wie kommt der unerhörte Einfall dir,
Mir meinen Namen
schamlos wegzugaunern?
Wär’ es mein Mantel, wär’s mein
Abendessen;
Jedoch ein Nam’! Kannst du dich darin
kleiden?
Ihn essen? trinken? oder ihn versetzen?
Was also nützet dieser Diebstahl dir?
Wie? Du — du
unterstehst dich?
Halt! halt! sag
ich.
Wir schlossen Waffenstillstand.
Unverschämter!
Nichtswürdiger!
Dawider hab ich
nichts.
Schimpfwörter mag ich leiden, dabei kann
ein
Gespräch bestehen.
Du nennst dich
Sosias?
Ja, ich gesteh’s, ein
unverbürgtes
Gerücht hat mir —
Genug. Den
Waffenstillstand
Brech’ ich, und dieses Wort hier nehm’
ich wieder.
Fahr’ in die Höll’!
Ich kann mich nicht ver-
nichten,
Verwandeln
nicht, aus meiner Haut nicht fahren,
Und meine Haut dir
um die Schultern hängen.
Ward, seit die Welt steht, so
etwas erlebt?
Träum’ ich etwa? Hab ich zur
Morgenstärkung
Heut mehr, als ich gewöhnlich pfleg’,
genossen?
Bin ich mich meiner völlig nicht bewußt?
Hat nicht Amphitryon mich hergeschickt,
Der Fürstin
seine Rückkehr anzumelden?
Soll ich ihr nicht den Sieg,
den er erfochten,
Und wie Pharissa überging, beschreiben?
26 Bin ich so eben
nicht hier angelangt?
Halt’ ich nicht die Laterne? Fand
ich dich
Vor dieses Hauses Thür herum nicht
lungern,
Und als ich mich der Pforte nähern
wollte,
Nahmst du den Stock zur Hand nicht, und
zer-
bläutest
Auf das unmenschlichste den Rücken
mir,
Mir ins Gesicht behauptend, daß nicht ich,
Wohl aber du Amphitryons Diener seist.
Das Alles, fühl
ich, leider, ist zu wahr nur;
Gefiel’s den Göttern
doch, daß ich besessen wäre.
Hallunke, sieh, mein
Zorn wird augenblicklich,
Wie Hagel wieder auf dich
niederregnen!
Was du gesagt hast, Alles, Zug vor
Zug,
Es gilt von mir: die Prügel
ausgenommen.
Von dir? — Hier die
Laterne, bei den Göttern,
Ist Zeuge mir —
Du lügst, sag’ ich, Verräther.
27 Mich hat
Amphitryon hieher geschickt.
Mir gab der Feldherr der
Thebaner gestern,
Da er vom Staub der Mordschlacht noch
bedeckt,
Dem Temp’l enttrat, wo er dem Mars
geopfert,
Gemeßnen Auftrag, seinen Sieg in Theben,
Und daß der Feinde Führer Labdakus
Von seiner Hand
gefallen, anzukünd’gen;
Denn ich bin, sag’ ich dir,
Sosias,
Sein Diener, Sohn des Davus, wackern
Schäfers
Aus dieser Gegend, Bruder Harpagons,
Der
in der Fremde starb, Gemahl der Charis,
Die mich mit
ihren Launen wüthend macht;
Sosias, der im Thürmchen
saß, und dem man
Noch kürzlich funfzig auf den Hintern
zählte,
Weil er zu weit die Redlichkeit
getrieben.
Da hat er Recht! Und
ohne daß man selbst
Sosias ist, kann man von dem, was
er
Zu wissen scheint, nicht unterrichtet sein.
Man
muß, mein Seel, ein Bischen an ihn
glauben.
28 Zu dem, da ich
ihn jetzt ins Auge fasse,
Hat er Gestalt von mir und
Wuchs und Wesen
Und die spitzbübsche Miene, die mir
eigen.
— Ich muß ihm ein Paar Fragen thun, die
mich
Aufs Reine bringen.
Von der Beute,
Die in des Feindes Lager ward gefunden,
Sagst du mir
wohl, wie sich Amphitryon
Dabei bedacht, und was sein
Antheil war?
Das Diadem ward ihm
des Labdakus,
Das man im Zelt desselben
aufgefunden.
Was nahm mit diesem
Diadem man vor?
Man grub den Namenszug
Amphitryons
Auf seine goldne Stirne leuchtend
ein.
Vermuthlich trägt er’s
selber jetzt —?
Alkmenen
Ist es
bestimmt. Sie wird zum Angedenken
Des Siegs den Schmuck
um ihren Busen tragen.
Und zugefertigt aus
dem Lager wird
Ihr das Geschenk —?
In einem goldnen
Kästchen,
Auf das Amphitryon sein Wappen
drückte.
Er weiß um Alles. —
Alle Teufel jetzt!
Ich fang im Ernst an mir zu zweifeln
an.
Durch seine Unverschämtheit ward er schon
Und
seinen Stock, Sosias, und jetzt wird er,
Das fehlte
nur, es auch aus Gründen noch.
Zwar wenn ich mich
betaste, wollt’ ich schwören,
Daß dieser Leib Sosias
ist
— Wie find ich nun aus diesem Labyrinth? —
Was
ich gethan, da ich ganz einsam war,
Was Niemand hat
gesehn, kann Niemand wissen,
30 Falls er nicht
wirklich Ich ist, so wie ich.
— Gut, diese Frage wird
mir Licht verschaffen.
Was gilt’s? Dies fängt ihn — nun
wir wer-
den sehn.
Als beide Heer’ im
Handgemenge waren,
Was machtest du, sag’ an, in den
Gezelten,
Wo du gewußt, geschickt dich
hinzudrücken?
Von einem Schinken
—
Hat den Kerl der
Teufel —?
Den ich im Winkel des
Gezeltes fand,
Schnitt ich ein Kernstück mir, ein
saftiges,
Und öffnete geschickt ein
Flaschenfutter,
Um für die Schlacht, die draußen ward
gefochten,
Ein wenig Munterkeit mir zu
verschaffen.
Nun ist es gut. Nun
wär’s gleich viel, wenn
mich
31 Die Erde gleich
von diesem Platz verschlänge,
Denn aus dem
Flaschenfutter trinkt man nicht,
Wenn man, wie ich,
zufällig nicht im Sacke
Den Schlüssel, der gepaßt,
gefunden hätte.
Ich sehe, alter
Freund, nunmehr, daß du
Die ganze Portion Sosias
bist,
Die man auf dieser Erde brauchen kann.
Ein
Mehreres scheint überflüssig mir.
Fern sei mir, den
Zudringlichen zu spielen,
Und gern tret’ ich vor dir
zurück. Nur habe die
Gefälligkeit für mich, und sage
mir,
Da ich Sosias nicht bin, wer ich bin?
Denn etwas, giebst du zu, muß ich doch
sein.
Wenn ich nicht mehr
Sosias werde sein,
Sei du’s, es ist mir recht, ich
will’ge drein.
Jedoch so lang’ ich’s bin, wagst du den
Hals,
Wenn dir der unverschämte Einfall
kommt.
Gut, gut. Mir fängt
der Kopf zu schwirren an,
Ich sehe jetzt, mein Seel’,
wie sichs verhält,
32 Wenn ich’s auch
gleich noch völlig nicht begreife.
Jedoch — die Sache
muß ein Ende nehmen;
Und das Gescheideste, zum Schluß
zu kommen,
Ist, daß ich meiner Wege geh’. — Leb
wohl.
Merkur (stößt ihn zurück.)
Wie, Galgenstrick! So
muß ich alle Knochen
Dir lähmen?
Sosias.
Ihr gerechten
Götter!
Wo bleibt mir euer Schutz? Mein Rücken
heilt
In Wochen nicht, wenn auch Amphitryon
Den
Stock nicht rührt. Wohlan! Ich meide denn
Den
Teufelskerl, und geh’ zurück ins Lager,
So finster
diese Höllennacht auch glotzt. —
Das war mir eine
rühmliche Gesandtschaft!
Wie wird dein Herr, Sosias,
dich empfangen?
Dritte Scene.
Merkur.Nun, endlich! Warum
trolltest du nicht früher?
33 Du hätt’st dir
böse Risse sparen können. —
Denn daß ihn eines Gottes
Arm getroffen,
Die Ehre kümmert den Hallunken
nicht:
Ich traf ihn wie der beste Büttel auch.
Nun, mag es sein. Gesündigt hat er g’nug,
Verdient,
wenn auch nicht eben heut, die Prügel;
Er mag auf
Abschlag sie empfangen haben. —
Wenn mir der Schuft mit
seinem Zeterschrei,
Als ob man ihn zum Braten spießen
wollte,
Nur nicht die Liebenden geweckt! — So wahr
ich lebe,
Zevs bricht schon auf. Er kommt, der
Götter-
vater,
Und zärtlich giebt Alkmen’, als
wär’s ihr Theurer
Gemahl Amphitryon, ihm das
Geleit.
Vierte Scene.
Jupiter (in der Gestalt Amphitryons) Alkmene;Charis; Merkur; (Fackeln.)
Jupiter.
Laß, meine theuerste
Alkmene, dort
C
34 Die Fackeln
sich entfernen. Zwar sie leuchten
Dem schönsten Reiz,
der auf der Erde blüht,
Und keiner der Olympier sah ihn
schöner;
Jedoch — wie sag ich? Sie verrathen den,
Den dieser Reiz hieher gelockt, Geliebte,
Und besser
wird es ein Geheimniß bleiben,
Daß dein Amphitryon in
Theben war,
Sie sind dem Krieg geraubt, die
Augenblicke,
Die ich der Liebe opfernd
dargebracht;
Die Welt könnt ihn mißdeuten, diesen
Raub;
Und gern entbehrt’ ich andre Zeugen seiner,
Als nur die Eine, die ihn mir verdankt.
Amphitryon! So willst
du gehn? Ach, wie
So lästig ist so vieler Ruhm,
Geliebter!
Wie gern gäb ich das Diadem, das du
Erkämpft, für einen Strauß von Veilchen hin,
Um eine
niedre Hütte eingesammelt.
Was brauchen wir, als nur
uns selbst? Warum
Wird so viel Fremdes noch dir
aufgedrungen,
Dir eine Krone und der Feldherrnstab?
35 Zwar wenn das
Volk dir jauchzt, und sein
Entzücken
In jedem
großen Namen sich verschwendet,
Ist der Gedanke süß,
daß du mir angehörst;
Doch dieser flücht’ge Reiz, kann
er vergelten,
Was ich empfinde, wenn im wilden
Treffen
Der Pfeil auf diesen theuern Busen zielt.
Wie öd’ ist, ohne dich, dies Haus! Wie träge,
Bist du
mir fern, der muntre Reih’n der
Stunden,
Wenn sie
den Tag herauf mir führen sollen!
Ach was das Vaterland
mir alles raubt,
Das fühl’ ich, mein Amphitryon, erst
seit heute,
Da ich zwei kurze Stunden dich
besaß.
Geliebte! Wie du mich
entzückst! Doch eine
Besorgniß auch erregst du mir, die
ich,
So scherzhaft sie auch klingt, dir nennen
muß.
Du weißt, daß ein Gesetz der Ehe ist,
Und
eine Pflicht und daß, wer Liebe nicht er-
wirbt,
Noch Liebe vor dem Richter fordern kann.
C 2
36 Sieh dies
Gesetz, es stört mein schönstes Glück.
Dir möcht ich, deinem Herzen,
Theuerste,
Jedwede Gunst verdanken, möchte gern
Nicht, daß du einer Förmlichkeit dich fügtest,
Zu der
du dich vielleicht verbunden wähnst.
Wie leicht
verscheuchst du diese kleinen Zweifel?
So öffne mir
dein Inn’res denn, und sprich,
Ob den Gemahl du heut,
dem du verlobt bist,
Ob den Geliebten du empfangen
hast?
Geliebter und Gemahl!
Was sprichst du da?
Ist es dies heilige Verhältniß
nicht,
Das mich allein, dich zu empfahn,
berechtigt?
Wie kann dich ein Gesetz der Welt nur
quälen,
Das weit entfernt, beschränkend hier zu
sein,
Vielmehr den kühnsten Wünschen, die sich
regen,
Jedwede Schranke glücklich
niederreißt?
Was ich dir fühle,
theuerste Alkmene,
Das überflügelt, sieh, um
Sonnenferne,
Was ein Gemahl dir schuldig ist. Entwöhne,
37 Geliebte von
dem Gatten dich,
Und unterscheide zwischen mir und
ihm.
Sie schmerzt mich, diese schmölige
Verwechslung,
Und der Gedanke ist mir
unerträglich,
Daß du den Laffen bloß empfangen
hast,
Der kalt ein Recht auf dich zu haben wähnt.
Ich möchte dir, mein süßes
Licht,
Dies Wesen eigner Art erschienen sein,
Besieger dein, weil über dich zu siegen,
Die Kunst, die
großen Götter mich gelehrt.
Wozu den eitlen Feldherrn
der Thebaner
Einmischen hier, der für ein großes
Haus
Jüngst eine reiche Fürstentochter freite?
Was
sagst du? Sieh’, ich möchte deine Tugend
Ihm, jenem
öffentlichen Gecken, lassen,
Und mir, mir deine Liebe
vorbehalten.
Amphitryon! Du
scherzest. Wenn das Volk hier
Auf den Amphitryon dich
schmähen hörte,
Es müßte doch dich einen Andern
wähnen,
Ich weiß nicht wen? Nicht, daß es mir ent-
schlüpft
38 In dieser
heitern Nacht, wie, vor dem Gatten,
Oft der Geliebte
aus sich zeichnen kann;
Doch da die Götter Eines und
das And’re
In dir mir einigten, verzeih ich diesem
Von Herzen gern, was der vielleicht verbrach.
Versprich mir denn,
daß dieses heitre Fest,
Das wir jetzt frohem Wiedersehn
gefeiert,
Dir nicht aus dem Gedächtniß weichen
soll;
Daß du den Göttertag, den wir durchlebt,
Geliebteste, mit deiner weitern Ehe
Gemeinen Tag’-lauf
nicht verwechseln willst.
Versprich, sag’ ich, daß du
an mich willst denken,
Wenn einst Amphitryon
zurückekehrt
zurückgekehrt
—?
Nun ja. Was soll man
dazu sagen?
Dank dir!
Es hat
mehr Sinn und Deutung, als du glaubst.
Leb’ wohl, mich
ruft die Pflicht.
So willst du
fort?
Nicht diese kurze Nacht bei mir, Geliebter,
Die mit Zehntausend Schweigen fleucht, vollen-
den?
Schien diese Nacht dir
kürzer als die andern?
Ach!
Süßes Kind! Es konnte
doch Aurora
Für unser Glück nicht mehr thun, als sie
that.
Leb’ wohl. Ich sorge, daß die anderen
Nicht
länger dauern, als die Erde braucht.
Er ist berauscht,
glaub’ ich. Ich bin es auch.
Fünfte Scene.
Merkur. Charis.Charis. (für sich.)
Das nenn’ ich
Zärtlichkeit mir! Das mir Treue!
Das mir ein artig
Fest, wenn Eheleute
Nach langer Trennung jetzt sich
wiedersehn!
Doch jener Bauer dort, der mir
verbunden,
Ein Klotz ist just so
järtlich
zärtlich
auch, wie er.
Jetzt muß ich eilen
und die Nacht erinnern,
Daß uns der Weltkreis nicht aus
aller Ordnung
kommt.
Die gute Göttin Kupplerin
verweilte
Uns siebzehn Stunden über Theben heut;
Jetzt mag sie weiter ziehn, und ihren Schleier
Auch
über and’re Abentheuer werfen.
Jetzt seht den
Unempfindlichen! da geht er.
Nun soll ich dem
Amphitryon nicht folgen?
41 Ich werde doch,
wenn er ins Lager geht,
Nicht auf die Bärenhaut mich
legen sollen?
Man sagt doch
was.
Ei was! Dazu ist Zeit.
—
Was du gefragt, das weißt du, damit Basta.
In
diesem Stücke bin ich ein Lakoner.
Ein Tölpel bist du.
Gutes Weib, sagt man,
Behalt’ mich lieb, und tröst’
dich, und was weiß
ich?
Was, Teufel, kommt dir
in den Sinn? Soll ich
Mit dir zum Zeitvertreib hier
Fratzen schneiden?
Eilf Eh’standsjahr’ erschöpfen das
Gespräch,
Und schon seit Olims Zeit sagt’ ich dir
Alles.
Verräther, sieh
Amphitryon, wie er,
Den schlecht’sten Leuten gleich,
sich zärtlich zeigt,
42 Und schäme
dich, daß in Ergebenheit
Zu seiner Frau, und ehelicher
Liebe
Ein Herr der großen Welt dich
übertrifft.
Er ist noch in den
Flitterwochen, Kind.
Es giebt ein Alter, wo sich Alles
schickt.
Was diesem jungen Paare steht, das mögt’
ich
Von Weitem sehn, wenn wir’s verüben wollten.
Es würd’ uns lassen, wenn wir alten Esel
Mit süßen
Brocken um uns werfen wollten.
Der Grobian! Was das
für Reden sind.
Bin ich nicht mehr im Stand?
—
Das sag’ ich
nicht,
Dein offner Schaden läßt sich übersehen,
Wenn’s finster ist, so bist du grau; doch hier
Auf
offnem Markt würd’s einen Auflauf geben,
Wenn mich der
Teufel plagte, zu scharwenzeln.
Ging ich nicht gleich,
so wie du kamst, Verräther,
Zur Plumpe? Kämmt’ ich
dieses Haar mir nicht?
Legt’ ich dies reingewaschne
Kleid nicht an?
Und das, um ausgehunzt von dir zu
werden.
Ei was ein reines
Kleid! Wenn du das Kleid
Ausziehen könntest, das dir
von Natur ward,
Ließ ich die schmutz’ge Schürze mir
gefallen.
Als du mich freitest,
da gefiel dir’s doch.
Da hätt’ es Noth gethan, es in
der Küche
Beim Waschen und beim Heuen anzuthun.
Kann ich dafür, wenn es die Zeit genutzt?
Nein, liebstes Weib.
Doch ich kann’s auch nicht
flicken.
Hallunke, du verdienst
es nicht, daß eine
Frau dir von Ehr und Reputation
geworden.
Wärst du ein wenig
minder Frau von Ehre.
Und rissest mir dafür die Ohren
nicht
Mit deinen ew’gen Zänkereien ab.
Was? so mißfällt’s dir
wohl, daß ich in Ehren
Mich stets erhielt, mir guten
Ruf erwarb?
Behüt’ der Himmel
mich. Pfleg’ deiner Tugend,
Nur führe sie nicht, wie
ein Schlittenpferd,
Stets durch die Straße läutend, und
den Markt.
Dir wär’ ein Weib gut,
wie man sie in Theben
Verschmitzt und voller Ränke
finden kann,
Ein Weib, das dich in süße Wort’
ertränkte,
Damit du ihr den Hahnrei
niederschluckst.
Was das betrifft, mein
Seel’, da sag’ ich dir:
Gedankenübel quälen nur die
Narren,
Den Mann vielmehr beneid’ ich, dem ein
Freund
Den Sold der Ehe vorschießt; alt wird er,
Und lebt das Leben aller seiner Kinder.
Du wärst so schamlos,
mich zu reizen? Wärst
So frech, mich förmlich
aufzufordern, dir
Den freundlichen Thebaner, welcher
Abends
Mir auf der Fährte schleicht, zu
adjungiren?
Hohl mich der Teufel,
ja. Wenn du mir nur
Ersparst, Bericht darüber
anzuhören.
Bequeme Sünd’ ist, find ich, so viel
werth,
Als läst’ge Tugend; und mein Wahlspruch
ist,
Nicht so viel Ehr’ in Theben, und mehr Ruhe —
Fahr’ wohl jetzt, Charis, Schatzkind! Fort
muß
ich.
Amphitryon wird schon im Lager sein.
Charis.
Warum, um diesen
Niederträchtigen
Mit einer offenbaren That zu
strafen,
Fehlt’s an Entschlossenheit mir? O ihr
Götter!
Wie ich es jetzt bereue, daß die Welt
Für
eine ordentliche Frau mich hält!
Zweyter Act.
Es ist Tag.Erste Scene.
Amphitryon. Sosias.Amphitryon.
Steh, Gaudieb, sag’ ich, mir, vermaledeiter
Hallunke! Weißt du, Taugenichts, daß dein
Geschwätz
dich an den Galgen bringen wird?
Und daß, mit dir nach
Würden zu verfahren,
Nur meinem Zorn ein tücht’ges Rohr
gebricht?
Wenn ihr’s aus diesem
Ton nehmt, sag ich
nichts.
Befehlt, so träum’ ich,
oder bin betrunken.
Mir solche Mährchen
schamlos aufzubürden!
Erzählungen, wie unsre Ammen
sie
Den Kindern Abends in die Ohren lullen. —
Meinst du, ich werde dir die Possen glauben?
Behüt’! Ihr seid der
Herr und ich der Diener,
Ihr werdet thun und lassen,
was ihr wollt.
Es sei. Ich
unterdrücke meinen Zorn,
Gewinne die Geduld mir ab,
noch einmal
Vom Ei den ganzen Hergang anzuhören.
—
Ich muß dies Teufelsräthsel mir entwirren,
Und nicht
den Fuß ehr setz’ ich dort ins Haus.
— Nimm alle deine
Sinne wohl zusammen,
Und steh mir Rede, pünctlich, Wort
für Wort.
Doch, Herr, aus Furcht
vergebt mir, anzustoßen,
Ersuch’ ich euch, eh’ wir zur
Sache schreiten,
Den Ton mir der Verhandlung
anzugeben.
Soll ich nach meiner Ueberzeugung reden,
48 Ein ehrlicher
Kerl, versteht mich, oder so,
Wie es bei Hofe üblich,
mit euch sprechen?
Sag ich euch dreist die Wahrheit,
oder soll ich
Mich wie ein wohlgezog’ner Mensch
betragen?
Nichts von den
Fratzen. Ich verpflichte dich,
Bericht mir unverhohlen
abzustatten.
Gut. Laßt mich machen
jetzt. Ihr sollt be-
dient sein.
Ihr habt bloß mir
die Fragen auszuwerfen.
Auf den Befehl, den
ich dir gab —?
Ging ich
Durch
eine Höllenfinsterniß, als wäre
Der Tag zehntausend
Klaftern tief versunken,
Euch allen Teufeln, und den
Auftrag gebend,
Den Weg nach Theben, und die
Königsburg.
Was, Schurke, sagst
du?
Herr, es ist die
Wahrheit.
Gut. Weiter. Während
du den Weg ver-
folgtest —?
Setzt ich den Fuß
stets einen vor den andern,
Und ließ die Spuren hinter
mir zurück.
Was! Ob dir was
begegnet, will ich wissen!
Nichts, Herr, als daß
ich salva venia
Die Seele voll
von Furcht und Schrecken
hatte.
D’rauf eingetroffen
hier —?
Uebt ich ein
wenig
Mich auf den Vortrag, den ich halten sollte,
D
50 Und stellte
witzig die Laterne mir,
Als eure Gattin, die
Prinzessin, vor.
Dies abgemacht
—?
Ward ich gestört.
Jetzt kömmts.
Gestört? Wodurch? Wer
störte dich?
Sosias.
Wie soll ich das
verstehn?
Wie ihr’s verstehn
sollt?
Mein Seel! Da fragt ihr mich zu viel.
Sosias störte mich, da ich mich übte.
Sosias! Welch’ ein
Sosias! Was für
Ein Galgenstrick, Hallunke, von Sosias,
51 Der außer dir
den Nahmen führt in Theben,
Hat dich gestört, da du
dich eingeübt?
Sosias! Der bei euch
in Diensten steht,
Den ihr vom Lager gestern
abgeschickt,
Im Schlosse eure Ankunft
anzumelden.
Du? Was?
Ich, ja. Ein Ich, das
Wissenschaft
Von allen unsern Heimlichkeiten hat,
Das Kästchen und die Diamanten kennt,
Dem Ich
vollkommen gleich, das mit euch
spricht.
Was für
Erzählungen?
Wahrhaftige.
Ich
will nicht leben, Herr, belüg ich euch.
Dies Ich war
früher angelangt, als ich,
D 2
52 Und ich war
hier, in diesem Fall, mein Seel,
Noch eh’ ich
angekommen war.
Woher entspringt dies
Irrgeschwätz? Der Wisch-
wasch?
Ist’s Träumerei?
Ist es Betrunkenheit?
Gehirnverrückung? Oder soll’s ein
Scherz sein?
Es ist mein völl’ger
Ernst, Herr, und ihr werdet,
Auf Ehrenwort, mir euren
Glauben schenken,
Wenn ihr so gut sein wollt. Ich
schwör’s euch zu,
Daß ich, der einfach aus dem Lager
ging,
Ein Doppelter in Theben eingetroffen;
Daß
ich mir glotzend hier begegnet bin;
Das hier dies eine
Ich, das vor euch steht,
Vor Müdigkeit und Hunger ganz
erschöpft,
Das Andere, das aus dem Hause trat,
Frisch, einen Teufelskerl, gefunden hat;
Daß diese
beiden Schufte eifersüchtig
Jedweder, euern Auftrag
auszurichten,
Sofort in Streit geriethen, und daß ich
53 Mich wieder ab
ins Lager trollen mußte,
Weil ich ein unvernünft’ger
Schlingel war.
Man muß von meiner
Sanftmuth sein, von
meiner
Friedfertigkeit, von
meiner Selbstverläugnung,
Um einem Diener solche
Sprache zu gestatten.
Herr, wenn ihr euch
ereifert, schweig ich still.
Wir wollen von was Andern
sprechen.
Gut. Weiter denn. Du
siehst, ich mäß’ge mich.
Ich will geduldig bis an’s
End’ dich hören.
Doch sage mir auf dein Gewissen
jetzt,
Ob das, was du für wahr mir geben willst,
Wahrscheinlich auch nur auf den Schatten ist.
Kann
man’s begreifen? reimen? Kann man’s
fassen?
Behüte! Wer verlangt
denn das von euch?
In’s Tollhaus weis’ ich den, der
sagen kann,
54 Daß er von
dieser Sache was begreift.
Es ist gehauen nicht und
nicht gestochen,
Ein Vorfall, koboltartig, wie ein
Mährchen,
Und dennoch ist es,
wie das Sonnenlicht.
Falls man demnach fünf
Sinne hat, wie glaubt
man’s.
Mein Seel’! Es kostete
die größte Pein mir,
So gut, wie euch, eh’ ich es
glauben lernte.
Ich hielt mich für besessen, als ich
mich
Hier aufgepflanzt fand lärmend auf dem
Platze,
Und einen Gauner schalt ich lange mich.
Jedoch zuletzt erkannt’ ich, mußt’ ich mich,
Ein Ich,
so wie das Andre, anerkennen.
Hier stand’s, als wär’
die Luft ein Spiegel vor
mir,
Ein Wesen völlig wie
das meinige,
Von diesem Anstand, seht, und diesem
Wuchse,
Zwei Tropfen Wasser sind nicht ähnlicher.
Ja, wär’ es nur geselliger gewesen,
55 Kein solcher
mürr’scher Grobian, ich könnte,
Auf Ehre, sehr damit
zufrieden sein.
Zu welcher
Ueberwindung ich verdammt bin!
— Doch endlich, bist du
nicht in’s Haus ge-
gangen?
In’s Haus! Was! Ihr
seid gut! Auf welche
Weise?
Litt ich’s? Hört ich
Vernunft an? Untersagt’ ich
Nicht eigensinnig stets die
Pforte mir?
Wie? Was? Zum
Teufel!
Wie? Mit einem
Stocke,
Von dem mein Rücken noch die Spuren
trägt.
So schlug man
dich?
Und
tüchtig.
Wer — wer schlug
dich?
Wer unterstand sich das?
Ich.
Du? Dich
schlagen?
Mein Seel’, ja, ich!
Nicht dieses Ich von
hier,
Doch das vermaledeite
Ich vom Hause,
Das wie fünf Ruderknechte
schlägt.
Unglück verfolge dich,
mit mir also zu reden!
Ich kann’s euch
darthun, Herr, wenn ihr’s be-
gehrt.
Mein Zeuge,
mein glaubwürdiger, ist der
Gefährte meines
Mißgeschicks, mein Rücken.
— Das Ich, das mich von hier
verjagte, stand
57 Im Vortheil
gegen mich; es hatte Muth
Und zwei geübte Arme, wie ein
Fechter.
Zum Schlusse. Hast du
meine Frau gesprochen?
Nein.
Nicht! Warum
nicht?
Ei! Aus guten
Gründen.
Und wer hat dich,
Verräther, deine Pflicht
Verfehlen lassen? Hund,
Nichtswürdiger!
Muß ich es zehn und
zehnmal wiederholen?
Ich, hab’ ich euch gesagt, dies
Teufels ich,
Das sich der Thüre dort bemächtigt
hatte;
Das Ich, das das allein’ge Ich will sein;
Das Ich vom Hause dort, das Ich vom Stocke,
Das Ich,
das mich halb todt geprügelt hat.
Es muß die Bestie
getrunken haben,
Sich vollends um das Bischen Hirn
gebracht.
Ich will des Teufels
sein, wenn ich heut mehr
Als meine Portion getrunken
habe.
Auf meinen Schwur, mein Seel’, könnt ihr mir
glauben.
— So hast du dich
unmäß’gem Schlaf vielleicht
Ergeben? — Vielleicht daß
dir ein böser Traum
Den aberwitzgen Vorfall
vorgespiegelt.
Den du mir hier für Wirklichkeit
erzählst —?
Nichts, nichts von
dem. Ich schlief seit gestern
nicht
Und hatt’ im
Wald’ auch gar nicht Lust zu
schlafen,
Ich war
erwacht vollkommen, als ich eintraf,
Und sehr erwacht
und munter war der and’re
Sosias, als er mich so
tüchtig walkte.
Schweig. Was ermüd’
ich mein Gehirn? Ich
bin
Verrückt selbst, solchen
Wischwasch anzuhören.
Unnützes, marklos-albernes
Gewäsch,
In dem kein Menschensinn ist, und
Verstand.
Folg’ mir.
So ist’s. Weil es aus
meinem Munde
kommt,
Ist’s albern Zeug, nicht
werth, daß man es
höre.
Doch hätte sich ein Großer
selbst zerwalkt,
So würde man Mirakel
schrei’n.
Laß mir die Pforte
öffnen. — Doch was seh ich?
Alkmene kommt. Es wird sie
überraschen,
Denn freilich jetzt erwartet sie mich
nicht.
Zweite Scene.
Alkmene. Charis. Die Vorigen.Alkmene.
Komm, meine Charis.
Laß den Göttern uns
Ein Opfer dankbar auf den Altar
legen.
Laß ihren großen, heil’gen Schutz noch
ferner
Mich auf den besten Gatten
niederflehn.
O Gott!
Amphitryon!
Der Himmel gebe,
Daß meine Gattin nicht vor mir erschrickt,
Nicht
fürcht’ ich, daß nach dieser flücht’gen Tren-
nung
Alkmene minder zärtlich mich empfängt.
Als ihr
Amphitryon zurückgekehrt.
So früh zurück
—?
Was! dieser
Ausruf,
Fürwahr, scheint ein zweideutig Zeichen mir,
61 Ob auch die
Götter jenen Wunsch erhört.
Dies: „Schon so früh
zurück!“ ist der Empfang,
Beim Himmel, nein! der
heißen Liebe nicht.
Ich Thörigter! Ich stand im Wahn,
daß mich
Der Krieg zu lange schon von hier
entfernt;
Zu spät, war meine Rechnung, kehrt ich
wieder.
Doch du belehrst mich, daß ich mich
geirrt,
Und mit Befremden nehm’ ich wahr, daß ich
Ein Ueberläst’ger aus den Wolken falle.
Ich weiß nicht
—
Nein, Alkmene,
Verzeih. Mit diesem Worte hast du Wasser
Zu meiner
Liebe Flammen hingetragen.
Du hast, seit ich dir fern,
die Sonnenuhr
Nicht eines flücht’gen Blicks
gewürdigt.
Hier ward kein Flügelschlag der Zeit
vernommen,
Und unter rauschenden Vergnügen sind
In
diesem Schloß fünf abgezählte Monden
Wie so viel
Augenblicke hingeflohn.
Ich habe Müh’, mein
theurer Freund, zu fassen,
Worauf du diesen Vorwurf
gründen magst.
Beklagst du über meine Kälte dich,
So siehst du mich verlegen, wie ich dich
Befried’gen
soll. Ich denke gestern, als
Du um die Abenddämmrung
mir erschienst,
Trug ich die Schuld, an welche du mich
mahnst,
Aus meinem warmen Busen reichlich ab.
Kannst du noch mehr dir wünschen, mehr begeh-
ren,
So muß ich meine Dürftigkeit gestehn:
Ich gab dir
wirklich Alles, was ich hatte.
Wie?
Und du fragst noch!
Flog ich gestern nicht,
Als du mich heimlich auf den
Nacken küßtest,
Ich spann, in’s Zimmer warst du
eingeschlichen,
Wie aus der Welt entrückt, dir an die
Brust?
Kann man sich inn’ger des Geliebten
freun?
Was sagst du
mir?
Was das für Fragen
sind!
Du selber warst unmäß’ger Freude voll,
Dich
so geliebt zu sehn; und als ich lachte,
Inzwischen mir
die Thräne floß, schwurst du
Mit seltsam schauerlichen
Schwur mir zu,
Daß nie die Here so den Jupiter
beglückt.
Ihr ew’gen
Götter!
D’rauf als der Tag
erglühte,
Hielt länger dich kein Flehn bei mir
zurück.
Auch nicht die Sonne wolltest du erwarten.
Du gehst, ich werfe mich auf’s Lager nieder,
Heiß ist
der Morgen, schlummern kann ich nicht,
Ich bin bewegt,
den Göttern will ich opfern,
Und auf des Hauses
Vorplatz treff ich dich!
Ich denke, Auskunft, traun,
bist du mir schuldig,
Wenn deine Wiederkehr mich überrascht,
64 Bestürzt auch,
wenn du willst; nicht aber ist
Ein Grund hier, mich zu
schelten, mir zu zürnen.
Hat mich etwan ein
Traum bei dir verkündet,
Alkmene? Hast du mich
vielleicht im Schlaf
Empfangen, daß du wähnst, du
habest mir
Die Forderung der Liebe schon
entrichtet?
Hat dir ein böser
Dämon das Gedächtniß
Geraubt, Amphitryon? hat dir
vielleicht
Ein Gott den heitern Sinn verwirrt, daß
du
Die keusche Liebe deiner Gattin, höhnend,
Von
allem Sittlichen entkleiden willst?
Was? Mir wagst du zu
sagen, daß ich gestern
Hier um die Dämm’rung
eingeschlichen bin?
Das ich dir scherzend auf den
Nacken — Teufel!
Was? Mir wagst du zu
leugnen, daß du gestern
Hier um die Dämm’rung
eingeschlichen bist?
65 Daß du dir jede
Freiheit hast erlaubt,
Die dem Gemahl mag zustehn über
mich?
— Du scherzest. Laß
zum Ernst uns wieder-
kehren,
Denn nicht an seinem
Platz ist dieser Scherz.
Du scherzest. Laß zum Ernst uns wiederkehren,
Denn roh ist und empfindlich dieser Scherz.
— Ich hätte jede
Freiheit mir erlaubt,
Die dem Gemahl mag zustehn über
dich? —
War’s nicht so? —
Geh,
Unedelmüthiger!
O Himmel! Welch’ ein
Schlag trifft mich! So-
sias!
Mein
Freund!
Sie braucht fünf Grane
Niesewurz;
In ihrem Oberstübchen ist’s nicht
richtig.
Alkmene! Bei den
Göttern! du bedenkst nicht,
Was dies Gespräch für
Folgen haben kann.
Besinne dich. Versammle deine
Geister.
Fortan werd’ ich dir glauben, was du
sagst.
Was auch daraus
erfolgt, Amphitryon,
Ich will’s, daß du mir glaubst, du
sollst mich nicht
So unanständ’gen Scherzes fähig
wähnen.
Sehr ruhig siehst du um den Ausgang mich.
Kannst du im Ernst ins Angesicht mir läugnen,
Daß du im
Schlosse gestern dich gezeigt,
Falls nicht die Götter
fürchterlich dich straften,
Gilt jeder andre schnöde
Grund mir gleich.
Den innern Frieden kannst du mir
nicht stören,
Und auch die Meinung, hoff’ ich, nicht
der Welt:
Den Riß bloß werd’ ich in der Brust
empfinden,
Daß mich der Liebste grausam kränken
will.
Unglückliche! Welch
eine Sprach’! — Und auch
Schon die Beweise hast du dir
gefunden?
Ist es erhört? die
ganze Dienerschaft
Ist, dieses Schlosses, Zeuge mir; es
würden
Die Steine mir, die du betrat’st, die
Bäume,
Die Hunde, die deine Knie umwedelten,
Von
dir mir Zeugniß reden, wenn sie könnten.
Die ganze
Dienerschaft? Es ist nicht möglich!
Soll ich, du
Unbegreiflicher, dir den
Beweis jetzt geben, den
entscheidenden?
Von wem empfing ich diesen Gürtel
hier?
Was einen Gürtel? du?
Bereits? Von mir?
Das Diadem, sprachst
du, des Labdakus,
Den du gefällt hast in der letzten
Schlacht.
Verräther dort! Was
soll ich davon denken?
Laßt mich gewähren.
Das sind schlechte Kniffe,
Das Diadem halt’ ich mit
meinen Händen.
Wo?
Hier.
Amphitryon.
Das Siegel ist noch
unverletzt!
Und gleichwohl —
trügen mich nicht alle Sinne —
Schnell öffne mir das
Schloß.
Mein Seel, der Platz
ist leer.
Der Teufel hat es wegstipitzt, es ist
Kein Diadem des Labdakus zu finden.
O ihr allmächt’gen
Götter, die die Welt
Regieren! Was habt ihr über mich
verhängt?
Was über euch verhängt
ist? Ihr seid doppelt,
Amphitryon vom Stock ist hier
gewesen,
Und glücklich schätz’ ich euch, bei Gott
—
Schweig
Schlingel!
Was kann in aller Welt
ihn so bewegen?
Warum ergreift Bestürzung ihn,
Entgeisterung,
Bei dieses Steines Anblick, den er
kennt?
Ich habe sonst von
Wundern schon gehört,
Von unnatürlichen Erscheinungen,
die sich
Aus einer andern Welt hieher verliehren;
Doch heute knüpft der Faden sich von jenseits
An meine
Ehre und erdrosselt sie.
Nach diesem Zeugniß,
sonderbarer Freund,
Wirst du noch läugnen, daß du mir
erschienst
Und daß ich meine Schuld schon
abgetragen?
Nein; doch du wirst
den Hergang mir erzählen.
Amphitryon!
Du hörst, ich zweifle
nicht.
Man kann dem Diadem nicht widersprechen.
Gewisse Gründe lassen bloß mich wünschen,
Daß du
umständlich die Geschichte mir
Von meinem Aufenthalt im
Schloß erzählst.
Mein Freund, du bist
doch krank nicht?
Krank — krank
nicht.
Vielleicht daß eine
Sorge dir des Krieges
71 Den Kopf
beschwert, dir, die zudringliche,
Des Geistes heitre
Thätigkeit befangen? —
Wahr ist’s. Ich fühle
mir den Kopf benommen.
Komm, ruhe dich ein
wenig aus.
Laß mich.
Es
drängt nicht. Wie gesagt, es ist mein Wunsch,
Eh’ ich
das Haus betrete, den Bericht
Von dieser Ankunft
gestern — anzuhören.
Die Sach’ ist kurz.
Der Abend dämmerte,
Ich saß in meiner Klaus’ und spann,
und träumte
Bei dem Geräusch der Spindel mich ins
Feld,
Mich unter Krieger, Waffen hin, als ich
Ein
Jauchzen an der fernen Pforte hörte.
Wer
jauchzte?
Unsre
Leute.
Nun?
Es fiel
Mir
wieder aus dem Sinn, auch nicht im Traume
Gedacht’ ich
noch, welch’ eine Freude mir
Die guten Götter
aufgespart, und eben
Nahm ich den Faden wieder auf, als
es
Jetzt zuckend mir durch alle Glieder
fuhr.
Ich weiß.
Du weißt es
schon.
Darauf?
Darauf
Ward viel
geplaudert, viel gescherzt, und stets
73 Verfolgten sich
und kreuzten sich die Fragen.
Wir setzten uns — und
jetzt erzähltest du
Mit kriegerischer Rede mir, was
bei
Pharissa jüngst geschehn, mir von dem
Labdakus,
Und wie er in die ew’ge Nacht gesunken
—
und jeden blut’gen Auftritt des Gefechts.
Drauf — ward
das prächt’ge Diadem mir zum
Geschenk, das einen Kuß
mich kostete;
Viel bei dem Schein der Kerze ward’s
betrachtet
— Und einem Gürtel gleich verband ich
es,
Den deine Hand mir um den Busen
schlang.
Kann man, frag’ ich,
den Dolch lebhafter
fühlen?
Jetzt ward das
Abendessen aufgetragen,
Doch weder du noch ich
beschäftigten
Uns mit dem Ortolan, der vor uns
stand,
Noch mit der Flasche viel, du sagtest
scherzend,
Daß du von meiner Liebe Nektar lebtest,
74 Du seist ein
Gott, und was die Lust dir sonst,
Die ausgelass’ne, in
den Mund dir legte.
— Die ausgelass’ne in
den Mund mir legte!
— Ja, in den Mund dir
legte. Nun — hier-
auf —
Warum so finster,
Freund?
Hierauf jetzt
—?
Standen
Wir von
der Tafel auf; und nun —
Und nun?
Nachdem wir von der
Tafel aufgestanden —
Nachdem ihr von der
Tafel aufgestanden —
So gingen
—
Ginget —
Gingen wir — — — nun
ja!
Warum steigt solche Röth’ in’s Antlitz
dir?
O dieser Dolch, er
trifft das Leben mir!
Nein, Nein, Verrätherin, ich war
es nicht!
Und wer sich gestern um die Dämmerung
Hier eingeschlichen als Amphitryon,
War der
nichtswürdigste der Lotterbuben!
Abscheulicher!
Treulose! Undankbare!
—
Fahr hin jetzt Mäßigung, und du, die mir
Bisher
der Ehre Fordrung lähmtest, Liebe,
76 Erinnerung
fahrt, und Glück und Hoffnung hin,
Fortan in Wuth und
Rache will ich schwelgen.
Fahr hin auch du,
unedelmüth’ger Gatte,
Es reißt das Herz sich blutend
von dir los.
Abscheulich ist der Kunstgriff, er empört
mich.
Wenn du dich einer Andern zugewendet,
Bezwungen durch der Liebe Pfeil, es hätte
Dein Wunsch,
mir würdig selbst vertraut, so
schnell dich
Als
diese feige List zum Ziel geführt.
Du siehst
entschlossen mich das Band zu lösen,
Das deine
wankelmüth’ge Seele drückt;
Und ehe noch der Abend sich
verkündet,
Bist du befreit von Allem, was dich
bindet.
Schmachvoll, wie die
Beleid’gung ist, die sich
Mir zugefügt, ist dies das
Mindeste,
Was meine Ehre blutend fordern kann.
Daß
ein Betrug vorhanden ist, ist klar,
Wenn meine Sinn’
auch das fluchwürdige
77 Gewebe noch
nicht fassen. Zeugen doch
Jetzt ruf’ ich, die es mir
zerreißen sollen.
Ich rufe deinen Bruder mir, die
Feldherrn,
Das ganze Heer mir der Thebaner auf,
Aus deren Mitt’ ich eher nicht gewichen,
Als mit des
heut’gen Morgens Dämmerstrahl.
Dann werd’ ich auf des
Räthsels Grund gelangen,
Und Wehe! ruf’ ich, wer mich
hintergangen!
Herr, soll ich etwa
—?
Schweig, ich will
nichts wissen.
Du bleibst, und harrst auf diesem Platze
mein.
Charis.
Befehlt ihr
Fürstin?
Schweig, ich will
nichts wissen,
Verfolg mich nicht, ich will ganz einsam
sein.
Dritte Scene.
Charis. Sosias.Charis.
Was das mir für ein
Auftritt war! Er ist
Verrückt, wenn er behaupten kann,
daß er
Im Lager die verfloß’ne Nacht geschlafen. —
Nun wenn der Bruder kommt, so wird sich’s
zeigen.
Dies ist ein harter
Schlag für meinen Herrn.
— Ob mir wohl etwas Aehnliches
beschert ist?
Ich muß ein wenig auf den Strauch ihr
klopfen.
Was giebt’s? Er hat
die Unverschämtheit dort,
Mir maulend noch den Rücken
zuzukehren.
Es läuft, mein Seel,
mir übern Rücken, da ich
Den Punkt, den kitzlichen,
berühren soll.
Ich möchte fast den Vorwitz bleiben
lassen,
Zuletzt ist’s doch so lang wie breit,
79 Wenn man’s nur
mit dem Licht nicht unter-
sucht. —
Frisch auf,
der Wurf soll gelten, wissen muß
ich’s!
— Helf dir
der Himmel Charis!
Was? du nahst mir
noch,
Verräther? Was? du hast die Unverschämtheit,
Da ich dir zürne, keck mich anzureden?
Nun, ihr gerechten
Götter, sag, was hast denn
du?
Man grüßt sich
doch, wenn man sich wieder sieht.
Wie du gleich über
nichts die Fletten sträubst.
Was nennst du über
nichts? Was nennst du
nichts?
Was nennst du über
nichts? Unwürd’ger! Was?
Ich nenne nichts, die
Wahrheit dir zu sagen,
Was nichts in Prosa wie in
Versen heißt,
80 Und nichts, du
weißt, ist ohngefähr so viel,
Wie nichts, versteh mich,
oder nur sehr wenig. —
Wenn ich nur wüßte,
was die Hände mir
Gebunden hält. Es kribbelt mir, daß
ich’s
Kaum mäß’ge, dir die Augen auszukratzen,
Und
was ein wüthend Weib ist, dir zu zeigen.
Ei, so bewahr’ der
Himmel mich, was für ein
Anfall!
Nichts also nennst du,
nichts mir das Verfahren,
Das du dir schamlos gegen
mich erlaubt?
Was denn erlaubt ich
mir? Was ist geschehn?
Was mir geschehn? Ei
seht! Den Unbefan-
genen!
Er wird mir jetzo, wie
sein Herr, behaupten,
Daß er noch gar in Theben nicht
gewesen.
Was das betrifft, mein
Seel! Da sag’ ich dir,
Daß ich nicht den
Geheimnißvollen spiele.
Wir haben einen Teufelswein
getrunken,
Der die Gedanken rein uns
weggespült.
Meinst du, mit diesem
Pfiff mir zu entkommen?
Nein Charis. Auf mein
Wort. Ich will ein
Schuft sein,
Wenn ich nicht
gestern schon hier angekommen.
Doch weiß ich nichts von
allem, was geschehn,
Die ganze Welt war mir ein
Dudelsack.
Du wüßtest nicht mehr,
wie du mich behandelt,
Da gestern Abend du ins Haus
getreten?
Der Henker hol’ es!
Nicht viel mehr, als
nichts.
Erzähl’s, ich bin ein
gutes Haus, du weißt,
F
82 Ich werd’ mich
selbst verdammen, wenn ich
fehlte.
Unwürdiger! Es war
schon Mitternacht,
Und längst das junge Fürstenpaar zur
Ruhe,
Als du noch immer in Amphitryons
Gemächern
weiltest, deine Wohnung noch
Mit keinem Blick gesehn.
Es muß zuletzt
Dein Weib sich selber auf die Strümpfe
machen,
Dich aufzusuchen, und was find’ ich jetzt?
Wo find’ ich jetzt dich, Pflichtvergessener?
Hin auf
ein Kissen find’ ich dich gestreckt.
Als ob du, wie zu
Haus’, hier hingehörtest.
Auf meine zartbekümmerte
Beschwerde,
Hat dies dein Herr, Amphitryon,
befohlen,
Du sollst die Reisestunde nicht
verschlafen,
Er denke früh von Theben
aufzubrechen,
Und was dergleichen faule Fische
mehr.
Kein Wort, kein freundliches, von deinen
Lippen.
Und da ich jetzt mich niederbeuge,
liebend,
Zu einem Kusse, wendest du, Hallunke,
Der
Wand dich zu, ich soll dich schlafen lassen.
Brav, alter, ehrlicher
Sosias!
Was?
Ich glaube
gar du lobst dich noch? Du lobst
dich?
Mein Seel, du mußt es
mir zu Gute halten.
Ich hatte Meerrettig gegessen,
Charis,
Und hatte Recht, den Athem
abzuwenden.
Ei was! Ich hätte
nichts davon gespürt,
Wir hatten auch zu Mittag
Meerrettig.
Mein Seel. Das wußt’
ich nicht. Man merkt’s
dann nicht.
Du kömmst mit diesen
Schlichen mir nicht durch.
Früh oder spät wird die
Verachtung sich,
Mit der ich mich behandelt sehe, rächen.
F 2
84 Es wurmt mich,
ich verwind’ es nicht, was ich
Beim Anbruch hier des
Tages hören mußte,
Und ich benutze dir die Freiheit
noch,
Die du mir gabst, so wahr ich ehrlich
hin.
Welch’ eine Freiheit
hab’ ich dir gegeben?
Du sagtest mir und
warst sehr wohl bei Sinnen,
Daß dich ein Hörnerschmuck
nicht kümmern würde,
Ja daß du sehr zufrieden wärst,
wenn ich
Mit dem Thebaner mir die Zeit vertriebe,
Der hier, du weißt’s, mir auf der Fährte schleicht.
Wohlan, mein Freund, dein Wille soll geschehn.
Das hat ein Esel dir
gesagt, nicht ich.
Spaß hier bei Seit. Davon sag ich
mich los.
Du wirst in diesem Stück vernünftig
seyn.
Kann ich es gleichwohl
über mich gewinnen?
Still jetzt, Alkmene
kommt, die Fürstin.
Vierte Scene.
Alkmene. Die Vorigen.Alkmene.
Charis!
Was ist
mir, Unglücksel’gen, widerfahren?
Was ist geschehn mir,
sprich? Sieh dieses
Kleinod.
Was ist dies für ein
Kleinod, meine Fürstin?
Das Diadem ist es, des
Labdakus,
Das theure Prachtgeschenk Amphitryons,
Worauf sein Namenszug gegraben ist.
Dies? Dies das Diadem
des Labdakus?
Hier ist kein Namenszug
Amphitryons.
Unseelige, so bist du
sinnberaubt?
Hier stünde nicht, daß man’s mit Fingern
läse,
Mit großem, goldgegrabnen Zug ein A?
Gewiß nicht, beste
Fürstin. Welch ein Wahn?
Hier steht ein andres fremdes
Anfangszeichen.
Hier steht ein J.
Ein J?
Ein J. Man irrt
nicht.
Weh mir sodann! Weh
mir! Ich bin verloren.
Was ist’s, erklärt
mir, das euch so bewegt?
Wie soll ich Worte
finden, meine Charis,
Das Unerklärliche dir zu
erklären?
Da ich bestürzt mein Zimmer wieder finde,
87 Nicht wissend,
ob ich wache, ob ich träume,
Wenn sich die rasende
Behauptung wagt,
Daß mir ein Anderer erschienen
sei;
Da ich gleichwohl den heißen Schmerz erwäg’
Amphitryons, und dies sein letztes Wort,
Er geh’ den
eig’nen Bruder, denke dir!
Den Bruder wider mich zum
Zeugniß aufzuru-
fen;
Da ich jetzt frage, hast du
wohl geirrt?
Denn Einen äfft der Irrthum doch von
beiden,
Nicht ich, nicht er, sind einer Tücke
fähig;
Und jener doppelsinn’ge Scherz mir jetzt
Durch das Gedächtniß zuckt, da der Geliebte,
Amphitryon, ich weiß nicht, ob du’s hörtest,
Mir auf
Amphitryon den Gatten schmähte,
Wie Schaudern jetzt,
Entsetzen mich ergreift
Und alle Sinne treulos von mir
weichen, —
Fass’ ich, o du Geliebte, diesen Stein,
Das einzig, unschätzbare, theure Pfand,
Das ganz
untrüglich mir zum Zeugniß dient.
Jetzt fass’ ich’s,
will den werthen Namenszug,
Des lieben Lügners eignen Widersacher,
88 Bewegt an die
entzückten Lippen drücken:
Und einen andern fremden Zug
erblick’ ich,
Und wie vom Blitz steh’ ich gerührt — ein
J!
Entsetzlich? solltet
ihr getäuscht euch haben?
Ich mich
getäuscht!
Hier in dem Zuge, mein
ich.
Ja in dem Zug meinst
du — so scheint es fast.
Und also
—?
Was und also
—?
Beruhigt euch.
Es
wird noch Alles sich zum Guten wenden.
O Charis! — Eh will
ich irren in mir selbst!
Eh’ will ich dieses innerste
Gefühl,
Das ich am Mutterbusen eingesogen,
Und das
mir sagt, daß ich Alkmene bin,
Für einen Parther oder
Perser halten.
Ist diese Hand mein? Diese Brust hier
mein?
Gehört das Bild mir, das der Spiegel
strahlt?
Er wäre fremder mir, als ich! Nimm mir
Das Aug’, so hör’ ich ihn; das Ohr, ich fühl
ihn;
Mir das Gefühl hinweg, ich athm’ ihn noch;
Nimm Aug’
und Ohr, Gefühl mir und Ge-
ruch,
Mir alle Sinn’
und gönne mir das Herz:
So läßt du mir die Glocke, die
ich brauche,
Aus einer Welt noch find’ ich ihn
heraus.
Gewiß! Wie konnt’ ich
auch nur zweifeln,
Fürstin?
Wie könnt’ ein Weib in
solchem Falle irren?
90 Man nimmt ein
falsches Kleid, ein Hausge-
räth,
Doch einen Mann
greift man im Finstern.
Zudem, ist er uns Allen nicht
erschienen?
Empfing ihn freudig an der Pforte
nicht
Das ganze Hofgesind’, als er erschien?
Tag
war es noch, hier müßten tausend Au-
gen
Mit
Mitternacht bedeckt gewesen sein.
Und gleichwohl dieser
wunderliche Zug!
Warum fiel solch’ ein fremdes Zeichen
mir,
Das kein verletzter Sinn verwechseln kann,
Warum nicht auf den ersten Blick mir auf?
Wenn ich zwei
solche Namen, liebste Charis,
Nicht unterscheiden kann,
sprich, können sie
Zwei Führern, ist es möglich, eigen
sein,
Die leichter nicht zu unterscheiden
wären?
Ihr seid doch sicher,
hoff’ ich, beste Für-
stin? —
Wie meiner reinen
Seele! Meiner Unschuld!
Du müßtest denn die Regung mir
misdeuten,
Daß ich ihn schöner niemals fand, als
heut.
Ich hätte für sein Bild ihn halten können,
Für sein Gemählde, sieh, von Künstlershand,
Dem Leben
treu, in’s Göttliche verzeichnet.
Er stand, ich weiß
nicht, vor mir, wie im Traum,
Und ein unsägliches
Gefühl ergriff
Mich meines Glücks, wie ich es nie
empfunden,
Als er mir strahlend, wie in Glorie,
gestern
Der hohe Sieger von Pharissa nahte.
Er
war’s, Amphitryon, der Göttersohn!
Nur schien er selber
Einer schon mir der
Verherrlichten, ich hätt’ ihn
fragen mögen,
Ob er mir aus den Sternen
niederstiege.
Einbildung, Fürstin,
das Gesicht der Liebe.
Ach, und der
doppeldeut’ge Scherz, o Charis
Der immer wiederkehrend
zwischen ihm
92 Und dem
Amphitryon mir unterschied.
War er’s, dem ich zu eigen
mich gegeben,
Warum stets den Geliebten nennt’ er
sich,
Den Dieb nur, welcher bei mir nascht? Fluch
mir,
Die ich leichtsinnig diesem Scherz gelächelt,
Kam er mir aus des Gatten Munde nicht.
Quält euch mit
übereiltem Zweifel nicht.
Hat nicht Amphitryon den Zug
selbst anerkannt?
Als ihr ihm heut das Diadem
gezeigt?
Gewiß, hier ist ein Irrthum, beste
Fürstin.
Wenn dieses fremde Zeichen ihn nicht
irrte,
So folgt, daß es dem Steine eigen ist,
Und
Wahn hat gestern uns getäuscht,
geblen-
det;
Doch heut ist
Alles, wie es soll.
Und wenn er’s flüchtig
nur betrachtet hätte,
Und jetzt mit allen Feldherr’n
wiederkehrte,
Und die Behauptung rasend wiederholte,
93 Daß er die
Schwelle noch des Hauses nicht be-
trat!
Nicht nur
entblößt bin ich von jedem
Zeugniß,
Ein Zeugniß wider mich
ist dieser Stein.
Was kann ich, ich Verwirrte, dem
entgegnen?
Wohin rett’ ich vor Schmerz mich, vor
Vernich-
tung,
Wenn der Verdacht der Männer ihn
geprüft?
Muß ich nicht eingestehn, daß dieser Zug
Der Namenszug nicht des Amphitryon?
Nicht eingestehn,
daß ein Geschenk mir nicht
Mit fremden Zeichen von ihm
kommen kann?
Ja, schwör’ ich auf den Altar gleich, daß
er
Mir das Gestein selbst gestern überreicht,
Bin
ich wohl sicher, sprich, daß ich auch gestern
Das Zeichen, das hier steht, von ihm
empfing?
Faßt euch. Hier ist er
selbst. Jetzt wird sich’s
lösen.
Fünfte Scene.
Jupiter. Die Vorigen.Alkmene.
Mein Herr und mein
Gemahl! Vergönne mir,
Daß ich dir knieend dieses
Kleinod reiche.
Ich lege treu mein Leben dir zu
Füßen,
Hast du mir diesen Stein, betracht’ ihn
wohl,
Mit eines fremden Nahmens Zug gegeben,
So
küß’ ich ihn vor Lust und wein’ auf ihn;
Gabst du ihn
nicht, und läugnest du ihn mir,
Verläugnest ihn, so sei
der Tod mein Loos
Und ew’ge Nacht begrabe meine
Schmach.
Mein schönes Weib!
Werd’ ich den Stein ergrei-
fen,
Da solch ein
Werth vor mir im Staube liegt.
Erhebe dich. Was willst
du? Fasse dich.
Mein zuversichtlich
Wort hat dich beleidigt,
Ich fühlte damals schuldlos
mich und stark.
95 Doch seit ich
diesen fremden Zug erblickt,
Will ich dem innersten
Gefühl mistrauen:
Ich glaub’s — daß mir — ein Anderer —
er-
schienen,
Wenn es dein Mund mir noch
versichern kann.
Mein großes Weib! Wie
sehr beschämst du mich.
Welch’ eine Lüg’ ist deiner
Lipp’ entflohen?
Wie könnte dir ein Anderer
erscheinen?
Wer nahet dir, o du, vor deren Seele
Nur stets des Ein — und Ein’gen Züge stehn?
Du bist, du
Heilige, vor jedem Zutritt
Mit diamantnem Gürtel
angethan.
Auch selbst der Glückliche, den du
empfängst
Entläßt dich schuldlos noch und rein, und
Alles,
Was sich dir nahet, ist Amphitryon.
O mein Gemahl! Kannst
du mir gütig sagen,
Warst du’s, warst du es nicht? O
sprich! du
warst’s!
Ich war’s. Sei’s wer
es wolle. Sei — sei
ruhig,
Was du gesehn, gefühlt,
gedacht, empfunden,
War ich: wer wäre außer mir,
Geliebte?
Wer deine Schwelle auch betreten hat,
Mich immer hast du, theuerste, empfangen,
Und für
jedwede Gunst, die du ihm schenktest,
Bin ich dein
Schuldner, und ich danke dir.
Nein, mein Amphitryon,
hier irrst du dich.
Jetzt lebe wohl auf ewig, du
Geliebter,
Auf diesen Fall war ich gefaßt.
Alkmene!
Leb’ wohl! Leb’
wohl!
Was denkst
du?
Fort, fort, fort
—
Mein
Augenstern!
Geh, sag’
ich.
Höre
mich.
Ich will nichts hören,
leben will ich nicht,
Wenn nicht mein Busen mehr
unsträflich ist.
Mein angebetet Weib,
was sprichst du da?
Was könntest du, du Heilige,
verbrechen?
Und wär ein Teufel gestern dir
erschienen,
Und hätt’ er Schlamm der Sünd,
durchgeiferten,
Aus Höllentiefen über dich
geworfen,
Den Glanz von meines Weibes Busen nicht
Mit einem Mackel fleckt er! Welch ein Wahn!
Ich
Schändlich-hintergangene!
Er war
Der
Hintergangene, mein Abgott! Ihn
Hat seine böse Kunst, nicht dich getäuscht,
Nicht dein
unfehlbares Gefühl! Wenn er
In seinem Arm dich wähnte,
lagst du an
Amphitryons geliebter Brust, wenn er
Von Küssen träumte, drücktest du die Lippe
Auf des
Amphitryon geliebten Mund.
O einen Stachel trägt er,
glaub’ es mir,
Den aus dem liebeglüh’nden Busen
ihm
Die ganze Götterkunst nicht reißen
kann.
Daß ihn Zevs mir zu
Füßen niederstürzte!
O Gott! Wir müssen uns auf ewig
trennen.
Mich fester hat der
Kuß, den du ihm schenktest,
Als alle Lieb’ an dich, die
je für mich
Aus deinem Busen loderte, geknüpft.
Und könnt’ ich aus der Tage flieh’ndem Reigen
Den
gestrigen, sieh, liebste Frau, so leicht
99 Wie eine Dohl’
aus Lüften niederstürzen,
Nicht um olympsche Seligkeit
wollt’ ich,
Um Zevs unsterblich Leben, es nicht
thun.
Und ich, zehn Toden
reicht’ ich meine Brust.
Geh’! Nicht in deinem Haus’
siehst du mich
wieder.
Du zeigst mich keiner Frau
in Hellas mehr.
Dem ganzen Kreise der
Olympischen,
Alkmene! — Welch ein Wort? Dich in
die
Schaar
Glanzwerfend aller Götter führ ich
ein.
Und wär’ ich Zevs, wenn du dem Reigen
nahtest,
Die ew’ge Here müßte vor dir aufstehn,
Und Artemis, die strenge, dich begrüßen.
Geh, deine Güt’
erdrückt mich. Laß mich fliehn.
Alkmene!
Laß mich.
Meiner Seelen
Weib!
Amphitryon, du
hörst’s! Ich will jetzt fort.
Meinst du, dich diesem
Arme zu entwinden?
Amphitryon, ich
will’s, du sollst mich lassen.
Und flöh’st du über
ferne Länder hin,
Dem scheußlichen Geschlecht der Wüste
zu,
Bis an den Strand des Meeres folgt’ ich dir,
Ereilte dich, und küßte dich, und weinte,
Und höbe dich
in Armen auf, und trüge
Dich im Triumph zu meinem Bett
zurück.
Nun dann, weil du’s so
willst, so schwör’ ich
dir,
101 Und rufe mir
der Götter ganze Schaar,
Des Meineids fürchterliche
Rächer auf:
Eh’ will ich meiner Gruft, als diesen
Busen,
So lang’ er athmet, deinem Bette
nahn.
Den Eid, kraft
angebohrner Macht, zerbrech’ ich
Und seine Stücken
werf’ ich in die Lüfte.
Es war kein Sterblicher, der
dir erschienen,
Zevs selbst, der Donnergott, hat dich
besucht.
Wer?
Jupiter.
Wer, Rasender, sagst
du?
Er, Jupiter, sag’
ich.
Er Jupiter?
Du
wagst, Elender —?
Jupiter sagt’
ich,
Und wiederhol’s. Kein anderer, als er,
Ist in
verflossner Nacht erschienen dir.
Du zeih’st, du wagst
es, die Olympischen
Des Frevels, Gottvergess’ner, der
verübt ward?
Ich zeihe Frevels die
Olympischen?
Laß solch’ ein Wort nicht,
Unbesonnene,
Aus deinem Mund mich wieder
hören.
Ich solch’ ein Wort
nicht mehr —? Nicht Fre-
vel wär’s —?
Schweig, sag ich, ich
befehl’s.
Verlohrner
Mensch!
Wenn du empfindlich
für den Ruhm nicht bist,
103 Zu den
Unsterblichen die Staffel zu ersteigen,
Bin ich’s: und
du vergönnst mir, es zu sein.
Wenn du Kallisto nicht,
die herrliche,
Europa auch und Leda nicht
beneidest,
Wohlan, ich sag’s, ich neide Tyndarus,
Und wünsche Söhne mir, wie Tyndariden.
Ob ich Kallisto auch
beneid’? Europa?
Die Frauen, die verherrlichten, in
Hellas?
Die hohen Auserwählten Jupiters?
Bewohnerinnen ew’gen Aetherreichs?
Gewiß! Was solltest du
sie auch beneiden?
Du, die gesättigt völlig von dem
Ruhm,
Den einen Sterblichen zu Füßen dir zu
sehn.
Was das für unerhörte
Reden sind!
Darf ich auch den Gedanken nur mir
gönnen?
Würd’ ich vor solchem Glanze nicht
versinken?
Würd’ ich, wär’ er’s gewesen, noch das
Leben
In diesem warmen Busen freudig fühlen?
104 Ich, solcher
Gnad’ Unwürd’g’? Ich, Sün-
derin?
Ob du der Gnade werth,
ob nicht, kömmt nicht
Zu prüfen dir zu. Du wirst über dich,
Wie er dich
würdiget, ergehen lassen.
Du unternimmst, Kurzsicht’ge,
ihn zu meistern,
Ihn, der der Menschen Herzen
kennt?
Gut, gut, Amphitryon.
Ich verstehe dich,
Und deine Großmuth rührt mich bis zu
Thränen,
Du hast dies Wort, ich weiß es,
hingeworfen,
Mich zu zerstreun — doch meine Seele
kehrt
Zu ihrem Schmerzgedanken wiederum zurück.
Geh du, mein lieber Liebling, geh’, mein Alles,
Und
find’ ein andres Weib dir, und sei glücklich,
Und laß
des Lebens Tage mich durchweinen,
Daß ich dich nicht
beglücken darf.
Mein theures Weib! Wie
rührst du mich?
Sieh doch den Stein, den du in Händen
hältst.
Ihr Himmlischen,
schützt mich vor Wahn!
Ist’s nicht sein Nam.
Und war’s nicht gestern
meiner?
Ist hier nicht
Wunder Alles, was sich zeigt?
Hielt ich nicht heut dies
Diadem noch in
Versiegeltem Behältniß
eingeschlossen?
Und da ich’s öffne, dir den Schmuck zu
reichen,
Find’ ich die leere Spur nicht in der
Wolle?
Seh’ ich’s nicht glänzend an der Brust dir
schon?
So soll’s die Seele
denken? Jupiter?
Der Götter ew’ger, und der Menschen,
Vater?
Wer könnte dir die
augenblickliche
Goldwaage der Empfindung so
betrügen?
Wer so die Seele dir, die weibliche,
Die
so vielgliedrig fühlend um sich greift,
So wie das
Glockenspiel der Brust umgehn,
Das von dem Athem
lispelnd schon erklingt?
Er selber!
Er!
Nur die Allmächt’gen
mögen
So dreist, wie dieser Fremdling, dich
besuchen,
Und solcher Nebenbuhler triumphir’ ich!
Gern mag ich sehn, wenn die Allwissenden
Den Weg’ zu
deinem Herzen finden, gern.
Wenn die Allgegenwärtigen
dir nahn:
Und müssen nicht sie selber noch,
Geliebte,
Amphitryon sein, und seine Züge stehlen,
Wenn deine Seele sie empfangen soll?
Nun ja.
Jupiter.
Du
himmlische!
Wie glücklich bin
ich!
Und o wie gern, wie gern noch bin ich
glücklich!
Wie gern will ich den Schmerz empfunden haben,
107 Den Jupiter
mir zugefügt,
Bleibt mir nur Alles freundlich wie es
war.
Soll ich dir sagen,
was ich denke?
Nun?
Und was, wenn
Offenbarung uns nicht wird,
So gar geneigt zu glauben
ich mich fühle?
Nun? Und? du machst
mir bang —
Wie, wenn du
seinen
Unwillen — Du erschrickst dich nicht,
gereizt?
Ihn? Ich?
gereizt?
Ist er dir wohl
vorhanden?
Nimmst du die Welt, sein großes Werk,
wohl
wahr?
108 Siehst du ihn
in der Abendröthe Schimmer,
Wenn sie durch schweigende
Gebüsche fällt?
Hörst du ihn beim Gesäusel der
Gewässer,
Und bei dem Schlag der üpp’gen
Nachtigall?
Verkündet nicht umsonst der Berg ihn
dir
Gethürmt gen Himmel, nicht umsonst ihn dir,
Der felszerstiebten Katarakten Fall?
Wenn hoch die
Sonn’ in seinen Tempel strahlt
Und von der Freude
Pulsschlag eingeläutet,
Ihn alle Gattungen Erschaff’ner
preisen,
Steigst du nicht in des Herzens Schacht
hinab
Und betest deinen Götzen an?
Entsetzlicher! Was
sprichst du da? Kann man
Ihn frömmer auch, und
kindlicher, verehren?
Verglüht ein Tag, daß ich an
seinem Altar
Nicht für mein Leben dankend, und dies
Herz,
Für dich auch du Geliebter, niedersänke?
Warf ich nicht jüngst noch in gestirnter Nacht
Das
Antlitz tief, inbrünstig, vor ihm nieder,
Anbetung,
glüh’nd, wie Opferdampf, gen Himmel
Aus dem Gebrodel
des Gefühls entsendend?
Weshalb warfst du auf’s Antlitz dich? —
War’s nicht,
Weil in des Blitzes zuckender
Verzeichnung
Du einen wohlbekannten Zug
erkannt?
Mensch! Schauerlicher!
Woher weißt du das?
Wer ist’s, dem du an
seinem Altar betest?
Ist er’s dir wohl, der über Wolken
ist?
Kann dein befangner Sinn ihn wohl erfassen?
Kann dein Gefühl, an seinem Nest gewöhnt,
Zu solchem
Fluge wohl die Schwingen wagen.
Ist’s nicht Amphitryon,
der Geliebte stets,
Vor welchem du im Staube
liegst?
Ach, ich Unseel’ge,
wie verwirrst du mich.
Kann man auch Unwillkührliches
verschulden?
Soll ich zur weißen Wand des Marmors
beten?
Ich brauche Züge nun, um ihn zu
denken.
Sieh’st du? Sagt’ ich
es nicht? Und meinst du
nicht, daß solche
Abgötterei ihn kränkt? Wird er wohl gern
Dein schönes
Herz entbehren? Nicht auch gern
Von dir sich innig
angebetet fühlen?
Ach, freilich wird er
das. Wo ist der Sünder,
Dess’ Huld’gung nicht den
Göttern angenehm.
Gewiß! Er kam, wenn er dir niederstieg,
Dir
nur, um dich zu zwingen ihn zu
denken,
Um sich an dir, Vergessenen, zu rächen.
Entsetzlich!
Fürchte nichts. Er
straft nicht mehr
dich,
Als du verdient. Doch
künftig wirst du immer
Nur ihn, versteh’, der dir zu
Nacht erschien,
An seinem Altar denken, und nicht
mich.
Wohlan! Ich schwör’s
dir heilig zu! Ich weiß
Auf jede Miene, wie er
ausgesehn,
Und werd’ ihn nicht mit dir
verwechseln.
Das thu’. Sonst wagst
du, daß er wiederkömmt.
So oft du seinen Namenszug
erblickst,
Dem Diadem verzeichnet, wirst du seiner
Erscheinung auf das Innigste gedenken;
Dich der
Begebenheit auf jeden Zug erinnern;
Erinnern, wie vor
dem Unsterblichen
Der Schreck am Rocken dich
durchzuckt; wie du
Das Kleinod von ihm eingetauscht;
wer dir
Beim Gürten hülfreich war, und was
Beim
Ortolan geschehn. Und stört dein Gatte
dich,
So
bittest du ihn freundlich, daß er dich
Auf eine Stunde
selbst dir überlasse.
Gut, gut, du sollst
mit mir zufrieden sein.
Es soll in jeder ersten Morgenstunde.
112 Auch kein
Gedanke fürder an dich denken:
Jedoch nachher vergess’
ich Jupiter.
Wenn also jetzt in
seinem vollen Glanze,
Gerührt durch so viel
Besserung,
Der ew’g’ Erschütterer der Wolken sich dir
zeigte.
Geliebte! sprich, wie würdest du dich
fassen?
Ach, der furchtbare
Augenblick! hätt’ ich
Doch immer ihn gedacht nur beim
Altar,
Da er so wenig von dir
unterschieden.
Du sahst noch sein
unsterblich Antlitz nicht,
Alkmene. Ach, es wird das
Herz vor ihm
In tausendfacher Seeligkeit dir
aufgehn.
Was du ihm fühlen wirst, wird Glut dir
dünken,
Und Eis, was du Amphitryon empfindest.
Ja,
wenn er deine Seele jetzt berührte,
Und zum Olymp nun
scheidend wiederkehrt,
So wirst du das Unglaubliche
erfahren,
Und weinen, daß du ihm nicht folgen
darfst.
Nein, nein, das glaube
nicht, Amphitryon.
Und könnt’ ich einen Tag zurücke
leben,
Und mich vor allen Göttern und Heroen
In
meine Klause riegelfest verschließen,
So willigt’ ich
—
Wahrhaftig? thätst du
das?
So willigt’ ich von
ganzem Herzen ein.
Verflucht der Wahn,
der mich hieher gelockt!
Was ist dir? zürn’st
du? Kränkt’ ich dich, Ge-
liebter?
Du wolltest ihm, mein
frommes Kind,
Sein ungeheures Dasein nicht
versüßen?
Ihm deine Brust verweigern, wenn sein
Haupt,
Das weltenordnende, sie sucht,
H
114 Auf seinen
Flaumen auszuruhen? Ach Alkmene!
Auch der Olymp ist öde
ohne Liebe.
Was giebt der Erdenvölker Anbetung
Gestürzt in Staub, der Brust, der lechzenden?
Er will geliebt sein, nicht ihr Wahn
von ihm.
In ew’ge Schleier eingehüllt,
Möcht’ er
sich selbst in einer Seele spiegeln,
Sich aus der
Thräne des Entzückens wieder-
strahlen.
Geliebte,
sieh! So viele Freude schüttet
Er zwischen Erd’ und
Himmel endlos aus;
Wär’st du vom Schicksal nun
bestimmt
So vieler Millionen Wesen Dank,
Ihm seine
ganze Fordrung an die Schöpfung
In einem einz’gen
Lächeln auszuzahlen,
Würd’st du dich ihm wohl — ach!
ich kann’s
nicht denken
Laß mich’s nicht denken —
laß —
Fern sei von mir,
Der Götter großem Rathschluß mich zu sträuben.
115 Ward ich so
heil’gem Amte auserkohren.
Er, der mich schuf, er walte
über mich
Doch —
Nun? —
Läßt man die Wahl mir
—
Läßt man dir
—?
Die Wahl, so bliebe
meine Ehrfurcht ihm,
Und meine Liebe dir,
Amphitryon.
Wenn ich nun dieser
Gott dir wär’ —?
Wenn du
— Wie ist
mir denn? Wenn du mir dieser
Gott wärst
— — Ich
weiß nicht, soll ich vor dir nieder-
fallen,
116 Soll ich es
nicht? Bist du’s mir? Bist du’s
mir?
Entscheide du.
Amphitryon bin ich.
Amphitryon
—
Amphitryon, dir
ja.
Doch wenn ich, frag’ ich, dieser Gott dir
wäre,
Dir liebend vom Olymp herabgestiegen,
Wie
würdest du dich dann zu fassen wissen?
Wenn du mir, Liebster,
dieser Gott wärst — ja,
So wüßt’ ich nicht, wo mir
Amphitryon wäre,
So würd’ ich folgen dir, wohin du
gehst,
Und wär’s auch, wie Euridike, zum
Orkus.
Wenn du nicht wüßtest,
wo Amphitryon wäre.
Doch wie, wenn sich Amphitryon
jetzt zeigte?
Wenn sich Amphitryon
mir — ach, du quälst
mich.
Wie kann sich auch
Amphitryon mir zeigen,
Da ich Amphitryon in Armen
halte?
Und dennoch könnt’st
du leicht den Gott in Armen
halten,
Im Wahn, es
sei Amphitryon.
Warum soll dein Gefühl dich
überraschen?
Wenn ich, der Gott, dich hier umschlungen
hielte,
Und jetzo dein Amphitryon sich zeigte,
Wie
würd’ dein Herz sich wohl erklären?
Wenn du, der Gott,
mich hier umschlungen
hieltest
Und jetzo sich
Amphitryon mir zeigte,
Ja — dann so traurig würd’ ich
sein, und
wünschen,
Daß er der Gott mir wäre, und
daß du
Amphitryon mir bliebst, wie du es
bist.
Mein süßes,
angebetetes Geschöpf!
In dem so seelig ich mich, seelig
preise!
So urgemäß, dem göttlichen Gedanken,
In
Form und Maaß, und Sait’ und Klang,
Wie’s meiner Hand
Aeonen nicht entschlüpfte!
Amphitryon!
Sei ruhig, ruhig,
ruhig!
Es wird sich Alles dir zum Siege lösen.
Es
drängt den Gott Begier, sich dir zu zeigen,
Und ehe
noch des Sternenheeres Reigen
Herauf durch’s stille
Nachtgefilde zieht,
Weiß deine Brust auch schon, wem
sie erglüht —
Sosias!
Herr!
Auf jetzt, mein treuer
Diener,
Auf daß sich dieser Tag verherrliche!
119 Alkmene hat
sich liebend mir versöhnt:
Und du, du gehst, und rufst
zu einem Feste
Im Lager mir, wo du sie triffst, die
Gäste.
Sechste Scene.
Charis. Sosias.Charis. (für sich.)
Was hast du da gehört,
Unseelige?
Olympsche Götter wären es gewesen?
Und
der sich für Sosias hier mir giebt,
Der wäre einer der
Unsterblichen,
Apollon, Hermes, oder
Ganymed?
Der Blitzgott! Zevs
soll es gewesen sein.
Pfui, schäme dich, wie
du dich aufgeführt.
Mein Seel’, er war
nicht schlecht bedient.
120 Ein Kerl, der
seinen Mann stund, und sich
Für seinen Herrn schlug,
wie ein Panterthier.
Wer weiß auch, irr’
ich nicht. Ich muß ihn
prüfen.
Komm, lass’ uns
Frieden machen auch, Sosias.
Ein Andermal. Jetzt
ist nicht Zeit dazu.
Wo gehst du
hin?
Ich soll die Feldherrn
rufen.
Vergönne mir ein Wort
vorher, mein Gatte.
Dein Gatte —? O, recht
gern.
Hast du gehört,
Daß in der Dämmerung zu meiner Fürstin gestern,
121 Und ihrer
treuen Dienerin,
Zwei große Götter vom Olymp
gestiegen,
Daß Zevs, der Gott der Wolken, hier
gewesen,
Und Phöbus ihn, der herrliche,
begleitet?
Ja wenn’s noch wahr
ist. Leider hört’ ich’s,
Charis.
Dergleichen
Heirath war mir stets zuwider.
Zuwider? Warum das?
Ich wüßte nicht —
Hm! Wenn ich dir die
Wahrheit sagen soll,
Es ist wie Pferd und
Esel.
Pferd und Esel!
Ein Gott und eine Fürstin!
Der auch kömmt
Wohl vom Olymp nicht.
Du beliebst
Mit
deiner schlechten Dienerin zu scherzen.
122 Solch ein
Triumph, wie über uns gekommen,
Ward noch in Theben
nicht erhört.
Mir für mein Theil,
schlecht ist er mir bekommen.
Und ein gemess’nes Maaß
von Schande wär’ mir
So lieb, als die verteufelten
Trophäen,
Die mir auf beiden Schultern prangen. —
Doch ich muß eilen.
Ja, was ich sagen
wollte —
Wer träumte, solche Gäste zu empfangen?
Wer glaubte in der schlechten Menschen Leiber
Zwei der
Unsterblichen auch eingehüllt.
Gewiß, wir hätten manche
gute Seite,
Die unachtsam zu Innerst blieb, mehr
hin
Nach außen wenden können, als geschehn
ist.
Mein Seel’, das hätt’
ich brauchen können,
Charis.
Denn du bist zärtlich
gegen mich gewesen,
Wie eine wilde Katze. Bessre
dich.
Ich wüßte nicht, daß
ich dich just beleidigt?
Dir mehr gethan als sich
—
Mich nicht
beleidigt?
Ich will ein Schuft sein, wenn du heute
Morgen
Nicht Prügel, so gesalzene verdient,
Als je
herab sind auf ein Weib geregnet.
Nun was — Was ist
geschehen denn?
Was geschehn ist,
Maulaffe? Hast du nicht gesagt, du würdest
Dir den
Thebaner holen, den ich jüngst
Schon, den Hallunken,
aus dem Hause warf?
Nicht mir ein Hörnerpaar
versprochen? Nicht
Mich einen Hahnrei schamlos
titulirt?
Ei, Scherz!
Gewiß!
Ja, Scherz! Kömmst
du
Mit diesem Scherz mir wieder, prell’ ich dir,
Hol mich der Teufel, Eins —!
O Himmel! Wie
geschieht mir?
Der
Saupelz!
Blicke nicht so
grimmig her!
Das Herz in Stücken fühl’ ich mir
zerspalten!
Pfui, schäme dich, du
Gotteslästerliche!
So deiner heil’gen Ehepflicht zu
spotten!
Geh’ mach dich solcher Sünd’ nicht mehr
theil-
haftig,
Das rath’ ich dir — und wenn ich
wieder
komme,
Will ich gebratne Wurst mit
Kohlköpf’ essen.
Was du begehrst: Was
säum’ ich auch noch
länger?
Was zaudr’ ich noch?
Ist er’s nicht? Ist er’s
nicht?
Ob ich es
bin?
Sieh mich in
Staub.
Was fehlt
dir?
Sieh mich zerknirscht
vor dir im Staube liegen.
Bist du von
Sinnen.
Ach du bist’s! du
bist’s!
Wer bin
ich?
Ach was läugnest du
dich mir.
Ist heute Alles rasend
toll.
Sah’ ich
Aus
deines Auges Flammenzorne nicht
Den fernhintreffenden
Apollon strahlen?
Apollon, ich? bist du
des Teufels? — Der Eine
Macht mich zum Hund, der Andre
mich zum
Gott? —
Ich bin der alte, wohlbekannte
Esel
Sosias!
Charis.
Sosias? Was? Der
alte,
Mir wohlbekannte Esel du, Sosias?
Hallunke,
gut, daß ich das weiß,
So wird die Bratwurst heute dir
nicht heiß.
Dritter Act.
Erste Scene.
Amphitryon.Wie widerlich mir die Gesichter sind
Von
diesen Feldherr’n. Jeder hat mir Glück-
wunsch
Für
das erfochtne Treffen abzustatten,
Und in die Arme
schließen muß ich jeden,
Und in die Hölle jeden fluch’
ich hin.
Nicht Einer, dem ein Herz geworden wäre,
Das meine, volle, darin auszuschütten.
Daß man ein
Kleinod aus versiegeltem
Behältniß wegstiehlt ohne
Siegellösung,
Sei’s; Taschenspieler können uns von
fern
Hinweg, was wir in Händen halten, gaunern.
128 Doch daß man
einem Mann Gestalt und Art
Entwendet, und bei seiner
Frau für voll bezahlt,
Das ist ein leid’ges Höllenstück
des Satans.
In Zimmern, die vom Kerzenlicht
erhellt,
Hat man bis heut mit fünf gesunden Sinnen
In seinen Freunden nicht geirret; Augen,
Aus ihren
Höhlen auf den Tisch gelegt,
Von Leib getrennte
Glieder, Ohren, Finger,
Gepackt in Schachteln, hätten
hingereicht,
Um einen Gatten zu erkennen. Jetzo wird
man
Die Ehemänner brennen, Glocken ihnen,
Gleich
Hämmeln um die Hälse hängen müssen.
Zu argen Trug ist
sie so fähig just,
Wie ihre Turteltaub; eh’ will ich
an
Die Redlichkeit dem Strick entlaufner Schelme,
Als an die Tücke dieses Weibes glauben.
— Verrückt ist
sie, und morgen, wenn der Tag
graut,
Werd’ ich
gewiß nach Aerzten schicken müssen.
— Fänd’ nur
Gelegenheit sich, anzuknüpfen.
Zweite Scene.
Merkur. (auf dem Altan.) Amphitryon.Merkur. (für sich.)
Auf dies verliebte
Erdenabentheuer
Dir, alter Vater Jupiter, zu
folgen,
Es ist ein wahres Freundschaftsstück
Merkur’s.
Beim Styx! Mir machts von Herzen
Langeweile.
Denn jener Zofe Charis täuschender
Als
es vonnöthen, den Gemahl zu spielen,
So groß in dieser
Sach’ ist nicht mein Eifer.
— Ich will mir hier ein
Abentheuer suchen,
Und toll den eifersücht’gen Kauz
dort machen.
Warum verriegelt man
am Tage denn dies Haus?
Holla! Geduld! Wer
klopfet?
Ich.
Wer? Ich!
Ah!
Oeffne!
Oeffne! Tölpel! Wer
denn bist du,
Der solchen Lärm verführt, und so mir
spricht?
Ich glaub’ du kennst
mich nicht?
O ja;
Ich kenne
jeden der die Klinke drückt.
— Ob ich ihn
kenne!
Hat ganz Theben
heut
Tollwurz gefressen, den Verstand verloren? —
Sosias! he! Sosias!
Ja, Sosias!
So
heiß ich. Schreit der Schuft nicht meinen
Namen,
Als ob er sorgt’, ich möcht’ ihn sonst
vergessen.
Gerechte Götter!
Mensch! Siehst du mich nicht?
Vollkommen.
Was
giebts?
Hallunke! Was es
giebt?
Was giebt’s denn
nicht,
Zum Teufel? Sprich, soll man dir Rede
stehn.
Du Hundsfott wart’!
Mit einem Stock da oben
Lehr’ ich dich, solche Sprache
mit mir führen.
Ho, ho! Da unten ist
ein ungeschliffner Riegel.
Nimm’s nicht für
ungut.
Teufel!
Fasse
dich.
Heda! Ist niemand hier
zu Hause?
Philippus! Charmion!
Wo steckt ihr denn!
Der
Niederträchtige!
Man muß dich doch
bedienen.
Doch harrst du in Geduld nicht, bis sie
kommen,
Und rührst mir noch ein einzig’s Mal
Den
Klöpfel an, so schick ich von hier oben
Dir eine
sausende Gesandtschaft zu.
Der Freche! Der
Schamlose, der! Ein Kerl,
Den ich mit Füßen oft
getreten; ich,
Wenn mir die Lust kommt, kreuz’gen
lassen könn-
te. —
Nun? bist du fertig?
Hast du mich besehen?
Hast du mit deinen stieren Augen bald
133 Mich
ausgemessen? Wie er auf sie reißt!
Wenn man mit Blicken
um sich beissen könnte,
Er hätte mich bereits zerrissen
hier.
Ich zittre selbst,
Sosias, wenn ich denke,
Was du mit diesen Reden dir
bereitest.
Wie viele Schläg’ entsetzlich warten
dein!
— Komm, steig’ herab, und öffne mir.
Nun
endlich!
Laß mich nicht länger
warten, ich bin dringend.
Erfährt man doch, was
dein Begehren ist.
Ich soll die Pforte unten
öffnen?
Ja.
Nun gut. Das kann man
auch mit Gutem sagen.
Wen suchst du?
Wen ich
suche?
Wen du suchst,
Zum Teufel! bist du taub? Wen willst du spre-
chen?
Wen ich will sprechen?
Hund! ich trete alle
Knochen
Dir ein, wenn sich
das Haus mir öffnet.
Freund, weißt du was?
Ich rath’ dir, daß du
gehst.
Du reizest mir die
Galle. Geh, geh, sag’ ich.
Du sollst, du
Niederträchtiger, erfahren,
Wie man mit einem Knecht
verfährt,
Der seines Herren spottet.
Seines Herrn?
135 Ich spotte
meines Herrn? Du wärst mein
Herr? —
Jetzt hör’ ich noch,
daß er’s mir läugnet.
Ich kenne
Nur
Einen, und das ist Amphitryon.
Und wer ist außer mir
Amphitryon,
Triefäug’ger Schuft, der Tag und Nacht
ver-
wechselt?
Amphitryon?
Amphitryon, sag’
ich.
Ha, ha! O ihr
Thebaner, kommt doch her.
Daß mich die Erd’
entrafft’! Solch eine Schmach!
Hör’, guter Freund
dort! Nenn’ mir doch die
Kneipe
Wo du so seelig
dich gezecht?
O Himmel!
War’s junger oder
alter Wein?
Ihr
Götter!
Warum nicht noch ein
Gläschen mehr? Du
hättest
Zum König von Egypten
dich getrunken!
Jetzt ist es aus mit
mir.
Geh’, lieber
Junge,
Du thust mir leid. Geh’, lege dich aufs Ohr.
137 Hier wohnt
Amphitryon, Thebanerfeldherr,
Geh’, störe seine Ruhe
nicht.
Was? dort im Hause
wär’ Amphitryon?
Hier in dem Hause ja,
er und Alkmene.
Geh’, sag’ ich noch einmal, und hüte
dich
Das Glück der beiden Liebenden zu stören,
Willst du nicht, daß er selber dir erscheine,
Und deine
Unverschämtheit strafen soll.
Dritte Scene.
Amphitryon.Was für ein Schlag
fällt dir, Unglücklicher!
Vernichtend ist er, es ist
aus mit mir.
Begraben bin ich schon, und meine
Wittwe
Schon einem andern Ehgemahl verbunden.
Welch’ ein Entschluß ist jetzo zu ergreifen?
Soll ich
die Schande, die mein Haus getroffen,
138 Der Welt
erklären, soll ich sie verschweigen?
Was! Hier ist
nichts zu schonen. Hier ist nichts
In dieser
Rathsversammlung laut, als die
Empfindung nur, die
glühende, der Rache,
Und meine einz’ge zarte Sorgfalt
sei,
Daß der Verräther lebend nicht
entkomme.
Vierte Scene.
Sosias. Feldherren. Amphitryon.Sosias.
Hier seht ihr alles
Herr, was ich an Gästen
In solcher Eil’ zusammenbringen
konnte.
Mein Seel, speis’ ich auch nicht an eurer
Tafel,
Das Essen hab’ ich doch verdient.
Ah sieh’! da bist
du.
Nun?
Hund! Jetzo stirbst
du.
Ich?
Sterben?
Jetzt erfährst du, wer
ich bin.
Zum Henker, weiß ich’s
nicht?
Du wußtest es,
Verräther?
Sosias.
Ihr Herren, nehmt euch
meiner an, ich bitt’
euch.
Verzeiht!
Amphitryon.
Laßt
mich.
Sagt nur, was ich
verbrochen?
Das fragst du noch? —
Fort, sag’ ich euch,
laßt meiner
Gerechten Rache
ein Genüge thun.
Wenn man wen hängt, so
sagt man ihm, warum?
Seid so
gefällig.
Sagt, worin er
fehlte.
Halt’t euch, ihr
Herrn, wenn ihr so gut sein
wollt.
Was: Dieser
weggeworfne Knecht so eben
Hielt vor dem Antlitz mir
die Thüre zu.
Schamlose Red’ in Strömen auf mich
sendend,
Jedwede werth, daß man ans Kreuz ihn
nag’le.
Stirb, Hund!
Ich bin schon
todt.
Erster Feldherr.
Beruhigt
euch.
Ihr Feldherrn!
Ah!
Was
giebts?
Sticht er nach
mir?
Fort sag’ ich euch,
und wieder! Ihm muß Lohn
Dort, vollgezählter, werden
für die Schmach,
Die er zur Stunde jetzt mir
zugefügt.
Was kann ich aber
jetzt verschuldet haben,
Da ich die letzten neun
gemess’nen Stunden
Auf eueren Befehl im Lager
war?
Wahr ist’s. Er lud zu
eurer Tafel uns.
Zwei Stunden sind’s, daß er im Lager
war,
Und nicht aus unsern Augen kam.
Wer gab dir den
Befehl?
Wer? Ihr! Ihr
selbst!
Wann?
Ich!
Nachdem ihr mit
Alkmenen euch versöhnt.
Ihr war’t voll Freud’ und
ordnetet sogleich
Ein Fest im ganzen Schlosse
an.
O Himmel! Jede Stunde,
jeder Schritt
Führt tiefer mich ins Labyrinth
hinein.
Was soll ich, meine Freunde, davon denken?
Habt ihr gehört, was hier sich zugetragen?
Was hier uns dieser
sagte, ist so wenig
143 Für das
Begreifen noch gemacht, daß eure Sorge
Für jetzt nur
sein muß, dreisten Schrittes
Des Räthsels ganzes
Trugnetz zu zerreißen.
Wohlan, es sei! Und
eure Hülfe brauch ich.
Euch hat mein guter Stern mir
zugeführt.
Mein Glück will ich, mein Lebensglück,
ver-
suchen.
O! hier im Busen brennt’s, mich
aufzuklären,
Und ach! ich fürcht’ es, wie den
Tod.
Fünfte Scene.
Jupiter. Die Vorigen.Jupiter.
Welch ein Geräusch
zwingt mich, herabzusteigen?
Wer klopft ans Haus? Seid
ihr es, meine
Feldherrn?
Wer bist du? Ihr
allmächt’gen Götter!
Was seh ich? Himmel!
Zwei Amphitryonen.
Starr ist vor
Schrecken meine ganze Seele!
Weh’ mir! Das Räthsel ist
nunmehr gelöst.
Wer von euch beiden
ist Amphitryon?
Fürwahr! Zwei so
einander nachgeformte Wesen,
Kein menschlich Auge
unterscheidet sie.
Ihr Herrn, hier ist
Amphitryon, der Andre,
Ein Schubiak ist’s, der
Züchtigung verdient.
Dritter Feldherr. (auf Amphitryon deutend.)
Unglaublich? Dieser
ein Verfälscher hier?
G’nug der unwürdigen
Bezauberung!
Ich schließe das Geheimniß
auf.
145 Erster Feldherr.
Halt!
Laßt
mich!
Was beginnet
ihr?
Strafen will ich
Den niederträchtigsten Betrug! Fort, sag’ ich.
Fassung dort. Hier
bedarf es nicht des Eifers,
Wer so besorgt um seinen
Namen ist,
Wird schlechte Gründe haben, ihn zu
führen.
Das sag’ ich auch. Er
hat den Bauch
Sich ausgestopft, und das Gesicht
bemahlt,
Der Gauner, um dem Hausherrn gleich zu
sehn.
Verräther! Dein
empörendes Geschwätz,
K
146 Dreihundert
Peitschenhiebe strafen es,
Dir von drei Armen wechselnd
zugetheilt.
Ho, ho! Mein Herr ist
Mann von Herz,
Der wird dich lehren seine Leute
schlagen.
Wehrt mir nicht
länger, sag’ ich, meine Schmach
In des Verräthers
Herzblut abzuwaschen.
Verzeiht uns, Herr!
Wir dulden diesen Kampf
nicht,
Amphitryons mit dem
Amphitryon.
Was? Ihr — Ihr duldet
nicht —?
Ihr müßt euch
fassen.
Ist das mir eure
Freundschaft auch, ihr Feld-
herrn?
Das mir der
Beistand, den ihr angelobt?
147 Statt meiner
Ehre Rache selbst zu nehmen,
Ergreift ihr des Betrügers
schnöde Sache,
Und hemmt des Racheschwerdls gerechten
Fall?
Wär’ euer Urtheil
frei, wie es nicht ist,
Ihr würdet unsre Schritte
billigen.
Wer von euch beiden ist Amphitryon?
Ihr
seid es, gut; doch jener ist es auch.
Wo ist des Gottes
Finger, der uns zeigte,
In welchem Busen, einer wie der
andre,
Sich laurend das Verrätherherz verbirgt?
Ist es erkannt, so haben wir, nicht zweifelt,
Das Ziel
auch unsrer Rache aufgefunden.
Jedoch so lang des
Schwerdtes Schneide hier
In blinder Wahl nur um sich
wüthen könnte,
Bleibt es gewiß noch besser in der
Scheide.
Laßt uns in Ruh die Sache untersuchen,
Und fühlt ihr wirklich euch Amphitryon,
Wie wir in
diesem sonderbaren Falle
Zwar hoffen, aber auch
bezweifeln müssen,
So wird es schwerer euch, als ihm,
nicht werden,
Uns diesen Umstand gültig zu
beweisen.
Ich euch den Umstand?
—
Und mit trifft’gen
Gründen.
Eh wird in dieser Sache nichts
geschehn.
Recht hast du,
Photidas; und diese Gleichheit,
Die zwischen uns sich
angeordnet findet,
Entschuldigt dich, wenn mir dein
Urtheil wankt.
Ich zürne nicht, wenn zwischen mir und
ihm
Hier die Vergleichung an sich stellen soll.
Nichts von des Schwerdts feigherziger Entschei-
dung.
Ganz Theben denk’ ich selber zu berufen,
Und
in des Volks gedrängtester Versammlung,
Aus wessen Blut
ich stamme, darzuthun.
Er selber dort soll meines
Hauses Adel,
Und daß ich Herr in Theben,
anerkennen.
Vor mir in Staub, das Antlitz soll er
senken.
Mein soll er Thebens reiche Felder alle,
Mein alle Heerden, die die Triften decken,
149 Mein auch dies
Haus, mein die Gebieterin,
Die still in seinen Räumen
waltet, nennen.
Es soll der ganze Weltenkreis
erfahren,
Daß keine Schmach Amphitryon getroffen.
Und den Verdacht, den jener Thor erregt,
Hier steht,
wer ihn zu Schanden machen kann. —
Bald wird sich
Theben hier zusammenfinden.
Indessen kommt und ehrt die
Tafel gütigst,
Zu welcher euch Sosias
eingeladen.
Mein Seel’, ich wußt’
es wohl. — Dies Wort,
ihr Herrn,
Streut allen
weitern Zweifel in die Lüfte.
Der ist der wirkliche
Amphitryon,
Bei dem zu Mittag jetzt gegessen
wird.
Ihr ew’gen und
gerechten Götter!
Kann auch so tief ein Mensch
erniedrigt werden?
Von dem verruchtesten Betrüger
mir
Weib, Ehre, Herrschaft, Namen stehlen lassen!
Und Freunde binden mir die Hände?
Ihr müßt, wer ihr auch
seid, euch noch gedulden.
In wenig Stunden wissen
wir’s. Alsdann
Wird ungesäumt die Rache sich
vollstrecken,
Und Wehe! ruf’ ich, wen sie
trifft.
Geht, ihr
Schwachherz’gen! Huldigt dem
Verräther!
Mir
bleiben noch der Freunde mehr, als ihr.
Es werden
Männer noch in Theben mir begegnen,
Die meinen Schmerz
im Busen mitempfinden,
Und nicht den Arm mir weigern,
ihn zu rächen.
Wohlan! Du rufst sie.
Ich erwarte sie.
Marktschreierischer
Schelm! Du wirst inzwischen
Dich durch die Hinterthür
zu Felde machen.
Doch meiner Rach’ entfliehst du
nicht!
Du gehst, und rufst,
und bringst mir deine Freunde,
Nachher sag’ ich zwei
Worte, jetzo nichts.
Beim Zevs, da sagst du
wahr, dem Gott der
Wolken!
Denn ist es mir
bestimmt, dich aufzufinden,
Mehr als zwei Worte,
Mordhund, sagst du nicht,
Und bis ans Heft füllt dir
das Schwerdt den
Rachen.
Du rufst mir deine
Freund’; ich sag auch nichts,
Ich sprech’ auch blos mit
Blicken, wenn du willst.
Fort, jetzo,
schleunig, eh’ er mir entwischt!
Die Lust, ihr Götter,
müßt ihr mir gewähren,
Ihn eurem Orkus heut noch
zuzusenden!
Mit einer Schaar von Freunden kehr’ ich
wieder,
Gewaffneter, die mir dies Haus umnetzen,
Und, einer Wespe gleich, drück’ ich den Stachel
Ihm in
die Brust, aussaugend, daß der Wind
Mit seinem trocknen
Bein mir spielen soll.
Sechste Scene.
Jupiter. Sosias. Die Feldherrn.Jupiter.
Auf denn, ihr Herrn,
gefällt’s euch! Ehrt dies
Haus
Mit eurem
Eintritt.
Nun, bei meinem
Eid!
Dies Abentheu’r macht meinen Witz zu
Schanden.
Jetzt schließt mit dem
Erstaunen Waffenstillstand,
Und geht, und tischt, und
pokulirt bis morgen.
Siebente Scene.
Sosias.Wie ich mich jetzt
auch auf den Stuhl will setzen!
Und wie ich
tapfer,
Wenn man vom Kriege spricht, erzählen
will.
Ich brenne, zu berichten, wie man bei
153 Pharissa
eingehauen; und mein Lebtag
Hatt’ ich noch so
wolfmäß’gen Hunger nicht.
Achte Scene.
Merkur. Sosias.Merkur.
Wohin? Ich glaub’, du
steckst die Nase auch
hierher?
Durchschnüffler,
Unverschämter, du, der Küchen?
Nein! — Mit
Erlaubniß!
Fort! Hinweg dort,
sag’ ich!
Soll ich die Haube dir zurechte
setzen?
Wie? Was? Großmüthiges
und edles Ich,
Fass’ dich! Verschon’ ein wenig den
Sosias,
Sosias! Wer wollte immer bitterlich
Erpicht sein, auf sich selber loszuschlagen?
Du fällst in deine
alten Tücken wieder?
Du nimmst, Nichtswürdiger, den
Namen mir?
Den Namen des Sosias mir?
Ei, was! Behüt’ mich
Gott, mein wackres
Selbst,
Werd’ ich so karg dir,
so mißgünstig sein?
Nimm ihn, zur Hälfte, diesen Namen
hin,
Nimm ihn, den Plunder, willst du’s, nimm
ihn
ganz.
Und wär’s der Name Kastor oder Pollux,
Was
theilt’ ich gern nicht mit dir, Bruderherz?
Ich dulde
dich in meines Herren Hause,
Duld’ auch du mich in
brüderlicher Liebe,
Und während jene beiden
eifersücht’gen
Amphitryonen sich die Hälse
brechen,
Laß die Sosias einverständig beide
Zu
Tische sitzen, und die Becher heiter
Zusammenstoßen,
daß sie leben sollen!
Nichts, nichts! — Der
aberwitz’ge Vorschlag der!
155 Soll ich
inzwischen Hungerpfoten saugen?
Es ist für Einen nur
gedeckt.
Gleichviel! Ein
mütterlicher Schooß hat uns
Gebohren, Eine Hütte uns
beschirmt,
In Einem Bette haben wir geschlafen,
Ein Kleid ward brüderlich, Ein Loos uns beiden,
So laß
uns auch aus Einer Schüssel essen.
Von der Gemeinschaft
weiß ich nichts. Ich bin
Von Jugend mutterseel’ allein
gewesen,
Und weder Bette hab’ ich je, noch Kleid,
Noch einen Bissen Brod getheilt.
Besinne dich. Wir sind
zwei Zwillingsbrüder.
Du bist der ältre, ich bescheide
mich.
Du wirst in jedem Stück voran mir gehen.
Den
ersten nimmst du, und die ungeraden,
Den zweiten
Löffel, und die graden, ich.
Nichts. Meine volle
Portion gebrauch’ ich,
156 Und was mir
übrig bleibt, das heb’ ich auf.
Den wollt ich lehren,
bei den großen Göttern,
Der mit der Hand mir auf den
Teller käme.
So dulde mich als
deinen Schatten mindstens,
Der hintern Stuhl entlang
fällt, wo du ißt.
Auch nicht als meine
Spur im Sande! Fort!
O du barbarisch Herz!
Du Mensch von Erz,
Auf einem Amboß keilend
ausgeprägt!
Was denkst du, soll
ich wie ein wandernder
Geselle vor dem Thor ins Gras
mich legen,
Und von der blauen Luft des Himmels
leben?
Ein reichlich zugemeßnes Mahl hat heut
Bei
Gott! kein Pferd so gut verdient, als ich.
Kam ich zu
Nacht nicht aus dem Lager an?
Mußt ich zurück nicht
wieder mit dem Morgen,
Um Gäste für die Tafel aufzutreiben?
157 Hab’ ich auf
diesen Teufelsreisen mir
Nicht die geschäft’gen alten
Beine fast
Bis auf die Hüften tretend abgelaufen?
Wurst giebt es heut, und aufgewärmten Kohl.
Und die
just brauch’ ich, um mich herzustellen.
Da hast du Recht. Und
über die verfluchten
Kienwurzeln, die den ganzen Weg
durchflechten,
Bricht man die Beine fast sich, und den
Hals.
Nun also!
— Ich Verlaßner von
den Göttern!
Wurst also hat die Charis —?
Frische, ja.
Doch
nicht für dich. Man hat ein Schwein ge-
schlachtet.
Und Charis hab’ ich wieder gut
gemacht.
Gut, gut. Ich lege
mich ins Grab. Und Kohl?
Kohl, aufgewärmten,
ja. Und wem das Wasser
Im Mund etwa zusammenläuft, der
hat
Vor mir und Charis sich in Acht zu
nehmen.
Vor mir freßt euren
Kohl, daß ihr dran stickt.
Was brauch’ ich eure Würste?
Wer den Vögeln
Im Himmel Speisung reicht, wird auch,
so
denk’ ich,
Den alten ehrlichen Sosias
speisen.
Du giebst, Verräther,
dir den Namen noch?
Du wagst, Hund, niederträcht’ger
—!
Ei was! Ich sprach von
mir nicht.
Ich sprach von einem alten Anverwandten
Sosias, der hier sonst in Diensten stand —
Und der die
andern Diener sonst zerbläute,
Bis eines Tags ein Kerl,
der wie aus Wolken
fiel,
Ihn aus dem Haus warf,
just zur Essenszeit.
Nimm dich in Acht,
sag’ ich, und weiter Nichts.
Nimm dich in Acht, rath’
ich dir, willst du
länger
Zur Zahl noch der
Lebendigen dich zählen.
Wie ich dich schmeißen
würde, hätt’ ich Herz,
Du von der Bank gefallner
Gauner, du,
Von zuviel Hochmuth
aufgebläht.
Was sagst
du?
Was?
Mir schien, du sagtest
etwas —?
Ich?
Du.
Ich muks’te
nicht.
Ich hörte doch von
schmeißen, irr’ ich nicht —
Und von der Bank gefallnem
Gauner reden?
So wirds ein Papagei
gewesen sein.
Wenn’s Wetter gut ist, schwatzen
sie.
Es sei.
Du lebst
jetzt wohl. Doch juckt der Rücken
dir,
In diesem
Haus’ hier kannst du mich erfra-
gen.
Neunte Scene.
Sosias.Hochmüth’ger Satan!
Mögtest du am Schwein
Den Tod dir holen, das man schlachtete!
161 — „Den
lehrt’ er, der ihm auf den Teller kä-
me!“
—
Ich mögte eh’r mit einem Schäferhund
Halbpart,
als ihm, aus einer Schüssel essen.
Sein Vater könnte
Hungers vor ihm sterben,
Daß er ihm auch so viel nicht
gönnt, als ihm
In hohlen Zähnen kauend stecken
bleibt.
— Geh! dir geschieht ganz recht,
Abtrünniger.
Und hätt’ ich Würst’ in jeder Hand hier
Eine,
Ich wollte sie in meinen Mund nicht stecken.
So seinen armen, wackern Herrn verlassen,
Den
Uebermacht aus seinem Hause stieß.
— Dort naht er sich
mit rüst’gen Freunden schon.
— — Und auch von hier
strömt Volk herbei!
Was giebts?
Zehnte Scene.
Amphitryon mit Obersten, (von der einenSeite.) Volk, (von der andern.)
Amphitryon.
Seid mir gegrüßt! Wer
rief euch meine Freunde?
Herolde riefen durch
die ganze Stadt,
Wir sollten uns vor eurem Schloß
versammeln.
Herolde! Und zu
welchem Zweck?
Wir sollten Zeugen
sein, so sagte man,
Wie ein entscheidend Wort aus eurem
Munde
Das Räthsel lösen wird, das in Bestürzung
Die ganze Stadt gesetzt.
Der Uebermüth’ge!
Kann man die Unverschämtheit weiter treiben?
Zuletzt erscheint er
noch.
Was gilt’s? Er
thut’s.
Sorgt nicht. Hier
steht Argathiphontidas.
163 Hab’ ich nur
erst ins Auge ihn gefaßt,
So tanzt sein Leben auch auf
dieses Schwerdtes
Spitze.
Ihr Bürger Thebens,
hört mich an!
Ich bin es nicht, der euch hieher
gerufen,
Wenn eure strömende Versammlung gleich
Von Herzen mir willkommen ist. Er war’s,
Der
lügnerische Höllengeist, der mich
Aus Theben will, aus
meiner Frauen Herzen,
Aus dem Gedächtniß mich der Welt,
ja könnt’
er’s
Aus des Bewußtseins eigner Feste
drängen.
Drum sammelt eure Sinne jetzt, und wär’t
Ihr tausendäugig auch, ein Argus jeder,
Geschickt, zur
Zeit der Mitternacht, ein Heimchen
Aus seiner Spur im
Sande zu erkennen,
So reißet, laßt die Müh’ euch nicht
verdrießen,
Jetzt eure Augen auf, wie Maulwürfe,
Wenn sie zur Mittagszeit die Sonne suchen;
All’ diese
Blicke werft in einen Spiegel,
Und kehrt den ganzen
vollen Stral auf mich,
L 2
164 Von Kopf zu
Fuß ihn auf und niederführend,
Und sagt mir an, und
sprecht, und steht mir
Rede:
Wer bin
ich?
Wer du bist?
Amphitryon!
Wohlan. Amphitryon. Es
gilt. Wenn nun-
mehr
Dort jener Sohn der
Finsterniß erscheint,
Der ungeheure Mensch, auf dessen
Haupte
Jedwedes Haar sich, wie auf meinem, krümmt;
Wenn euren trugverwirrten Sinnen jetzt
Nicht so viel
Merkmal wird, als Mütter brauchen,
Um ihre jüngsten
Kinder zu erkennen;
Wenn ihr jetzt zwischen mir und
ihm, wie zwischen
Zwei Wassertropfen, euch entscheiden
müßt,
Der Eine süß und rein und ächt und silbern,
Gift, Trug, und List, und Mord, und Tod der
Andre:
Alsdann erinnert euch, daß ich Amphitryon,
165 Ihr Bürger
Thebens, bin,
Der dieses Helmes Feder
eingeknickt.
Oh! Oh! Was machst du?
laß die Feder ganz,
So lang’ du blühend uns vor Augen
stehst.
Meint ihr, wir würden
auch? —
Laßt mich, ihr
Freunde.
Bei Sinnen fühl’ ich mich, weiß, was ich
thue.
Thut, was ihr wollt.
Inzwischen werd’ ich hoffen,
Daß ihr die Possen nicht
für mich gemacht.
Wenn eure Feldherrn hier gezaudert
haben,
Als jener Aff’ erschien, so folgt ein
Gleiches
Noch nicht für den Argathiphontidas.
Braucht uns ein Freund in einer Ehrensache,
So soll ins
Auge man den Helm sich drücken,
Und auf den Leib dem
Widersacher gehn.
Den Gegner lange schwadroniren hören,
166 Steht alten
Weibern gut; ich, für mein Theil,
Bin für die kürzesten
Prozesse stets;
In solchen Fällen fängt man damit
an,
Dem Widersacher, ohne Federlesens,
Den Degen
queerhin durch den Leib zu jagen.
Argatiphontidas, mit
einem Worte,
Wird heute Haare auf den Zähnen
zeigen,
Und nicht von einer andern Hand, beim
Ares,
Beißt dieser Schelm ins Gras, ihr seht’s,
als
meiner.
Auf denn!
Hier leg’ ich mich zu
euren Füßen,
Mein ächter, edler und verfolgter
Herr.
Gekommen bin ich völlig zur Erkenntniß,
Und
warte jetzt auf meines Frevels Lohn.
Schlagt, ohrfeigt,
prügelt, stoßt mich, tretet
mich,
Gebt mir den
Tod, mein Seel ich muckse nicht.
Steh’ auf. Was ist
geschehen?
Vom aufgetragnen
Essen
Nicht den Geruch auch hat man mir gegönnt.
Das andre Ich, das andre Ihr Bedienter,
Vom Teufel
wieder völlig war’s besessen,
Und kurz ich bin
entsosiatisirt,
Wie man euch
entamphitryonisirt.
Ihr hört’s, ihr
Bürger.
Ja, ihr Bürger
Thebens!
Hier ist der wirkliche Amphitryon;
Und
jener, der bei Tische sitzt,
Ist werth, daß ihn die
Raben selber fressen.
Auf! Stürmt das Haus jetzt, wenn
ihr wollt so
gut sein,
So finden wir den Kohl noch
warm.
Folgt
mir.
Doch seht! Da kommt er
selbst schon.
Er und sie.
Eilfte Scene.
Jupiter. Alkmene. Merkur. Charis.Feldherren. Die Vorigen.
Alkmene.
Entsetzlicher! Ein
Sterblicher sagst du,
Und schmachvoll willst du seinem
Blick mich zeigen?
Ihr ew’gen Götter! Was
erblicken wir!
Die ganze Welt,
Geliebte, muß erfahren,
Daß Niemand deiner Seele nahte,
Als nur dein
Gatte, als Amphitryon.
Herr, meines Lebens!
Die Unglückliche!
Niemand! Kannst ein
gefallnes Loos du ändern?
All’ ihr Olympischen!
Amphitryon dort.
Du bist dir’s,
Theuerste, du bist mir’s schuldig,
Du mußt, du wirst, mein Leben, dich
bezwin-
gen;
Komm, sammle dich, dein wartet ein
Triumph!
Blitz, Höll’ und
Teufel! Solch ein Auftritt mir?
Seid mir willkommen,
Bürger dieser Stadt.
Mordhund! Sie kamen
dir den Tod zu geben.
Auf jetzt.
170 Zweiter Feldherr. (tritt ihm in den Weg.)
Halt
dort!
Auf, ruf’ ich, ihr
Thebaner!
Thebaner, greift ihn,
ruf’ ich, den Verräther!
Argatiphontidas!
Bin ich
behext?
Kann sich ein
menschlich Auge hier entscheiden?
Tod! Teufel! Wuth und
keine Rache!
Vernichtung!
Jupiter.
Thor, der du bist, laß
dir zwei Worte sagen.
Mein Seel! Er wird
schlecht hören. Er ist todt.
Was hilft der
eingeknickte Federbusch?
— „Reißt eure Augen
auf, wie Maulwürfe!“
Der ist’s, den seine eigne
Frau erkennt.
Hier steht, ihr
Obersten, Amphitryon.
Wen kennt die eigne
Frau hier?
Ihn erkennt sie,
Ihn an, mit dem sie aus dem Hause trat.
Um welchen, wie
das Weinlaub, würd’ sie ranken,
Wenn es ihr Stamm nicht
ist, Amphitryon?
Daß mir so viele Kraft
noch wär’, die Zung’
In Staub zu treten, die das
sagt!
Sie anerkennt ihn nicht!
172 Erster Feldherr.
Das lügst du
dort!
Meinst du des Volkes Urtheil zu verwirren,
Wo es mit eignen Augen sieht?
Sie anerkennt ihn
nicht, ich wiederhol’s!
— Wenn sie als Gatten ihn
erkennen kann,
So frag’ ich nichts danach mehr, wer ich
bin:
So will ich ihn
Amphitryon begrüßen.
Es gilt. Sprecht
jetzt.
Erklärt euch jetzo,
Fürstin.
Alkmene! Meine Braut!
Erkläre dich:
Schenk’ mir noch einmal deiner Augen
Licht!
Sag’, daß du jenen anerkennst, als Gatten,
Und so urschnell, als der Gedanke zuckt,
Befreit dies
Schwerdt von meinem Anblick dich.
Wohlan! Das Urtheil
wird sogleich gefällt sein.
Kennt ihr ihn
dort?
Kennt ihr den
Fremdling dort?
Dir wäre dieser Busen
unbekannt,
Von dem so oft dein Ohr dir lauschend
sagte,
Wie viele Schläge liebend er dir klopft?
Du
solltest diese Töne nicht erkennen,
Die du so oft, noch
eh’ sie laut geworden,
Mit Blicken schon mir von der
Lippe stahlst?
Daß ich zu ew’ger
Nacht versinken könnte!
Ich wußt’ es wohl. Ihr
seht’s, ihr Bürger
Thebens,
Eh’ wird der rasche
Peneus rückwärts fließen,
Eh’ sich der Bosphorus auf
Ida betten,
174 Eh’ wird das
Dromedar den Ozean durchwandeln,
Als sie dort jenen
Fremdling anerkennen.
Wär’s möglich? Er,
Amphitryon? Sie zaudert.
Sprecht!
Redet!
Sagt uns!
—
Fürstin, sprecht ein
Wort! —
Wir sind verlohren,
wenn sie länger schweigt.
Gieb, gieb der
Wahrheit deine Stimme, Kind.
Hier dieser ist
Amphitryon, ihr Freunde.
Er dort Amphitryon!
Allmächt’ge Götter!
Wohlan. Es fiel dein
Loos. Entferne dich.
Alkmene!
Fort Verräther: Willst
du nicht,
Daß wir das Urtheil dir vollstrecken
sollen.
Geliebte!
Nichtswürd’ger!
Schändlicher!
Mit diesem Namen wagst du mich zu
nennen?
Nicht vor des Gatten scheugebietendem
Antlitz bin ich vor deiner Wuth gesichert?
Du
Ungeheuer! Mir scheußlicher,
Als es geschwollen in
Morästen nistet!
Was that ich dir, daß du mir nahen
mußtest,
Von einer Höllennacht bedeckt.
176 Dein Gift mir
auf den Fittig hinzugeifern?
Was mehr, als daß ich, o
du Böser, dir
Still, wie ein Maienwurm, ins Auge
glänzte?
Jetzt erst, was für ein Wahn mich täuscht’,
erblick’ ich.
Der Sonne heller Lichtglanz war mir
nöthig,
Solch’ einen feilen Bau gemeiner Knechte,
Vom Prachtwuchs dieser königlichen Glieder,
Den Farren
von dem Hirsch zu unterscheiden?
Verflucht die Sinne,
die so gröblichem
Betrug erliegen. O verflucht der
Busen,
Der solche falschen Töne giebt!
Verflucht
die Seele, die nicht so viel taugt,
Um ihren eigenen
Geliebten sich zu merken!
Auf der Gebirge Gipfel will
ich fliehen,
In todte Wildniß hin, wo auch die
Eule
Mich nicht besucht, wenn mir kein Wächter
ist,
Der in Unsträflichkeit den Busen mir bewahrt.
—
Geh! deine schnöde List ist dir geglückt,
Und
meiner Seele Frieden eingeknickt.
Du Unglückseelige! Bin
ich es denn,
Der dir in der verfloßnen Nacht
erschienen?
Genug fortan! Entlaß’
mich, mein Gemahl.
Du wirst die bitterste der
Lebensstunden
Jetzt gütig mir ein wenig kürzen.
Laß diesen tausend Blicken mich entfliehn,
Die mich wie
Keulen, kreuzend niederschlagen.
Du Göttliche!
Glanzvoller als die Sonne!
Dein wartet ein Triumph, wie
er in Theben
Noch keiner Fürstentochter ist
geworden.
Und einen Augenblick verweilst du
noch.
Glaubst du nunmehr,
daß ich Amphitryon?
Ob ich nunmehr
Amphitryon dich glaube?
Du Mensch, —
entsetzlicher,
Als mir der Athem reicht, es
auszusprechen! —
Verräther! Was? du
weigerst dich?
Du
läugnest?
Wirst du jetzt etwa zu
beweisen suchen,
Daß uns die Fürstin
hintergieng?
O ihrer Worte jedes
ist wahrhaftig,
Zehnfach geläutert Gold ist nicht so
wahr.
Läs’ ich, mit Blitzen in Nacht,
Geschriebnes,
Und riefe Stimme mir des Donners zu,
Nicht dem Orakel würd’ ich so vertraun,
Als was ihr
unverfälschter Mund gesagt.
Jetzt einen Eid selbst auf
den Altar schwör’ ich,
Und sterbe siebenfachen Todes
gleich,
Des unerschütterlich erfaßten Glaubens,
Daß er Amphitryon ihr ist.
Wohlan! Du bist
Amphitryon.
Ich bin’s! —
Und
wer bist du, furchtbarer Geist?
Amphitryon. Ich
glaubte, daß du’s wüßtest.
Amphitryon! Das faßt
kein Sterblicher.
Sei uns verständlich.
Welche Reden
das?
Amphitryon! Du Thor!
Du zweifelst noch?
Argatiphontidas und Photidas,
Die Kadmusburg und Griechenland,
Das Licht, der Aether,
und das Flüßige,
Das was da war, was ist, und was sein
wird.
Hier, meine Freunde,
sammelt euch um mich,
Und laßt uns sehn, wie sich dies
Räthsel lös’t.
Entsetzlich!
Was von diesem
Auftritt denkt man?
Meinst du, dir sei
Amphitryon erschienen?
Laß ewig in dem
Irrthum mich, soll mir
Dein Licht die Seele ewig nicht
umnachten.
O Fluch der
Seeligkeit, die du mir schenktest,
Müßt’ ich dir ewig
nicht vorhanden sein.
Heraus jetzt mit der
Sprache dort: Wer bist du?
Wolken. Es schwebt ein Adler mit dem Donner-
keil aus den Wolken nieder.)
Jupiter.
Du willst es
wissen?
Volk.
Götter!
Wer bin
ich?
Der Schreckliche! Er
selbst ist’s! Jupiter!
Schützt mich ihr
Himmlischen!
Amphitryon.
Anbetung dir
In
Staub. Du bist der große Donnerer!
Und dein ist Alles,
was ich habe.
Er ist’s! In Staub! In
Staub das Antlitz hin!
Jupiter.
Zevs hat in deinem
Hause sich gefallen,
Amphitryon, und seiner
göttlichen
Zufriedenheit soll dir ein Zeichen
werden.
Laß deinen schwarzen Kummer jetzt
entfliehen,
Und öffne dem Triumph dein Herz.
Was
du, in mir, dir selbst gethan, wird dir
Bei mir, dem,
was ich ewig bin, nicht schaden.
Willst du in meiner
Schuld den Lohn dir finden,
Wohlan, so grüß’ ich
freundlich dich, und scheide.
Es wird dein Ruhm fortan,
wie meine Welt.
182 In den
Gestirnen seine Gränze haben.
Bist du mit deinem Dank
zufrieden nicht,
Auch gut: Dein liebster Wunsch soll
sich erfüllen,
Und eine Zunge geb’ ich ihm vor
mir.
Nein, Vater Zevs,
zufrieden bin ich nicht!
Und meines Herzens Wunsche
wächs’t die Zunge.
Was du dem Tyndarus gethan, thust
du
Auch dem Amphitryon: Schenk’ einen Sohn
Groß,
wie die Tyndariden, ihm.
Es sei. Dir wird ein
Sohn gebohren werden,
Dess’ Name Herkules: es wird an
Ruhm
Kein Heros sich, der Vorwelt, mit ihm messen,
Auch meine ew’gen Dioskuren nicht.
Zwölf ungeheure
Werke, wälzt er thürmend
Ein unvergänglich Denkmal sich
zusammen.
Und wenn die Pyramide jetzt, vollendet,
Den Scheitel bis zum Wolkensaum erhebt,
Steigt er auf
ihren Stufen himmelan
Und im Olymp empfang’ ich dann,
den Gott.
Dank dir! — Und diese
hier, nicht raubst du mir?
Sie athmet nicht. Sieh
her.
Sie wird dir
bleiben;
Doch laß sie ruhn, wenn sie dir bleiben soll!
—
Hermes!
in der Höhe geöffnet haben, und den Gipfel des
Olymps zeigen, auf welchem die Olympischen ge-
lagert sind.)
Alkmene.
Amphitryon!
Gleich folg’ ich dir,
du Göttlicher! —
Wenn ich erst jenem Kauze dort
gesagt,
Daß ich sein häßliches Gesicht zu tragen,
Nun müde bin, daß ich’s mir mit Ambrosia jetzt
Von den
olymp’schen Wangen waschen werde;
Daß er
besingenswürd’ge Schläg’ empfangen,
Und daß ich mehr
und minder nicht, als Hermes,
Der Fußgeflügelte der
Götter bin!
184 Sosias.
Daß du für immer
unbesungen mich
Gelassen hätt’st! Mein Lebtag sah’ ich
noch
Solch’ einen Teufelskerl, mit Prügeln,
nicht.
Fürwahr! Solch’ ein
Triumph —
So vieler Ruhm
—
Du siehst durchdrungen
uns —
Alkmene!
Ach!