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    Das Gesicht Karls XI. König von Schweden. (Beschluß.)R. Eylert, Königlich Preußischer Hofprediger, und Kurmärkischer Consistorialrath.Kriegsregel.Miscellen.Polizeiliche Tages-Mittheilungen. [26.10.1810]
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23tes Blatt. Den 26ten October 1810.

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91

Berliner Abendblätter.

23tes Blatt. Den 26ten October 1810.

Das Gesicht Karls XI. König von Schweden.

(Beschluß.)

„Wir gingen da hinein. Allzusammen wurden wir
eines großen Tisches gewahr, von 16 würdigen Män¬
nern
umgeben; alle hatten große Bücher vor sich, un¬5
ter
ihnen ein junger König von 16, 17, 18 Jahren,
mit der Krone auf dem Haupt und dem Scepter in
der Hand.
Zur rechten Seite saß ein langer, schöner
Herr, von ungefähr 40 Jahren, sein Angesicht verkün¬
digte
Ehrlichkeit; und zu seiner linken Seite ein alter 10
Mann von ungefähr 70 Jahren.
Es war besonders,
daß der junge König mehrmals den Kopf schüttelte,
da alle diese würdigen Männer mit der einen Hand
hart auf die Bücher schlugen.
Ich warf dann meine
Augen von ihnen weg, und ward straks neben dem 15
Tische Richtblock bei Richtblock, und Henker gewahr,
alle mit aufgezogenen Hemdärmeln, und hieben einen
Kopf nach dem andern ab, so daß das Blut längs dem
Fußboden fortzuströmen anfing.
Gott soll mein Zeuge
seyn, daß mir mehr, als bang war; ich sah auf mei¬20
ne
Pantoffeln, ob etwa einiges Blut auf sie gekommen
wäre; aber das war es nicht.
Die, welche enthauptet
wurden, waren meistentheils junge Edelleute.
Ich
warf meine Augen davon weg, und ward hinter dem
Tisch in der Ecke eines Throns gewahr, der fast um¬25
gestürzt
war, und daneben einen Mann, der aussah,
als sollte er Reichsvorsteher seyn; er war ungefähr
40 Jahre alt.
Ich zitterte und bebte, indem ich mich
zur Thüre zog, und laut rief: welche ist des Herrn
Stimme, die ich hören soll?
Gott, wann soll dieß ge¬30
schehen
?
Es wurde mir nicht geantwortet. Ich rief
wieder: o Gott, wann soll dieß geschehen?
Aber es
wurde mir nicht geantwortet; allein der junge König
schüttelte mehrmals den Kopf, indem die andern wür¬
digen
Mnäner Männer hart auf ihre Bücher schlugen.
Ich rief 35
wieder, stärker denn zuvor: o Gott, wann soll dies ge¬
schehen
? so sey denn, großer Gott, so gnädig, und sage,
wie man sich dann verhalten soll.
Da antwortete mir
der junge König: nicht soll dieß geschehen in Deiner
Zeit, sondern in der Zeit des sechsten Regenten nach 40
[ 23 ]92
Dir, und er wird seyn von eben dem Alter und Ge¬
stalt
, wie Du mich siehest; und der, welcher hier steht,
offenbart, daß sein Vormund aussehen wird, wie die¬
ser
; und der Thron wird grade in des Vormunds letz¬
ten
Jahren an seinem Fall seyn durch einige junge 45
Edelleute; aber der Vormund, der unter seiner Regie¬
rung
den jungen Herrn verfolgt, wird sich da seiner
Sache annehmen, und sie werden den Thron stärker
befestigen: daß nie zuvor ein so großer König in Schwe¬
den
gewesen, und nie nachher kommen wird, als die¬50
ser
werden wird, und daß das Schwedische Volk in
seiner Zeit glücklich werden wird; und er wird ein
seltnes Alter erreichen; er wird sein Reich ohne Schul¬
den
, und mehrere Millionen in der Schatzkammer hin¬
terlassen
. Aber ehe er sich auf dem Thron befestigen 55
kann, wird es ein großes Blutbad werden, daß das nie
desgleichen im Schwedischen Lande gewesen, und auch
nimmer werden wird.
Gieb Du ihm, als König im
Schwedenlande, Deine guten Vermahnungen. —
Und
als er dieß gesagt, verschwand alles, und allein wir 60
mit unsern Lichtern waren noch da.
Wir gingen mit
dem allergrößten Erstaunen, wie jedermann sich vor¬
stellen
kann, und als wir in das schwarze Zimmer ka¬
men
, war es auch weg, und alles in seiner gewöhnli¬
chen
Ordnung.
Wir gingen da hinauf in meine Zim¬65
mer
, und gleich setzte ich mich, diese folgenden Ver¬
mahnungen
zu schreiben in Briefen, so gut ich konnte.

(Die Vermahnungen liegen versiegelt, werden von Kö¬
nig
zu König erbrochen, gelesen, und versiegelt.)
Und
alles dieses ist wahr.
Dieß bekräftige ich mit meinem 70
leiblichen Eyde, so wahr mir Gott helfen soll.

Karl der Elfte,
heute König in Schweden.

Als auf der Stelle gegenwärtige Zeugen haben
wir alles gesehen, wie Se. Königl. Majestät es auf¬75
gezeichnet
hat, und bekräftigen es mit unserm leibli¬
chen
Eyde, so wahr uns Gott helfen soll.

Karl Bjelke,
Reichsdrost.
U. W. Bjelke,
Reichsrath.
A. Oxenstjerna,
Reichsrath.
Peter Granslén, 80
Vice-Wachtmeister.

93

R. Eylert,

Königlich Preußischer Hofprediger, und Kurmärki¬
scher
Consistorialrath.

Bei den unendlich mannigfachen Strebungen un¬85
sres
vielseitig und fein gebildeten Zeitalters giebt es
unter andern Erscheinungen im Reiche der Geister
auch noch Christen, ernste Christen, die es mit ihrem
Glauben ohne alle Umschreibung treuherzig so halten,
wie es die Bibel als Urquell des Christenthums gebeut.
90
Solche Leute verlangen von Christlichen Predigern ein
Gleiches, weil ihnen sonst alles Vertrauen auf Lehrer
ausgehen müßte, welche evangelische Prediger hießen,
ohne es nach vollster, unbedingtester Ueberzeugung zu
sein.
Der Zweifler, oder der Indifferentist, der un¬95
ser
positives Christenthum nur negativ gelten läßt,
müsse, — meinen die oberwähnten Leute, — schon
nach dem pflichtmäßigen Sinne des ehrlichen Mannes
abtreten, sprechend: „Ihr mögt nicht Unrecht haben,
Ihr Christen, aber überzeugt bin ich nicht, und leh¬100
ren
also kann ich nicht in Euern Kirchen. —
„Also ei¬
nen
Christen, nach dem strengsten Begriffe des Wor¬
tes
, wollen sie zu ihrem Prediger, und das soll er vor
allen andern Dingen voraus unbedingt und uner¬
laßlich
sein.
Sie finden auch wohl öfters solche Män¬105
ner
nach ihrem Herzen, aber weil es des Guten nie
zu viel geben kann, will der Einsender, der selbst zu
jenen Leuten gehört, ihnen den Namen nennen, der
an der Spitze dieses Aufsatzes stehet.
Nicht, als könnte
ein Mann von Eylerts Herz und Geist und der eine 110
solche Stelle bekleidet, in den Preussischen Hauptstäd¬
ten
unbekannt sein, aber es geschieht, weil ihm doch
wohl Einzelne nicht die gebührende Aufmerksamkeit
geschenkt haben möchten, und weil die Abendblätter
ja auch durch die Provinzen des Reiches gehn.
115

Es ist hiemit nichts gemeint, als ein Wink an
solche, die sich in der oben geschilderten Sinnesart
selbst wiederfinden.
Aber das sei noch erlaubt zu be¬
merken
, daß man selten eine so tiefe Durchdringung
der höchsten religiösen Klarheit und der innigsten be¬120
sondersten
Individualität finden wird, als in Eylerts
Predigten.
Er ist es ganz und eigenthümlich selbst,
der spricht, es sind ganz und eigenthümlich die gegebe¬
nen
Zuhörer, zu denen er spricht, aber in hoher gei¬
stiger
Verklärung nähert er diese Einzelnheiten dem 125
Lichte des einzig Wahren und Guten, bis sie darin zu
seligem Frieden geläutert, aufgelös’t und so erst wie¬
94der
für Zeit und Ewigkeit wahr geworden sind. —

Gedruckt sind außer frühern Arbeiten zwei Bände
Predigten, — zu Potsdam in den Jahren 8, 9 und 10 130
gehalten, — von ihm erschienen, und wer sich dem
Einsender durch Wunsch und Sinnesart verwandt
fühlt, wird dringend zu deren Lesung aufgefordert.

Wer aber Eylert selbst hören kann, thut um Vieles
besser.
Er findet diesen Freund des Himmels mit rei¬135
chen
Gaben des Himmels ausgerüstet.
Gestalt, Stim¬
me
, Kraft des Geistes und Ausdrucks erinnert an
Luther, Weichheit und Milde des Gemüthes an den
Jünger, welchen Jesus lieb hatte.

Daß aber ein solcher Mann auf dem Posten steht, 140
wo er steht, muß das Herz jedwedes frommen Preus¬
sen
mit inniger Freude und mit erneuerter Liebe ge¬
gen
seinen guten König erfüllen.

d. l. M. F.

Kriegsregel.145

Ein alter ausgedienter Kriegsknecht sagte zu seinem Sohne:
Höre Fritz, du bist nun auch ein Reiter geworden, wie ich war, und
übermorgen marschiert die Schwadron gegen den Feind.
Da will ich
dir was sagen.
Wenn wir sonst einhauen sollten, pflegte unser Ritt¬
meister
zu sprechen: „haut die Hunde zusammen, daß sie die Schwe¬150
renoth
kriegen!“ —
Der Herr Wachtmeister rief auch wohl: „Drauf!
In’s Teufel Namen!“ —
Ich habe mir aber nie was Sonderliches
dabei denken können.
Meine Manier war die, daß ich den Pallasch
recht fest faßte, und ganz stille aber recht inbrünstig zu mir sagte:
„nun mit Gott.“ —
Ich wollte, du thätest das auch; es haut sich 155
ganz prächtig darnach.

Miscellen.

Französische Blätter enthielten schon längst, und russische Briefe
(S. Liste der Börsenh.) bestätigen die Nachricht, daß der Gr. Gottorp
sich in Riga eingeschifft habe.
160

Hr. P. Schmid, aus Stettin, der Mahler des trefflichen Vieh¬
stücks
nach Potter, das kürzlich zur Ausstellung gebracht worden ist,
auch als Schriftsteller (Anleitung zur Zeichenkunst, Leipzig, bei Feind,
1809,) rühmlich bekannt, befindet sich, seit einiger Zeit in Berlin.

Se. Königl. Hoheit der Kronprinz von Schweden sind in Ko¬165
penhagen
eingetroffen.

In Riga hat man, durch einen Kourier, die Nachricht erhalten,
daß die Festungen Rutschuck Ruschtschuck
und Giurgewo sich den siegreichen Rus¬
sischen
Waffen unterworfen haben.

Polizeiliche Tages-Mittheilungen.170

Beim Nachmessen des Torfs fehlten einem hiesigen Bürger am
½ Haufen 11½ Kiepen.

Zweien Bäckern ist für resp. 6 und 4 Gr. verbackenes Brod
zerschnitten; und dem einen von ihnen überdies für 12 Gr. Brod,
woran 1 Pfd. 6 Lth. fehlten, konfiszirt.
175

Das Gesicht Karls XI. König von Schweden. (Beschluß.); R. Eylert, Königlich Preußischer Hofprediger, und Kurmärkischer Consistorialrath.; Kriegsregel.; Miscellen.; Polizeiliche Tages-Mittheilungen. [26.10.1810];

https://archive.org/details/BerlinerAbendbltter1810-11/page/n98

Quellenangaben für Zitation
https://kleist-digital.de/berliner-abendblaetter/1810-23, [ggf. Angabe von Zeile/Vers oder Seite], 18.05.2025

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Stellenkommentar

35schlugen.Punkt nach ›schlugen‹ im Druck nicht erkennbar, vorhandenes Spatium spricht aber für Vorhandensein in der Druckform.

41Zeit des sechsten Regenten nach [ 23 ]Dir,Der sechste Regent nach Karl XI. war Gustav IV. Adolf, dessen Regentschaft 1809 durch schwedische Adlige gewaltsam beendet wurde. Gustav IV. Adolf galt in Kreisen des antinapoleonischen Widerstands lange Zeit als Hoffnungsträger, so auch bei Kleist. (Vgl. auch Nachrichten über Graf Gottorp in den BA.)

168 Rutschuck Die türkische Festung heißt Ruschtschuk und ist auch in der von Kleist benutzten Quelle (Privilegirte Liste der Börsen-Halle) so benannt.

 Emendationen (insges. 3)
  • 35MnänerMänner
  • 56daßdas
  • 168RutschuckRuschtschuck

Textkonstitution

Textwiedergabe nach:
Kleist, Heinrich von (Hrsg.): Berliner Abendblätter. 23tes Blatt. Den 26ten October 1810. Berlin: J. E. Hitzig, 26.10.1810.

Faksimiledruck in: BA-Reprint:1925 S. 91–94

Angaben zu den einzelnen Artikeln

Das Gesicht Karls XI. König von Schweden. (Beschluß.)

Zur Autorschaft: Ernst Moritz Arndt

Siehe Anm. im vorh. Blatt 22.

Pagina Erstdruck Berliner Abendblätter: S. 91f

Pagina Kleist-Editionen: [BKA] II/7 118f

R. Eylert, Königlich Preußischer Hofprediger, und Kurmärkischer Consistorialrath.

Zur Autorschaft: Autor-Zn: d. l. M. F. [= Friedrich Baron de la Motte Fouqué]

Pagina Erstdruck Berliner Abendblätter: S. 93f

Pagina Kleist-Editionen: [BKA] II/7 120–122

Kriegsregel.

Zur Autorschaft: Friedrich Baron de la Motte Fouqué

Der Text ist unverändert in Fouqués ›Gefühle, Bilder und Ansichten. Sammlung kleiner prosaischer Schriften. Erstes Bändchen‹ [Leipzig, 1819; S. 32] aufgenommen worden. Steig weist auf diese Ausgabe hin, glaubt aber trotzdem, daß Kleist dem Text ›erst die runde, straffe Form gegeben‹ habe. [Steig:1901; S. 373]

Pagina Erstdruck Berliner Abendblätter: S. 94

Pagina Kleist-Editionen: [BKA] II/7 122

Miscellen.

Zur Autorschaft: Heinrich von Kleist

Die Miszelle zu P. Schmid ist von Kleist (erstmalig durch Minde-Pouet [MP:1936; Bd. 7, S. 144] zugeordnet), die anderen Miszellen sind redigierte Nachrichten aus der ›Privilegirte Liste der Börsen-Halle‹ vom 13. bzw. 23. Oktober 1810.

Pagina Erstdruck Berliner Abendblätter: S. 94

Pagina Kleist-Editionen: [BKA] II/7 122 [MA] II 378 [Miscelle zu P. Schmid] [DKV] III 585 [Miscelle zu P. Schmid] [SE:1993] II 419 [Miscelle zu P. Schmid]

Polizeiliche Tages-Mittheilungen. [26.10.1810]

Zur Autorschaft: Heinrich von Kleist

Von Kleist redigierte Texte aus den Polizei-Rapporten vom 26. Oktober 1810. (Vgl. BKB 11, hier S. 106)

Pagina Erstdruck Berliner Abendblätter: S. 94

Pagina Kleist-Editionen: [BKA] II/7 122

 Erwähnte Personen
  • []Gustav IV. Adolf, König von Schweden (2)
WERKE
  • Dramen
  • Erzählungen
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