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    Bülletin der öffentlichen Blätter. [05.01.1811]Brief eines Dichters an einen anderen.Kalender-Betrachtung.
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  • 1811. No. 4. Berlin, den 5ten Januar 1811.
1811. No. 4. Berlin, den 5ten Januar 1811.

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13

1811. No. 4.

Berliner Abendblaͤtter.

Berlin, den 5ten Januar 1811.

Buͤlletin der oͤffentlichen Blaͤtter.

Commercy, den 12ten Decbr.

Eine ſchon etwas bejahrte Wittwe zu Joinville, im
Meuſe⸗Departement, klagte ſeit zwei Jahren beſtaͤn⸗
dig uͤber Uebelkeiten, Herzklopfen, Kraͤmpfe und5
Ekel vor allen Nahrungsmitteln.
Man ſchrieb dieſe
Umſtaͤnde einer Verletzung der Eingeweide zu, wobei
man jedoch nicht verkannte, daß der Urſprung und
die Hartnaͤckigkeit des Uebels von einem im Magen
befindlichen fremdartigen Koͤrper herruͤhren muͤſſe.10
Endlich ſpie die ungluͤckliche Frau nach dem ſchmerz⸗
hafteſten zweimonatlichen Vomiren, in Gegenwart
einer Menge huͤlfeleiſtender Menſchen, eine lebendige
Eidexe aus.

Die uͤber den unerwarteten Anblick des Thieres15
beſtuͤrzten Menſchen, ergriffen und zertraten daſſelbe.
Dieſes Amphibium hatte einen ſehr duͤnnen und lan⸗
gen Koͤrper, eine hellgraue Farbe, die auf dem Ruͤk⸗
ken kaſtanienbraun und unter dem Bauche gelb ſchat⸗
tirte, 4 kleine Beine, und an jedem Fuß 5 mit Naͤ⸗20
geln verſehene Klauen; einen dreieckigen, nach vorne
etwas abgeſtumpften und gekruͤmmten Kopf, einen
kurzen und an dem Ende fadenfoͤrmigen Schwanz.
Die Feuchtigkeit, die dieſes Thier, nachdem es geſtor⸗
ben war, von ſich gab, glich dem Eiter.25

Leider dachte keiner der Anweſenden daran, dieſe
Eidexe aufzubewahren, noch auf die Kriſen, die dieſer
Expektoration vorangingen und folgten, zu achten.
Die Leidende ſtarb zu Ende des vergangenen Octobers,
ohne daß man weiß, ob ihr Ende der Beherbergung 30
dieſes laͤſtigen Gaſtes zuzuſchreiben ſei.

Die beſchriebene Eidexe iſt die ſogenannte Mauer⸗
Eidexe (lacerta vulgaris) und es iſt wahrſcheinlich,
14 daß ſie der ungluͤcklichen Frau waͤhrend des Schlafs
in den Mund geſchluͤpft ſei.35

(Archiv f. Lit. K. u. Pol.)

Stockholm, den 21ſten Decbr.

Der Ruſſiſche Oberſt Czerniſcheff und der Feld⸗
jaͤger Blumenthal ſind von Petersburg hier ange⸗
kommen.40

Hamburg, den 1ſten Jan.

Unterm 30ſten December erſchien hier folgendes
Publicandum:

„Da, in Gemaͤßheit der Verfuͤgung des Herrn
Generals Compans, den 31ſten December alle oͤffent⸗45
liche Caſſen in Empfang genommen und verſiegelt
werden ſollen, ſo macht Ein Hochedler Rath nicht al⸗
lein dieſes oͤffentlich bekannt, ſondern bringt zugleich
die dabei erfolgte Anzeige zur Wiſſenſchaft aller hie⸗
ſigen Buͤrger und Einwohner: daß die Maßregel den50
Zuſtand des oͤffentlichen Guts und der Handlung kei⸗
nesweges aͤndere, daß ſie vielmehr eine nothwendige
Folge der Vereinigung unſrer Stadt und des Gebiets
mit dem Franzoͤſiſchen Reiche ſei, und daß folglich
alle und jede Behoͤrde und Einwohner dieſer guten55
Stadt daraus keine Beſorgniſſe ſchoͤpfen duͤrfen, da
ſowol das oͤffentliche, als Privat⸗Gut unverletzt er⸗
halten werden wird.

Gegeben in Unſrer Rathsverſammlung. Hamburg,
den 30ſten December 1810.60

Brief eines Dichters an einen anderen.

Mein theurer Freund!

Juͤngſthin, als ich Dich bei der Lektuͤre meiner
Gedichte fand, verbreiteteſt Du Dich, mit außerordent⸗
licher Beredſamkeit, Beredſamkeit uͤber die Form,
und unter beifaͤlligen Ruͤckblicken65
uͤber die Schule, nach der ich mich, wie Du voraus⸗
zuſetzen beliebſt, gebildet habe; ruͤhmteſt Du mir auf
eine Art, die mich zu beſchaͤmen geſchickt war, bald
die Zweckmaͤßigkeit des dabei zum Grunde liegenden
Metrums, bald den Rhythmus, bald den Reiz des70
Wohlklangs und bald die Reinheit und Richtigkeit
des Ausdrucks und der Sprache uͤberhaupt. Erlaube
mir, Dir zu ſagen, daß Dein Gemuͤth hier auf Vor⸗
15zuͤgen verweilt, die ihren groͤßeſten Werth dadurch be⸗
wieſen haben wuͤrden, daß Du ſie gar nicht bemerkt75
haͤtteſt.
Wenn ich beim Dichten in meinen Buſen
faſſen, meinen Gedanken ergreifen, und mit Haͤnden,
ohne weitere Zuthat, in den Deinigen legen koͤnnte:
ſo waͤre, die Wahrheit zu geſtehn, die ganze innere
Forderung meiner Seele erfuͤllt.
Und auch Dir, Freund,80
duͤnkt mich, bliebe nichts zu wuͤnſchen uͤbrig: dem Dur⸗
ſtigen kommt es, als ſolchem, auf die Schaale nicht
an, ſondern auf die Fruͤchte, die man ihm darin bringt.
Nur weil der Gedanke, um zu erſcheinen, wie jene
fluͤchtigen, undarſtellbaren, chemiſchen Stoffe, mit et⸗85
was Groͤberem, Koͤrperlichen, verbunden ſein muß:
nur darum bediene ich mich, wenn ich mich Dir mit⸗
theilen will, und nur darum bedarfſt Du, um mich zu
verſtehen, der Rede, Sprache, des Rhythmus, Wohl⸗
klangs
Rhythmus, Wohl⸗
klang
u. ſ. w. und ſo reizend dieſe Dinge auch, in ſofern auch,inſofern 90
ſie den Geiſt einhuͤllen, ſein moͤgen, ſo ſind ſie doch an und
fuͤr ſich, aus dieſem hoͤheren Geſichtspunkt betrachtet,
nichts, als ein wahrer, obſchon natuͤrlicher und noth⸗
wendiger Uebelſtand; und die Kunſt kann, in Bezug
auf ſie, auf nichts gehen, als ſie moͤglichſt verſchwin⸗95
den
zu machen. Ich bemuͤhe mich aus meinen beſten
Kraͤften, dem Ausdruck Klarheit, dem Versbau Be⸗
deutung, dem Klang der Worte Anmuth und Leben
zu geben: aber bloß, damit dieſe Dinge gar nicht, viel⸗
mehr einzig und allein der Gedanke, den ſie einſchlies⸗100
ſen, erſcheine.
Denn das iſt die Eigenſchaft aller aͤch⸗
ten Form, daß der Geiſt augenblicklich und unmittel⸗
bau
unmittel⸗
bar
daraus hervorteitt, hervortritt, waͤhrend die mangelhafte ihn,
wie ein ſchlechter Spiegel, gebunden haͤlt, und uns
an nichts erinnert, als an ſich ſelbſt.
Wenn Du mir105
daher, in dem Moment der erſten Empfaͤngniß, die
Form meiner kleinen, anſpruchloſen Dichterwerke lobſt:
ſo erweckſt Du in mir, auf natuͤrlichem Wege, die
Beſorgniß, daß darin ganz falſche rhythmiſche und
proſodiſche Reize enthalten ſind, und daß Dein Ge⸗110
muͤth, durch den Wortklang oder den Versbau, ganz
und gar von dem, worauf es mir eigentlich ankam,
abgezogen worden iſt.
Denn warum ſollteſt Du ſonſt
dem Geiſt, den ich in die Schranken zu rufen bemuͤht
war, nicht Rede ſtehen, und grade wie im Geſpraͤch,115
ohne auf das Kleid meines Gedankens zu achten, ihm
ſelbſt, mit Deinem Geiſte, entgegentreten?
Aber dieſe
16 Unempfindlichkeit gegen das Weſen und den Kern der
Poeſie, bei der, bis zur Krankheit, ausgebildeten Reiz⸗
barkeit fuͤr das Zufaͤllige und die Form, klebt Deinem120
Gemuͤth uͤberhaupt, meine ich, von der Schule an,
aus welcher Du ſtammſt; ohne Zweifel gegen die Ab⸗
ſicht dieſer Schule, welche ſelbſt geiſtreicher war, als
irgend eine, die je unter uns auftrat, obſchon nicht
ganz, bei dem paradoxen Muthwillen ihrer Lehrart,125
ohne ihre Schuld.
Auch bei der Lectuͤre von ganz
andern Dichterwerken, als der meinigen, bemerke ich,
daß Dein Auge, (um es Dir mit einem Sprichwort
zu ſagen) den Wald vor ſeinen Baͤumen nicht ſieht.
Wie nichtig oft, wenn wir den Shakespear zur Hand 130
nehmen, ſind die Intereſſen, auf welchen Du mit
Deinem Gefuͤhl verweilſt, in Vergleich mit den gro⸗
ßen, erhabenen, weltbuͤrgerlichen, die vielleicht nach
der Abſicht dieſes herrlichen Dichters in Deinem
Herzen anklingen ſollten!
Was kuͤmmert mich, auf den135
Schlachtfeldern von Agincourt, der Witz der Wort⸗
ſpiele, die darauf gewechſelt werden; und wenn Ophe⸗
lia vom Hamlet ſagt: „welch ein edler Geiſt ward
hier zerſtoͤrt!“ — oder Macduf vom Macbeth: „er „er hat
keine Kinder!“ —
Was liegt an Jamben, Reimen,140
Aſſonanzen und dergleichen Vorzuͤgen, fuͤr welche
dein Ohr ſtets, als gaͤbe es gar keine andere, geſpitzt
iſt? — Lebe wohl! Vor »Lebe wohl!« Absatzeinfügung

N y.

Kalender⸗Betrachtung.145

den 10ten Maͤrz 1810. 1811.

Im vorigen Jahre waren keine ſichtbaren Son⸗
nen⸗ oder Mond⸗Finſterniſſe; alſo ſeit ungewoͤhnlich
langer Zeit die erſte faͤllt auf den Geburtstag unſrer
unvergeßlichen Koͤniginn.
Der Mond, der an dieſem150
Tage das Zeichen der Jungfrau verlaͤßt, wird in der
ſechſten Morgenſtunde (die auch ihre Todesſtunde war)
verfinſtert, und geht in der Verfinſterung unter. —
Uebrigens iſt es Sonntag.

Bülletin der öffentlichen Blätter. [05.01.1811]; Brief eines Dichters an einen anderen.; Kalender-Betrachtung.;

https://archive.org/details/BerlinerAbendbltter1810-11/page/n336/mode/1up

Quellenangaben für Zitation
https://kleist-digital.de/berliner-abendblaetter/1811-04, [ggf. Angabe von Zeile/Vers oder Seite], 18.05.2025

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Apparat

  • Editorische Anmerkungen
  • Emendationen
  • Kollation Editionen
  • Stellenkommentar
 Emendationen (insges. 5)
  • 65Beredſamkeit,Beredſamkeit uͤber die Form,
  • 89des Rhythmus, WohlklangsRhythmus, Wohlklang
  • 102unmittelbauunmittelbar
  • 103hervorteitt,hervortritt,
  • 139„er„er hat

Textkonstitution

Textwiedergabe nach:
Kleist, Heinrich von (Hrsg.): Berliner Abendblätter. 1811. No. 4. Berlin, den 5ten Januar 1811. Berlin: August Kuhn, 5.1.1811.

Faksimiledruck in: BA-Reprint:1925 S. 13–16 (1811)

Editorische Anmerkungen

  • 65 Korrektur in »Beredſamkeit uͤber die Form,«. Vgl. ›Sinnentstellende Druckfehler in Nro. 4. des Abendblatts.‹ am Ende von ›Berliner Abendblätter‹ 1811, Nr. 7.
  • 89 Korrektur in »Rhythmus, Wohlklang«. Vgl. ›Sinnentstellende Druckfehler in Nro. 4. des Abendblatts.‹ am Ende von ›Berliner Abendblätter‹ 1811, Nr. 7.

Angaben zu den einzelnen Artikeln

Bülletin der öffentlichen Blätter. [05.01.1811]

Zur Autorschaft: Heinrich von Kleist [Bearb.]

Bülletin ›Commercy‹: Redigierter Text aus ›Archiv für Literatur, Kunst und Politik‹ vom 26.10.1810; Bülletin ›Stockholm‹, ›Hamburg‹: redigierter Text aus ›Privilegirte Liste der Börsen-Halle‹ vom 1.1.1811.

Pagina Erstdruck Berliner Abendblätter: S. 13f. (1811)

Pagina Kleist-Editionen: [BKA] II/8 II 22f.

Brief eines Dichters an einen anderen.

Zur Autorschaft: Autor-Zn: N y. [= Heinrich von Kleist]

Pagina Erstdruck Berliner Abendblätter: S. 14–16 (1811)

Pagina Kleist-Editionen: [BKA] II/8 II 23–26 [MA] II 451f. [DKV] III 565–567 [SE:1993] II 347–349

Kalender-Betrachtung.

Zur Autorschaft: Heinrich von Kleist

Pagina Erstdruck Berliner Abendblätter: S. 16 (1811)

Pagina Kleist-Editionen: [BKA] II/8 II 26 [MA] II 453 [DKV] III 610f. [SE:1993] II 407

 Vergleich Editionen

Die durchgeführte Kollation mit unterschiedlichen historischen und aktuellen Kleist-Editionen zeigt bestimmte Lesarten und Emendationen, die von der vorliegenden emendierten Fassung abweichen. In den Anmerkungen finden sich hierzu häufig nähere Erläuterungen. (Gelegentlich ist die Ursache für Abweichungen ein Transkriptionsfehler in der jeweiligen Edition.)

Disclaimer: Abweichungen, die ihren Grund in typographisch bedingten Normalisierungen und Standardisierungen haben, werden nicht angezeigt. Ein Anspruch auf Vollständigkeit kann nicht erhoben werden. Mitgeteilte Abweichungen müssen am Original überprüft werden.

[MA:2010] [3 Abw.]
  • 90auch, in ſofern ] auch,inſofern
  • 143Lebe wohl! ] Vor »Lebe wohl!« Absatzeinfügung
  • 1461810. ] 1811.
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