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Berliner Abendblaͤtter.
50tes Blatt. Den 27ten November 1810.
Literariſche Notiz.
Schon fruͤher iſt in dieſen Blaͤttern von dem, ſeit dem 1ſten Juli d. J. bei Hrn. Perthes in Hamburg erſcheinenden, Vaterlaͤndiſchen Muſeum die Rede geweſen. Das ſo eben erſchienene 5te Heft dieſer vortrefflichen Zeitſchrift enthaͤlt unter andern hoͤchſt merkwuͤrdigen Aufſaͤtzen eine von Herrn Hof⸗Sekretair Friedrich Schlegel in Wien abgehaltene Vorleſung uͤber die Natur und die Folgen der Kreuzzuͤge, die wir unſern Leſern nicht genug empfehlen koͤnnen. — Ueberhaupt verdient dieſe liberale, wir moͤgten ſagen, großmuͤthige Unternehmung, bei der, wie es die Natur der Sache zeigt, keine Art gemeiner Spekulation obgewaltet hat, die Unterſtuͤzzung aller Gutgeſinnten. Die alte Richtung des deutſchen Sinnes nach Gruͤndlichkeit des Denkens und Forſchens, findet ſich in dieſer Zeitſchrift wieder, und alle bedeutende Koͤpfe unſrer Nation werden ſich anſchließen. So ſehr dieſes Vaterlaͤndiſche Muſeum einerſeits ſtrebt die aͤußeren Verhaͤltniſſe von Deutſchland, wie es ſich gebuͤhrt, unberuͤhrt zu laſſen, ſo wird ſie doch andrerſeits alle inneren Staats-Angelegenheiten, Finanzen, Polizei, Geſetzgebung, oͤffentliche Erziehung und Cultus, einer ernſten Betrachtung unterziehn, und jedermann wird einer unbefangenen Eroͤrterung deſſen was in den verſchiedenen deutſchen Staaten in jenen großen Ruͤckſichten veraͤndert oder verbeſſert worden, mit großem Intereſſe entgegenſehn.
Theater.
Geſtern ſollte die Schweizerfamilie, vom Hrn. Kapellm. Weigl wiederholt werden. Ein heftiges und ziemlich allgemeines Klatſchen aber, bei der Erſcheinung 196Mſlle. Herbſt, welches durch den Umſtand, daß man, bevor ſie noch einen Laut von ſich gegeben hatte, da capo rief, ſehr zweideutig ward — machte das Herablaſſen der Gardine nothwendig; Hr. Berger erſchien und erklaͤrte, daß man ein anderes Stuͤck auffuͤhren wuͤrde.
Ob nun dem Publiko (wenn anders ein Theil deſſelben ſo heißen kann) das Stuͤck misfiel; ob es mit der Mſlle. Herbſt, fuͤr welche die Rolle der Emeline nicht ganz geeignet ſchien, unzufrieden war; oder welch eine andre Urſach, bei dieſen Bewegungen, zum Grunde liegen mogte — laſſen wir dahin geſtellt ſein. Das Angenehme der Muſik war, wie man hoͤrt, bei der erſten Darſtellung, ziemlich allgemein empfunden worden; und auch Mſlle. Herbſt hatte die Aufgabe mit mehr Geſchicklichkeit geloͤſ’t, als man, nach den Bedingungen ihrer muſikaliſchen und mimiſchen Natur, haͤtte erwarten ſollen.
Uebrigens ward das Publikum, durch die Auffuͤhung liest ›Aufführung‹ der beiden Stuͤcke: die Geſchwiſter von Goͤthe und des Singſpiels: der Schatzgraͤber gut genug entſchaͤdigt. liest ›entschädigt.‹ In dem erſten hat Mſlle. Schoͤnfeld recht wacker, und Hr. Gern, in dem andern, wie gewoͤhnlich, als Meiſter geſpielt. rz.
Anekdote.
Der Czar Iwan Baſilowitz, mit dem Beinamen der Tyrann, ließ einem fremden Geſandten, der, nach der damaligen Europaͤiſchen Etikette, mit bedecktem Haupte vor ihm erſchien, den Hut auf den Kopf nageln. Dieſe Grauſamkeit vermogte nicht den Botſchafter der Koͤnigin Eliſabeth von England, Sir Jeremias Bowes, liest ohne Komma abzuſchrecken. Er hatte die Kuͤhnheit, den Hut auf dem Kopfe, vor dem Czaar zu erſcheinen. Dieſer fragte ihn, ob er nicht von der Strafe gehoͤrt haͤtte, die einem andern Geſandten widerfahren waͤre, welcher ſich eine ſolche Freiheit herausgenommen? „Ja, Herr, erwiderte Bowes, aber ich bin der Botſchafter der Koͤnigin von England, die nie, vor irgend einem Fuͤrſten in der Welt, anders, wie mit bedecktem Haupte erſchienen iſt. Ich bin ihr Repraͤſentant, und wenn mir die geringſte Beleidigung widerfaͤhrt, ſo wird ſie mich zu raͤchen wiſſen.“ „Das iſt ein braver Mann, ſagte der Czaar, indem er ſich zu 197ſeinen Hofleuten wandte, der fuͤr die Ehre ſeiner Monarchin zu handeln und zu reden verſteht: wer von Euch haͤtte das naͤmliche fuͤr mich gethan?“
Hierauf wurde der Bothſchafter der Favorit des Czars. Dieſe Gunſt zog ihm den Neid des Adels zu. Einer der Großen, der zuweilen den vertrauten Ton mit dem Monarchen annehmen durfte, beredete ihn, die Geſchicklichkeit des Bothſchafters auf die Probe zuſtellen. Man ſagte naͤhmlich, daß er ein ſehr geſchickter Reuter waͤre. Nun wurde ihm, um den Beweis davon zu fuͤhren, ein ungebaͤndigtes ſehr wildes Pferd vor dem Czar zu reiten gegeben, und man hofte, daß Bowes zum wenigſten mit einer derben Laͤhmung das Kunſtſtuͤck bezahlen wuͤrde. Indeſſen widerfuhr der neidiſchen Eiferſucht der Verdruß, ſich betrogen zu ſehn. Der brave Englaͤnder baͤndigte nicht nur das Pferd, ſondern er jagte es dermaßen zuſammen, daß es kraftlos wieder heimgefuͤhrt wurde, und wenige Tage nachher crepirte. Dieſes Abentheuer vermehrte den Credit des Bothſchafters bei dem Czar, der ihm jederzeit nachher die ausgezeichnetſten Beweiſe ſeiner Huld widerfahren ließ.
(Barrow’s Sammlung von Reiſebeſchreibungen nach der franzoͤſiſchen Ueberſetzung von Targe. 1766.)
Schoͤnheit.
Jeglichem Sinn offenbart in mancher Geſtalt ſich die Schoͤnheit; Wohl ihm, welchem ſie mehr außer den Sinnen ſich zeigt.
Austauſch.
Wie ſich Thorheit leicht verraͤth in aͤußrer Gebaͤrde, Solche Gebaͤrde fuͤhrt innere Thorheit herbei. W.
Buͤlletin der oͤffentlichen Blaͤtter.
Paris den 16ten Nov.
Vermoͤge eines Kaiſerl. Franz. Dekrets vom 12ten d. iſt das Walliſer⸗Land, 1) um der Straße uͤber den Simplon mehr Sicherheit zu geben, 1982) weil die Regierung ihre Verpflichtungen, in Hinſicht auf den Bau derſelben, nicht nachgekommen iſt, 3) um uͤberhaupt der Anarchie, die dies Land druͤckt, ein Ende zu machen, — mit dem Franzoͤſiſchen Reiche vereinigt und ihm der Namen: Departement des Simplon, gegeben worden. (L. d. B.)
Die Engliſche Convoy, 600 Segel ſtark, unter dem Admiral Saumarez, iſt durch einen fuͤrchterlichen Sturm in der Oſtſee zerſtreut worden. Mehr als 200 Schiffe ſind geſcheitert, und viele andere, deren Zahl man noch nicht kennt, genoͤthigt worden, in die daͤniſchen oder preuſſiſchen Haͤfen einzulaufen, wo man ſie confiscirt hat. (L. d. B.)
Polizeiliche Tages-Mittheilungen.
Ein Kaufmann iſt geſtern Abend bei Verlaſſung des Schauſpielhauſes in deſſen Naͤhe mit zwei Toͤchtern und zwei Enkeln unter einen Wagen gerathen, deſſen Fuͤhrer wahrſcheinlich die Leine zerriſſen war, indem die Pferde mehrmals einen ſehr engen Kreis beſchrieben und zuletzt mit dem Vorderwagen weiter gegangen ſind. Auch ſoll der Kutſcher herabgefallen ſein.
Bei der aͤrztlichen Unterſuchung hat ſich ergeben, daß der Kaufmann vier Rippen mehrmals zerbrochen und außerdem eine ſtarke Kontuſion am Hinterkopfe, eine Geringere aber am linken Schenkel erhalten hat. Eine ſeiner Toͤchter hat eine leichte Kontuſion an der Huͤfte und ein 14jaͤhriger Knabe einen Stoß vor den Magen erlitten, die beiden uͤbrigen Perſonen blieben ganz unbeſchaͤdigt.
Nach dem Gutachten liest ›Gutachten‹ des Arztes iſt zwar keine der Verletzungen des Kaufmanns abſolut letal, ſie koͤnnen aber zuſammen genommen, da derſelbe ein bejahrter Mann iſt, leicht den Tod herbeifuͤhren. Die Folgen der Beſchaͤdigung des Knaben, ſind noch nicht ausgemittelt, ſcheinen jedoch von keiner Bedeutung zu ſein.
Wegen Ausforſchung des Kutſchers, welche bei dem dringenden Beduͤrfniß der Huͤlfsleiſtung fuͤr die Beſchaͤdigten nicht zur Stelle geſchehen konnte, ſind die noͤthigen Einleitungen bereits getroffen.