[106] An Ulrike v. Kleist, den 8. Juni 1807
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Wie frohlocke ich, meine theuerſte]teuerste Ulrike, wenn ich Alles]alles / denke, was du]Du mir biſt, und welch’]welch eine Freundinn]Freundin mir der / Himmel an dir]Dir geſchenkt hat! Ich höre, daß du]Du dich]Dich in Berlin / aufhältſt, um bei dem Gen. Clarke meine Befreiung zu betreiben. / Von Tage zu Tage habe ich auf die Erfüllung des Verſprechens ge/wartet, das er dir]Dir und der Kl. Kl[eiſten] ]Kl[eisten] darüber gegeben haben ſoll, und / angeſtanden, dir]Dir zu ſchreiben, um dich]Dich nicht zu neuen, allzufrühzeitigen / Vorſtellungen zu verleiten. Man hätte dir]Dir die Antwort geben können, / daß der Befehl darüber noch nicht an den hieſigen Commendanten]Kommandanten / angekommen wäre. Doch jetzt, nach einer faſt vierwöchentlichen / 10 vergeblichen Erwartung, ſcheint es mir wahrſcheinlich, daß gar keiner / ausgefertigt worden iſt, und daß man dich]Dich, mein vortreffliches Mädchen, / bloß mit Vorgeſpiegelungen abgefertigt hat. Ich weiß ſogar aus / einer ſicheren Quelle, daß der hieſige Commendant]Kommandant wegen meiner / Inſtructionen]Instruktionen hat, die mit dem guten Willen, mich loszulaſſen, nicht / in der beßten]besten Verbindung ſtehn. Inzwiſchen iſt meine Lage hier, unter / Menſchen, die von Schmach und Elend niedergedrückt ſind, wie du]Du / dir]Dir leicht denken kannſt, die widerwärtigſte; ob ein Frieden über/haupt ſein wird, wiſſen die Götter; und ich ſehne mich in mein / Vaterland zurück. Es wäre vielleicht noch ein neuer Verſuch bei / 20 dem Gen. Clarke zu wagen. Vielleicht, daß er immer noch geglaubt / hat, etwas herauszubringen, wo nichts herauszubringen iſt, / [2] [BKA IV/2 493] daß er mit dieſem Verfahren hat Zeit gewinnen wollen und / ſich jetzt endlich von der Nutzloſigkeit meiner Gefangenſchaft / überzeugt hat. Wie gern mögte]möchte ich dir]Dir, zu ſo vielem Andern]andern, / auch noch dieſe Befreiung daraus verdanken! Wie willkommen / iſt mir der Wechſel geweſen, den du]Du mir durch Schlotheim über/ſchickt haſt. Es wird dir]Dir unerhört ſcheinen, wenn ich dir]Dir ver/ſichere, daß ich während der ganzen zwei er[SE:1993 II 781] ſten Monate / [DKV IV 377] meiner Gefangenſchaft keinen Sol erhalten habe; daß / 30 ich von einem Ort zum andern ver[Heimböckel:1999 (Reclam) 386] wieſen worden bin; daß / mir auch noch jetzt alle Reklamationen nichts helfen, und / kurz, daß ich darum förmlich betrogen worden bin. Der allgemeine / Grund war immer der, daß man nicht wüßte, ob man [MA II 869] mich / als Staatsgefangnen oder Kriegsgefangnen behandeln ſollte; / und ob ich während dieſes Streits verhungerte, oder nicht, / war einerlei. Jetzt endlich hat es der hieſige Commendant]Kommandant / durchgeſetzt, daß ich das gewöhnliche Tractament]Traktament der kriegs/gefangenen Officiere]Offiziere von 37 Franken monatlich erhalte. Dies / und dein Wechſel ſchützt mich nun vor]vorderhand der][] Hand][] vor Noth]Not; / 40 und wenn jetzt nur bald ein Befehl zu meiner Befreiung / ankäme, ſo würde ich, mit den Indemnitäten, die die reiſenden / Officiere]Offiziere erhalten, meine Rückreiſe noch beſtreiten können. / Zwar, wenn der Friede nicht bald eintrit]eintritt, ſo weiß ich kaum, / was ich dort ſoll. Glück kann, unter dieſen Umſtänden, / niemandem blühen; doch mir am wenigſten. Rühle Rühle R[] [in Fußnote: ›wohl Rühle‹] R(ühle) ]Rühle hat ein / Manuſcript]Manuskript, das mir unter andern Verhältniſſen das Dreifache / werth]wert geweſen wäre, für 24 Louisd’or]Louisdor verkaufen müſſen. Ich / [3] [BKA IV/2 494] habe deren noch in dieſem Augenblick zwei fertig; doch ſie / ſind die Arbeit eines Jahres, von deren Einkommen ich zwei / 50 hätte leben ſollen, und nun kaum ein halbes beſtreiten kann. / Inzwiſchen bleibt es immer das Vortheilhafteſte]Vorteilhafteste für mich, mich ]mich zurückzukehren, / und mich irgendwo in der Nähe des Buchhandels aufzuhalten, / wo er am Wenigſten]wenigsten daniederliegt. — Doch genug jetzt von / mir. Es iſt widerwärtig, unter Verhältniſſen, wie die beſte/henden ſind, von ſeiner eignen Noth]Not zu reden. Menſchen, von / unſrer Art, ſollten immer nur die Welt denken. Was ſind dies / für Zeiten! Und das Hülfloſeſte daran iſt, daß man nicht einmal / davon reden darf. — Schreibe mir bald, daß ich nach Berlin / zurückkehren kann. Angern und die Kleiſten ſind jetzt nicht / 60 mehr da; meine ganze Hoffnung beruht auf dich]Dich. Adieu. /
Chalons sur Marne, d. 8t ]8. Juni, ]Juni 1807. ]1807 Heinrich [in neuer Zeile] v. von ]von Kleiſt. /