[113] An Ulrike v. Kleist, d. 17. September 1807
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Ich habe verſucht, meine theuerſte Ulrike, dir zu ſchreiben; doch meine Lage iſt ſo reich, und mein Herz ſo voll des Wunſches, ſich dir ganz mitzutheilen, daß ich nicht weiß, wo ich anfangen und enden ſoll. Schreibe mir doch, ob ich nach Wormlage kommen darf, um dich zu ſprechen? Oder ob wir uns nicht, auf halbem Wege irgendwo ein Rendezvous geben können? Ich ſollte denken, dies letztere müßte möglich ſein. Ich will dich zu bewegen ſuchen, zu einer Buch-Karten-und Kunſt-Handlung, wozu das Privilegium [DKV IV 388] erkauft werden muß, 500 Rth. Rth Rth zu 5 p. C. auf 1 Jahr herzugeben. Adam Müller (ein junger Gelehrter, der hier im Winter, mit ausgezeichnetem Beifall, öffentliche Vorleſungen hält) Rühle und Pfuel (dem [MA II 879] ſein Bruder das Geld dazu hergiebt) ſind die Intereſſenten. Dir alle Gründe darzuthun, [2] [BKA IV/3 17] aus welchen die Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit dieſer Unternehmung hervorgeht, iſt ſchriftlich unmöglich. Rühle, der mit dem Prinzen jetzt hier iſt, und der Pfueln, durch den Unterricht, den dieſer dem Prinzen giebt, eine Penſion von 600 Rth. Rth Rth verſchafft hat, iſt von einer praktiſchen Geſchicklichkeit, alles um ſich herum geltend zu machen, die bewundrungswürdig und ſelten iſt. Der Herzog würde ihm ſehr gern, nach Verlauf der Erziehungsperiode, einen Poſten in ſeinem Lande geben; doch da ſein unerläßliches Bedürfniß iſt, frei zu ſein, ſo will er Alles an [SE:1993 II 790] dieſes Jahr ſetzen, um es für die übrige Lebenszeit zu werden. Er iſt es daher auch eigentlich, der an die Spitze des ganzen Geſchäffts treten wird; ein Umſtand, der, dünkt mich, nicht wenig für die Sicherheit ſeines Erfolgs ſpricht. Er ſowohl, als ich, haben jeder ein Werk drucken laſſen, das unſern Buchhändlern 6 mal ſo viel eingebracht hat, als uns. Vier neue [3] [BKA IV/3 18] Werke liegen faſt zum Druck bereit; ſollen wir auch hiervon den Gewinn Andern überlaſſen, wenn es nichts als die Hand danach auszuſtrecken koſtet, um ihn zu ergreifen? Die 1200 Rth., Rth, Rth, die das Privilegium koſtet, können nie [Heimböckel:1999 (Reclam) 397] verloren gehen; denn misglückt die Unternehmung, ſo wird es wieder verkauft; und die Zeiten müßten völlig eiſern ſein, wenn es nicht, auch im ſchlimſten ſchlimmſten Fall, einen größeren Werth haben ſollte, als jetzt. Die ganze Idee iſt, klein, und nach lieberalen Grundſätzen, anzufangen, und das Glück zu prüfen; aber, nach dem Vorbild der Fugger u. und Medicis, Alles hineinzuwerfen, was man auftreiben kann, wenn ſich das Glück deutlich erklärt. Erwäge alſo die Sache, mein theuerſtes Mädchen, und wenn du dich einigermaßen in dieſen Plan, der noch eine weit höhere Tendenz hat, als die merkantiliſche, hineindenken kannſt, ſo ſei mir zu ſeiner Ausführung behülflich. Ich kann dir, wie ſchon [DKV IV 389] erwähnt, nicht Alles ſagen, was [4] [BKA IV/3 21] ich auf dem Herzen habe, du müßteſt ſelbſt hier ſein, und die Stellung, die wir hier einnehmen, kennen, um beurtheilen zu können, wie günſtig ſie einer ſolchen Unternehmung iſt. Faſt mögte ich dich dazu einladen! Ich würde dich in die vortrefflichſten Häuſer führen können, bei Haza’s, beim Baron Buol (Kaiſl. Öſtr. Geſandten) beim App. Rath Körner u. ſ. w. Häuſer, in deren jedem ich faſt, wie bei der Kl. Kl[eiſten] in Potsdam, [MA II 880] bin. Zwei meiner Luſtſpiele (das Eine gedruckt, das Andere im Manuſcript) ſind ſchon mehrere Male in öffentlichen Geſellſchaften, Geſellſchaften, Gesellschften, Gesellschaften und immer mit wiederholtem Beifall, vorgeleſen worden. Jetzt wird der Geſandte ſogar, auf einem hieſigen Liebhaber-Theater, eine Aufführung veranſtalten, und Fitt (den du kennſt) die Hauptrolle übernehmen. Auch in Weimar läßt Göthe das Eine aufführen. Kurz, es geht Alles gut*, [SE:1993 II 791] meine liebſte Ulrike, ich wünſche bloß, daß du hier wäreſt, und es mit eignen Augen ſehen könnteſt. Schreibe mir auf welche Art wir es machen, daß wir uns auf einen Tag ſprechen, u. und ſei verſichert, daß ich ewig dein dein d dein treuer Bruder bin, b[in], b, b, HvKl. H. v. Kl. Drd. Dßd., Drd. Drd., d. 17t Septb. 7.
* Kürzlich war ich mit dem öſtr. Geſandten in Töplitz: bei Genz, wo ich eine Menge großer Bekantſchaften Bekanntſchaften machte. — [Heimböckel:1999 (Reclam) 398] Was würdeſt du wohl ſagen, wenn ich eine Directions-Stelle beim Wiener Theater bekäme? — Grüße Alles in Wormlage.