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Berliner Abendblätter.
20tes Blatt. Den 23ten October 1810.
Christian Jacob Kraus.
(Fortsetzung.)
Wenn wir das Gefühl der Leser in Anspruch nehmen wollten, so könnten wir eine recht grelle Parallele des vorigen und jetzigen Zustandes der Preuß. Domainen-Bauern ziehen.
Den Wohlstand und die Selbstständigkeit des Landmanns und der arbeitenden Classe überhaupt zu gründen, das hielt Kraus für die Wesentlichste aller staatswirthschaftlichen Operationen. Ueber diesen Gegenstand, der diesen etwas langsamen und unfruchtbaren Kopf immer zur Begeisterung hinriß, mußte man ihn sprechen hören, um von Achtung und Liebe nicht sowohl für den Staatswirth als für den herrlichen reinen Menschen erfüllt zu werden. Wohlhabende, selbstständige Menschen wollte er schaffen, und dadurch seinem Vaterlande, das er mit der ganzen Kraft einer männlichen Seele liebte, allmählig eine sichere Existenz unter seinen drei kolossalen Nachbarn vorbereiten.
Er wußte so gut als diejenigen, die es vornehm bedauern, gegen diesen Mann sprechen zu müssen, daß es etwas höheres giebt, als Wohlstand; aber er wußte auch, daß Wohlstand dessen nothwendige Bedingung ist; daß dieses Höhere nur aus dessen allgemeinster Verbreitung hervorgehen kann; daß außer dem Wohlstande, bürgerliche Freiheit und Gerechtigkeit das Einzige ist, was die Gesellschaft ihren Mitgliedern zu gewähren vermag; daß dieses Höhere kein Vorwurf der Regierung und Landesverwaltung sein kann und soll, sondern einer höheren Macht, mag man sie Natur oder Gottheit nennen, die sich in ihre Operationen nicht eingreifen läßt. Wir sind nun einmal so unmodern, ein Verdienst darin zu finden, Menschen glücklich zu machen, d. h. um allen Mißdeutungen vorzubeugen, ihnen bürgerliche Freiheit als Bedingung des Wohlstandes und des Glücks zu gewähren; und zu glauben, daß ein solches Verdienst Ehrensäulen und Monumente verdient, wie Preußen seinem Kraus bei ruhigeren Zeiten gewiß setzen wird. Wir sind so altväterisch dieses Verdienst unendlich er80habener zu finden, als die höchste Genialität zur Vertheidigung von Gräueln der Vorwelt gemißbraucht. Dieser völlig unproduktive Kopf hat Menschenglück producirt. Er hat Veranlassung gegeben, dem Vaterlande eine Menge wohlhabender selbstständiger, ihm ergebener Familien zu gewinnen, die einzige Guarantie für die Dauer der äußeren und inneren Sicherheit eines Staates. Daraus mag sich der Herr Verfasser die Schlußfrage: wie Kraus zu diesen [emendiert in ›diesem‹] Ruf und zur Achtung seiner Zeitgenossen gelangt ist, selbst beantworten. Der Hauptzweck seines Aufsatzes scheint zu sein: den Krausschen Schriften gleichsam eine Warnungstafel anzuhängen, und der Jugend ihren vorsichtigen Gebrauch anzurathen. Er besorgt Unheil aus der Anwendung der Krausschen Lehre, und unheilbaren Zwiespalt zwischen den Gerichtshöfen und der Administration; oder stellt sich wenigstens so. Sogar von dem Krausschen Buchstaben fürchtet er Unheil für die Gesetzgebung unseres Vaterlandes. Darüber kann sich der Hr. V. völlig beruhigen; denn der Buchstab ist bloß in seiner Fantasie. Wo tritt denn der Buchstab in Adam Smith oder Kraus auf? Beide protestiren auf jeder Seite gegen den todten Buchstaben, kämpfen überall gegen Pennalismus und Schlendrianismus; verlangen überall Selbstprüfung und die freieste Thätigkeit des Geistes. Oder — was meint der Herr Verfasser mit dem Buchstaben?
(Beschluß folgt.)
Zuschrift eines Predigers an den Herausgeber der Berliner Abendblätter.
Mein Herr, Der Erfinder der neuesten Quinen-Lotterie hat die aufgeklärte Absicht gehabt, die aberwitzige Traumdeuterei, zu welcher, [liest ›welcher‹] [liest ›welcher‹] in der Zahlen-Lotterie, die Freiheit, die Nummern nach eigner Willkühr zu wählen, Veranlassung gab, durch bestimmte und feststehende Loose, die die Direction ausschreibt, niederzuschlagen.
Mit Bedauern aber machen wir die Erfahrung, daß diese Absicht nur auf sehr unvollkommene Weise erreicht wird, indem der Aberglauben, auf einem Gebiet, auf dem man ihn gar nicht erwartet hatte, wieder zum Vorschein kommt.
Es ist wahr, die Leute träumen jetzt keine Nummern mehr; aber sie träumen die Namen der Collecteurs, bei denen man setzen kann. Die gleichgültigsten Veranlassungen nehmen sie, in einer Verkettung von Gedanken, zu welchen kein Mensch die Mittelglieder 81 errathen würde, für geheimnißvolle Winke der Vorsehung an. Verwichenen Sonntag nannte ich den David, auf der Kanzel, einen gottgefälligen Mann; nicht den Collecteur dieses Orts, wie Dieselben leicht denken können, sondern den israëlitischen [liest ›israelitischen‹] König, den bekannten Sänger der frommen Psalmen. Tags darauf ließ mir der Collecteur, durch einen Freund, für meine Predigt, scherzhafter Weise danken, indem alle Quinenloose, wie er mir versicherte, bei ihm vergriffen worden waren.
Ich bitte Sie, mein Herr, diesen Vorfall zur Kenntniß des Publicums zu bringen, und durch Ihr Blatt, wenn es möglich ist, den Entwurf einer anderweitigen Lotterie zu veranlassen, die den Aberglauben auf eine bestimmtere und so unbedingte Weise, als es der Wunsch aller Freunde der Menschheit ist, ausschließe.
F... d. 15. Okt. 1810.
F...
Nachricht an den Einsender obigen Briefes.
Geschäfte von bedeutender Wichtigkeit halten uns ab, selbst an den Entwurf einer solchen Lotterie zu denken.
Inzwischen wollen wir, zu Erreichung dieses Zwecks, soviel in unsern Kräften steht, von Herzen gern beförderlich sein.
Wir setzen demnach einen Preis von 50 Rthlr. auf die Erfindung einer solchen Lotterie.
Die Mathematiker, die sich darum bewerben wollen, haben ihre Entwürfe mit Divisen versehen, an uns einzusenden.
Berlin, d. 22. Oct. 1810.
Die Redaction der Abendblätter.
Anekdote.
Als (William) Shakespear einst der Vorstellung seines Richard des III. beiwohnte, sah er einen Schauspieler sehr eifrig und zärtlich mit einem jungen reizenden Frauenzimmer sprechen. Er näherte sich unvermerkt, und hörte das Mädchen sagen: um 10 Uhr poche dreimal an die Thür, ich werde fragen: wer ist da? und du mußt antworten: Richard der III. —. Shakespear, der die Weiber sehr liebte, stellte sich eine Viertelstunde früher ein, und gab beides, das verabredete Zeichen und die Antwort, ward eingelassen, und war, als erkannt wurde, glücklich genug, den Zorn der Betrogenen zu besänftigen. Zur bestimmten Zeit fand sich der wahre Liebhaber ein. Shakespear öffnete das Fenster und fragte leise: wer ist da? — Richard der III., war die Antwort. — Richard, erwiederte Shakespear, kommt zu spät; Wilhelm der Eroberer hat die Festung schon besetzt. —
Miscellen.
Sr. Königl. Hoheit der Kronprinz von Schweden sind mit ihrem Gefolge durch eine doppelte Linie von 500 Engl. Segeln, die im Norden und Süden des Belts lagen, glücklich, und ohne den mindesten Unfall von Nyborg zu Corsöer auf Seeland eingetroffen.
Nach den neuesten Nachrichten ist es nunmehr bestimmt, daß nicht Wittenberg, sondern Torgau eine sächsische Festung werden soll.
Sr. Maj. der König von Neapel hat nach einem zu Scylla erschienenen Tagesbefehl die Expedition auf Sizilien verschoben, und mit der Armee die Winterquartiere bezogen.
Polizeiliche Tages-Mittheilungen.
Einem hiesigen Kaufmann sind von seinem Reisewagen durch Aufschneidung des Hinterverdecks mehrere Handlungs-Artikel an Kattun, Materialwaaren ⁊c. entwendet.
Bei der in der Nacht vom 19ten zum 20ten d. M. zwischen 1 und 5 Uhr vorgenommenen General-Visitation der hiesigen Residenz und des äußern Polizei-Bezirks, sind, wegen nächtlichen Herumtreibens und mangelnder Legitimation 11 Mannspersonen und 4 Frauenzimmer gefänglich eingezogen worden. Unter ihnen befand sich ein berüchtigter Betrüger und Dieb, welcher sich erst vor Kurzem der Entwendung eines Koffers mit Sachen, 100 Thlr. an Werth, schuldig gemacht hatte.
Auf dem Spittelmarkt ist eine abgenutzte Metze zerschlagen.
Ebendaselbst ist einem Bauer ein ordnungswidriges Gemäß zerschlagen worden.
Interessante Schriften, welche in der Buchhandlung von J. E. Hitzig zu haben sind.
Musikalien.
Es kann doch schon immer so bleiben, als Antwort auf das Lied: Es kann schon nicht immer so bleiben; in Musik gesetzt von C. F. H. Schmidt. 4 Gr.