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    Von der Ueberlegung. (Eine Paradoxe.)Anekdote ›Ausstattung der Tochter‹Miscellen. [07.12.1810]Bülletin der öffentlichen Blätter. [07.12.1810]
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  • 59tes Blatt. Den 7ten December 1810.
59tes Blatt. Den 7ten December 1810.

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xxx

Berliner Abendblätter.

59tes Blatt. Den 7ten December 1810.

Von der Ueberlegung.

(Eine Paradoxe.)

Man ruͤhmt den Nutzen der Ueberlegung in alle
Himmel; beſonders der kaltbluͤtigen und langwieri⸗
gen, vor der That.
Wenn ich ein Spanier, ein 5
Italiener oder ein Franzoſe waͤre: ſo moͤgte es da⸗⸗
damit
da⸗
mit
ſein Bewenden haben.
Da ich aber ein
Deutſcher bin, ſo denke ich meinem Sohn einſt, be⸗
ſonders wenn er ſich zum Soldaten beſtimmen ſoll⸗
te, folgende Rede zu halten.
10

„Die Ueberlegung, wiſſe, findet ihren Zeitpunkt
weit ſchicklicher nach, als vor der That.
Wenn
ſie vorher, oder in dem Augenblick der Entſcheidung
ſelbſt, ins Spiel tritt: ſo ſcheint ſie nur die zum
Handeln noͤthige Kraft, die aus dem herrlichen Ge⸗15
fuͤhl quillt, zu verwirren, zu hemmen und zu unter⸗
druͤcken; dagegen ſich nachher, wenn die Handlung
abgethan iſt, der Gebrauch von ihr machen laͤßt,
zu welchem ſie dem Menſchen eigentlich gegeben iſt,
naͤmlich ſich deſſen, was in dem Verfahren fehler⸗20
haft und gebrechlich war, bewußt zu werden, und
das Gefuͤhl fuͤr andere kuͤnftige Faͤlle zu reguliren.

Das Leben ſelbſt iſt ein Kampf mit dem Schick⸗
ſal; und es verhaͤlt ſich auch mit dem Handeln wie
mit dem Ringen.
Der Athlet kann, in dem Au⸗25
genblick, da er ſeinen Gegner umfaßt haͤlt, ſchlecht⸗
hin nach keiner anderen Ruͤckſicht, als nach bloßen
augenblicklichen Eingebungen verfahren; und derje⸗
[ 59 ] 232nige, der berechnen wollte, welche Muskeln er an⸗
ſtrengen, und welche Glieder er in Bewegung ſez⸗30
zen ſoll, um zu uͤberwinden, wuͤrde unfehlbar den
Kuͤrzeren ziehen, und unterliegen.
Aber nachher,
wenn er geſiegt hat oder am Boden liegt, mag es
zweckmaͤßig und an ſeinem Ort ſein, zu uͤberlegen,
durch welchen Druck er ſeinen Gegner niederwarf, 35
oder welch ein Bein er ihm haͤtte ſtellen ſollen, um
ſich aufrecht zu erhalten.
Wer das Leben nicht,
wie ein ſolcher Ringer, umfaßt haͤlt, und tauſend⸗
gliedrig, nach allen Windungen des Kampfs, nach
allen Widerſtaͤnden, Druͤcken, Ausweichungen und 40
Reactionen, empfindet und ſpuͤrt: der wird, was er
will, in keinem Geſpraͤch, durchſetzen; vielweniger
in einer Schlacht.“

x.

Anekdote.45

Ein Herr von D... in Moskau, ein ſehr reicher
Gutsbeſitzer, zeichnete ſich durch eine Menge Biſarre⸗
rien
aus.

Eine ſeiner Toͤchter verheirathete ſich wider ſeinen
Willen. Sie erhielt alſo auch nicht die geringſte Aus⸗50
ſtattung, und er verbot ihr und ihrem Gemahl, ihm
jemals vor Augen zu kommen.

Als die junge Frau von einem Sohn entbunden
worden war, wagte ſie es, in Begleitung ihres Gatten
zu ihrem entzuͤrnten Vater zu fahren, in der Hoffnnug, Hoffnung, 55
daß nun ſein Zorn abgekuͤhlt ſein, und der Anblick ei⸗
nes Enkels ſein Herz zur Verſoͤhnung erweichen wuͤrde.

Das junge Ehepaar uͤberraſchte ihn und die Toch⸗
ter legte ihm den Erſtgebohrnen in den Arm.
Er ſchien
verlegen, doch bald faßte er ſich, nahm ſeine Tochter 60
und ſeinen Schwiegerſohn hoͤflich auf, bewirthete beide
233aufs Beſte, ſprach aber kein Wort uͤber ihre Verbin⸗
dung, noch uͤber eine Ausſtattung.

Als die jungen Leute wieder wegfuhren, fanden
ſie ein friſch geſchlachtetes Schwein in ihrem Wagen.
65

Der Mann, der ſich hoͤchſt beleidigt hielt, wollte
es herauswerfen laſſen, ſeine Gattin beruhigte ihn in⸗
deſſen, und brachte es endlich dahin, dieſe Laune des
Schwiegervaters zu dulden und kein Aufſehn zu machen.

Als ſie zu Hauſe gekommen waren, ſollten die Be⸗70
dienten das Schwein forttragen, keiner aber vermogte
es aufzuheben.
Man unterſuchte es naͤher und fand es
mit einigen tauſend Goldſtuͤcken angefuͤllt. —
Dieſe
Geſchichte iſt ſinnreicher, als mancher glaubt.

(Gem. Unterh. Blaͤtter.)75

Miscellen.

Die Aufmerkſamkeit aller Staatskundigen iſt in
dieſem Augenblick auf das innere Schickſal der Oeſtreich⸗
iſchen Monarchie gerichtet: die Banknoten, welche am
24ten Nov. ſchon 880 ſtanden fallen mehr und mehr 80
und ihre voͤllige Werthloſigkeit iſt mit Sicherheit vor⸗
auszuſehn, wenn nicht alle großen Eigenthuͤmer der
Monarchie ins Mittel treten. Der diesjaͤhrige Miß⸗
credit der Papiere hatte drei Hauptveranlaßungen

1) die Stipulationen des Wiener Friedens und 85
den Verluſt von Trieſt; dann vorzuͤglich

2) den 5ten §. des erſten Kaiſerl. Koͤnigl. Finanz⸗
patents, der zwar noch nicht ausgefuͤhrt, aber
doch auch noch nicht feierlich zuruͤckgenommen
worden; endlich
90

3) den Kaiserl. Franzoͤſiſchen Colonial⸗Tarif und
die Maasregeln in deſſen Gefolge das Wiener
Papier auf ſeinen vorzuͤglichſten auslaͤndiſchen
Maͤrkten, in Augsburg, Strasburg, Frankfurt,
Livorno ⁊c. außer Cours geſetzt worden iſt.
95

Unbegreiflich hat es laͤngſt ſcheinen muͤſſen, warum
man nicht aus den Getreide⸗, Fleiſch⸗ und anderen
Conſumtions⸗Artikel⸗Preiſen auf den vorzuͤglichſten
234Plaͤtzen im innern Umfange der Monarchie, einen in⸗
nern Cours zu berechnen bedacht geweſen iſt, waͤre es 100
auch nur um der furchtbaren Augsburger Zahl ein
troͤſtliches Gegengewicht und der oͤffentlichen Meinung
der Nation eine beſſere Richtung zu geben. —
Da nun
einmal die Schickſale aller Familien im Umfange der
Monarchie an das Schickſal der Bankzettel gebunden 105
ſind, ſo ſieht man einer ſchleunigen Vereinigung aller
großen Geld und Guͤterbeſitzer entgegen, die ſich, nach
Art der Brittiſchen Handlungshaͤuser im J. 1797 ver⸗
pflichten muͤßten die Bankzettel in allen Faͤllen zu ei⸗
nem mittleren Courſe etwa zu 300 anzunehmen, wo 110
alsdann die projectirten Einloͤſungsſcheine leicht in
Cours geſetzt werden koͤnnten und die Monarchie zu
ihrer innern Conſolidation den bedeutendſten Schritt
gemacht haben wuͤrde.
Praͤliminarbedingung iſt indeß
die feierliche Zuruͤcknahme des erwaͤhnten 5ten §s.
115

A. M.

Buͤlletin der oͤffentlichen Blaͤtter.

Der Koͤnig von Schweden Guſtav Adolph hat
vorlaͤufig in der Gegend von Colcheſter bleiben und
nicht nach London kommen duͤrfen.
Herr Pierrepoint 120
(vormaliger Geſandter in Schweden) beſorgt ſeine
Angelegenheiten. (Mon.)

Bis zum 21ter November war das Fieber des Koͤ⸗
nigs von England
, weder im Zu⸗ noch im Abnehmen.
(Mon.)
125

Laut Nachrichten vom 25. Nov. aus Stockholm, liest ohne Komma
ſollte nunmehr das feierliche Leichenbegaͤngniß de des
Grafen Axel Ferſen vor ſich gehn. (L. d. B.)

Von der Ueberlegung. (Eine Paradoxe.); Anekdote ›Ausstattung der Tochter‹; Miscellen. [07.12.1810]; Bülletin der öffentlichen Blätter. [07.12.1810];

https://archive.org/details/BerlinerAbendbltter1810-11/page/n244

Quellenangaben für Zitation
https://kleist-digital.de/berliner-abendblaetter/1810-59, [ggf. Angabe von Zeile/Vers oder Seite], 09.05.2025

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Stellenkommentar

48BiſarrerienVgl. DWb ›BIZARRERIE‹: »eigenwilliges verhalten, marotte«

55entzuͤrntenUm 1800 noch sehr gebräuchliche Form für das Adjektiv ›erzürnt‹.

85Stipulationenbindende Vereinbarung. Vgl. DWb ›Stipulation‹: »aus der sprache des römischen rechts übernommen, 'eine jedwede förmliche und ausdrückliche verpflichtung oder verbindung'«.

105BankzettelDie sog. Bancozettel waren das erste Papiergeld in Österreich und existierten in ihrer ursprünglichen Form von 1762 bis 1812. Durch immer höhere Staatsverschuldung infolge der Koalitionskriege führte die damit einhergehende Inflation schließlich am 20. Februar 1811 zum österreichischen Staatsbankrott. Besitzer der Bancozettel konnten diese nach dem Staatsbankrott über sog. ›Einlösungsscheine‹ zu einem Fünftel des ursprünglichen Werts eintauschen. Vgl. Wikipedia ›Bancozettel‹.

114PraͤliminarbedingungVorläufige, vorgängige Bedingung

 Emendationen (insges. 3)
  • 6da⸗damitdamit
  • 55Hoffnnug,Hoffnung,
  • 127dedes

Textkonstitution

Textwiedergabe nach:
Kleist, Heinrich von (Hrsg.): Berliner Abendblätter. 59tes Blatt. Den 7ten December 1810. Berlin: J. E. Hitzig, 7.12.1810.

Faksimiledruck in: BA-Reprint:1925 S. 231–234

Angaben zu den einzelnen Artikeln

Von der Ueberlegung. (Eine Paradoxe.)

Zur Autorschaft: Heinrich von Kleist

Pagina Erstdruck Berliner Abendblätter: S. 231f.

Pagina Kleist-Editionen: [BKA] II/7 I 301f. [MA] II 423f. [DKV] III 554f. [SE:1993] I 337f.

Anekdote ›Ausstattung der Tochter‹

Zur Autorschaft: Heinrich von Kleist [Bearb.]

Kleist erwähnt als Quelle dieser Anekdote die ›Gemeinnützige[n] Unterhaltungs-Blätter‹. Die Anekdote ist in der Ausgabe vom 29. September 1810 enthalten. R. Steig erwähnt als möglichen Autor (neben Kleist) Karl Müchler. Das Ende der Anekdote ist von Kleist modifiziert (statt ›mit Goldstücken‹ ergänzt Kleist zu ›mit einigen tausend Goldstücken‹) und um den letzten Satz ergänzt: ›Diese Geschichte ist sinnreicher, als mancher glaubt.‹

Pagina Erstdruck Berliner Abendblätter: S. 232f.

Pagina Kleist-Editionen: [BKA] II/7 I 302f.

Miscellen. [07.12.1810]

Zur Autorschaft: Autor-Zn: A. M. [= Adam Müller]

Pagina Erstdruck Berliner Abendblätter: S. 233f.

Pagina Kleist-Editionen: [BKA] II/7 I 303f.

Bülletin der öffentlichen Blätter. [07.12.1810]

Zur Autorschaft: Heinrich von Kleist [Bearb.]

Pagina Erstdruck Berliner Abendblätter: S. 234

Pagina Kleist-Editionen: [BKA] II/7 I 304

 Erwähnte Personen
  • []Fersen, Hans Axel Graf von (1)
  • []Georg III., König v. England (1)
  • []Gustav IV. Adolf, König von Schweden (1)
  • []Pierrepont, Henry Manvers (1)
  • [»]Alle Personen anzeigen +/–
 Erwähnte Orte
  • []Augsburg (1)
  • []Colchester (1)
  • []Frankfurth am Mayn (1)
  • []Livorno (1)
  • []London (1)
  • []Moskau (1)
  • []Schweden (1)
  • []Stockholm (1)
  • []Straßburg (1)
  • []Triest (1)
  • [»]Alle Orte anzeigen +/–
 Vergleich Editionen

Die durchgeführte Kollation mit unterschiedlichen historischen und aktuellen Kleist-Editionen zeigt bestimmte Lesarten und Emendationen, die von der vorliegenden emendierten Fassung abweichen. In den Anmerkungen finden sich hierzu häufig nähere Erläuterungen. (Gelegentlich ist die Ursache für Abweichungen ein Transkriptionsfehler in der jeweiligen Edition.)

Disclaimer: Abweichungen, die ihren Grund in typographisch bedingten Normalisierungen und Standardisierungen haben, werden nicht angezeigt. Ein Anspruch auf Vollständigkeit kann nicht erhoben werden. Mitgeteilte Abweichungen müssen am Original überprüft werden.

[BKA:1989] [1 Abw.]
  • 127Stockholm, ] liest ohne Komma
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