[076] An Ulrike v. Kleist, 26. Oktober 1803
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Meine theure Ulrike, sei mein starkes Mädchen! Was ich dir schreiben werde, kann dir vielleicht das Leben kosten; aber [MA II 819] ich muß, ich muß, ich muß es vollbringen. Ich habe in Paris mein Werk, so weit es fertig war, durchlesen, verworfen, und verbrannt: und nun ist es aus. Der Himmel versagt mir den Ruhm, das größte der Güter der Erde; ich werfe ihm, wie ein eigensinniges Kind, alle übrigen hin. Ich kann mich deiner Freundschaft nicht würdig zeigen, ich kann ohne diese Freundschaft doch nicht leben: ich stürze mich in den Tod. Sei ruhig, du Erhabene, ich werde den schönen Tod der Schlachten sterben. Ich habe die Hauptstadt dieses Landes verlassen, ich bin an seine Nordküste gewandert, ich werde französische Kriegsdienste nehmen, das Heer wird bald nach England hinüber rudern, unser aller Verderben lauert über den Meeren, ich frohlocke bei der Aussicht auf das unendlich- prächtige Grab. O du Geliebte, du wirst mein letzter Gedanke sein!
St. Omer, d. 26t October, 1803. Heinrich von Kleist.