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Polizeiliche Tages⸗Mittheilungen.
Geſtern Morgen gegen 9
Uhr kam hinter dem Koͤ⸗
niglichen Stalle in der
breiten Straße ein bekleideter
maͤnnlicher Leichnam,
welcher noch nicht in Verwe⸗
ſung uͤbergegangen
iſt, angeſchwommen. Er wurde5
ſogleich herausgezogen.
Am 26ſten Abends um 8 Uhr iſt ein Handſchuh⸗
macher⸗Lehrburſche hinter der Koͤnigl. Baͤckerei bei
der
Kommunikations⸗Bruͤcke ins Waſſer gefallen, je⸗
doch von einem Schloſſerlehrlinge und einem hinzuge⸗10
kommenen Soldaten ſogleich gerettet worden.
Buͤlletin der oͤffentlichen Blaͤtter.
London, d. 13ten Dec.
Ein zu Portsmouth angekommenes amerikaniſches
Schiff hat
Nachrichten aus Liſſabon mitgebracht. Es15
ſcheint, daß in der Stellung der Armee von Maſſena
keine wichtige Veraͤnderung vorgegangen iſt, außer
daß ſich ſeine Arriergarde weiter hinter den Zezere
bis nach Punhete zuruͤckgezogen und daſelbſt ihre
Stellung genommen hat.20
Ueberhaupt ſcheinen alle Operationen des Feld⸗
zugs auf ein bis zwei Monate ſuspendirt zu ſein. Die
von Maſſena eingenommene
Poſition iſt ſo ſtark und
feſt, daß Lord Wellington
ſelbſt ſie fuͤr unangreifbar
erklaͤrt. Der franz. General wird daſelbſt warten,25
bis ein ſtaͤrkerer Froſt die Ankunft ſeiner
Artillerie
und ſeiner Verſtaͤrkungen verſtattet;
alsdann kann
man erwarten, daß der Feldzug von Neuem im
Fe⸗
bruar eroͤffnet werde. Dies wird aber wahrſchein⸗
lich, von ſeiner Seite, mit einer ſolchen Vermehrung30
der Macht geſchehen, daß jede Hoffnung, Liſſabon zu
vertheidigen und die Halbinſel zu befreien, verloren
ſein duͤrfte.
(L. d. B.)
Paris, d. 19ten Dec.35
Nach einer Depeſche des Gen. Capitains von
Isle de France an den Miniſter der Marine und
Co⸗
lonien, ſind, in den daſigen Gewaͤſſern,
von dem Cap.
Duperté, zwei engliſche Fregatten, la Magicienne
und le Syrius
in Brand geſteckt, und zwei andere,40
die Nereide und
Iphigenia, nebſt den beiden Com⸗
pagnieſchiffen,
Ceylan und Windham, genommen wor⸗
den. Dabei ſind
mehrere Englaͤnder getoͤdtet, und ein
großer Theil des
24ten Regts, welches nach Oſtindien
beſtimmt war,
kriegsgefangen gemacht worden.45
(L. d. B.)
Mailand, d. 9ten Dec.
Am Abend des heutigen Tages verfuͤgte ſich Se.
Excellenz
der Hr. Herzog von Lodi, Siegelbewahrer
und Kanzler der
Krone, ſo wie auch Großwuͤrdetraͤ⸗50
ger des
Koͤnigl. Ordens der eiſernen Krone, auf die
Einladung Sr.
Kaiſ. Hoheit, des Vicekoͤnigs, in dem
naͤmlichen
Augenblick in den Pallaſt, in welchem Ihr.
K. Hoh. die
Vicekoͤniginn ihre Niederkunft erwartete.
Die Prinzeſſinn ward auch, in ſeiner und der Gegen⸗55
wart mehrerer anderer Kronbeamten und
Hofdamen
kurz darauf entbunden, das Kind Sr. Exc. dem
Hrn.
Kanzler Siegelbewahrer praͤſentirt, und ein
Verbal⸗
Prozeß, uͤber die Geburt und die
Anerkennung des
maͤnnlichen Geſchlechts deſſelben,
aufgeſetzt.60
(Corr. f. Deutſchl.)
Ueber die Aufhebung des laßbaͤuerlichen
Verhaͤltniſſes.
Wenn in dem Edikt vom 27ſten Oct. die Aufhe⸗
bung
des laßbaͤuerlichen Verhaͤltniſſes angedeutet,65
und
demjenigen Theil der Unterthanen, der ſich bis⸗
her keines Eigenthums ſeiner Beſitzungen erfreute, die
Ertheilung deſſelben angekuͤndigt wird; ſo folgt, trotz
der augenſcheinlichen Wohlthaͤtigkeit dieſer Maasregel
und der heilſamen Wirkungen, die ſich davon ohne70
Zweifel
fuͤr jede Art laͤndlicher Induſtrie ergeben wer⸗
den, doch nicht, daß dieſelbe ploͤtzlich und mit Einem
Schlage werde ins Leben gerufen werden.
Jede Beſchraͤnkung der Freiheit hat die nothwen⸗
dige Folge, daß der Beſchraͤnkte dadurch in eine Art75
von Unmuͤndigkeit tritt. Wer ſeine Kraͤfte
nicht ge⸗
brauchen darf, verliert das Vermoͤgen,
ſie zu gebrau⸗
chen, und zwar, wenn es geiſtige
Kraͤfte ſind, noch
raſcher und ſicherer, als wenn die
Beſchraͤnkung ſich
auf bloß koͤrperliche Kraͤfte
erſtreckt. Wenn nun die80
Schranken, die dieſe Kraͤfte hemmten, niederfallen:
entſteht dadurch auch ploͤtzlich wiederum, wie durch den
Schlag einer Zauberruthe, das Talent, davon die
zweckmaͤßigſte Anwendung zu machen? Keineswegs!
Vielmehr durch die lange Dauer einer ſolchen Be⸗85
ſchraͤnkung kann der Menſch ſo zuruͤckkommen,
daß er
gaͤnzlich die Faͤhigkeit dazu einbuͤßt, und ſich
durch
Aufhebung des Zwanges weit ungluͤcklicher
fuͤhlt, als
durch den Zwang ſelbſt. Auch der Leibeigene wird
ohne
Zweifel anfangs ſtutzen, wenn er nicht, wie bis⸗90
her, zur Zeit der Noth, bei ſeinem Herrn Unterſtuͤtz⸗
ung findet, und, wenn er dienſtfrei wird, die Zeit,
welche er bisher im Frohndienſt beſchaͤftigt war, nun
zur Erwerbung ſeines eignen Unterhalts anwenden
ſoll. Kurz, wird ein
Menſch, dem ſo lange der Ge⸗95
brauch gewiſſer
Kraͤfte unterſagt war, in deren freien
Gebrauch wieder
eingeſetzt, ſo muß er erſt lernen, von
dieſer Freiheit
Gebrauch zu machen, ſo wie ein Blind⸗
gebohrner,
der durch die wohlthaͤtige Hand des Arz⸗
tes ſein
Geſicht wieder erhielt, allmaͤhlich ſehen ler⸗100
nen muß.
Dieſe Betrachtungen ſind ohne Zweifel von der
Regierung
in Erwaͤgung gezogen worden und wir
fuͤhren ſie hier nur
an, um der Ungeduld derjenigen
zu begegnen, welche die
Publication der Edicte uͤber105
dieſen Gegenſtand nicht
erwarten koͤnnen.
Literatur.
Das ſo eben erſchienene Halle und
Jeruſa⸗
lem, Studentenſpiel und
Pilgerabentheuer von L. A.
v. Arnim wird in der Folge dieſer
Blaͤtter zugleich110
mit dem Roman deſſelben Dichters:
Armuth, Reich⸗
thum, Schuld und Buße der Graͤfinn
Dolores, einer
naͤheren Betrachtung unterzogen werden.
Vorlaͤufig
begnuͤgen wir
uns, auf die großartige und durchaus
eigenthuͤmliche
Natur jenes dramatiſchen Gedichtes115
aufmerkſam zu machen.
Erfuͤllt wie wir von dem er⸗
302ſten Eindruck
ſind, fehlt uns noch der Maaßſtab des
Urtheils, der
unter den uͤbrigen Alltaͤglichkeiten der
dermaligen
deutſchen Poeſie leicht abhanden kommt.
Wenn hier oder dort uns eine Wendung des wun⸗120
derbaren Gedichtes befremdete, ſo ſind wir doch nicht
Barbaren genug, um irgend eine angewoͤhnte, unſerm
Ohr
laͤngſt eingeſungene poetiſche Weiſe fuͤr die Re⸗
gel alles Geſanges zu halten. Der Dichter
hat mehr
auszuſprechen, als das beſondere uns in engen
Schu⸗125
len anempfundene Gute und Schoͤne.
Alles Vortrefliche
fuͤhrt
etwas Befremdendes mit ſich, am meiſten in
Zeiten, wo
die Wunder der Poeſie der großen Mehr⸗
zahl der
Menſchen auf Erden fremd geworden ſind.
rs.130
Anekdote.
Killigrew, der Kammerherr und
Hofnarr bei
Koͤnig Karl II. war, reiſ’te einſt in ſeinen
eigenen
Geſchaͤften nach Paris. Man hatte
den
dem
Emendation von »den« in »dem« nicht notiert.
Koͤnig Lud⸗
wig XIV. viel von dem Witze
dieſes Englaͤnders ge⸗135
ſagt und Killigrew, der
dies erfahren hatte, ſprach
bei Hofe kein Wort. Der Koͤnig ſagte deshalb zum
Herzog von ... daß er an Killigrew gar nicht den
witzigen Kopf finde, den man ihm ſo vorgeruͤhmt
babe.
habe.
Auch das erfuhr Killigrew wieder, und als140
ihn der Koͤnig in der Bildergallerie herumfuͤhrte,
und
ihm ein Bildniß des Heilandes wies, fragte er
ihn,
wer dies waͤre? Ich weiß es nicht, erwiderte
Killi⸗
grew. „Nun! wenn Sie es nicht wiſſen, ſo will ich
es Ihnen
ſagen; es iſt der Heiland am Kreuz, rechts145
iſt der Papſt
und links ſoll ich ſein.“ — Ich danke
Ew. Maj. fuͤr dieſe Nachricht, ſagte Killigrew; ich
habe immer gehoͤrt, daß unſer Heiland zwiſchen zwei
Schaͤchern gekreuzigt worden ſei, aber ich habe bis
jetzt noch nicht erfahren koͤnnen, wer ſie geweſen
ſind.150
††
Neue
Muſikalien.
Der Saͤnger. Ballade von A.
Kuhn, in Muſik geſetzt von
A. Harder. (Mit einem ſehr
ſchoͤnen Kupfer von L.
Wolf und Meyer.) Pr. I thl. 8
gr.155
Zehn leichte Variationen f.
Guit. uͤber das beliebte Tyro⸗
lerlied von A.
Harder. Pr. 6 gr.
Zu finden im Kunſt⸗ und Induſtr. Compt. Leipzi⸗
ger u. Charlottenſtraße⸗Ecke, Nro.
36.